Sicherungsabtretung des Ausgleichsanspruches

Rechtstipp Ausgleichsanspruch, Handelsvertreterrecht

Kann der bei Vertragsbeendigung entstehende Ausgleichsanspruch schon vor Vertragsende zur Sicherung von Forderungen an den Unternehmer abgetreten werden?

I. Problemstellung
In der Praxis geschieht es häufig, dass ein Unternehmer einem Handelsvertreter Darlehen oder Provisionsvorschüsse gewährt bzw. ihn auf sonstige Weise finanziell unterstützt. Werden diese Verbindlichkeiten nicht zeitnah wieder abgetragen, summieren sich die offenen Forderungen des Unternehmers gegen den Handelsvertreter schnell auf erhebliche Beträge.

Leider wird dieser Umstand von Unternehmen häufig erst dann richtig zur Kenntnis genommen, wenn das Handelsvertretervertragsverhältnis endet. Damit entfällt die Möglichkeit, Tilgungsleistungen durch Verrechnung mit laufenden Provisionszahlungen zu erwirken. Ist der Handelsvertreter auch bei Drittgläubigern hoch verschuldet, waren diese bei der Sicherung ihrer Forderungen durch übliche Sicherungsmittel – Bürgschaft, Grundschuld, Hypothek – meist schneller. Für den Unternehmer besteht dann die Gefahr, dass er mit seinen Forderungen komplett oder doch zum größten Teil ausfällt.

Unternehmer sollten daher rechtzeitig dafür sorgen, dass die Rückzahlung von längerfristig gewährten Darlehen durch Einräumung entsprechender Sicherheiten abgesichert wird. Das Vertrauen darauf, dass der Handelsvertreter noch lange Jahre für den Unternehmer tätig sein wird, ist oftmals unbegründet. Jede Vertragspartei kann den Handelsvertretervertrag jederzeit ordentlich kündigen. Sofern keine längeren Kündigungsfristen vertraglich vereinbart sind, beträgt die längste Kündigungsfrist nach dem Gesetz sechs Monate. Hinzu kommt, dass im Falle des Vorliegens eines wichtigen Grundes das Vertragsverhältnis auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden kann.

Sicherungsmittel für die Rückzahlung einer Darlehensschuld kann grundsätzlich auch die so genannte Sicherungsabtretung eines Anspruchs gegen einen Dritten sein. Hat der Handels-vertreter einen Anspruch gegen einen Dritten, kann er diesen Anspruch an den Unternehmer abtreten. Der Unternehmer verwertet diese Sicherheit – fordert also von dem Dritten die Leistung –, wenn er von dem Handelsvertreter das Geschuldete – also die Rückzahlung des Darlehens – nicht erhält.

Fraglich ist aber, ob auch der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gemäß § 89 b HGB zur Sicherung von offenen Forderungen an den Unternehmer abgetreten werden kann. Hier stellen sich im Wesentlichen zwei Fragen:

  • Wie werthaltig ist der Ausgleichsanspruch?
  • Verstößt die Abtretung des Ausgleichsanspruchs gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB, nach dem der Ausgleichsanspruch vor Vertragsende nicht ausgeschlossen werden kann?

II. Werthaltigkeit des Ausgleichsanspruchs als Sicherheit
Um die Antwort auf die erste Frage vorwegzunehmen: Der Ausgleichsanspruch ist immer eine sehr riskante „Sicherheit“. Er entsteht beispielsweise schon dem Grunde nach nicht, wenn

  • der Handelsvertreter den Handelsvertretervertrag ohne begründeten Anlass selbst kündigt oder
  • der Kündigung des Vertrages durch den Unternehmer ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters zugrunde lag.

Des Weiteren ist zu beachten, dass ein Ausgleichsanspruch der Höhe nach nur unter den in § 89 b Abs. 1 HGB genannten Voraussetzungen entsteht. Auch nach langjähriger Tätigkeit kann ein Handelsvertreter also keineswegs „automatisch“ einen Ausgleich im Umfang einer Jahresdurchschnittsprovision, berechnet aus den letzten fünf Jahren, beanspruchen. Gibt es beispielsweise in der jeweiligen Branche keine Stammkunden, die in einem absehbaren Zeitraum wiederholt Geschäfte abschließen, fehlt es an einem Kundenstamm, aus dem der Unternehmer auch nach Vertragsende noch Vorteile ziehen kann. Folge ist, dass kein Ausgleichsanspruch besteht.

Der Ausgleichsanspruch sollte mithin immer „letzte Wahl“ sein, wenn mehrere Möglichkeiten bestehen, die Rückzahlung eines gewährten Darlehens zu sichern.

III. Verstoß gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB
Auch künftig erst entstehende Forderungen können abgetreten werden (Palandt/Heinrichs, § 398 Rn. 11 m.w.N.).

In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist darüber hinaus anerkannt, dass der Ausgleichsanspruch schon vor Vertragsende vom Handelsvertreter an Dritte abgetreten werden kann (Küstner/Thume, Hdb. des gesamten Außendienstrechts, Band II, Rn. 1612, 1664 m.w.N.).

Fraglich ist aber, ob dies auch bei Abtretung des Ausgleichsanspruchs an den Unternehmer gilt. Einer wirksamen Abtretung könnte im Verhältnis Handelsvertreter-Unternehmer die zwingende Vorschrift des § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB entgegenstehen. Danach kann der Ausgleichsanspruch im Voraus nicht ausgeschlossen werden.

Die Rechtsprechung legt diese Norm anhand ihres Schutzzwecks aus. Der Vertreter soll vor der Gefahr bewahrt werden, sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem vertretenen Unternehmen auf ihn benachteiligende Abreden einzulassen (Küstner/Thume, a.a.O., Rn. 1585 m.w.N.). Dementsprechend hält die Rechtsprechung alle vertraglichen Abreden vor Ende des Handelsvertretervertrages für unwirksam, die den Ausgleichsanspruch ausschließen oder beschränken.

1. „Konfusion“
Eine Abtretung des Ausgleichsanspruchs an den Unternehmer könnte den Ausgleichsanspruch schon deshalb beschränken oder ausschließen, weil die Vereinigung von Schuldner- und Gläubigerstellung in einer Person grundsätzlich dazu führt, dass das Schuldverhältnis erlischt (sog. Konfusion, vgl. Palandt/Heinrichs, Überbl. v. § 362 Rn. 4 m.w.N.). Das würde hier dazu führen, dass der Ausgleichsanspruch, sobald er bei Vertragsende entsteht, wegen der Abtretung auf das Unternehmen übergeht und dort sogleich wieder erlischt, da der Unternehmer in diesem Fall Schuldner und Gläubiger des Anspruchs wäre. Damit läge ein Verstoß gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB auf der Hand: Der Unternehmer könnte sich der Pflicht zur Zahlung eines Ausgleichs komplett entziehen, ohne dafür bei formaler Betrachtungsweise eine „Gegenleistung“ zu erbringen.

Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung erkennt jedoch an, dass der übergegangene Anspruch trotz Identität von Gläubiger- und Schuldnerstellung dann nicht erlischt, wenn die besondere Interessenlage der Parteien dies gebietet (BGH, Urt. v. 14.06.1995 – IV ZR 212/94, NJW 1995, 2287). Insbesondere bei einer Sicherungsabtretung hat das OLG Düsseldorf in seinem Urt. v. 09.02.1999 – 4 U 38/98, NJW-RR 1999, 1406 bereits entschieden, dass die Interessenlage, wie sie sich aus der zugrunde liegenden Sicherungsabrede ergibt, einem Erlöschen der Schuld entgegensteht.
Folgt man dieser Rechtsprechung, lässt die Sicherungsabtretung des Ausgleichsanspruchs an den Unternehmer den Umfang des Ausgleichsanspruchs grundsätzlich unberührt. Eine Beschränkung des Umfangs des Ausgleichsanspruchs vor Vertragsende wäre mithin zu ver-neinen.

2. Beschränkung der Anspruchsinhaberschaft
Fraglich ist darüber hinaus, ob § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB nicht auch die Beschränkung der Anspruchsinhaberschaft vor Vertragsende – jedenfalls im Verhältnis Handelsvertreter-Unternehmer – verbietet. Die Sicherungsabtretung führt dazu, dass der Ausgleichsanspruch „in die Hände“ des Unternehmers gelangt. Nur wenn die Sicherheit nicht mehr benötigt wird, hat der Handelsvertreter einen schuldrechtlichen Anspruch aus der Sicherungsabrede auf Rückabtretung des Ausgleichsanspruchs.

Interpretiert man den bereits oben (III.1) erwähnten Schutzgedanken des § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB weit, könnte allein der (zeitweise) Wegfall der Anspruchsinhaberschaft dazu führen, dass ein Gericht einen Verstoß gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB annimmt. Dem Handelsvertreter ist es nach Sicherungsabtretung und vor Rückübertragung beispielsweise unmöglich, erneut wirksam über die Forderung zu verfügen. Dem Handelsvertreter ist es mithin verwehrt, den Ausgleichsanspruch zur Sicherheit für anderweitige Forderungen an Dritte abzutreten. Diese – seitens des Unternehmers durchaus erwünschte und beabsichtigte Folge – könnte eine für den Handelsvertreter negative Beschränkung seines Ausgleichsan-spruchs vor Vertragsende darstellen.

Dagegen ließe sich allerdings argumentieren, dass die Sicherungsabtretung den Umfang des Ausgleichsanspruchs selbst unberührt lässt. Sie sichert nur den Status, der sich bei Ver-tragsende sowieso ergeben würde. Stehen sich dann aufrechenbare, fällige Forderungen des Handelsvertreters (Ausgleichsanspruch) und des Unternehmers (Darlehensrückzahlung) gegenüber, ist der Unternehmer berechtigt, in den Grenzen der §§ 394 BGB, 850 i ZPO auch mit dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters die Aufrechnung zu erklären.

Dem ließe sich aber wiederum entgegenhalten, dass die vor Vertragsschluss getroffene Si-cherungsabrede theoretisch dazu führen kann, dass dem Handelsvertreter auch nach Vertragsende der Ausgleichsanspruch vorenthalten bleibt. Das ist dann der Fall, wenn der Ausgleichsanspruch nach der Sicherungsabrede auch zur Sicherung von bei Vertragsende noch nicht fälligen Forderungen dient (Bsp.: Darlehen, das nicht zum Vertragsende komplett fällig gestellt wird / werden kann). Gäbe es die Sicherungsabrede und -abtretung nicht, könnte der Handelsvertreter seinen Ausgleich sofort verlangen, da mit noch nicht fälligen Forderungen des Unternehmers keine Aufrechnung erklärt werden kann, § 387 BGB.

Daraus ließe sich weitergehend der Nachteil konstruieren, dass der Handelsvertreter das Insolvenzrisiko des Unternehmens aufgrund der Sicherungsabrede möglicherweise länger trägt als bis zum gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt (Vertragsende).

Andererseits hat das OLG Oldenburg in einem Urteil vom 12.10.1972 – 1 U 57/72, BB 1973, 1281 entschieden, dass die vertragliche Vereinbarung einer Fälligkeit des Ausgleichsan-spruchs in drei Jahresraten nicht gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB verstößt, obwohl insoweit das gleiche Problem (Verlängerung des Insolvenzrisikos) im Raum stand.

IV. Zusammenfassung
Der Ausgleichsanspruch ist ein sehr „unsicheres Sicherungsmittel“. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, ob eine Sicherungsabtretung des Ausgleichsanspruchs gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB verstößt. Sollten sich die Vertragsparteien gleichwohl dafür entscheiden, den Ausgleichsanspruch sicherungshalber an das Unternehmen abzutreten, sollte in einer Präambel der entsprechenden Vereinbarung die Interessenlage, die zu der Abtretung geführt hat, möglichst konkret beschrieben werden. Das gibt einem Gericht im Streitfall Argumente für die Zulässigkeit der Sicherungsabtretung an die Hand.