Kundendaten nach Vertragsende: Was Handels- und Versicherungsvertreter beachten müssen
Rechtstipp Versicherungsvertreterrecht, Wettbewerbsverbot und KonkurrenzverbotFür viele Handels- und Versicherungsvertreter stellt sich nach dem Ende eines Vertragsverhältnisses eine zentrale Frage:
Darf ich weiterhin mit meinen früheren Kunden arbeiten? Und darf ich dabei auf die mir bekannten Daten zurückgreifen?
Unabhängig von der Frage, ob der Kunde überhaupt angerufen werden darf (§ 7 UWG), ist die Antwort nicht pauschal mit Ja oder Nein zu beantworten – denn gerade bei der Nutzung von Kundendaten nach Vertragsende gelten strenge gesetzliche Vorgaben, die oft unterschätzt werden.
Kundendaten nach Vertragsende – ein juristisches Spannungsfeld
Grundsätzlich ist es Handelsvertretern (§ 84 HGB) auch nach dem Ende ihres Vertrags erlaubt, weiterhin in der gleichen Branche tätig zu sein – sofern kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart wurde.
Doch auch ohne ein solches Verbot bestehen klare rechtliche Grenzen, wenn es um den Umgang mit alten Kundendaten geht. Der Zugriff auf sensible Informationen aus der vorangegangenen Tätigkeit kann unter bestimmten Umständen sogar einen Rechtsverstoß mit erheblichen Konsequenzen darstellen.
Kundenstamm ist Unternehmensvermögen – nicht Eigentum des Vertreters
Ein weitverbreiteter Irrtum unter Handels- und Versicherungsvertretern:
„Ich habe die Kunden selbst betreut – also kann ich sie auch weiter nutzen.“
Diese Annahme ist juristisch nicht haltbar. Die Geschäftsbeziehung besteht stets zwischen dem Kunden und dem Unternehmen, nicht mit dem Vertreter. Der Handelsvertreter agiert lediglich im Namen und Auftrag des Unternehmers. Die im Rahmen dieser Tätigkeit erhobenen Daten gehören deshalb zum Geschäfts- und Betriebsvermögen des Prinzipals.
Entsprechend dürfen diese Informationen nicht ohne Weiteres nach dem Vertragsende verwendet oder gar übernommen werden.
Rechtliche Grenzen der Datennutzung nach Vertragsende
Nach § 90 HGB ist der Handelsvertreter verpflichtet, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse auch über das Vertragsende hinaus zu wahren. Zu diesen geschützten Daten gehören regelmäßig:
- Kundenlisten
- Bestands- und Vertragsdaten
- Umsatz- und Provisionsinformationen
- Gesprächsvermerke
- individuelle Preis- oder Rabattvereinbarungen
Die unerlaubte Nutzung dieser Kundendaten nach Vertragsende stellt nicht nur einen Verstoß gegen § 90 HGB dar, sondern kann auch gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG), die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen.
Mögliche rechtliche Konsequenzen bei Verstößen
Wird einem Vertreter die unrechtmäßige Nutzung vertraulicher Kundendaten nachgewiesen, drohen ihm unter anderem:
- Einstweilige Verfügungen zur sofortigen Unterlassung
- Auskunfts- und Herausgabeansprüche
- Schadensersatzforderungen durch den ehemaligen Unternehmer
- Rufschädigung und Vertrauensverlust im Markt
Je nach Einzelfall können auch datenschutzrechtliche Aspekte (insbesondere DSGVO-Verstöße) relevant werden.
Wann dürfen Kundendaten nach Vertragsende verwendet werden?
Trotz der engen Grenzen existieren rechtlich zulässige Ausnahmen:
1. Gedächtniswissen:
Erinnert sich der Vertreter aus eigener Erfahrung an Namen, Branchen oder generelle Interessen früherer Kunden, darf er diese Informationen verwenden. Die Voraussetzung: Keine gespeicherten oder schriftlich fixierten Datenquellen dürfen genutzt werden.
2. Öffentlich zugängliche Daten:
Kontaktdaten, die aus Branchenverzeichnissen, Websites, Messen oder anderen öffentlichen Quellen stammen, dürfen verwendet werden – sofern es sich nicht um private Endverbraucher handelt.
Beispiel: Ein gewerblicher Kunde aus dem „Weinbauverzeichnis“ darf kontaktiert werden. Die Privatadresse eines Weinkunden aus einem früheren CRM-System hingegen nicht.
Praxistipp: Dokumentation schafft Rechtssicherheit
Um im Fall einer rechtlichen Auseinandersetzung auf der sicheren Seite zu stehen, sollten Handels- und Versicherungsvertreter alle Kundenkontakte gründlich dokumentieren:
- Wie und wann wurde der Kunde kontaktiert?
- Woher stammen die Kontaktdaten?
- Wurden Daten aktiv vom Kunden übermittelt?
Gerade für Versicherungsvertreter ist entscheidend, dass Bestandsdaten nur dann verwendet werden dürfen, wenn sie dem Vertreter nach Vertragsende erneut direkt vom Kunden mitgeteilt wurden.
Fazit: Vorsicht bei der Nutzung von Kundendaten nach Vertragsende
Die Nutzung von Kundendaten nach Vertragsende ist ein sensibles Thema – mit erheblichen rechtlichen Risiken bei unsachgemäßer Handhabung.
Wer als Handels- oder Versicherungsvertreter hier nicht klar zwischen zulässiger Nutzung und unzulässiger Datenverwertung unterscheidet, riskiert nicht nur juristische Konsequenzen, sondern auch geschäftliche Rückschläge.
Faustregel:
✔️ Gedächtniswissen und öffentlich zugängliche Informationen sind erlaubt.
❌ Alles andere darf nur mit Zustimmung des früheren Unternehmens verwendet werden.