Benachrichtigungsschein ersetzt nicht den Zugang eines Einschreibens

9 UF 177/04 Urteil verkündet am 3. November 2004 OLG Brandenburg Handelsvertreterrecht

Oberlandesgericht Brandenburg
Im Namen des Volkes
Urteil

Tatbestand

Die am 24.10.1987 geborene minderjährige Klägerin ist die Tochter des Beklagten. Die Ehe des Beklagten mit der Mutter der Klägerin, welche diese gesetzlich vertritt, ist seit Februar 2004 rechtskräftig geschieden. Mit per Einschreiben übersandtem Schreiben vom 23.11.2001, über dessen Zugang die Parteien streiten, hat die Klägerin den Beklagten zur Zahlung eines Kindesunterhalts in Höhe von 523,– DM ab November 2001 aufgefordert; insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Beklagte das für ihn bei der Poststelle hinterlegte Schreiben nicht abgeholt und dieses daraufhin an die Klägerin zurückgesandt worden ist. Die Klägerin hat behauptet, das Schreiben vom 23.11.2001 sowohl per einfachen Brief als auch per Einschreiben dem Beklagten übersandt zu haben. Sie vertritt die Auffassung, dadurch sei ein Zugang dieses Schreibens beim Beklagten erfolgt, weshalb sich der Beklagte seit dieser Zeit in Verzug mit den Unterhaltsansprüchen befunden habe.

Das AG – FamG – hat die Unterhaltsklage für den Zeitraum von November 2001 bis Mai 2002 wegen fehlenden Verzugs abgewiesen. Die Klägerin will insoweit Berufung einlegen. Der Senat hat den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

II. Die begehrte Prozesskostenhilfe war zu versagen, da die Voraussetzungen der §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO nicht vorliegen. Es fehlt an den Erfolgsaussichten für die Durchführung der Berufung.

Da die Klägerin insoweit rückständigen Unterhalt geltend macht, kommt es allein noch auf die Frage an, inwieweit sich der Beklagte mit der Zahlung der Unterhaltsrückstände in Verzug befand. Dabei hat das AG im Ergebnis zutreffend eine ausreichende Darlegung des Verzugseintritts durch die Klägerin verneint.

1. Gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit nur dann gefordert werden, sofern der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs zur Auskunftserteilung aufgefordert worden ist, sofern er in Verzug gekommen oder sofern der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. In Betracht kommt für die Zeit ab November 2001 allein die Möglichkeit der Inverzugsetzung des Beklagten auf Grund des klägerischen Schreibens vom 23.11.2001, welches bei einem Zugang beim Beklagten in November 2001 gem. § 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB Rückwirkung auf den 01.11.2001 entfalten würde.

Nach § 284 Abs. 1 BGB a.F. (wie auch gem. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.) setzt Verzug die schuldhafte Nichtleistung des Schuldners trotz Fälligkeit der Forderung und Mahnung des Gläubigers voraus. Die Mahnung ist eine geschäftsähnliche Handlung, die den allgemeinen Regelungen über die Willenserklärung unterfällt (BGHZ 47, 352, 357 = NJW 67, 1800 = LM § 131 BGB Nr. 1). Die Mahnung, bei der es sich um die ernstliche und endgültige Aufforderung an den Schuldner zur Zahlung der Leistung handelt (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. [2004], § 286 Rdnr. 16), benötigt zum Wirksamwerden daher den Zugang beim Empfänger (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zugegangen ist eine Willenserklärung dann, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen (BGHZ 67, 271, 275 = NJW 77, 194 = LM § 132 BGB Nr. 3). Willenserklärungen, die per Brief übermittelt werden, gehen dem Empfänger mit der Aushändigung des Briefs zu, wobei der Einwurf in den eigenen Briefkasten regelmäßig genügt.

2. Diesen Grundsätzen folgend ist dem Beklagten ein Schreiben vom 23.11.2001 nicht zugegangen.

a) Soweit die Klägerin erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2004 behauptet hat, das Schreiben vom 23.11.2001 (auch) per einfachem Brief dem Beklagten übersandt zu haben, mag dahinstehen, ob Bedenken an der Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags nicht bereits daraus herrühren, dass ein solcher Vortrag, der erkennbar von wesentlicher Bedeutung für den Rechtsstreit war, von der Klägerin bereits zuvor hätte vorgebracht werden müssen. Zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin kann jedenfalls auf Grund des Bestreitens des Beklagten nicht von einem Zugang dieses Schreibens ausgegangen werden. Die Beweislast für den ordnungsgemäßen Zugang trägt derjenige, der sich auf den Zugang beruft.

Unabhängig von der mangelnden Substantiierung ihres Vorbringens hat die Klägerin für ihre Zugangsbehauptung aber keinen Beweis angeboten.

b) Aber auch hinsichtlich des per Einschreiben übersandten Schreibens vom 23.11.2001 kann zu Lasten der Klägerin ein Zugang nicht festgestellt werden. Da dem Beklagten dieses Schreiben nicht ausgehändigt oder in seinen Briefkasten eingeworfen worden ist und er den für ihn hinterlegten Brief nicht bei der Post abgeholt hat, ist das Schreiben nicht in seinen Machtbereich gelangt.

Der Zugang ist insbesondere nicht dadurch erfüllt, dass dem Beklagten – was dieser wohl im Übrigen bestreiten will – ein Benachrichtigungsschein in seinen Briefkasten durch den Postzusteller eingeworfen worden ist. Nach § 130 BGB trägt der Erklärende grundsätzlich das Risiko des Eintreffens der Erklärung beim Adressaten, weshalb es zu seinen Lasten geht, wenn die Erklärung den Adressaten nicht oder nicht rechtzeitig erreicht. Das Transportrisiko und damit auch die Auswahl der Transportmittel trägt allein der Erklärende (vgl. auch Franzen, JuS 99, 429, 431). Der Empfänger eines eingeschriebenen Briefs hat erst dann die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Inhalt des Briefs, wenn er oder ein von ihm Beauftragter sich tatsächlich zu dem Ort der Niederlegung begibt und den Brief ausgehändigt bekommt. Bei dem hier auch durch die Klägerin gewählten postalischen Verfahren eines Übergabeeinschreibens mit Rückschein erfolgt der Zugang grundsätzlich durch die Bestätigung des Empfängers auf dem Rückschein. Wird keine empfangsberechtigte und empfangsbereite Person angetroffen, hinterlässt der Briefboten einen Benachrichtigungsschein mit der Bitte, die Sendung innerhalb einer bestimmten Frist bei der Post abzuholen. Dieser Benachrichtigungsschein selbst führt aber nicht zum Zugang des mit dem Einschreiben übersandten Schreibens, da dieses nicht in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und von ihm auch nicht zur Kenntnis genommen werden kann, bevor er es nicht selbst abholt (BGHZ 137, 205, 208 = NJW 98, 986 = LM § 130 BGB Nr. 27; BGHZ 67, 271, 275 = NJW 77, 194 = LM § 132 BGB Nr. 3; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 130 Rdnr. 13). Aus diesen Gründen kann daher dahinstehen, ob dem Beklagten tatsächlich ein Benachrichtigungsschein über das Einschreiben zugegangen ist.

Ist hiernach aber mangels des Abholens des Einschreibebriefs durch den Beklagten kein (tatsächlicher) Zugang erfolgt, so käme lediglich die Fiktion eines Zugangs auf Grund einer treuwidrigen Vereitelung desselben durch den Beklagten in Betracht. Die Voraussetzungen hierfür liegen aber nicht vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch das Nichtabholen des Briefs jedenfalls nicht gegen eine ihn in allgemeiner Hinsicht treffende Obliegenheit verstoßen hat. Eine allgemeine Obliegenheit dahin gehend, Willenserklärungen zu empfangen und deshalb auf Benachrichtigung hin Briefe von der jeweils zuständigen Poststelle abzuholen, existiert nicht (Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl. [2000], § 130 Rdnrn. 10, 25). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Adressat mit einem Zugang rechnen musste. Weiß der Adressat, dass der Absender ihm eine Erklärung zusenden will, oder muss er insbesondere auf Grund bestehender vertraglicher Beziehungen mit dem Eingang eines solchen Schreibens rechnen, so muss er sich für den Fall des Nichtabholens trotz Abholbenachrichtigung so behandeln lassen, wie wenn ihm das Schreiben zur Zeit des frühestmöglichen Abholtermins zugegangen wäre (BGHZ 137, 205, 209 ff. = NJW 98, 976 = LM § 130 BGB Nr. 27; BAG, NJW 63, 554, 555). Erforderlich ist dabei regelmäßig eine an den Empfänger gerichtete vorausgehende Ankündigung des Erklärenden, ein solches Schreiben übersenden zu wollen (Wendtland, in: Bamberger/Roth, § 130 Rdnrn. 13, 25). Hierzu fehlt es aber an jeglichem eingehenden Vortrag der Klägerin. Es ist nicht erkennbar, auf Grund welcher besonderen Umstände der Beklagte im November 2001 mit einer Unterhaltsforderung durch die Klägerin und dem damit in Zusammenhang stehenden Zugang einer schriftlichen Aufforderung rechnen musste oder konnte. Zudem fehlt es hier an jeglicher Darlegung der Klägerin überhaupt, ob zu dieser Zeit bereits die Trennung ihrer Eltern eingesetzt hatte und wie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Übrigen ausgestaltet waren.

3. Die Darlegungs- und Beweisproblematiken hinsichtlich des Zugangs hätte die Klägerin möglicherweise vermeiden können, indem sie für die Übermittlung die Form eines so genannten Einwurf-Einschreibens gewählt hätte (vgl. auch Palandt/Heinrichs, § 130 Rdnr. 6). Dies kann aber letztendlich dahinstehen, da die Klägerin hier eine andere Form der Übermittlung (einfacher Brief sowie Übergabeeinschreiben mit Rückschein) gewählt hat.

Schlagwörter
Zugang Einschreiben mit Rückschein (1) Benachrichtigungsschein (1)