Unwirksamkeit einer Ausgleichsabwälzungsvereinbarung

7 U 3194/04 Urteil verkündet am 20. Oktober 2004 OLG München Einstands-, Abwälzungs- und Nachfolgevereinbarungen

Oberlandesgericht München
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

wegen Forderung

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2004
folgendes

Endurteil

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.04.2004 dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

II. Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klägerin macht einen vertraglichen Zahlungsanspruch wegen Überlassung des Kundenstammes an ihren Handelsvertreter geltend.

Die Parteien schlossen am 08.10.1999 einen Handelsvertretervertrag (Anlage K 1), der u. a. folgende Vereinbarungen enthält:

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1. Dem Vorgänger des Handelsvertreters steht im Hinblick auf den von ihm übergebenen Kundenstamm ein Ausgleichsanspruch in Höhe von DM 200.000,00 zuzüglich Mehrwertsteuer gegen das Unternehmen zu.

2. Der Handelsvertreter verpflichtet sich, dem Unternehmen eine Erstattung in Höhe von DM 100.000,00 zu leisten. Die Erstattung geschieht in der Weise, dass der Unternehmer jeweils ein Viertel der dem Handelsvertreter zustehenden Provision zuzüglich Mehrwertsteuer einbehält und auf diesen Erstattungsanspruch verrechnet.

Der vom Vorgänger geworbene Kundenstamm gilt nicht als vom Handelsvertreter geworben im Sinne von § 89 b HGB.

3. Endet der Handelsvertretervertrag vor Ablauf von drei Jahren nach seinem in Kraft treten, so mindert sich die vom Handelsvertreter zu erbringende Erstattung für jeden vollen Monat, um den die Vertragsdauer drei Jahre unterschreitet, um ein Sechsunddreissigstel des Erstattungsbetrages gemäß Ziffer 2. Überschreitet. die einbehaltene Summe den so errechneten Betrag, ist der Unternehmer, zur Rückzahlung verpflichtet, der Handelsvertreter entsprechend zur Ausgleichung des noch fehlenden Betrages.

Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht nicht, wenn der Handelsvertreter einen wichtigen Grund für eine Kündigung gesetzt hat. Eine abschließende Erstattungspflicht des Handelsvertreters entfällt, wenn der Unternehmer einen wichtigen Grund zur Kündigung gesetzt hat.“

Mit Änderungsvereinbarung vom 03.08.2001 (Anlage K 2) wurde wegen Verkleinerung des dem Beklagten als Handelsvertreter zugewiesenen Gebietes der in § 9 Abs. 2 ausgewiesene Erstattungsbetrag von 100.000,00 DM (netto) auf 84.570,00 DM (netto) reduziert.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihr stünde aus § 9 Abs. 2 der Vereinbarung vom 08.10.1999 unter Berücksichtigung der nach § 9 Ziff. 3 dieses Vertrages von ihr einbehaltenen Provisionsanteile ein Restzahlungsanspruch von 16.988,05 EUR nebst Zinsen zu.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 9.762,15 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2003 zu bezahlen und im übrigen die Klage abgewiesen. Es hat die in Ziffer 9 des Vertrages vom 08.10.1999 vereinbarte Klausel für wirksam angesehen und, ausgehend von einem Zahlungsanspruch von 16.988,05 EUR, unter Abzug einer Karenzentschädigung von 7.225,90 EUR 9.762,15 EUR nebst Zinsen zuerkannt.

Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Er trägt vor, die Regelung in Ziffer 9 des Vertrages vom 08.10.1999 sei nichtig, da für die Übernahme des Kundenstammes ein unangemessen hoher Übernahmepreis in Höhe von ca. einer von seinem Vorgänger erwirtschafteten Jahresprovision ohne adäquate Gegenleistung vereinbart worden sei und die ihm überlassenen Kunden bei der Berechnung eines späteren Handelsvertreterausgleichs ihm nicht als Neukunden hätten zugerechnet werden sollen. Auch sei ihm kein Alleinvertretungsrecht eingeräumt worden.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.

Sie ist der Auffassung, die Regelung in § 9 der Vereinbarung vom 08.10.1999 sei wirksam. Der Beklagte habe die Handelsvertretertätigkeit nur als Nebentätigkeit ausgeübt. Er habe auch wenig Außendiensttätigkeit entfaltet bei 129 Kundenbesuchen in 32 Monaten. Ihm sei eine Provision von 3,8 % für alle Geschäfte, die von Kunden in seinem Gebiet abgeschlossen worden seien, gewährt worden.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 15.04.2004 sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

Ein Anspruch aus § 9 Ziff. 2 des Vertrages vom 08.10.1999 steht der Klägerin nicht zu, da die gesamte in Ziffer 9 des Vertrages vom 08.10.1999 enthaltene Regelung wegen Verstoßes gegen die zwingende Vorschrift des § 89 b Abs. 4 HGB unwirksam ist.

Das Verbot des § 89 b Abs. 4 HGB umfasst nicht nur die quantitative Beschränkung des Ausgleichsanspruchs, sondern auch alle sonstigen, von der gesetzlichen Regelung abweichenden Vereinbarungen, die für den Handelsvertreter nachteilig sind (vgl. Baumbach-Hopt, HGB, 31. Aufl., § 89 b Rn. 71).

Zwar stellt die Vereinbarung eines Entgelts für die Übernahme des Kundenstammes noch keinen Verstoß gegen § 89 b Abs. 4 HGB dar. Im vorliegenden Fall ist jedoch in § 9 Ziff. 2 Abs. 2 des Vertrages vom 08.10.1999 geregelt, dass der vom Vorgänger geworbene Kundenstamm bei, der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht als vom Handelsvertreter geworben gilt. Diese Regelung benachteiligt den Handelsvertreter bei der Berechnung seines Ausgleichsanspruchs, weil diese Kunden trotz Zahlung eines Übernahmepreises von zunächst 100.000,– DM netto für die Übertragung der Gebietsvertretung dem Handelsvertreter bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht zugerechnet werden. Sie verhindert auch, dass Altkunden, deren Umsatz mit der Klägerin durch die Tätigkeit des Beklagten in erheblicher Weise vergrößert worden ist, bei der Ausgleichsberechnung berücksichtigt werden.

Der Verstoß gegen § 89 Abs. 4 HGB führt zur vollständigen Unwirksamkeit der in § 9 des Vertrages vom 08.10.1999 getroffenen Vereinbarung. Dies ergibt sich bei dem als Formularvertrag auf dem Geschäftspapier der Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgestalteten Papier aus dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.

Allerdings bleibt der Handelsvertretervertrag im Übrigen wirksam. Der Wegfall der gesamten, in Ziff. 9 des Vertrages vom 08.10.1999 enthaltenen Regelung ist für der Klägerin nicht als unzumutbare Härte nach dem gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB anwendbaren § 6 Abs. 3 AGBG a.F. anzusehen, weil die Überlassung einschlägiger Kundenlisten zu den Pflichten eines Unternehmers gemäß § 86 a Abs. 1, Abs. 2 HGB gehört (vgl. Baumbach-Hopt, a.a.O., § 86 a Rn. 5), die der Unternehmer im eigenen Interesse im Hinblick auf zu erzielende Umsätze zu erfüllen hat und der Wegfall der Einstandszahlung zur Folge hat, dass der Beklagte bei der Berechnung eines etwaigen Ausgleichsanspruchs bei Beendigung seiner Handelsvertretertätigkeit die ihm überlassenen Altkunden nicht berücksichtigen darf, sofern er deren Umsätze nicht nachhaltig gesteigert hat.

Die Klage ist somit in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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Übernahmepreis (2) Überlassung des Kundenstammes (1)