Beschluss des VG Frankfurt am Main zum Provisionsabgabeverbot von Versicherungsvermittlern.

7 L 3307/18.F Beschluss verkündet am 28. September 2018 VG Frankfurt/Main Provisionsanspruch

Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
Im Namen des Volkes
Beschluss

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

1 Die im Interesse der Antragstellerin ausgelegten Anträge der Antragstellerin, einer Online-Versicherungsvermittlerin,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen,

1. gegenüber Versicherungsunternehmen eine Untersagungsanordnung zu erlassen, wonach diese nicht mit der Antragstellerin zusammenarbeiten dürfen,
hilfsweise,

2. gegenüber diesen Versicherungsunternehmen oder sonst öffentlich die Absicht zu äußern, eine solche Untersagungsanordnung zu erlassen,
sind auf der Grundlage von § 123 Abs. 1 VwGO nur im Hinblick auf den Antrag zu 2. statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antrag zu 1., der auf die Gewährung vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutzes gegen das den Versicherungsunternehmen drohende Verbot der Zusammenarbeit mit der Antragstellerin abzielt, ist bereits unzulässig.

2 Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der hier allein in Betracht kommt, kann das Gericht schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder erschwert werden. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und der Grund für die notwendige vorläufige Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO).

3 § 123 Abs. 1 VwGO gewährt allerdings im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Prinzip der Gewaltenteilung grundsätzlich keinen vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutz mit dem Ziel, die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten und Aufgabenerfüllung durch richterliche Anordnungen einzuengen, indem ihr durch Gerichtsbeschluss der Erlass eines in die Rechte des Bürgers eingreifenden Verwaltungsakts verboten wird. Anträge auf vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO sind nur zulässig, wenn ein besonderes schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz – einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes – mit für den Rechtsschutzsuchenden unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2016 – 4 S 1472/16 -, juris Rn. 5; Dombert in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage, Rn. 104 m.w.N.).

4 Der Antrag zu 1. ist unzulässig, weil der Antragstellerin das besondere Rechtschutzinteresse fehlt, das zur Gewährung vorläufigen vorbeugenden Rechtschutzes notwendig ist.

5 Mit der im ersten Teil des Antrags beantragten einstweiligen Anordnung soll verhindert werden, dass die Antragsgegnerin den Versicherungsunternehmen – in Form einer Untersagungsverfügung nach § 298 Abs. 1, § 294 Abs. 2 VAG – die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin untersagt. In den von der Antragsgegnerin an die Versicherungsunternehmen verschickten Schreiben (siehe das Musterschreiben auf Bl. 177 ff. der Gerichtsakte) tat sie die Absicht, eine entsprechende Unterlassungsverfügung zu erlassen, kund.

6 Der Antragstellerin fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, da es sich dabei um ein vorläufiges vorbeugendes Rechtsschutzbegehren gegen eine Maßnahme handelt, gegen die – wenn sie denn erfolgt – ein (Dritt-)Widerspruch statthaft wäre, der gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung hätte. Eine sofortige Vollziehbarkeit von Maßnahmen nach § 298 Abs. 1, 294 Abs. 2 VAG ist kraft Gesetzes nicht vorgesehen (vgl. § 310 Abs. 2 VAG). Für den Fall, dass die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet würde, wäre ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.

7 Die Antragstellerin hat das erforderliche besondere schützenswerte Interesse an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes nicht glaubhaft gemacht. Der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz ist für sie nicht mit unzumutbaren Nachteilen verbunden.

8 Die von der Antragstellerin glaubhaft gemachten Kündigungen der Versicherungsunternehmen, die nach Erhalt des Schreibens der Antragsgegnerin ausgesprochen wurden, die daraus resultierenden Verluste und schließlich die befürchtete Insolvenz als Folge einer potentiellen Untersagung der Zusammenarbeit mit der Antragstellerin stellen für sie keinen unzumutbaren Nachteil dar.

9 Ihr Interesse an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes ist nicht schützenswert, weil der Antragstellerin ungefähr seit Beginn ihrer Geschäftstätigkeit im Sommer 2017 bekannt war, dass die Antragsgegnerin, die die Aufsicht über Versicherungsunternehmen hat, die von der Antragstellerin propagierte Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen für rechtswidrig hält. Das Risiko, dass die Antragsgegnerin die Zusammenarbeit der Versicherungsunternehmen mit der Antragstellerin untersagen könnte, muss ihr bewusst gewesen sein. In Kenntnis des Risikos hat sie das streitgegenständliche Geschäftsmodell fortgesetzt und keine Anpassung vorgenommen, mit der sie – zumindest bis zu einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage – die nun eingetretenen Nachteile, nämlich die Kündigungen der Versicherungsunternehmen und die damit verbundenen finanziellen Verluste, hätte vermeiden können. Selbst die IHK G., die für die Aufsicht der Antragstellerin zuständige Behörde, wies die Antragstellerin in ihrer E-Mail vom 16.08.2018 (Bl. 125 der Gerichtsakte) darauf hin, dass die Antragstellerin „aufgrund der besonderen Situation“ ihre Erlaubnis als Versicherungsmakler nach § 34d Abs. 1 GewO in eine Erlaubnis als Versicherungsberater nach § 34d Abs. 2 GewO umtauschen könne. Dass ihr die Änderung ihres Geschäftsmodells nicht zumutbar ist, hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

10 Die Antragstellerin betreibt seit dem Sommer 2017 ein Onlineportal für Versicherungen („A.de“), über das sie zum einen Versicherungsverträge zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsunternehmen vermittelt, zum anderen kann der Versicherungsnehmer auch bereits abgeschlossene Versicherungsverträge bei der Antragstellerin einstellen, deren aktive Betreuung sie dann als Versicherungsmaklerin übernimmt. Zwischen dem Versicherungsnehmer und der Antragstellerin wird in beiden Fällen ein Versicherungsmaklervertrag geschlossen, wonach die Antragstellerin dem Versicherungsnehmer etwaige Abschlussprovisionen (nur im Fall der Vermittlung von Versicherungsverträgen) sowie Bestandsprovisionen, die sie von den Versicherungsunternehmen als Versicherungsvermittlerin erhält, weiterleitet. Als Gegenleistung erhält die Antragstellerin nach dem Versicherungsmaklervertrag von dem Versicherungsnehmer pro abgeschlossenem und/oder eingestelltem Versicherungsvertrag eine laufende Pauschale von 12,– EUR pro Jahr.

11 Die Antragsgegnerin beurteilt die Weiterleitung von Provisionen durch die Antragstellerin an die Versicherungsnehmer als Verstoß gegen das Provisionsabgabeverbot in § 48b Abs. 1 VAG, das in dieser Form am 20.07.2018 in Kraft getreten ist. Die Weiterleitung der Provisionen fällt nach ihrer Ansicht nicht unter die Ausnahmevorschrift in § 48b Abs. 4 VAG, weil die hierfür erforderliche „dauerhafte Reduzierung der Prämie oder Erhöhung der Leistung“ nur durch den Versicherer selbst gewährt werden könne, das heißt, dass jeweils eine Änderung des Vertrags zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer vorzunehmen sei.

12 Bereits im Sommer 2017 hatte die Antragsgegnerin sich über ihren Pressereferenten in der versicherungsrechtlichen Fachpresse dahingehend geäußert, dass die in § 48b Abs. 4 VAG geregelte Ausnahme vom Provisionsabgabeverbot nur dann greife, wenn die „dauerhafte Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung im Sinne von § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG nur direkt innerhalb des vermittelten Vertrages realisiert werde“. Über die „enge“ Auslegung des § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG durch die Antragsgegnerin wurde sodann am 23.08.2017 in einer Nachricht aus „Vertrieb & Marketing“ auf Versicherungsjournal.de berichtet (vgl. Bl. 3 der Behördenakte II). Auch in der Ausgabe des BaFinJournals vom Oktober 2017 (siehe Bl. 16R der Behördenakte I) stellte die Antragsgegnerin klar, dass eine dauerhafte Reduzierung der Prämie gemäß § 48b Abs. 4 VAG nur vom Versicherer selbst gewährt werden könne, „da Prämie und Leistung auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen den beiden Vertragsparteien beruhen.“

13 Diese Rechtsauffassung der Antragsgegnerin war der Antragstellerin bereits seit August 2017, also ungefähr zum Zeitpunkt ihrer Geschäftsaufnahme und ungefähr ein Jahr vor Antragstellung, bekannt. Mit Schreiben vom 23.08.2017 hatte die Antragstellerin die Antragsgegnerin „um eine förmliche Stellungnahme“ gebeten, „wie der § 48b VAG tatsächlich auszulegen ist“ (vgl. Bl. 1 der Behördenakte II). Die Antragsgegnerin legte der Antragstellerin daraufhin mit E-Mail vom 29.08.2017 (Bl. 6 der Behördenakte II) unmissverständlich dar, dass sie die Ausnahme von dem Provisionsabgabeverbot in Bezug auf das Geschäftsmodell der Antragstellerin nicht für erfüllt ansah.

14 Auch wenn die Antragstellerin die Rechtsmeinung der Antragsgegnerin nicht teilt, hätte sie angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheit, ob ihr Geschäftsmodell mit § 48b VAG vereinbar ist, dafür Sorge tragen können und müssen, dass sie ihr Geschäftsmodell so abändert, dass es – zumindest bis zu einer entsprechenden Klärung im nachträglichen Rechtsschutz – dem Provisionsabgabeverbot in § 48b VAG entspricht. Nichtsdestotrotz wartete die Antragstellerin nahezu ein Jahr zu, nämlich bis die Antragstellerin von den am 06.08.2018 versandten Schreiben (vgl. das Musterschreiben, Bl. 177 ff. der Gerichtsakte) erfuhr, mit denen die Antragsgegnerin die betroffenen Versicherungsunternehmen auf ihre Rechtsauffassung hinwies und ihre Absicht, gegebenenfalls eine entsprechende Untersagung aussprechen, kundtat.

15 Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie auf die Rechtsauskunft der IHK G. vertraut habe, die mit Schreiben vom 17.07.2018 (Bl. 82 f. der Gerichtsakte) und per E-Mail vom 16.08.2018 (Bl. 125 der Gerichtsakte) bestätigte, dass sie „davon ausgehe“, dass sich die Antragstellerin „momentan mit ihrem Geschäftsmodell im Rahmen der Ausnahmeregelung des § 48b Abs. 4 VAG bewege“. Zum einen erfolgte diese schriftliche Bewertung erst im Sommer 2018. Die Antragstellerin hatte sich erst an die IHK G. gewandt, nachdem sie die Antragsgegnerin nicht von ihrer Ansicht überzeugen konnte. Zum anderen ist die IHK G. nicht die für die Aufsicht über Versicherungsunternehmen und die rechtliche Bewertung und Überwachung des Geschäftsbetriebs der Versicherungsunternehmen im Hinblick auf die Einhaltung der Gesetze zuständige Aufsichtsbehörde.

16 Der Antrag zu 2 ist demgegenüber zulässig. Statthaft ist im vorliegenden Fall eine Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Antragstellerin begehrt die Unterlassung von Absichtsäußerungen, die Antragsgegnerin werde den Versicherungsunternehmen die weitere Zusammenarbeit mit der Antragstellerin untersagen. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Zwar richten sich die von der Antragsgegnerin verschickten streitgegenständlichen Musterschreiben nicht an die Antragstellerin, sondern nur an die Versicherungsunternehmen. Ungeachtet dessen ist die Antragstellerin von den Äußerungen in den Schreiben unmittelbar betroffen. In den auf dem Musterschreiben beruhenden Schreiben geht es nämlich gerade um die Zusammenarbeit der Versicherungsunternehmen mit der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin kündigt hierin an, dass sie beabsichtigt, „gegenüber Erstversicherungsunternehmen mit Sitz in Deutschland, die mit der A. GmbH […] zusammenarbeiten, eine Untersagungsanordnung gemäß § 298 Abs. 1 Sätze 1, 2 i. V. m. § 294 Abs. 2 Satz 2 VAG zu erlassen und diese Versicherer vorher gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG anzuhören“. Infolgedessen betreffen die Äußerungen der Antragsgegnerin in dem Musterschreiben gegenüber den Versicherungsunternehmen die Antragstellerin unmittelbar, was im Hauptsacheverfahren eine Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) begründet. Auch ist aufgrund der zielgerichteten Veränderung der Rahmenbedingungen, die eindeutig auch auf nachteilige Auswirkungen bei der Antragstellerin abzielen, eine Verletzung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG möglich.

17 § 44a VwGO steht der Zulässigkeit des zweiten Antrags nicht entgegen, obgleich es sich bei der angegriffenen Absichtserklärung der Antragsgegnerin um eine behördliche Verfahrenshandlung handelt, die der Sachentscheidung vorausgeht. Zum einen handelt es sich bei der Antragstellerin um eine „Nichtbeteiligte“ im Sinne der Vorschrift in Verbindung mit § 13 Abs. 1 VwVfG. Das Schreiben der Antragsgegnerin erging im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, nämlich die behördliche Prüfung der Voraussetzungen zur Vorbereitung des Erlasses eines Verwaltungsaktes, und zielte auf das Versenden von Anhörungsschreiben ab. Hieran ist die Antragstellerin nicht beteiligt, obgleich sie durch die Äußerungen der Antragsgegnerin betroffen ist. Zum anderen ist von der Anwendung des § 44a VwGO hier auch insoweit abzusehen, als die Antragstellerin möglicherweise in ihren Grundrechten – Art. 12 Abs. 1 GG – betroffen ist, und ihr – sollte es zu dem beabsichtigten Erlass der Untersagungsverfügung nicht kommen – andernfalls keine andere Möglichkeit bliebe, sich gegen die namentliche Nennung in den Schreiben der Antragsgegnerin zur Wehr zu setzen.

18 Das Begehren hat aber keinen Erfolg. Die Antragstellerin kann sich nicht auf einen Anordnungsanspruch berufen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Rechtsanspruch, der durch die begehrte Anordnung gesichert werden könnte, steht der Antragstellerin nicht zu.

19 Als Anspruchsgrundlage kommt hier allenfalls ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch in Betracht. Dieser setzt voraus, dass die begründete Besorgnis eines rechtswidrigen Eingriffs in grundrechtlich geschützte Positionen durch hoheitliches Handeln besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.2014 – 6 C 7/13 -, juris), das heißt, die Äußerung der Antragsgegnerin gegenüber den Versicherungsunternehmen, dass sie beabsichtigt, diesen die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin zu untersagen, müsste rechtswidrig erfolgt sein.

20 Dies ist – nach der im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage – nicht der Fall.

21 Die im Rahmen ihres Auskunftsverlangens gegenüber den Versicherungsunternehmen geäußerte Absicht, „gegenüber Erstversicherungsunternehmen mit Sitz in Deutschland, die mit der A. GmbH (oder mit einem Versicherungsmakler, der ein vergleichbares Geschäftsmodell hat) zusammenarbeiten, eine Untersagungsanordnung gemäß § 298 Abs. 1 Sätze 1, 2 i. V. mit § 294 Abs. 2 Satz 2 VAG zu erlassen“, (vgl. das Musterschreiben, Bl. 177 der Gerichtsakte) ist voraussichtlich inhaltlich nicht zu beanstanden.

22 Es spricht viel dafür, dass die Voraussetzungen für ein aufsichtsrechtliches Vorgehen gemäß § 298 Abs. 1 Sätze 1, 2 i. V. mit § 294 Abs. 2 Satz 2 VAG, nämlich den Erlass von Untersagungsanordnungen gegen die ihrer Aufsicht unterliegenden Erstversicherungsunternehmen (vgl. § 320 Abs. 1 Nr. 1 VAG), vorliegen, weil die Antragstellerin mit ihrem Geschäftsmodell gegen das in § 48b VAG normierte Provisionsabgabeverbot verstößt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass es sich „bei der Zusammenarbeit eines Erstversicherungsunternehmens mit einem Versicherungsmakler wie beispielsweise der A. GmbH auf der Grundlage des gegenwärtig […] bekannten Geschäftsmodells um einen Verstoß gegen das Verbot von Sondervergütungen gemäß § 48b Abs. 1 VAG“ handelt (vgl. das Musterschreiben, Bl. 177 der Gerichtsakte).

23 Die Antragsgegnerin kann gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 VAG gegenüber Erstversicherungsunternehmen alle Maßnahmen ergreifen, die geeignet und erforderlich sind, um Missstände zu vermeiden oder zu beseitigen. Ein Missstand ist gemäß § 298 Abs. 1 Satz 2 VAG jedes Verhalten eines Versicherungsunternehmens, das den Aufsichtszielen des § 294 Abs. 2 VAG widerspricht. Nach § 294 Abs. 2 Satz 2 VAG hat die Aufsichtsbehörde unter anderem „auf die Einhaltung der Gesetze, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gelten“, zu achten.

24 Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar angenommen, dass durch die Zusammenarbeit von Versicherungsunternehmen mit der Antragstellerin und den daraus resultierenden Verstößen gegen das Provisionsabgabeverbot in § 48b Abs. 1 VAG ein „Missstand“ im Sinne von § 298 Abs. 1 VAG vorliegen könnte, der zu beseitigen wäre.

25 Nach § 48b Abs. 1 VAG ist es Versicherern und Versicherungsvermittlern untersagt, Versicherungsnehmern aus einem Versicherungsvertrag Sondervergütungen zu gewähren oder zu versprechen. Eine Sondervergütung ist nach Abs. 2 der Vorschrift jede unmittelbare oder mittelbare Zuwendung neben der im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistung. Unter anderem ist dies jede vollständige oder teilweise Provisionsabgabe.

26 Die von der Antragstellerin im Rahmen ihres Geschäftsmodells mit den Versicherungsnehmern vereinbarte Weiterleitung von Abschluss- und Bestandsprovisionen stellt im Sinne des § 48b Abs. 1 VAG eine „Sondervergütung“ dar. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

27 Die von der Antragstellerin im Rahmen ihres Geschäftsmodells gewährten Sondervergütungen sind nicht aufgrund der Ausnahmevorschrift in § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG erlaubt, da sie nicht zu einer „dauerhaften Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags“ führen.

28 Nach § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG findet das Provisionsabgabeverbot keine Anwendung, „soweit die Sondervergütung zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags verwendet wird.“

29 Bereits der Wortlaut des § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG gibt vor, dass eine erlaubte Provisionsabgabe an den Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag zwischen Versicherungsunternehmen und -nehmer dokumentiert werden muss. Eine dauerhafte „Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags“ kann nur vom Versicherer selbst gewährt werden, weil die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Prämie im Versicherungsvertrag festgeschrieben ist. Sofern ein Vermittler auf seine Provision verzichten und diese an den Versicherungsnehmer weiterleiten möchte, wird der Versicherungsnehmer im Ergebnis zwar günstiger gestellt, weil er vom Versicherungsvermittler einen Geldbetrag erhält. Die so erhaltene Summe kann der Versicherungsnehmer auch nutzen, um davon einen Teil der Versicherungsprämie zu begleichen. Die schuldrechtlich gegenüber dem Versicherer geschuldete Prämie reduziert sich jedoch nicht.

30 Dass die Provisionsabgabe nur dann erlaubt sein soll, wenn sie im Versicherungsvertrag Berücksichtigung findet, ergibt sich zudem aus dem Erfordernis, dass die Sondervergütung gemäß § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG „zur“ dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags verwendet werden muss. Die Präposition „zur“ unterstreicht, dass eine Provisionsabgabe nur erlaubt sein soll, wenn die im vermittelten Vertrag mit dem Versicherer vereinbarte Prämie reduziert wird. Der Versicherungsnehmer ist aber in der Verwendung der ihm von der Antragstellerin gewährten Sondervergütung frei.

31 Aus § 48b Abs. 2 VAG kann nicht abgeleitet werden, dass es auch erlaubte Sondervergütungen geben müsste, die nicht im Versicherungsvertrag Berücksichtigung finden. Die in § 48b Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 VAG genannte „vereinbarte Leistung“ meint die vom Versicherer geschuldete Versicherungsleistung, nicht aber die vom Versicherungsnehmer geschuldete Prämienzahlung. Tatbestandlich liegt auch nach Festschreibung einer Prämienreduzierung im Versicherungsvertrag eine Sondervergütung vor, die allerdings gemäß § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG nicht gegen das Provisionsabgabeverbot verstößt.

32 Für das Erfordernis der Dokumentation im Versicherungsvertrag spricht zudem, dass auch die zweite Alternative der Ausnahmevorschrift, nämlich die Provisionsabgabe, die „zur dauerhaften Leistungserhöhung des vermittelten Vertrages“ führt, die Mitwirkung des Versicherers erfordert. Eine Auslegung von § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG dahingehend, dass im Hinblick auf die zwei Ausnahmealternativen „zu differenzieren ist“ und nur für die „dauerhafte Prämienreduzierung“ eine Mitwirkung des Versicherers entbehrlich ist (so Reiff, VersR 2018, 193-203, 199), findet im Wortlaut der Vorschrift keine Grundlage.

33 Für die Auslegung, dass § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG stets eine Einbeziehung des Versicherers voraussetzt, spricht auch, dass eine Provision, die mit Wissen des Versicherers vom Versicherungsvermittler an den Versicherungsnehmer ausgekehrt wird, den Tatbestand einer – mittelbar – vom Versicherer gewährten Provisionsabgabe erfüllt (vgl. hierzu § 48b Abs. 2 VAG, der auch mittelbare Zuwendungen als Sondervergütung im Sinne von § 48b Abs. 1 VAG definiert), mit der Folge, dass der Versicherer – ohne entsprechende Dokumentation im Versicherungsvertrag – selbst gegen das Provisionsabgabeverbot des § 48b Abs. 1 VAG verstoßen würde.

34 Eine nur vom Versicherungsvermittler gewährte Abgabe von Provisionen führte zudem nicht „dauerhaft“ im Sinne des § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG zu einer Besserstellung des Versicherungsnehmers. Es ist nicht so, wie die IHK G. in ihrer Stellungnahme vom 17.07.2018 (Bl. 82 f. der Gerichtsakte) schreibt, dass bereits „eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zwischen der A. GmbH und dem Kunden über die regelmäßige und dauerhafte Weitergabe der Sondervergütungen gewährleistet, dass die Provisionsweitergabe auch tatsächlich langfristig dem Versicherungsverhältnis zugutekommt“. Die geforderte „dauerhafte“ Prämienreduzierung wäre nicht gewährleistet, da eine Weiterleitung von Provisionen durch den Versicherungsvermittler vom Bestand des Maklervertrages abhängig ist. Der Maklervertrag ist grundsätzlich unabhängig von der Laufzeit des Versicherungsvertrages. Auch wenn der von der Antragstellerin regelmäßig abgeschlossene Maklervertrag, dem die „Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen der A. GmbH“ zugrunde liegen, grundsätzlich auf unbestimmte Zeit geschlossen wird, kann der Maklervertrag mit einer Frist von „einem Monat“ von beiden Parteien ordentlich gekündigt werden (siehe Ziffer 7.1.1; Bl. 117 der Gerichtsakte). Es wäre demnach denkbar, dass der Maklervertrag von der Antragstellerin schon kurz nach Abschluss eines Versicherungsvertrages gekündigt wird, woraufhin auch keine Provisionen mehr an den Versicherungsnehmer weitergeleitet werden, während der Versicherungsnehmer jedoch weiter an die mit dem Versicherer vereinbarte Prämienzahlung gebunden ist. Zudem wäre die Fortdauer der nur von dem Versicherungsvermittler gewährten „Prämienreduzierung“ von der Bonität des Versicherungsvermittlers abhängig.

35 Die enge Auslegung des § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG entspricht auch der Zwecksetzung des Provisionsabgabeverbotes, nämlich dass die Weiterleitung von Provisionen nicht zu „Fehlanreizen für den Verbraucher“ durch „kurzfristige finanzielle Vorteile“ führen kann. Ein solcher „Fehlanreiz“ sei nur dann nicht zu befürchten, wenn die Sondervergütung „dem Versicherungsverhältnis langfristig zu Gute kommt“ (vgl. Begr. RegE BT-Drs. 18/11627, S. 40). Wäre die Weiterleitung von Provisionen durch den Versicherungsvermittler möglich, ohne dass eine Prämienreduzierung auch im Versicherungsvertrag Niederschlag findet, könnte ein Versicherungsnehmer versucht sein, für ihn ungünstige Versicherungsverträge abzuschließen und/oder auch bereits abgeschlossene Versicherungsverträge, die ungünstig für den Versicherungsnehmer (geworden) sind, weiterzuführen – ohne dass gewährleistet ist, dass der Versicherungsnehmer die weitergeleiteten Provisionen auch langfristig erhält. Anders als die Antragstellerin vorträgt, können solche Fehlanreize auch bei der Abgabe von laufenden (Bestands-)Provisionen gesetzt werden (a.A. Evers, VW 10/2017, S. 67, juris). Fehlanreize sind auch nicht nur dann zu befürchten, wenn eine „verlockend hohe“ Abschlussprovision ausgekehrt wird.

36 Allein aus der Existenz der Verweisungsvorschrift in § 34d Abs. 1 Satz 7 GewO, wonach § 48b VAG auf Versicherungsmakler „entsprechend anzuwenden ist“, ist auch nicht zu schließen, dass es aufgrund § 48b Abs. 4 VAG für den Versicherungsvermittler auch eine Ausnahme vom allgemein geltenden Provisionsabgabeverbot geben muss, für die er nicht die Einbeziehung des Versicherers benötigt (so Reiff, VersR 2018, 193-203, 19 m.w.N.). Im Gegenteil: Der Verweis auf die entsprechende Anwendung von § 48b VAG bekräftigt zunächst, dass das Provisionsabgabeverbot auch für den Versicherungsvermittler gilt. Zudem heißt es in § 34d Abs. 1 Satz 6 GewO ausdrücklich: „Einem Versicherungsvermittler ist es untersagt, Versicherungsnehmern, versicherten Personen oder Bezugsberechtigten aus einem Versicherungsvertrag Sondervergütungen zu gewähren oder zu versprechen.“ Die Ausnahmevorschrift in § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG läuft auch nicht leer für den Versicherungsvermittler: Eine Ausnahme vom allgemein geltenden Provisionsabgabeverbot gilt auf Grundlage des § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG nämlich auch für den Versicherungsvermittler, wenn er in Bezug auf die Weiterleitung der Provision den Versicherer miteinbezieht und die Provisionsabgabe im Versicherungsvertrag dokumentiert wird (a.A. Evers, VW 10, 2017, 67, juris).

37 Würde die Verweisung in § 34d Abs. 1 Satz 7 GewO dazu führen, dass ein Versicherungsvermittler „entsprechend § 48b Abs. 4 VAG“ Provisionen an den Versicherungsnehmer abgeben kann, ohne dass dies vom Versicherungsunternehmen im Versicherungsvertrag dokumentiert wird, würde das für den Versicherungsvermittler geltende Provisionsabgabeverbot nahezu leer laufen. Eine Anwendung des Verbots wäre dann allenfalls in dem Fall denkbar, wenn der Versicherungsvermittler dem Versicherungsnehmer für einen vermittelten oder betreuten Versicherungsvertrag eine einmalige oder zeitlich begrenzte Sondervergütung zukommen lassen würde. Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, da auch die vom Versicherungsvermittler für die Dauer des Maklervertrages gewährte Provisionsabgabe ebenso wie die einmalige Provisionsabgabe zu dem unerwünschten Fehlanreiz für den Versicherungsnehmer führen kann.

38 Für eine enge Auslegung des § 48b Abs. 4 Satz 1 VAG spricht auch der systematische Zusammenhang mit § 48c VAG, auf den auch die Gesetzesbegründung (a.a.O.) verweist. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Zugleich wird in Absatz 4 die Grundlage für die Regelung des Durchleitungsgebots in § 48c gelegt.“ § 48c VAG enthält das Durchleitungsgebot für Versicherungsberater. Danach sind Versicherungsunternehmen bei der Zusammenarbeit mit Versicherungsberatern verpflichtet, Zuwendungen an den Versicherungsnehmer auszukehren, was einerseits durch eine Gutschrift auf einem Prämienkonto des Versicherungsnehmers, alternativ aber auch „im Wege der Prämienreduzierung des vermittelten Vertrages nach Maßgabe des § 48b Abs. 4 VAG“ erfolgen könne. Eine „Prämienreduzierung des vermittelten Vertrages“ kann auch hier nur durch die Mitwirkung des Versicherers erfolgen.

39 Die inkriminierte Absichtserklärung, eine Zusammenarbeit von Versicherungsunternehmen mit der Antragstellerin untersagen zu wollen, erscheint im Hinblick auf das verfolgte sachliche Ziel – zunächst Auskünfte und Stellungnahmen der Versicherungsunternehmen zu erhalten, um schließlich einen angenommenen Missstand im Sinne des § 298 Abs. 1 VAG zu beseitigen – im Verhältnis zu den (Grund-)Rechtspositionen, in die eingegriffen wird, auch nicht unverhältnismäßig. Bestätigt sich eine Zusammenarbeit eines Versicherungsunternehmens mit der Antragstellerin wäre die Anordnung einer Untersagung voraussichtlich auch ein geeignetes und erforderliches Mittel. Ermessensfehler der Antragsgegnerin sind im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin geäußerte Absicht, eine Untersagungsanordnung zu erlassen, nicht ersichtlich.

40 Für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit des erst im Juli vergangenen Jahres in Kraft getretenen § 48b Abs. 4 VAG sind nach Auffassung der Kammer keinerlei Umstände ersichtlich. Im Übrigen käme eine Vorlage an das BVerfG (Art. 100 Abs. 1 GG) im Eilverfahren ohnehin nicht in Betracht.

41 Da der Sachverhalt – soweit entscheidungserheblich – unstreitig ist und der Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 24. September 2018 sich im Wesentlichen auf Ausführungen zu den der Entscheidung zugrunde zu legenden Rechtsfragen beschränkt, die Kammer des weiteren ihre Entscheidung ausschließlich auf rechtliche Gesichtspunkte stützt, hat die Kammer – auch im Hinblick auf § 123 Abs. 3, § 920 Abs. 2 ZPO und die ausführlich begründete Antragsschrift – davon abgesehen, der Antragstellerin nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

42 Als unterliegende Beteiligte hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

43 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Für jeden Antrag wurde die Hälfte des Auffangstreitwerts von 5.000,– EUR zugrunde gelegt.

Schlagwörter
Provisionsabgabeverbot (3) Makler (2)