Beweiserhebung bei Rechtswegezuständigkeitsprüfung
VIII ZB 42/08 Beschluss verkündet am 27. Oktober 2009 BGH HandelsvertreterrechtBundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Beschluss
In dem Rechtsstreit
[..]
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2009 durch [..] beschlossen:
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 1. Juli 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.651,56 € festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, die mit dem Beklagten am 2./16. September 2002 eine als „Handelsvertretervertrag“ bezeichnete Vereinbarung getroffen hatte, begehrt vom Beklagten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Rückzahlung von Provisionen sowie eines Darlehens, insgesamt 13.407,82 €, nebst Zinsen. Der von der Klägerin vorformulierte Vertrag vom 2./16. September 2002 lautet auszugsweise wie folgt:
„1 Rechtsstellung von X. [= Klägerin]
1.1 X. ist eine Gesellschaft, die sich gemäß §§ 84 ff. HGB mit der Vermittlung von Bauspar- sowie Versicherungs- und ähnlichen Verträgen befasst. X. vermittelt auch Kredite und Kapitalanlagen; er ist ferner über verbundene Unternehmen als Immobilienmakler tätig.
(..)
2 Rechtsstellung des Handelsvertreters
2.1 Der Handelsvertreter ist bei der Vermittlung von Bauspar-, Versicherungs- und ähnlichen Verträgen im Nebenberuf gemäß §§ 84 ff., 92 und 92b HGB in Verbindung mit § 43 VVG selbstständig tätig. Will der Handelsvertreter seine nebenberufliche Tätigkeit in eine hauptberufliche Tätigkeit für X. umwandeln, hat er X. die Absicht, künftig hauptberuflich tätig zu sein (..) schriftlich anzuzeigen. Der Handelsvertreter ist nicht Teil der Arbeitsorganisation von X. Er bedient sich zur Durchführung seiner Administration eigener Arbeitnehmer und ist Arbeitgeber im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften.
Gegenüber X. ist der Handelsvertreter selbstständig.
(..)
6 Weitere Rechte des Handelsvertreters
6.1 Der Handelsvertreter hat das Recht, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ohne Gebietsbegrenzung zu akquirieren und entsprechend diesem Vertrag tätig zu werden.
6.2 Der Handelsvertreter ist berechtigt, am überregionalen Schulungs- und Seminarangebot von X. teilzunehmen.
6.3 Der Handelsvertreter ist berechtigt, seine Tätigkeit frei zu gestalten. Eine Weisungsbefugnis von X. über Ort und Zeit der Tätigkeit des Handelsvertreters besteht nicht, es sei denn, wichtige Gründe machen dies erforderlich. Ebensowenig sind die X.-Handelsvertreter untereinander, ungeachtet ihrer Provisionsvergütungsstufen, weisungsbefugt.
6.4 Der Handelsvertreter kann die Art und Weise seiner Tätigkeit selbst bestimmen.
7 Aufgaben des Handelsvertreters
7.1 Der Handelsvertreter ist verpflichtet, die Interessen von X. nach bestem Wissen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu wahren. Er vermittelt auf der Grundlage der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen bestandsfähige Verträge in eigener Verantwortung. (..)
7.2 Der Handelsvertreter ist nicht berechtigt, für Wettbewerber von X. oder der Partnergesellschaften tätig zu werden oder sich an einem Konkurrenzunternehmen direkt oder indirekt, mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen oder es sonst in irgendeiner Weise zu unterstützen. Dem Handelsvertreter ist jegliche Konkurrenztätigkeit untersagt. Das Konkurrenzverbot bezieht sich auf sämtliche Produkte, die von X. vertrieben werden, mithin auch auf die Vermittlung von Immobilien, Krediten und Kapitalanlagen. Dem Handelsvertreter ist nicht gestattet, Produkte zu vermitteln, die nicht in der Provisionsliste (Produktplan) von X. enthalten sind.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Bestimmungen ist der Handelsvertreter zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, die von X. nach billigem Ermessen festzusetzen ist und Euro 7.500,– nicht übersteigen darf. Schadensersatzansprüche von X. bleiben hiervon unberührt, wobei X. die Vertragsstrafe auf Schadensersatzansprüche anrechnet.
(..)
7.6 Während der Dauer dieses Vertrages ist der Handelsvertreter zur ständigen Pflege seines von ihm vermittelten Bestandes verpflichtet. Unterlässt er diese Bestandspflege oder eine notwendige Nachbearbeitung innerhalb einer ihm von X. gesetzten Frist, ermächtigt er hierdurch X., an seiner Stelle einen anderen Handelsvertreter mit der Bestandspflege zu betrauen. Dieser erhält auch den bis dahin nicht verdienten Anteil an der Provision.
7.7 Der Handelsvertreter ist während der Dauer dieses Vertrages verpflichtet, sich in regelmäßigen Abständen in dem ihm zugeordneten Büro nach evtl. für ihn bestimmten Nachbearbeitungsaufträgen selbst zu erkundigen.
7.8 Zum Erhalt und zur Förderung seiner Beratungsqualität wird sich der Handelsvertreter das für die Ausübung seiner Tätigkeit notwendige Wissen aneignen und sich insoweit weiterbilden. X. bietet hierzu Schulungen an.
(..)“
Die Parteien streiten darüber, ob für die Klage der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten oder zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist. Das von der Klägerin angerufene Landgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Bremen verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht den erstinstanzlichen Beschluss aufgehoben und den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
II. Die statthafte (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht (OLG Bremen, OLGR 08, 834) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Es sei nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a, § 5 Abs. 3 ArbGG, sondern vielmehr der ordentliche Rechtsweg (§ 13 GVG) gegeben. Der Beklagte sei nach dem Vorbringen der Klägerin, das für die Entscheidung der Rechtswegfrage zugrunde zu legen sei, Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB, ohne nach § 84 Abs. 2 HGB als Angestellter zu gelten. Die Voraussetzungen, unter denen es dem Beklagten nach dieser Vorschrift an der Selbständigkeit gemangelt haben könnte, lägen nach klägerischem Vortrag nicht vor. Die Klägerin bestreite nämlich die Eingliederung des Beklagten in eine hierarchisch gegliederte Organisationsstruktur mit festen Abläufen und verweise insoweit auf den vorgelegten, unstreitig dem Beschäftigungsverhältnis der Parteien zugrunde liegenden Vertrag vom 2./16. September 2002, der den Beklagten als selbständigen Handelsvertreter ausweise, der seine Tätigkeit frei gestalten könne und grundsätzlich keinen Weisungen unterliege.
Der schriftlich abgeschlossene Vertrag biete keine Anhaltspunkte, die auf eine Unselbständigkeit nach § 84 Abs. 2 HGB hinweisen könnten. Gegen die Selbständigkeit sprächen weder das Konkurrenzverbot nach Ziffer 7.2 noch die Schulungsangebote oder die Verpflichtung zur Bestandspflege. Ein Wettbewerbsverbot beeinträchtige für sich genommen grundsätzlich nicht die Weisungsfreiheit des Handelsvertreters. Mit den in Ziffer 7.8 erwähnten Schulungsangeboten sei keinerlei Verpflichtung für den Beklagten verbunden, diese auch wahrzunehmen; sie ließen auch keine Bindung der Arbeitskraft des Handelsvertreters in einem Ausmaß erkennen, dass seine Selbständigkeit hierdurch berührt wäre. Gleiches gelte auch für die Pflicht zur Bestandspflege und fristgebundenen Nachbearbeitung (Ziffer 7.6); damit werde dem Beklagten nichts abverlangt, was über den Umfang der Tätigkeit eines in den wesentlichen Bereichen freien Handelsvertreters hinausgehe.
Allerdings stelle der Beklagte seine Selbständigkeit als Handelsvertreter in Abrede und führe in diesem Zusammenhang verschiedene, von der Klägerin bestrittene, Behauptungen an, die – ihre Richtigkeit unterstellt – den Schluss auf eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin und damit auf einen faktischen Status als Angestellter im Sinne des § 84 Abs. 2 HGB zuließen. Soweit dadurch die Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 17a GVG betroffen sei, habe das angerufene Gericht jedoch lediglich die Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags zu prüfen und das Vorbringen des Beklagten nicht zu berücksichtigen. Eine Beweisaufnahme finde insoweit nicht statt.
Das Bundesarbeitsgericht habe in Fällen der sogenannten Doppelrelevanz (die streitigen Tatsachen sind sowohl für die Zuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage von Bedeutung) die bloße Behauptung des Klägers zur Bejahung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts genügen lassen. Im Streitfall spielten allerdings doppelrelevante Tatsachen keine Rolle. Die Frage, ob der Beklagte selbständiger Handelsvertreter gewesen sei oder für ihn die Regelung des § 84 Abs. 2 HGB gelte, sei nur „einfach relevant“. Sie sei entscheidend für den Rechtsweg, nicht hingegen für das Bestehen der Ansprüche der Klägerin. Aber auch in dem vorliegenden Fall der „Einfachrelevanz“ sei der Sachvortrag der Klägerin die alleinige Grundlage für die Rechtswegentscheidung nach § 17a GVG. Dafür spreche der rechtliche Umstand, dass es die Klägerin sei, die den Streitgegenstand bestimme. Für die ausschließliche Berücksichtigung des Klägervortrags und der unstreitigen Umstände bei der Entscheidung über den Rechtsweg spreche auch der Normzweck des § 17a GVG, wonach Entscheidungen über Rechtswegstreitigkeiten der Vereinfachung und Beschleunigung bedürften. Diesem gesetzgeberischen Ziel widerspräche die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme im Rahmen von Entscheidungen nach § 17a Abs. 2 und 3 GVG.
Auch nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 92a Abs. 1 HGB lasse sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht begründen. Ein Fall des § 92a Abs. 1 HGB sei nicht ersichtlich. Der Beklagte sei kein Einfirmenvertreter im Sinne dieser Vorschrift gewesen. Auch die Konkurrenzklausel in Ziffer 7.2 des Vertrages enthalte kein grundsätzliches Verbot, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Satz 1 der Vertragsbestimmung sage nichts weiter, als dass der Handelsvertreter nicht berechtigt sein solle, für Wettbewerber der Klägerin oder der Partnergesellschaften tätig zu werden. Allein der Satz 4 könne bei isolierter Betrachtung auch dahin zu verstehen sein, der Vertreter dürfe überhaupt keine anderen Produkte vermitteln, was dann auf ein umfassendes Verbot hinausliefe, für weitere Unternehmer tätig zu sein. Indes gebe der Zusammenhang, in dem diese Klausel stehe, ein solch weites Verständnis nicht her. Wegen des engen Kontextes zu Ziffer 7.2 Satz 1 könne auch Satz 4 nicht anders verstanden werden, als dass im Wege einer Klarstellung nur eine Vermittlung von Konkurrenzprodukten untersagt werden solle. Schließlich sei vom Beklagten auch nicht hinreichend dargetan, dass er, wie es § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG erfordere, während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,– an Vergütung einschließlich Provision und Aufwendungsersatz bezogen habe.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht bejaht werden.
Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand lässt sich nicht ausschließen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG bestanden hat und deshalb nach dieser Vorschrift die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind. Denn entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist im Streitfall für die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 17a GVG nicht lediglich die Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags zu prüfen, ohne das Vorbringen des Beklagten zu berücksichtigen.
a) Als Angestellter – und damit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG als Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG – gilt gemäß § 84 Abs. 2 HGB derjenige, der, ohne selbständig im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Bei der Abgrenzung zwischen Selbständigen und Unselbständigen ist weder isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags oder die von diesen gewählte Bezeichnung als Angestellter oder Handelsvertreter noch allein auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags abzustellen. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse unter Würdigung sowohl der vertraglichen Gestaltung als auch der tatsächlichen Handhabung des Vertrages (vgl. Senatsbeschluss vom 4. März 1998 – VIII ZB 25/97, NJW 98, 2057, unter II 2; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 84 Rdnr. 33 m.w.N.). Diese Gesamtwürdigung hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft nicht vorgenommen, indem es ausschließlich das Vorbringen der Klägerin berücksichtigt hat, mit dem auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag verwiesen wird. Dabei kann dahinstehen, ob die Würdigung des Beschwerdegerichts zutrifft, der schriftlich abgeschlossene Vertrag selbst biete keine Anhaltspunkte, die auf eine Unselbständigkeit nach § 84 Abs. 2 HGB hinweisen könnten. Denn nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hat der Beklagte verschiedene – in der Beschwerdeentscheidung inhaltlich nicht im Einzelnen ausgeführte – Behauptungen zur tatsächlichen Handhabung des Vertrags vorgetragen, die den Schluss auf eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin und damit auf einen faktischen Status als Angestellter zuließen. Dieses nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts streitige Parteivorbringen hätte zur Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 17a GVG aufgeklärt werden müssen.
aa) Für die Zulässigkeit des Rechtsweges ist der jeweilige Streitgegenstand maßgeblich; dieser wird ausschließlich durch den Kläger bestimmt (vgl. BGHZ 67, 81, 84 und 90 f.; 133, 240, 243; BAG, NJW 94, 604, 605; NJW 94, 1172). Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes für die Abgrenzung des Zivilrechtswegs einerseits (§ 13 GVG) und des Verwaltungsrechtswegs andererseits (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung auf die Natur des Rechtsverhältnisses an, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, und nicht, ob der Kläger sich auf eine zivilrechtliche oder auf eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (Beschluss vom 4. Juni 1974 – GmS-OGB 2/73, NJW 74, 2087; BGHZ 97, 312, 313 f.; 108, 284, 286 m.w.N.).
Der Bundesgerichtshof hat in Anwendung dieser Rechtsprechung entschieden, dass die rechtliche Bewertung, ob der Tatsachenvortrag des Klägers die behauptete Zulässigkeit des Zivilrechtswegs oder aber die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ergibt, dem angerufenen Gericht obliegt, und zwar selbst dann, wenn die zuständigkeits- und die anspruchsbegründenden Tatsachen zusammenfallen. Auch dann ist eine lediglich „summarische“ Prüfung der Zuständigkeitsfrage nicht zulässig. Vielmehr muss sich die behauptete Zuständigkeit schlüssig aus dem Klagevorbringen ergeben; lediglich Beweise brauchen nicht erhoben zu werden (BGHZ 133, 240, 243 m.w.N.). Dass eine Beweiserhebung in derartigen Fällen entbehrlich ist, folgt aus dem bereits vom Reichsgericht und nunmehr vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz, dass die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen im Rahmen des Zuständigkeitsstreits dann keines Beweises bedürfen, wenn sie gleichzeitig notwendige Tatbestandsmerkmale des Anspruchs selbst sind, wenn also die Bejahung des Anspruchs begrifflich diejenige der Zuständigkeit in sich schließt (sogenannte doppelrelevante Tatsachen). Dann ist für die Zuständigkeitsfrage die Richtigkeit des Klagevortrags zu unterstellen (BGHZ 7, 184, 186; 124, 237, 240 f.; BGH, Urteil vom 9. Dezember 1963 – VII ZR 113/62, NJW 64, 497, unter 2; vgl. auch Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 1 Rdnr. 24; Windel, ZZP 111 (1998), 3, 20 f.; jeweils m.w.N.). Damit wird eine Vereinfachung und beschleunigte endgültige Erledigung des Rechtsstreits bezweckt. Der Kläger erreicht die erstrebte Prüfung der Berechtigung seiner Klage vor dem angerufenen Gericht auf seine schlüssige Behauptung hin. Er riskiert damit allerdings die endgültige Aberkennung des eingeklagten Anspruchs als unbegründet, falls sich seine Behauptungen nicht als wahr feststellen lassen, während er bei einer Abweisung der Klage nur als unzulässig diese nach Behebung des Hinderungsgrundes – etwa vor dem zuständigen Gericht – wiederholen könnte. Dem Beklagten ist diese Verfahrenskonzentration zuzumuten. Bestreitet er nämlich die doppelrelevanten Tatsachen mit Recht, so erlangt er mit dem klageabweisenden Sachurteil zugleich den rechtskräftigen Ausspruch, nichts zu schulden. Bestreitet er andererseits zu Unrecht, so erleidet er keinen ungerechtfertigten Nachteil, wenn das Gericht zugleich die Zulässigkeit und die Begründetheit der Klage gegen ihn ausspricht. In jedem Falle bleibt in einem streitigen Verfahren gewährleistet, dass die Richtigkeit bestrittener Tatsachen gerichtlich festgestellt wird (BGHZ 124, 237, 241).
bb) Zur Abgrenzung der Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte einerseits (§ 13 GVG) und der Gerichte für Arbeitssachen andererseits (§ 2 ArbGG), die seit der Neufassung der Vorschriften über die Rechtswegentscheidung und -verweisung durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung – im Folgenden: 4. VwGOÄndG – vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S. 2809) mit Wirkung vom 1. Januar 1991 erforderlich ist (zuvor hatte der Gesetzgeber das Verhältnis der beiden Gerichtsbarkeiten als eine Frage der sachlichen Zuständigkeit ausgestaltet; vgl. BAGE 83, 40, 44; Hager in: Festschrift für Kissel, 1994, S. 327, 328; jeweils m.w.N.), hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung und die Respektierung der Nachbargerichtsbarkeit erforderten, dass die zunächst angerufenen Gerichte für Arbeitssachen vorab in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüften, ob wirklich ein Arbeitsverhältnis vorliege. Weder genüge eine dahingehende Rechtsansicht des Klägers noch ein entsprechender Tatsachenvortrag, wenn er von der Gegenseite bestritten werde. Der Kläger müsse vielmehr notfalls beweisen, dass er Arbeitnehmer sei (BAG, NJW 94, 604, 605 f.; NJW 94, 1172, 1173).
Später hat der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts eine teilweise abweichende (vgl. BAGE 85, 46, 53) Auffassung vertreten und für die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs nach Fallgruppen unterschieden. In Fällen, in denen der Anspruch ausschließlich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden könne, jedoch fraglich sei, ob deren Voraussetzungen vorlägen (sogenannte „sic-non“-Fälle; Hauptbeispiel ist die auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage), seien die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers und seine Rechtsansicht doppelrelevant, also sowohl für die Rechtswegzuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend. In derartigen Fällen reiche die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus. Sei der Kläger kein Arbeitnehmer, so sei die Klage als unbegründet abzuweisen. Eine Verweisung des Rechtsstreits in einen anderen Rechtsweg wäre in diesem Fall sinnlos (BAGE 83, 40, 49 ff. m.w.N.; 85, 46, 54; 106, 273, 275).
cc) Um einen „sic-non“-Fall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich, wie das Beschwerdegericht richtig gesehen hat, hier nicht. Ebenso wenig handelt es sich bei den zwischen den Parteien streitigen Umständen (Eingliederung des Beklagten in den Betrieb der Klägerin) um doppelrelevante Tatsachen, über die nach der vorstehend (unter aa) dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs kein Beweis erhoben werden muss. Denn das Fehlen der Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten ist kein notwendiges Tatbestandsmerkmal der von der Klägerin geltend gemachten Rückzahlungsansprüche, so dass die Bejahung des Anspruchs begrifflich nicht diejenige der Zuständigkeit in sich schließt. Die Zahlung von Arbeitsentgelt ist grundsätzlich auch auf Provisionsbasis zulässig. Deshalb würde die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten allein einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung überzahlter Provisionen ebenso wie einen Darlehensrückzahlungsanspruch nicht ausschließen, mögen auch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis weitergehende Einschränkungen gelten und deshalb die behauptete Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten – sofern sie zu bejahen ist – auch bei der Prüfung der Begründetheit der Klage zu berücksichtigen sein (vgl. OLG Dresden, OLGR 05, 50, 51 m.w.N.; siehe ferner LAG Bremen, Urteile vom 2. April 2008 – 2 Sa 264/06 und 2 Sa 326/06, juris, jeweils unter II 3).
In derartigen Fällen ist entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts (ebenso OLG Köln, VersR 96, 1564; OLGR 05, 685, 688; OLG Dresden, a.a.O.; Kluth, NJW 99, 342, 344; Musielak/Wittschier, ZPO, 7. Aufl., § 17a GVG Rdnr. 13; wohl auch Zöller/Lückemann, ZPO, 27. Aufl., § 13 GVG Rdnr. 54) nicht allein der Sachvortrag der klagenden Partei Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs. Vielmehr hat der Kläger die für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, sofern der Beklagte diese bestreitet (so auch KG, NJW-RR 01, 1509, 1510; Windel, a.a.O., S. 24; noch weitergehend – für Beweiserhebung auch bei allen doppelrelevanten Tatsachen: Hager, a.a.O., S. 339 f.; Lüke, JuS 97, 215, 217; Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl., § 17 Rdnr. 19; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 30. Aufl., § 17a GVG Rdnr. 8a).
Mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit („Waffengleichheit“) der Parteien (vgl. Lüke, a.a.O.) und dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. dazu BVerfG, NZA 99, 1234) wäre es nicht vereinbar, wenn das Gericht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs den Sachvortrag des Beklagten nicht zur Kenntnis nähme und seine Zuständigkeit allein auf der Grundlage eines schlüssigen, aber bestrittenen und nicht bewiesenen Klägervortrags bejahte, es sei denn, es handelt sich um doppelrelevante Tatsachen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. dazu oben unter aa). Anders als das Beschwerdegericht und mit ihm die Rechtsbeschwerdeerwiderung meinen, rechtfertigt auch der mit der Regelung des § 17a GVG verfolgte Zweck der Verfahrensbeschleunigung keine andere Bewertung. Allerdings waren die Neuregelung der Rechtswegentscheidung und -verweisung und die Zusammenfassung der dazu erlassenen Vorschriften für alle Gerichtsbarkeiten in den §§ 17 bis 17b GVG durch das 4. VwGOÄndG Teile eines Bündels verfahrensrechtlicher Maßnahmen, die der Verbesserung, Beschleunigung und Entlastung des (verwaltungsgerichtlichen) Verfahrens dienten (Regierungsentwurf zum 4. VwGOÄndG, BT-Drs. 11/7030, S. 1). Änderungsbedarf hat der Gesetzgeber vor allem hinsichtlich der Befugnis der Berufungs- und Revisionsgerichte zur Prüfung der Rechtswegzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens gesehen. Nach damals geltendem Recht kam es vor, dass nach jahrelang geführtem Rechtsstreit in einem Gerichtszweig erst in der Revisionsinstanz festgestellt wurde, dass der beschrittene Rechtsweg unzulässig war. Dann war das Verfahren auf Antrag des Klägers an das zuständige Gericht des ersten Rechtszuges des für zulässig erachteten Rechtswegs zu verweisen und die Sache bei diesem im Ganzen mit der Folge neu zu verhandeln, dass der Prozess in dem neuen Gerichtszweig wiederum durch alle zulässigen Instanzen geführt werden konnte. Zur Vermeidung dieses unbefriedigenden Zustandes sollte mit der Einführung einer für alle Gerichtszweige und Instanzen bindenden Vorabentscheidung erreicht werden, dass die Frage der Rechtswegzuständigkeit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Verfahrens in der ersten Instanz abschließend geklärt wird (BT-Drs. 11/7030, S. 36 f.). Aus dieser gesetzgeberischen Absicht lässt sich indessen nicht ableiten, dass eine Beweisaufnahme über die für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen, vom Beklagten bestrittenen Tatsachen nicht stattfinden sollte. Zu dieser Frage schweigt die Gesetzesbegründung; es spricht daher nichts dafür, dass nach der Absicht des Gesetzgebers eine Beweisaufnahme außer in den von der Rechtsprechung anerkannten Fällen der Doppelrelevanz von zuständigkeits- und anspruchsbegründenden Tatsachen unterbleiben sollte.
dd) Nach alledem lässt sich die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG) im Streitfall nicht ohne abschließende Klärung, ob ein Angestelltenverhältnis im Sinne des § 84 Abs. 2 HGB vorliegt, und damit nicht ohne Beweisaufnahme über die tatsächliche Handhabung des zwischen den Parteien bestehenden Vertrages verneinen. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann die angefochtene Entscheidung somit keinen Bestand haben; sie ist aufzuheben, und die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
b) Die Sache ist auch nicht aus anderen Gründen entscheidungsreif, denn mit Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass sich die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen vorliegend nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ergibt. Nach dieser Vorschrift gelten selbständige Handelsvertreter (nur) dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmens festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt nicht mehr als 1.000,– aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben.
Die Festsetzungsbefugnis hinsichtlich der unteren Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmens besteht für das Vertragsverhältnis eines Handelsvertreters, der vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden darf (§ 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB) oder dem dies nach Art und Umfang der von ihm verlangten Tätigkeit nicht möglich ist (§ 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HGB). Es kann dahinstehen, ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen. Denn jedenfalls die zweite in § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG genannte Voraussetzung für die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht erfüllt. Das Beschwerdegericht hat insoweit – von der Rechtsbeschwerde unangegriffen – ausgeführt, der Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass er während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,– an Vergütung einschließlich Provision und Aufwendungsersatz bezogen habe.
c) Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ArbGG. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ArbGG gelten Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, als Arbeitnehmer. Die Vorschrift findet hier jedoch keine Anwendung, denn § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ist im Verhältnis zu § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG die vorgreifliche Sonderregelung. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG enthält eine in sich geschlossene Zuständigkeitsregelung, die es verbietet, Handelsvertreter unter anderen als den in § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG genannten Voraussetzungen als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ArbGG zu behandeln (Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2000, a.a.O., unter II 4).