Rentenversicherung; Versicherungspflicht; Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit und einer abhängigen Beschäftigung; Arbeitgeber der abhängigen Beschäftigung kein weiterer Auftraggeber

B 12 R 7/08 R Urteil verkündet am 4. November 2009 BSG Handelsvertretervertrag, Inhalt des Arbeitsvertrages

Bundessozialgericht
Im Namen des Volkes
Urteil

[..]

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als selbstständiger Handelsvertreter in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist.

Der Kläger war im Hauptberuf bis zum 31.12.2003 bei der R. GmbH abhängig beschäftigt und unterlag insoweit der Rentenversicherungspflicht. Aus dieser Beschäftigung bezog er im Jahr 2002 ein Bruttoentgelt in Höhe von 32.278,– Euro, in der Zeit vom 01.08 bis zum 31.12.2002 monatlich 2.689,– Euro. Im Jahr 2003 erhielt er ein Bruttoentgelt in Höhe von 26.054,– Euro. Seit dem 01.08.2002 bis zur Beendigung seiner abhängigen Beschäftigung war der Kläger außerdem nebenberuflich für die T. GmbH als Handelsvertreter selbstständig tätig. Für diese betrieb er auf ein bestimmtes Schuhsortiment innerhalb eines näher bezeichneten Vertragsgebiets in Baden-Württemberg bezogene Vermittlungsgeschäfte. Aus seiner Handelsvertretertätigkeit erzielte er in der Zeit vom 01.08. bis zum 31.12.2002 Bruttoeinkünfte (Provisionen) in Höhe von 17.868,55 Euro (= monatlich 3.573,71 Euro) und im Jahr 2003 in Höhe von 19.381,05 Euro.

Mit Bescheid vom 13.08.2004 stellte der beklagte Rentenversicherungsträger fest, dass der Kläger in seiner selbstständigen Tätigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ab 01.08.2002 in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sei, und forderte für die Zeit ab 01.08.2002 bis zum 31.08.2004 monatliche Beiträge in Höhe des halben Regelbeitrags, insgesamt 5.788,03 Euro, bis zum 31.12.2003 insgesamt 3.904,35 Euro nach. Den Widerspruch, mit dem der Kläger u. a. geltend machte, der Sache nach sei er nicht nur für einen Auftraggeber tätig geworden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2005 zurück.

Nachdem die Beklagte die Feststellung der Versicherungspflicht und die Beitragsnachforderung im Klageverfahren im Hinblick auf vom Kläger vorgelegte Unterlagen auf die Zeit bis zum 31.12.2003 beschränkt hatte, weil der Kläger in der Zeit danach als Handelsvertreter für mehrere Auftraggeber tätig gewesen war, wies das Sozialgericht (SG) die entsprechend eingeschränkte Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.07.2007 ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 24.09.2008 die erstinstanzliche Entscheidung und die angefochtenen Bescheide „auch hinsichtlich des Zeitraums vom 01.08.2002 bis 31.12.2003“ aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei in der noch streitigen Zeit vom 01.08.2002 bis zum 31.12.2003 nicht als selbstständig Tätiger nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI rentenversicherungspflichtig gewesen. Zwar sei er in seiner Tätigkeit als Handelsvertreter selbstständig gewesen und habe im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit i. S. von § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. a SGB VI regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Jedoch habe er i. S. von § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI nicht im Wesentlichen für nur einen Auftraggeber gearbeitet, wobei insoweit eine wesentliche tatsächliche, wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Auftraggeber genüge. Die Wesentlichkeitsgrenze sei einkommensbezogen und müsse als überschritten angesehen werden, wenn das Einkommen aus der zu beurteilenden selbstständigen Tätigkeit deutlich mehr als die Hälfte des Gesamteinkommens ausmache. Bei der Würdigung der gesamten Einkünfte seien diejenigen aus abhängiger Beschäftigung mitzuberücksichtigen. Denn nur so werde dem Anliegen des Gesetzgebers, nur sozial schutzbedürftige Selbstständige unter den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung zu stellen, Rechnung getragen. Die Einnahmen des Klägers aus seiner Handelsvertretertätigkeit hätten im Jahr 2002 bei monatsbezogener Betrachtungsweise mit 57 v. H. und im Jahr 2003 mit etwa 42 v. H. jedenfalls nicht deutlich mehr als die Hälfte des Gesamteinkommens erreicht.

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt eine Verletzung von § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI. Bei der Prüfung des Merkmals der wesentlichen Tätigkeit für einen Auftraggeber könne nur auf selbstständige Tätigkeiten, nicht jedoch auf abhängige Beschäftigungsverhältnisse abgestellt werden. Dementsprechend könne auch nur die vom Kläger ausgeübte selbstständige Tätigkeit für die Prüfung der Versicherungspflicht herangezogen werden. Nur diese Auslegung des § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI trage dem allgemeinen versicherungsrechtlichen Grundsatz Rechnung, verschiedene nebeneinander ausgeübte Tätigkeiten getrennt voneinander zu beurteilen, auch wenn das gegebenenfalls zu Mehrfachversicherung führe. Für die Auffassung des Berufungsgerichts lasse sich aus dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzessystematik oder dem Gesetzeszweck nichts herleiten. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI könnten nicht teilweise nur im Hinblick auf die selbstständige Tätigkeit, teilweise auch im Hinblick auf andere Erwerbstätigkeiten beurteilt werden. Die Begriffe „Auftraggeber“ und „tätig werden“ würden im Sozialversicherungsrecht nur im Zusammenhang mit Selbstständigen verwendet. Aus dem Fehlen einer § 4 Nr. 2 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) vergleichbaren Regelung ergebe sich, dass Einnahmen aus einem Beschäftigungsverhältnis nicht zum Ausschluss der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI führen sollten. Die soziale Schutzbedürftigkeit Selbstständiger werde nach dieser Vorschrift typisierend und pauschalierend allein in Anknüpfung an bestimmte Tätigkeitsmerkmale vorgenommen. Diese vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannte Schutzbedürftigkeit könne nicht unter Hinweis auf eine wirtschaftliche Unabhängigkeit wegen einer daneben ausgeübten Beschäftigung negiert werden. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Selbstständige nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI habe anders behandeln wollen als die übrigen von § 2 SGB VI erfassten Selbstständigen, bei denen jedenfalls eine daneben ausgeübte abhängige Beschäftigung für die Beurteilung der Versicherungspflicht unbeachtlich sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.07.2007 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.09.2008 zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der Beurteilung der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI seien die für die Lebensführung zur Verfügung stehenden Gesamteinkünfte zu betrachten. Entscheidend sei, dass Personen wie er nicht sozial schutzbedürftig seien. Hinzukomme, dass sein Unternehmenskonzept von vornherein auf die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern angelegt gewesen sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet, sodass das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen war. Der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2004 und der Widerspruchsbescheid vom 06.10.2005 sind rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass der Kläger in seiner selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter, die er für die T. GmbH in der Zeit vom 01.08.2002 bis zum 31.12.2003 ausgeübt hat, der Rentenversicherungspflicht und damit der Beitragspflicht unterlag, und Beiträge für diesen Zeitraum nachgefordert.

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist nur noch die Zeit bis zum 31.12.2003, nachdem die Beklagte im Klageverfahren ein Teilanerkenntnis abgegeben, die mit der Anfechtungsklage fristgerecht angefochtenen Bescheide für die Zeit danach aufgehoben und der Kläger seine Klage entsprechend eingeschränkt hat. Nicht zu entscheiden war über eine Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht, weil ein dahingehender Antrag von ihm nicht gestellt und – infolgedessen – von der Beklagten (in den angefochtenen Bescheiden) nicht mitbeschieden worden war.

2. Der Kläger war in seiner selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter vom 01.08.2002 bis zum 31.12.2003 als „arbeitnehmerähnlicher“ Selbstständiger rentenversicherungspflichtig, weil er im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit keinen (versicherungspflichtigen) Arbeitnehmer beschäftigte und für die T. GmbH als einzigen Auftraggeber tätig war. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einbeziehung des Klägers in die Rentenversicherungspflicht bestehen nicht (vgl. insoweit Urteil des Senats vom 10.05.2006, B 12 RA 2/05 R, SozR 4-2600 § 2 Nr. 8 RdNr. 27 ff.).

Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in den im streitigen Zeitraum geltenden Fassungen des Art. 7 Nr. 2 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl. I 1983) und des Art. 4 Nr. 1 lit. a DBuchst aa des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I 4621) sind versicherungspflichtig selbstständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig eine bestimmte Entgeltgrenze (seit 01.01.2002: 325 Euro; seit 01.04.2003: 400,– Euro) im Monat übersteigt (lit. a) , und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (lit. b). Später hat der Gesetzgeber § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI (mit Wirkung vom 01.07.2006) um den Halbsatz ergänzt, dass bei Gesellschaftern als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft gelten (vgl. Art. 11 Nr. 1 lit. a des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 vom 29.06.2006, BGBl. I 1402). Ferner ist die Entgeltgrenze von 400,– Euro in § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. a SGB VI (mit Wirkung ab 01.05.2007) entfallen (vgl. Art. 1 Nr. 2 lit. b des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007, BGBl. I 554).

Das Berufungsgericht ist zunächst ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger für die T. GmbH als Handelsvertreter selbstständig tätig war. Die Feststellungen des LSG zum Inhalt des zugrunde liegenden Handelsvertretervertrags (und seiner tatsächlichen Durchführung) tragen seine Annahme, dass der Kläger bei der Ausübung dieser Tätigkeit die Rechtsstellung eines Handelsvertreters i. S. des Handelsgesetzbuchs (HGB) innehatte, dessen Selbstständigkeit darauf beruht, dass er im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB; zur Zulässigkeit der Anknüpfung an den Begriff der Selbstständigkeit im HGB vgl. Urteil des Senats vom 10.05.2006, a.a.O., RdNr. 14, m.w.N.) . Auch war der Kläger im Hinblick auf die Feststellungen des Berufungsgerichts zu seinen Einnahmen aus der Handelsvertretertätigkeit und bei insoweit unterstellter Versicherungspflicht nicht nach § 5 Abs. 2 SGB VI in dieser Tätigkeit wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei.

Einziger Auftraggeber des ohne (versicherungspflichtigen) Arbeitnehmer (§ 2 Satz 1 Nr. 9 lit. a SGB VI) selbstständig tätigen Klägers war im streitigen Zeitraum die T. GmbH. Für diese allein war er i. S. des § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI – im Hinblick auf die zeitliche Perspektive und den Charakter seiner Handelsvertretertätigkeit – auf Dauer tätig. Weil der Kläger als Handelsvertreter nicht selbst Partei des mit seinen Kunden zustande kommenden Vertrags geworden ist, kommen diese als Auftraggeber von vornherein nicht in Betracht (zum Erfordernis vertraglicher Beziehungen vgl. Urteil des Senats vom 10.05.2006, a.a.O., RdNr. 26). Ob der Kläger neben der T. GmbH in dieser Zeit weitere Auftraggeber besaß, kann der Senat nicht mit der Begründung offenlassen, dass der Kläger „im Wesentlichen“ jedenfalls nur für diese tätig gewesen wäre und jedenfalls im Hinblick hierauf Rentenversicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestanden hätte. Denn wie das LSG für den Senat bindend festgestellt hat, betrug das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2002 lediglich 57 v.H., im Jahr 2003 lediglich 42 v.H. seines Gesamterwerbseinkommens. Wäre das restliche Erwerbseinkommen durch eine Erwerbstätigkeit für einen oder mehrere andere Auftraggeber erzielt worden, läge eine wesentliche Bindung des Betreffenden an den Auftraggeber der zu beurteilenden selbstständigen Tätigkeit i. S. des § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI nicht vor. Demgegenüber ist eine solche Bindung – naturgemäß – gegeben, wenn von vornherein nur ein Auftraggeber besteht.

Unzutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass in der Zeit vom 01.08.2002 bis zum 31.12.2003 der Arbeitgeber der abhängigen Beschäftigung des Klägers, die R. GmbH, als weiterer (zweiter) Auftraggeber i. S. des § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI zu betrachten ist, und deshalb das Bestehen von Rentenversicherungspflicht in der selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter verneint. Dies ergibt eine Auslegung des Begriffs „Auftraggeber“ in § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI. Die Beurteilung der Rentenversicherungspflicht ist in solchen Fällen – entgegen der vom LSG und den Beteiligten vertretenen Auffassung – nicht im Wege einer Betrachtung des Erwerbseinkommens aus allen (selbstständigen und abhängigen) Erwerbstätigkeiten vorzunehmen. Selbstständige Erwerbstätigkeiten und Erwerbstätigkeiten, die in einer abhängigen Beschäftigung bestehen, sind bei der Beurteilung der Rentenversicherungspflicht vielmehr voneinander zu trennen. Am Maßstab des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sind nur selbstständige (Erwerbs)Tätigkeiten zu prüfen. Werden also – wie hier – nebeneinander eine selbstständige Tätigkeit und eine (oder mehrere) abhängige Beschäftigung(en) ausgeübt, kommt nur die selbstständige Tätigkeit als Prüfungsgegenstand in Betracht mit der Folge, dass der Betreffende i. S. des § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI nur für einen Auftraggeber (erwerbs)tätig ist. Die Frage, ob die selbstständige (Erwerbs)Tätigkeit „wesentlich“ nur für einen Auftraggeber erfolgt, muss nicht beantwortet werden, weil keine Auftraggebermehrheit vorliegt. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen kann ggf. eine Mehrfachversicherung eintreten. Wie die Rentenversicherungspflicht selbstständig Tätiger in einem Fall mehrerer unterschiedlicher selbstständiger Tätigkeiten, etwa nach § 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 und Nr. 9 SGB VI, zu beurteilen ist, hat der Senat hier nicht zu entscheiden.

Die vom Senat vorgenommene Auslegung des Begriffs „Auftraggeber“ folgt aus dem Bedeutungszusammenhang der Norm (dazu b). Einer solchen Auslegung nach (gesetzes)systematischen Gesichtspunkten steht weder der Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI entgegen (dazu a) noch der mit § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI verfolgte (Schutz)Zweck, „arbeitnehmerähnliche“ Selbstständige in die Rentenversicherungspflicht einzubeziehen; eine Einbeziehung des vom Kläger repräsentierten Personenkreises ist, daran gemessen, vielmehr geboten (dazu c).

a) Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rentenversicherungspflicht eines Franchise-Nehmers, der (lediglich) eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt hatte, hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tage (B 12 R 3/08 R, Umdruck S. 7 f., zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) dargelegt, dass dem Begriff „Auftraggeber“ in § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI ein eindeutiger Wortsinn nicht zu entnehmen ist. Angesichts des Umstands, dass für den Begriff eine gesetzliche Festlegung (etwa i. S. einer Legaldefinition) fehle, müsse Ausgangspunkt der Auslegung der juristische oder jedenfalls allgemeine Sprachgebrauch sein. Die Bedeutung des Wortes „Auftraggeber“ sei danach offen. Insbesondere komme eine an den Strukturmerkmalen des Auftragsvertrags i. S. des § 662 BGB orientierte einschränkende Interpretation nicht in Betracht.

b) Eine Auslegung des § 2 Satz 1 Nr. 9 lit. b SGB VI, die die Verwendung des Begriffs „Auftraggeber“ auf Verhältnisse selbstständig Tätiger beschränkt, ist jedoch aus Gründen der (Gesetzes)Systematik geboten.

Zunächst darf bei der Auslegung des Begriffs „Auftraggeber“ der sachliche Anwendungsbereich des § 2 SGB VI nicht außer Acht gelassen werden. Danach regelt § 2 SGB VI – im Gegensatz zu § 1 SGB VI – ausschließlich die Rentenversicherungspflicht Selbstständiger mit der Folge, dass bei einem an typische Tätigkeitsmerkmale anknüpfenden Versicherungspflichttatbestand, wie er in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI verkörpert ist, Auslegungshorizont die Tätigkeit Selbstständiger ist. Zutreffend hat die Revision darauf hingewiesen, dass dieser thematische Zusammenhang auch in der Formulierung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI zum Ausdruck kommt, soweit die Bestimmung nämlich in lit. a festlegt, dass die Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers nur „im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit“ die Rentenversicherungspflicht ausschließt. Diese Voraussetzung muss unausgesprochen auch bei der Anwendung des in lit. b geregelten Tatbestandes zugrunde gelegt werden, soll nicht der sachliche Anwendungsbereich des § 2 (Satz 1 Nr. 9) SGB VI verlassen werden (a.A. – zu der früheren Vermutungsregelung des § 7 Abs. 4 SGB IV – Brand, DB 99, 1162, 1166) . Ob diese Auslegung des Wortes „Auftraggeber“ auch auf einen von der Revision so bezeichneten allgemeinen (sozial)versicherungsrechtlichen Grundsatz gestützt werden kann, „verschiedene nebeneinander ausgeübte Tätigkeiten (seien es selbstständige Tätigkeiten und/oder abhängige Beschäftigungen) jeweils getrennt voneinander versicherungsrechtlich zu beurteilen“, lässt der Senat offen. Zwar entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw. Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbstständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl. stellvertretend – zur Rechtslage vor Inkrafttreten des SGB VI – BSG, Urteil vom 13.09.1979, 12 RK 26/77, BSGE 49, 38, 39 f. = SozR 2200 § 1227 Nr. 29 S 67, 68 f., m.w.N.; Urteil vom 02.06.1982, 12 RK 66/80, SozR 5800 § 2 Nr. 3; siehe auch – hieran anknüpfend – die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148) . Ob ein solchermaßen angenommenes allgemeines Gebot isolierter sozialversicherungsrechtlicher Betrachtung mit der Folge eines Nebeneinander von Versicherungspflichttatbeständen hier jedoch als systematischer Auslegungsgesichtspunkt in Betracht kommen kann, ist fraglich, zumal die Revision ihrerseits, jedenfalls soweit es um unterschiedliche, jeweils nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI zu beurteilende selbstständige Tätigkeiten geht, eine Trennung nicht (konsequent) durchführen will (vgl. hierzu Buchner, DB 99, 1502, 1504, der diese Folge auf das Zusammentreffen selbstständiger mit abhängiger Erwerbstätigkeit überträgt).

Für eine enge Auslegung des Begriffs „Auftraggeber“, die nur Verhältnisse selbstständig Tätiger, nicht aber abhängig Beschäftigter erfasst, spricht auch, dass der für „arbeitnehmerähnliche“ Selbstständige geschaffene Versicherungspflichttatbestand als Nummer 9 in einen (Gesamt)Zusammenhang mit den übrigen, selbstständig Tätige erfassenden Versicherungspflichttatbeständen des § 2 Satz 1 SGB VI (in Nummern 1 bis 8) gestellt ist. Zwar hat der Senat in der Vergangenheit stets die Sonderstellung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI betont, die darin besteht, dass er auf bei seinem Inkrafttreten noch nicht Versicherungspflicht begründende Sachverhalte begrenzt ist mit der Folge, dass es im Verhältnis zu den Versicherungspflichttatbeständen der Nummern 1 bis 8 des § 2 Satz 1 SGB VI zu Fällen einer sog Gesetzeskonkurrenz nicht kommen kann (vgl. Urteil vom 05.07.2006, B 12 RA 4/05 R, SozR 4-2600 § 2 Nr. 9 RdNr. 14; Urteil vom 23.11.2005, B 12 RA 5/03 R, SozR 4-2600 § 231 Nr. 1 RdNr. 16). Warum sich diese Sonderstellung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI aber darin fortsetzen soll, dass der Versicherungspflichttatbestand unter Heranziehung außerhalb der selbstständigen Tätigkeit liegender Umstände – hier der abhängigen Beschäftigung – einzugrenzen ist, ist nicht erkennbar. Zutreffend hat die Revision nämlich dargelegt, dass eine neben der selbstständigen Tätigkeit ausgeübte Beschäftigung jedenfalls bei den sonstigen von § 2 Satz 1 SGB VI erfassten Selbstständigen für die versicherungsrechtliche Beurteilung der selbstständigen Tätigkeit ohne Bedeutung ist.

Zutreffend hat die Revision im Übrigen darauf hingewiesen, dass eine Auslegung, die die Verwendung des Begriffs „Auftraggeber“ auf die Verhältnisse Selbstständiger beschränkt, auch bei einem Vergleich etwa mit denjenigen Regelungen geboten ist, die im KSVG über Mehrfachversicherungen bestimmen. Nach § 4 Nr. 2 KSVG in der geltenden Fassung und seinen Vorgängerfassungen ist bzw. war in der Rentenversicherung nach dem KSVG unter bestimmten Voraussetzungen versicherungsfrei, wer neben seiner selbstständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit noch abhängig beschäftigt (oder anderweitig selbstständig tätig) ist bzw. war. Seit jeher waren danach Künstler und Publizisten nicht rentenversicherungspflichtig, wenn sie anderweitig mindestens durchschnittlich verdienten. Für den Personenkreis der „arbeitnehmerähnlichen“ Selbstständigen enthält § 2 SGB VI (oder § 5 SGB VI) eine entsprechende Regelung nicht. Weil das Gesetz die Rechtsfolge der Versicherungsfreiheit nur für den Personenkreis des KSVG vorgesehen hat, für „arbeitnehmerähnliche“ Selbstständige indessen nicht, ist davon auszugehen, dass die dort vorgesehene Rechtsfolge auf diese nicht übertragen werden und ein weiterer Auslegungsspielraum deshalb nicht eröffnet sein sollte.

c) Das vom Senat unter Hinweis auf den Bedeutungszusammenhang der Norm gefundene Auslegungsergebnis ist auch im Hinblick auf den gesetzlichen (Schutz)Zweck geboten. Dieser steht ihm nicht etwa entgegen, wie das Berufungsgericht und ein Teil der Literatur (vgl. Hanau/Eltzschig, NZS 02, 281, 286; Fichte, in: Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Mai 2007, K § 2 RdNr. 84, unter Hinweis auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30.06.2004, L 11 KR 519/04 ; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, Stand März 2008, § 2 Anm. 21) meinen. Im Hinblick auf den mit § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI verfolgten Zweck, „arbeitnehmerähnliche“ Selbstständige wegen ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit in die Rentenversicherungspflicht einzubeziehen, ist es konsequent, wenn dieser Versicherungspflichttatbestand auch auf Personen wie den Kläger angewandt wird.

§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bezieht selbstständig Tätige in die Rentenversicherungspflicht ein, die nach Auffassung des Gesetzgebers nicht weniger sozial schutzbedürftig sind als die sonstigen von § 2 Satz 1 SGB VI erfassten Selbstständigen (vgl. BT-Drucks 14/45 S 20). Als kennzeichnend für diesen Personenkreis wurde nicht die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen, sondern wurden vielmehr typische Tätigkeitsmerkmale angesehen, u. a. das Merkmal, auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig zu sein. Der Senat hat im Zusammenhang mit der in § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst a SGB VI geregelten Voraussetzung ausgeführt, dass dieser eine Indizwirkung für die wirtschaftliche Lage des selbstständig Tätigen beigelegt werden dürfe, und darauf hingewiesen, dass die Anknüpfung an die wirtschaftliche Lage des Selbstständigen als Parameter der sozialen Schutzbedürftigkeit von ihm schon früher für zulässig gehalten worden sei (vgl. Urteil des Senats vom 10.05.2006, a.a.O., RdNr. 22). Im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des Selbstständigen ist die weitere Voraussetzung der Tätigkeit nur für einen Auftraggeber in gleichem Maße aussagekräftig (vgl. Urteil vom heutigen Tage, B 12 R 3/08 R, Umdruck S 12). In der Rechtsprechung des Senats ist weiter dargelegt, dass ein unbestimmter (rechtspolitischer) Begriff des arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden hat und die „Arbeitnehmerähnlichkeit“ der betroffenen Selbstständigen notwendig, aber auch stets hinreichend und abschließend in den normativen und allein subsumtionsfähigen Kriterien des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI zum Ausdruck kommt (vgl. Urteil des Senats vom 24.11.2005, B 12 RA 1/04 R, BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr. 7, jeweils RdNr. 26). Die Rentenversicherungspflicht setzt infolgedessen auch hier nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit des Versicherungspflichtigen voraus, sondern beruht auf der Erfüllung des formalen gesetzlichen Tatbestands, in dem nach Auffassung des Gesetzgebers die soziale Schutzbedürftigkeit typisierend verkörpert ist (a.a.O., RdNr. 27).

Soweit das LSG ausgeführt hat, dass wegen des seinerzeit noch bestehenden Versicherungspflichtverhältnisses des Klägers als Beschäftigter für die Begründung eines weiteren Versicherungspflichtverhältnisses als Selbstständiger kein „sozialer Schutzbedarf“ bestanden habe, hat es hiervon abweichend die konkrete (individuelle) Schutzbedürftigkeit des Klägers geprüft, die bei einer Erfüllung des formalen gesetzlichen Tatbestands des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI gerade nicht (mehr) zu berücksichtigen ist. Lassen sich die normativen und allein subsumtionsfähigen Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, die das Vorliegen von wirtschaftlicher Abhängigkeit und demzufolge sozialer Schutzbedürftigkeit indizieren, nicht – wie hier aus (gesetzes)systematischen Gründen – erweiternd auslegen, so kann das aus der Typisierung folgende Ergebnis nicht unter Hinweis auf das Fehlen individueller Schutzbedürftigkeit „überspielt“ werden. Der Sache nach ist das Bedenken des Berufungsgerichts und der Literatur gegen das Zustandekommen von Mehrfachversicherung und die sich daran anknüpfenden beitragsrechtlichen Folgen gerichtet. Mehrfachversicherungen, die auch in anderen Zusammenhängen eintreten können, werden aber, worauf das Berufungsgericht selbst hinweist, allgemein für zulässig gehalten (siehe oben 2.b).

Die vom Senat vorgenommene Auslegung hat Konsequenzen für im Wesentlichen zwei Personengruppen. Die eine Personengruppe wird durch den Kläger des vorliegenden Verfahrens repräsentiert. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass der Selbstständige den Weg aus der hauptberuflich ausgeübten Beschäftigung in eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit sucht und während einer Übergangszeit Versicherungspflichtverhältnisse deshalb parallel bestehen, weil – wie der Kläger ausführt – in der „Gründungsphase“ eine selbstständige Tätigkeit für weitere Auftraggeber (die eine Rentenversicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SBG VI ausschließen würde) aus bestimmten (etwa zeitlichen) Gründen noch nicht möglich ist. Konsequenzen hat diese Auslegung aber auch für Personen, die neben ihrer hauptberuflich ausgeübten Beschäftigung dauerhaft im Nebenberuf einer nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI zu beurteilenden selbstständigen Tätigkeit nachgehen. Diese Personengruppe ist sehr heterogen, kann doch das Verhältnis der Einnahmen aus abhängiger Beschäftigung zu den Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit hier stark variieren. Ein Bedürfnis nach einer Absicherung Selbstständiger in der gesetzlichen Rentenversicherung ist deshalb auch bei dieser Personengruppe nicht generell zu verneinen, etwa dann, wenn der Selbstständige die nebenberuflich ausgeübte Beschäftigung zugunsten der selbstständigen Tätigkeit im Hauptberuf in einer Weise reduziert, dass aus der abhängigen Beschäftigung keine ausreichende Absicherung in der Rentenversicherung (mehr) erwächst. In beiden Fällen kommt es, wenn die Grenze der Geringfügigkeit überschritten wird, zu Mehrfachversicherung mit der Folge, dass Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung sowohl aus dem mit der Beschäftigung erzielten Arbeitsentgelt als auch aus dem mit der selbstständigen Tätigkeit erzielten Arbeitseinkommen zu entrichten sind. Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen sind zusammenzurechnen und daraus insgesamt Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten (vgl. § 22 Abs. 2 SGB IV) . Beide Personengruppen konnten und können zunächst für die ersten drei Jahre das für Existenzgründer geschaffene Befreiungsrecht (§ 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VI) in Anspruch nehmen. Jedenfalls Personen wie der Kläger erhalten damit eine adäquate Möglichkeit, in der ihre Situation prägenden Übergangszeit Mehrfachversicherung zu vermeiden. Darüber hinaus stand und steht beiden Gruppen nur noch das Befreiungsrecht für ältere Selbstständige (§ 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI) zu. Eine entsprechende Reaktionsmöglichkeit für die zweite Personengruppe, die dauerhaft zwei oder mehr Versicherungspflichttatbestände erfüllt, hält das Gesetz damit nicht bereit. Schließlich konnten und können Beitragserleichterungen für selbstständig Tätige in Anspruch genommen werden (§ 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

d) Gegen die Höhe der Beiträge, die die Beklagte gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI festgesetzt hat, werden Einwendungen vom Kläger nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Schlagwörter
Versicherungspflicht (4) selbständige Tätigkeit (3) Rentenversicherung (6) Abhängige Beschäftigung (2)