Doppelrechtsverhältnis; Korrespondenzpflicht; Stellvertreter; Empfangsbote

6 O 381/00 Urteil verkündet am 9. Januar 2001 LG Düsseldorf Versicherungsmaklerrecht

Landgericht Düsseldorf
Im Namen des Volkes
Urteil

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, die von der Beklagten zugesandten Beitragsrechnungen und Mahnungen an die Versicherungsnehmer der Beklagten weiter zu leiten.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 32.500,00 DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der europäischen Union erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger ist selbstständiger Versicherungsmakler und vermittelt Versicherungen der Beklagten. In dem Vertragsformular, das die Kunden des Klägers unterzeichnen, heißt es:

„1. Der Auftraggeber beauftragt und bevollmächtigt den Makler mit der Vermittlung und Verwaltung von Versicherungsverträgen sowie deren Überprüfung hinsichtlich Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Vertragsgestaltung sowie darüber hinaus mit der Wahrnehmung der Interessen des Auftraggebers gegenüber den Versicherern. […]

2. Der Makler führt die mündlichen und schriftlichen Verhandlungen mit den Versicherern. Der Auftraggeber wird entsprechend unterrichtet.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Formulars wird inhaltlich auf die Anlage K 9 Bezug genommen.

Die Beklagte übersendet unter Bezugnahme auf die dem Kläger erteilte Maklervollmacht sämtlichen Schriftverkehr betreffend die Versicherungsnehmer, die den Kläger als Versicherungsmakler beauftragt haben. Der Kläger forderte die Beklagte vergeblich auf, Rechnungen und Mahnungen im Original direkt an die jeweiligen Versicherungsnehmer zu schicken.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, den Schriftverkehr direkt an die Versicherungsnehmer zu senden und ihm lediglich eine Kopie zukommen zu lassen. Nur kraft besonderen Auftrags sei ein Versicherungsmakler für die Entgegennahme aller für den Versicherungsnehmer bestimmten Erklärungen bevollmächtigt.

Des weiteren behauptet er, es sei in der Versicherungsbranche üblich, dem Versicherungsmakler von Beitragsrechnungen und Mahnungen lediglich Kopien zuzusenden. Da die Beklagte die jeweiligen Schriftstücke ohne Bezeichnung des Kundennamens versende, werde er vor verwaltungstechnisch unlösbare Aufgaben gestellt, weil die einzelnen Rechnungen manuell anhand der Versicherungsnummer zugeordnet werden müssten. Soweit die abstrakte Zuordnung durch das Verwaltungsprogramm möglich sei, entstünden Probleme z. B. bei der Verwendung von Leerzeichen oder bei Zahlendrehern.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, die von der Beklagten zugesandten Beitragsrechnungen und Mahnungen an die Versicherungsnehmer der Beklagten weiterzuleiten,

2. hilfsweise festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist,

Beitragsrechnungen oder Mahnungen ohne Angabe der Personen und Adressdaten der Kunden weiterzuleiten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, zwischen ihr und dem Kläger bestehe schon kein Rechtsverhältnis. Auch sei es ihr nicht zuzumuten, sowohl mit dem Kläger als auch dem Versicherungsnehmer zu korrespondieren.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig.

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nach § 256 ZPO. Er hat nachvollziehbar dargelegt, sich Schadensersatzforderungen seiner Kunden ausgesetzt zu sehen, wenn er Beitragsrechnungen und Mahnungen der Beklagten nicht (rechtzeitig) an sie weiter leitet. Denn erreichen diese Schreiben die Versicherungsnehmer nicht, gefährden daraufhin ausbleibende Beitragszahlungen den Versicherungsschutz. Sollte der Kläger zur (rechtzeitigen) Weiterleitung der Schreiben aber verpflichtet sein, können seine Kunden wegen der durch die mangelhafte Zustellung entstandenen Nachteile ihn in Anspruch nehmen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht zwischen ihr und dem Kläger auch ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO. Ein Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift ist eine aus dem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung von Personen untereinander oder zu einem Gegenstand (BGHZ 22, 46). Zwar steht der Versicherungsmakler grundsätzlich auf der Seite des Versicherungsnehmers und hat keine eigenen unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zum Versicherungsunternehmen. Dennoch besteht im Verhältnis zu diesem eine vertragsähnliche Beziehung („Doppelrechtsverhältnis“), aus der sich beiderseitige Pflichten ergeben (BGH VersR 1995, 93; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., Anh. Zu §§ 43 48 Rdnr. 20; Schirmer/Höhne; VersR 1998, 661, 666). So bestehen etwa für den Versicherungsmakler Informations- und Rücksichtspflichten gegenüber dem Versicherungsunternehmen (BGH, a.a.O.; Prölss/Martin, a.a.O., Rdnr. 21).

Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger ist aus keinem Rechtsgrund verpflichtet, sämtliche Schreiben der Beklagten im Original entgegenzunehmen und sodann an seine Kunden weiter zu leiten. Wenn die Beklagte derart verfährt, kann sie, sollten die Schreiben den Versicherungsnehmer nicht erreichen, hieraus keine nachteiligen Folgen für den Versicherungsnehmer ziehen, weil es an einer ordnungsgemäßen Zustellung fehlt. Der Kläger ist nämlich nicht Empfangsbote oder gar Vertreter der von ihm betreuten Versicherungsnehmer gemäß § 164 Abs. 3 BGB.

Dies ergibt sich aus dem Maklervertrag, den er mit seinen Kunden abschließt. Dieser enthält lediglich Bestimmungen darüber, dass der Kläger Versicherungsverträge vermittelt und verwaltet und hierzu mit den Versicherern mündlich und schriftlich verhandelt. Dass die Versicherungsunternehmen den Schriftverkehr ausschließlich mit dem Kläger zu führen haben, ergibt sich hieraus und auch insbesondere aus dem Begriff der Verwaltung nicht. Solange die Versicherungsnehmer dem Versicherer nicht ausdrücklich mitteilen, dass sie den Schriftverkehr an den Versicherungsmakler zu richten hat, oder den Versicherungsmakler mit der Entgegennahme der Schreiben ausdrücklich beauftragen, bleibt es dabei, dass der Versicherer die Schreiben an den Versicherungsnehmer als seinen Vertragspartner zu senden hat und nur hierdurch den erforderlichen Zugang bewirken kann.

Eine Verpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten zur Entgegennahme ihrer Schreiben kann sich demnach allenfalls aus der vertragsähnlichen Rechtsbeziehung zu der Beklagten ergeben. Dies ist aber nicht der Fall.

Die Rechtsbeziehung zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsmakler verpflichtet zwar das Versicherungsunternehmen, den Versicherungsmakler über sämtliche Schreiben an den Versicherungsnehmer in Kenntnis zu setzen. Diese Verpflichtung ergibt sich daraus, dass das Versicherungsunternehmen aufgrund der Treuepflichten, die es gegenüber dem Versicherungsnehmer hat, respektieren muss, dass dieser einen Versicherungsmakler mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hat.

Das bedeutet für das Versicherungsunternehmen, dass es verpflichtet ist, mit dem Versicherungsmakler zusammenzuarbeiten (Prölss/ Martin, a.a.O., Rdnr. 24), was zur Folge hat, dass es ihm ermöglichen muss, die Interessen des Versicherungsnehmers mit den erforderlichen Anpassungen und Veränderungen des Versicherungsschutzes dauerhaft betreuen zu können. Dies kann der Versicherungsmakler aber nur, wenn er über alle relevanten Vorgänge informiert ist.

Aus dieser Informationspflicht der Beklagten folgt aber kein Recht, dem Kläger sämtliche Schreiben an die Versicherungsnehmer, die den Kläger mit der Wahrnehmung ihrer Versicherungsinteressen beauftragt haben, im Original zuzusenden und von ihm zu verlangen, die Schreiben an die Versicherungsnehmer weiter zu leiten. Aus dem vertragsähnlichen Rechtsverhältnis der Parteien ergibt sich nicht, dass der Kläger verpflichtet ist, diese Erwartung zu erfüllen. Denn auch wenn sich aus diesem Rechtsverhältnis die Verpflichtung des Versicherungsmaklers ergibt, auch die Interessen den Versicherers zu wahren (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., Rdnr. 21), geht diese Verpflichtung nicht so weit, den durch die Weiterleitung der Schreiben entstehenden Verwaltungsaufwand tragen und darüber hinaus eigene Haftungsrisiken eingehen zu müssen, nur um dem Versicherer Kosten zu ersparen, die durch die Zusendung von Kopien an den Versicherungsmakler entstehen. Denn auch wenn letztlich keine Ansprüche gegen den Kläger bestehen, leitet er die Schreiben nicht (rechtzeitig) weiter, setzt die Beklagte den Kläger dennoch der Gefahr aus, von seinen Kunden ggf. auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden und diese Inanspruchnahme erst im Rahmen eines Prozesses abwehren zu können. Dies ist ihm nicht zuzumuten.

Hierauf hat die Kammer die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung hingewiesen. Ihr nachgelassener Schriftsatz vom 19.12.2000 bot dennoch keinen Anlass, die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 ZPO.

Streitwert: 1.000.000,00 DM

Schlagwörter
Stellvertreter (1) Korrespondenzpflicht (1) Feststellungsinteresse (3) Empfangsbote (1) Doppelrechtsverhältnis (1)