Fondsgebundene Lebensversicherung als Kapitalanlagegeschäft
V ZR 437/15 Urteil verkündet am 5. April 2017 BGH VersicherungsmaklerrechtBundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch […] auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2017 für Recht erkannt:
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 27. Juli 2015 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt von der in Liechtenstein ansässigen Beklagten Schadensersatz wegen der angeblichen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrages.
2 Im November 2004 zeichnete er die streitgegenständliche Kapitallebensversicherung mit einer Laufzeit von 12 Jahren. Die Beiträge von insgesamt 50.000,– €, die der Kläger in fünf Teilbeträgen von Ende 2004 bis Ende 2008 einzahlte, wurden in einen Anlagestock investiert, dessen Wertentwicklung die Höhe der Auszahlung am Laufzeitende bestimmen sollte, wobei der Kläger die Wahl zwischen zwei vorgegebenen Fonds hatte. Er entschied sich für einen Fonds, der US-amerikanische Risikolebensversicherungen aufgrund sog. Lebenserwartungsgutachten aufkaufte (so genannte Traded Senior Life Interests, kurz: TSLI). Nach dem Vertrag sollte der Kläger im Erlebensfall bei Vertragsende den Gegenwert der Fondsanteile ausgezahlt erhalten, während für den Todesfall ein Betrag von 60% der Gesamtbeitragssumme garantiert wurde.
3 Dem Vertragsabschluss vorausgegangen war ein Beratungsgespräch mit dem Zeugen O., einem Mitarbeiter der unabhängigen C. AG, der dem Kläger unter anderem die Versicherungsbedingungen, ein so genanntes „fact sheet“, eine Beschreibung der fondsgebundenen Lebensversicherung, eine Broschüre und eine Kundenpräsentation aushändigte.
4 Wie auch den dem Kläger jährlich übersandten Anlageberichten zu entnehmen ist, entwickelte sich der Fonds nicht wie erwartet – hauptsächlich deshalb, weil die in den erworbenen Lebensversicherungen versicherten Personen in den USA länger lebten (bzw. noch leben) als in den Lebenserwartungsgutachten prognostiziert. Deshalb wurde zum 31. Dezember 2010 eine Neubewertung der Policen vorgenommen, die zu einer erheblichen Abwertung führte. Der dem Kläger mitgeteilte Anlagewert per 31. Dezember 2012 betrug nur noch 15.589,04 €.
5 Der Kläger beanstandet eine unzureichende und fehlerhafte Aufklärung über das Anlageprodukt mit seinem erheblichen Verlustrisiko. Auch der Zeuge O. habe die unzureichenden Informationen aus den übergebenen Materialien nicht etwa klargestellt, sondern die Versicherung als eine für die Altersvorsorge hervorragend geeignete Anlage mit äußerst geringem Risiko angepriesen.
6 Der Kläger behauptet, dass er die Anlage bei korrekter Aufklärung nicht gezeichnet hätte und ihm über die Anlage hinaus Zinsen aus einer anderen Kapitallebensversicherung entgangen seien, die er im Hinblick auf die streitgegenständliche Anlage beitragsfrei gestellt habe. Als Ersatz seines Vertrauensschadens hat er deshalb die Rückzahlung der geleisteten Versicherungsbeiträge, 4% Zinsen als entgangenen Gewinn, Verzugszinsen sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt.
7 Vor dem Landgericht hat die Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Verzugszinsen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiter das Ziel der Klageabweisung verfolgt.
Entscheidungsgründe
8 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9 I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich der Abschluss der streitgegenständlichen Versicherung bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft darstelle, weshalb die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle für seinen Anlageentschluss bedeutsamen Umstände verständlich und vollständig zu informieren, insbesondere über die mit der angebotenen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken. Hiervon ausgehend habe der Zeuge O. den Kläger unzureichend und fehlerhaft beraten. Im Rahmen der vom Anlageberater geschuldeten anlegergerechten Beratung müssten die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden berücksichtigt und sein Anlageziel abgeklärt werden; die empfohlene Anlage müsse unter Berücksichtigung dieses Anlageziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein. Es könne dahinstehen, ob die übergebenen Produktunterlagen zur hinreichenden Aufklärung in schriftlicher Form geeignet gewesen seien. Die Empfehlung einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit dem damit verbundenen Verlustrisiko sei angesichts des Anlageziels der Altersvorsorge fehlerhaft gewesen.
10 Diese fehlerhafte Beratung sei der Beklagten gemäß § 278 BGB zuzurechnen. Der Vermittler sei als ihr Berater aufgetreten. In den schriftlichen Unterlagen sei auf die Betreuung bzw. Beratung durch einen Vermittler verwiesen worden; der Zeuge habe als solcher unterschrieben. Die Beklagte habe sich zur umfassenden Erfüllung ihrer vorvertraglichen Pflichten des Zeugen bedient und damit verdeutlicht, dass sie sich seine Erklärungen und Informationen zu Eigen mache. Insoweit müsse sie sich auch unrichtige oder unvertretbare Auskünfte zurechnen lassen, die innerhalb der Grenzen ihrer eigenen Auskunftspflicht grundsätzlich nicht geschuldet gewesen seien.
11 Die Beklagte könne sich nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Sie habe nicht darauf vertrauen können, dass sich die Beratung zum streitgegenständlichen Produkt nicht an den Grundsätzen für Anlagegeschäfte zu orientieren habe.
12 Des Weiteren sei der Anspruch des Klägers nicht verjährt. Die Verjährung habe gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres begonnen, in dem der Anspruch entstanden sei und in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt habe. Das sei nicht vor dem Jahr 2011 der Fall gewesen. Der Beklagten sei nicht der Nachweis gelungen, dass der Kläger schon früher erkannt oder grob fahrlässig verkannt habe, dass ein Kapitalverlustrisiko bestehe und der Zeuge O. ihn insoweit fehlerhaft beraten habe. Das Ende 2012 vom Kläger eingeleitete Güteverfahren habe sodann die Verjährung gehemmt. Diese Hemmung habe gemäß § 204 Abs. 2 BGB erst sechs Monate nach der erfolglosen Beendigung des Güteverfahrens (dies war am 2. August 2013) geendet.
13 Der Kläger könne nach § 280 BGB auch den zuerkannten entgangenen Anlagegewinn beanspruchen. Insoweit stehe fest, dass der Kläger im Falle ordnungsgemäßer Beratung seine bis dahin bediente Kapitallebensversicherung bei einem anderen Versicherer als konkrete Alternativanlage fortgeführt hätte. Auf den entgangenen Gewinn könne der Kläger ab Vorliegen der Voraussetzungen zusätzlich den gesetzlichen Zinssatz nach § 247 BGB verlangen.
14 II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
15 1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass es sich bei dem Erwerb der streitgegenständlichen Lebensversicherung durch den Kläger wirtschaftlich betrachtet um ein Kapitalanlagegeschäft handelt.
16 Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Charakter, der Funktionsweise und den sonstigen Eigenheiten der angebotenen Versicherung in Verbindung mit den Informationsunterlagen der Beklagten tragen die Einordnung als ein Produkt, das den Informationspflichten für Kapitalanlageprodukte unterfällt, in revisionsrechtlich unangreifbarer Weise. Das Berufungsgericht hat sich insoweit an den Vorgaben der Senatsrechtsprechung (Senatsurteil vom 11. Juli 2012 – IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 Rn. 53; Senatsbeschluss vom 26. September 2012 – IV ZR 71/11, r+s 2013, 117 Rn. 26) orientiert.
17 Insbesondere rügt die Revision zu Unrecht, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Versicherung des Todesfallrisikos gegenüber der Renditeerwartung von untergeordneter Bedeutung sein müsse; eine solche untergeordnete Bedeutung hat es im Gegenteil ausdrücklich festgestellt. Dabei handelt es sich – auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens – um eine vertretbare tatrichterliche Würdigung, zumal die Todesfallleistung nur 60% der Einzahlungen beträgt und deshalb davon auszugehen ist, dass sie nach den Vorstellungen des Versicherungsnehmers im Anlagezeitpunkt unter dem erwarteten Anteilswert liegen dürfte, weil er sich in erster Linie eine Vermehrung der eingezahlten Beträge erhoffte.
18 2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich die Beklagte hinsichtlich der von ihr zu erfüllenden Anforderungen an die Aufklärung der Versicherungsnehmer nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen kann.
19 Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegt es dem Schuldner darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass er eine etwaige Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Voraussetzungen eines unverschuldeten Rechtsirrtums hat die Beklagte nicht dargelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fordert der Geltungsanspruch des Rechts, dass der Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage selbst trägt. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt daher regelmäßig nur dann vor, wenn er die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Ein solcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen, wenn der Schuldner eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung für seine Auffassung in Anspruch nehmen konnte und eine spätere Änderung derselben nicht zu befürchten brauchte. Musste er dagegen mit der Möglichkeit rechnen, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen würde als er, ist ihm regelmäßig ein Verschulden anzulasten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 – II ZR 23/14, BGHZ 207, 144 Rn. 37 f. m.w.N.).
20 Nach diesem Maßstab hat das Berufungsgericht einen unverschuldeten Rechtsirrtum der Beklagten über Inhalt und Reichweite ihrer Aufklärungspflichten rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, dass die Beklagte schon aufgrund der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – wie etwa dem Urteil vom 9. Juli 1998 (III ZR 158/97, VersR 1998, 1093) mit einer Anwendung der Kapitalanlagevorschriften und entsprechend weitergehenden Aufklärungspflichten rechnen musste. Entgegen der Auffassung der Revision musste die Beklagte nicht erst aufgrund der Senatsentscheidungen vom 11. Juli 2012 (u.a. IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39) mit der Möglichkeit rechnen, dass auch der Vertrieb von Kapitallebensversicherungen unter weiteren Voraussetzungen zusätzlich den Aufklärungspflichten von Kapitalanlageprodukten unterliegen kann. Vielmehr hat der Senat auch der dortigen Beklagten eine schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung unter Hinweis auf bereits vorhandene Rechtsprechung, unter anderem das vorzitierte Urteil vom 9. Juli 1998, angelastet (Senat a.a.O. Rn. 51, 53).
21 3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber eine der Beklagten zuzurechnende Aufklärungspflichtverletzung bejaht.
22 a) Es hat eine unzureichende schriftliche Aufklärung über die Besonderheiten des angebotenen Produkts und die mit ihm verbundenen Nachteile und Risiken nicht festgestellt, sondern ausdrücklich offen gelassen, ob die schriftlichen Unterlagen der Beklagten den Anforderungen an die Informationspflichten bei der streitgegenständlichen Versicherung genügten. Letzteres ist deshalb für das Revisionsverfahren zu unterstellen.
23 b) Zu Recht rügt die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht eine fehlerhafte Beratung durch den Zeugen O. angenommen hat, die der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnen sei. Zwar kann das Verhalten eines Versicherungsmaklers oder selbständigen Vermittlers, der als Vertragspartner des Versicherungsnehmers für diesen tätig ist, ausnahmsweise auch dem Versicherer zuzurechnen sein. Das setzt aber voraus, dass der Vermittler zugleich Aufgaben, die typischerweise dem Versicherer obliegen, mit dessen Wissen und Wollen übernimmt und damit in dessen Pflichtenkreis tätig wird (Senatsurteile vom 12. März 2014 – IV ZR 306/13, BGHZ 200, 286 Rn. 22; vom 11. Juli 2012 – IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 Rn. 51). Insoweit fehlt es an tragfähigen Feststellungen dazu, dass ein solches Handeln des Zeugen im Pflichtenkreis der Beklagten vorgelegen hat.
24 aa) Zu den originären Pflichten des Anbieters eines Kapitalanlageprodukts gehört eine richtige und vollständige Information über das Produkt; dies umfasst die zutreffende Beschreibung der damit verbundenen Chancen und Risiken, nicht jedoch deren Bewertung, die nur im Rahmen eines Beratungsvertrages geschuldet wird (Senatsbeschluss vom 26. September 2012 – IV ZR 71/11, r+s 2013, 117 Rn. 26). Soweit die schriftlichen Unterlagen eine ausreichende Darstellung der Funktion des Produkts und der mit ihm verbundenen Chancen und Risiken enthielten, kann deshalb ein bloßes Unterlassen weiterer bewertender Hinweise keine Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten begründen.
25 In dem Fall, der dem Senatsbeschluss vom 26. September 2012 zugrunde lag, hat der Senat wesentlich darauf abgestellt, dass der Vermittler zusammen mit dem Versicherer als Anbieter eines gemeinsamen kombinierten Anlageprodukts aufgetreten war (Senatsbeschluss vom 26. September 2012 a.a.O. Rn. 31). Derartige Besonderheiten sind im Streitfall nicht festgestellt. Anders als in den Fällen, die den Senatsurteilen vom 11. Juli 2012 (IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39; IV ZR 151/11, juris; IV ZR 286/10, VersR 2012, 1237; IV ZR 271/10, WM 2012, 1577) zugrunde lagen, ist auch nicht festgestellt, dass der Vermittler im Rahmen eines Strukturvertriebs tätig war, in dem die Beklagte ihre Versicherungen unter Verzicht auf ein eigenes Vertriebssystem veräußerte. Der Kläger hat im Gegenteil bereits in der Klageschrift vorgetragen, dass der Vertrieb auch über eine konzernzugehörige Aktiengesellschaft durchgeführt worden sei. Eine Verletzung der derart beschränkten Produktaufklärungspflicht durch den Zeugen O. hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
26 (1) Allerdings müssen auch im Rahmen dieser Pflicht nicht geschuldete weitergehende Auskünfte, wenn sie gleichwohl abgegeben werden, richtig oder jedenfalls ex ante vertretbar sein und dürfen kein unzutreffendes Bild zeichnen (Senatsbeschluss vom 26. September 2012 a.a.O. Rn. 29). Einen solchen Verstoß hat das Berufungsgericht möglicherweise annehmen wollen, indem es von einer Verharmlosung des in den schriftlichen Unterlagen dargestellten Risikos durch den Vermittler ausgegangen ist.
27 (2) Diese Annahme wird jedoch von seinen weiteren Feststellungen ebenfalls nicht getragen.
28 Es hat gerade keine konkreten Feststellungen zu unzutreffenden oder unvertretbaren Erklärungen des Zeugen O. getroffen, die die – unterstellt richtige – Aufklärung in den schriftlichen Unterlagen entwertet, verharmlost oder in ihr Gegenteil verkehrt hätten. Es hat vielmehr ausgeführt, dass von dem Kapitalverlustrisiko in den Gesprächen keine Rede gewesen sei – offenbar weil der Zeuge O. selbst die Risiken nicht vollauf durchschaut und einen Totalverlust subjektiv für nicht vorstellbar gehalten habe.
29 Dass er dieses gegenüber dem Kläger so geäußert hätte, legt das Berufungsgericht dem Zeugen aber nicht zur Last, sondern lediglich ein Unterlassen im Rahmen der seiner Meinung nach geschuldeten anlegergerechten Beratung. Der Berater müsse erforderlichenfalls darauf hinweisen, dass Anlagehaltung und erstrebtes Anlageziel nicht kompatibel seien. Solle das beabsichtigte Geschäft einer sicheren Geldanlage dienen, sei die ohne weitere Hinweise auf Kapitalverlustrisiken ausgesprochene Empfehlung einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit einer Investition in einen Fonds der streitgegenständlichen Art wegen des damit verbundenen Verlustrisikos fehlerhaft.
30 Dadurch, dass eine durch positiv abgegebene Erklärungen des Vermittlers erfolgte Entwertung der schriftlichen Darstellung nicht festgestellt ist, unterscheidet sich die Streitsache entscheidend von dem Fall, der dem Senatsbeschluss vom 26. September 2012 zugrunde lag. Dort hatte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Vermittler die – insoweit nur unterstellte – hinreichende schriftliche Risikoaufklärung im Prospekt durch seine mündlichen Ausführungen unterlaufen und die bestehenden Risiken irreführend abgeschwächt und unzulässig verharmlost hatte (Senatsbeschluss vom 26. September 2012 – IV ZR 71/11, r+s 2013, 117 Rn. 23).
31 bb) Eine Pflichtverletzung des Zeugen durch eine wegen unterlassener Risikohinweise sowie der Unvereinbarkeit von Anlageziel und Anlageeigenschaften fehlerhafte Produktempfehlung wäre nur dann im Pflichtenkreis der Beklagten erfolgt, wenn diese nicht nur die Aufklärung über ihr angebotenes Produkt, sondern darüber hinaus auch eine anlage- und anlegergerechte Beratung, etwa aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrages (vgl. dazu BGH, Versäumnisurteil vom 18. Januar 2007 – III ZR 44/06, VersR 2007, 991 Rn. 10), geschuldet hätte. Für die Annahme eines derartigen Vertragsschlusses bereits im Vorfeld des Abschlusses der Lebensversicherung mit den entsprechend weitergehenden Pflichten reichen die Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht aus.
32 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von Anlagevermittlung und Anlageberatung liegt regelmäßig eine Anlageberatung vor, wenn der Kapitalanleger selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat und deshalb von seinem Vertragspartner nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren häufig auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene fachkundige Bewertung und Beurteilung erwartet, die er, der Kapitalanleger, auch besonders honoriert. Demgegenüber hat der Anlagevermittler in der Regel für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf eine ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen, wobei der Kapitalanleger von dem Anlagevermittler in erster Linie eine Auskunftserteilung über die tatsächlichen Umstände der ins Auge gefassten Anlageform erwartet (BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 – VI ZR 166/11, VersR 2012, 1038 Rn. 15 m.w.N.).
33 Feststellungen dazu, dass der Kläger ausdrücklich oder den Umständen nach gerade von der Beklagten als Anbieterin der später abgeschlossenen Lebensversicherung eine Bewertung und Beurteilung in seinem Interesse erwarten durfte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Vielmehr sprechen der Umstand, dass es sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen bei der C. AG, für die der Zeuge O. tätig war, um einen unabhängigen Vermittler handelte, und der Hergang, wie es zum Vertragsabschluss kam, weitaus mehr dafür, dass es sich bei dem Zeugen um einen vom Kläger beauftragten Berater handelte, der nicht im Lager der Beklagten stand, sondern allein die Aufgabe hatte, den Kläger im Hinblick auf verschiedene alternative Anlagemöglichkeiten und nicht nur im Hinblick auf den möglichen Abschluss einer Lebensversicherung zu beraten. Nach den Angaben des Klägers bei seiner Anhörung sowie der entsprechenden Feststellung des Berufungsgerichts war es so, dass das Gespräch mit dem Zeugen allgemein eine Investitionsänderung und Kapitalanlagemöglichkeit für den Kläger zum Gegenstand hatte, zu diesem Zweck von dessen Steuerberater angestoßen war und in dem Gespräch verschiedene Anlagemöglichkeiten – wie unter anderem Schiffsbeteiligungen erörtert und ausgeschieden wurden, ehe man sich der hier streitgegenständlichen Lebensversicherung zuwandte. Eine gesonderte Honorierung der Beklagten für die Beratung ist ebenfalls weder festgestellt noch ersichtlich.
34 Unter diesen Umständen kommt alleine dem Umstand, dass in den schriftlichen Vertragsunterlagen verschiedentlich auf eine Betreuung bzw. Beratung durch einen Vermittler verwiesen worden ist, im Hinblick auf den Abschluss eines Anlageberatungsvertrages mit der Beklagten kein abweichender Erklärungswert zu.
35 c) Das Berufungsgericht wird deshalb die von ihm bislang offen gelassene Frage eigener Aufklärungspflichtverletzungen der Beklagten erneut zu prüfen haben.
36 4. Diese Prüfung ist nicht im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entbehrlich.
37 a) Soweit das Berufungsgericht eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Umständen bereits aufgrund der Kenntnisnahme von in den Jahresberichten fortwährend ausgewiesenen Verlusten verneint hat, hält das revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Ob und wann sich bei Kenntnisnahme einer negativen Entwicklung der Schluss auf eine fehlerhafte Aufklärung aufdrängt und deshalb grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, die der Beurteilung durch den Tatrichter aufgrund einer Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Umstände unterliegt (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 – IV ZR 88/11, VersR 2013, 1457 Rn. 12).
38 Unabhängig davon ist die Frage grob fahrlässiger Unkenntnis ohnehin neu zu beurteilen, sofern das Berufungsgericht erneut einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer anderen als der bislang von ihm angenommenen Pflichtverletzung feststellen sollte.
39 b) Entgegen der Auffassung der Revision kann der Senat eine Verjährung auch nicht deshalb feststellen, weil der Ende 2012 gestellte Güteantrag keine Verjährungshemmung bewirkt hätte. Dazu fehlt es an tragfähigen Feststellungen des Berufungsgerichts.
40 Dieses ist zu Recht davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Anspruch inhaltlich im Güteantrag genügend individualisiert worden ist; dies greift die Revision auch nicht an. Derzeit offen bleiben kann, ob das Berufungsgericht weiter zu Recht angenommen hat, dass es sich bei dem Antrag um einen Individualantrag und nicht um einen Sammelantrag nach § 4 der Verfahrensordnung der Schlichtungsstelle handelte. Denn Feststellungen dazu, dass der Antrag im letztgenannten Fall den Anforderungen der Verfahrensordnung nicht genügt hätte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Nach § 4 Abs. 2 der Verfahrensordnung kann ein gemeinschaftlicher Antrag auch dann gestellt werden, „wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Streitgegenstandes bilden.“ Ob das hier der Fall ist, kann vom Senat nicht abschließend beurteilt werden. Im Streitfall liegt es aufgrund des Antragsinhalts nahe, kann aber zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich eine solche Gleichartigkeit aus den dem Antrag beigefügten Schreiben, die bisher nicht vollständig zu den Akten gereicht sind, ergibt. Dem müsste das Berufungsgericht nachgehen, soweit es hierauf ankommen sollte.
41 III. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass im Falle erneuter Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach dem Kläger nicht für ein und denselben Zeitraum sowohl entgangene Anlagezinsen als auch der gesetzliche Zinssatz auf die Hauptforderung zugesprochen werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 – IX ZR 140/11, BGHZ 202, 324 Rn. 47).