Fristlose Kündigung, Verdachtskündigung
11 O 286/13 Urteil verkündet am 11. Mai 2017 OLG Celle VersicherungsvertreterrechtOberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2017 durch […]
Tenor
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils wird klarstellend neu gefasst: Die Klage wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags zu Ziff. 1) erledigt ist.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des von ihnen jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 50.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klägerin begehrt als ehemalige Vertriebspartnerin der Beklagten als Unternehmen der […] Versicherungsgruppe die Feststellung, dass die zwischen den Parteien am 12. Januar 2006 geschlossene Vertriebsvereinbarung nicht durch die außerordentliche fristlose (Verdachts-)Kündigung vom 28. Dezember 2012 aufgelöst worden ist.
Dieser Kündigung lag der auf einer anonymen Strafanzeige beruhende Verdacht zugrunde, der für die Beklagten als Direktionsbeauftragter tätige Zeuge […] habe die Klägerin gegen monatliche Zahlung von 2.000,– € u. a. bei der Übertragung von Versicherungsbeständen bevorzugt. Auf dieser Grundlage hatte das Amtsgericht Verden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Verden am 14. Dezember 2012 einen Durchsuchungsbeschluss erlassen, der den Beklagten am 18. Dezember 2012 bekannt geworden war. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 konfrontierte die Beklagte zu 3) die Klägerin mit den Vorwürfen, die die Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses bildeten. Die Klägerin ließ diese mit Anwaltsschreiben vom 27. Dezember 2012 zurückweisen. Daraufhin sprachen die Beklagten mit Schreiben vom 28. Dezember 2012 die streitgegenständliche Kündigung aus.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil vom 10. Oktober 2013 (Bl. 76 ff. d.A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verdacht einer strafbaren Handlung gründe sich auf konkrete Tatsachen und werde dadurch erhärtet, dass der Zeuge […], wie von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 5. September 2013 eingeräumt, von ihr seit Frühjahr 2012 monatliche Zahlungen von 2.000,– € erhalten habe. Dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien der Vertriebsvereinbarung zerstört gewesen sei, ergebe sich insbesondere aus den Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung durch die Beklagten. Nachdem die Klägerin die Vorwürfe aus dem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss ausdrücklich in Abrede gestellt habe, sei sie auch noch während des laufenden Rechtsstreits bis zur persönlichen Anhörung ihrer Geschäftsführerin dabei geblieben, Zahlungen habe es nicht gegeben. Diese Verschleierungshandlung sei ein wesentliches Indiz dafür, dass der im Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin erhobene Vorwurf zutreffe. Dies rechtfertige die ausgesprochene Verdachtskündigung.
Gegen dieses ihr am 16. Oktober 2013 zugestellte Urteil, auf das wegen der Einzelheiten der Begründung gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, wendet sich die Klägerin mit ihrer am 18. November 2013 eingelegten und innerhalb der Begründungsfrist begründeten Berufung.
Das Landgericht habe das Recht falsch angewandt. So fehle es dem Vorbringen der Beklagten bereits an der erforderlichen Substanz, denn dieses habe sich ausschließlich auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und den Durchsuchungsbeschluss gestützt. Ferner sei die Stellungnahme der Klägerin nicht gewürdigt worden. Es sei des Weiteren kein hinreichender Grund für eine Verdachtskündigung festzustellen. Das Landgericht habe seine gegenteilige Annahme auf die Existenz einer Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen […] seit Februar 2012 gestützt, sich dabei jedoch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie eine der Beklagten unbekannte Geschäftsbeziehung eine Verdachtskündigung rechtfertigen könne. Ferner sei nicht nachvollziehbar, wie das Landgericht aus einer im Jahre 2012 bestehenden Geschäftsbeziehung auf eine Bestechungsabrede seit dem Jahr 2008 rückschließen wolle. Auch habe das Gericht weder erläutert, wie eine von einer Gegenleistung abhängige Zahlung überhaupt geeignet sein könnte, einen Bestechungsvorwurf zu begründen, noch habe es sich damit auseinandergesetzt, ob die behauptete Bestechungsabrede in Hinblick auf ihre Wirtschaftlichkeit überhaupt glaubhaft sei. Letztlich beruhten ihre Zahlungen an […] darauf, dass er als freiberuflicher Mitarbeiter für sie tätig geworden und dabei unter anderem mit der Aufarbeitung der Bestandsdaten befasst gewesen sei, nachdem mehrere von ihr in den Jahren 2010 und 2011 hiermit betraute Mitarbeiter ausgeschieden seien. Dass […] für sie tätig geworden sei, sei dessen Vorgesetztem […] und damit auch den Beklagten bekannt gewesen; bereits im November 2011 sei über eine derartige, zukünftige Zusammenarbeit gesprochen worden. Auch die Verflechtungen zwischen ihr und anderen Unternehmen seien den Beklagten seit Langem bekannt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LG Hannover, Az. 3 O 14/13, festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung – auch als Verdachtskündigung – vom 28.12.2012 unwirksam ist.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere habe das Landgericht frei von Rechtsfehlern angenommen, dass die Verdachtsmomente durch die Stellungnahme der Klägerin nicht ausgeräumt worden seien und das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien zerstört sei.
In der Berufungsinstanz stützen sich die Beklagten nunmehr auch auf den durch das Amtsgericht Celle am 3. November 2015 erlassenen und am 28. November 2015 rechtskräftig gewordenen Strafbefehl gegen den Zeugen […]. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten gezeigt, dass es bereits vor 2012 eine entgeltliche Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und […] gegeben habe. Die Zeugen […] und […] hätten im Ermittlungsverfahren ausgesagt, bei einer Dienstbesprechung Ende 2009/Anfang 2010 sei es zu Diskussionen zwischen den Eheleuten […] über Grund und Dauer der damals schon monatlich an […] gezahlten 2.000,– € gekommen, in deren Verlauf der Zeuge […] sinngemäß gesagt habe, man werde „lebenslang“ an […] zahlen müssen, nachdem dieser die Bestandsübertragung veranlasst habe. Die Zeugen […] und […] hätten darüber hinaus bekundet, dass stets zum Monatsende ein entsprechender Betrag in bar vorgehalten worden sei, der an jeweils wechselnden Treffpunkten an […] übergeben worden sei.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen […], […], […], […], […], […] und […]. Er hat ferner die Geschäftsführerin der Klägerin, Frau […], persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der Parteianhörung wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2016 (Bl. 313 ff.), 15. März 2017 (Bl. 459 ff.) und 16. März 2017 (Bl. 502 ff.) verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst den Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die begehrte Feststellung war nicht zu treffen, weil das Landgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen ist, dass die von den Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung wirksam ist.
1. Rechtliche Grundlage für die Beendigung der zwischen den Parteien auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertriebsvereinbarung vom 12./ 14. Januar 2006 ist Ziff. 6 der Vereinbarung, wonach der Vertrag „von beiden Seiten unter Berücksichtigung der Kündigungsfristen des HGB beendet werden“ kann. Danach war die Kündigung unter Einhaltung der in § 89 Abs. 1 HGB aufgeführten Fristen, und gemäß § 89a Abs. 1 HGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich.
Bei der als Anlage K 2 vorgelegten Kündigung vom 28. Dezember 2012 wird nach dem Wortlaut ausdrücklich die außerordentliche, fristlose Kündigung und zugleich – hilfsweise – die außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung unter Verweis auf die mit „Schreiben vom 21.12.2012 genannten Verdachtsmomente“, die „durch das Anwaltsschreiben vom 27.12.2012 nicht ausgeräumt werden“, erklärt.
Die Auslegung der Kündigungserklärung unter Hinzuziehung des Schreibens der Beklagten zu 3) vom 21. Dezember 2012 (Anlage B 2, Bl. 43 d.A.) ergibt, dass durch die Beklagten allein eine Verdachtskündigung erklärt worden ist. Eine solche liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört (vgl. BAG, Urteil vom 26. September 2002 – 2 AZR 424/01, juris, Rn. 32). Durch den Wortlaut des Schreibens vom 21. Dezember 2012 (‚haben wir erfahren, dass Sie […] verdächtigt werden‘) wird zunächst deutlich, dass der der Kündigung zugrunde liegende Sachverhalt denjenigen dem Durchsuchungsbeschluss zugrunde liegenden Verdachtsmomenten entspricht, deren Aufklärung mit den Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft beabsichtigt war. Die Beklagten haben nicht für sich in Anspruch genommen, diese Vorwürfe letztlich beweisen zu können, was sich in der Formulierung, diese Verdachtsmomente seien „durch die Ermittlungen unserer internen Revision erhärtet“ worden, niederschlägt.
Einen anderen wichtigen Kündigungsgrund enthält das Kündigungsschreiben nicht.
2. Die Möglichkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung besteht auch im Handelsvertreterrecht, obgleich sie in § 89a HGB nicht ausdrücklich aufgeführt wird.
a) Die Maßstäbe, nach denen Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit einer Verdachtskündigung zu beurteilen sind, sind zwar in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den Bereich des Arbeitsrechts entwickelt und konkretisiert worden. Sie sind jedoch auf andere Dauerschuldverhältnisse, die ebenso wie ein Arbeitsverhältnis in besonderem Maße vom ungetrübten Fortbestand des Vertrauensverhältnisses der Vertragsparteien abhängig sind, übertragbar. Denn der der Verdachtskündigung zugrunde liegende Gedanke, dass nicht nur eine erwiesene Tat, die von der Rechtsordnung missbilligt wird, sondern auch schon der dringende Verdacht, eine solche Tat begangen zu haben, einem Arbeitsverhältnis die Vertrauensgrundlage entziehen oder das Vertragsverhältnis unzumutbar belasten kann, gilt gleichermaßen auch in Bezug auf andere, von gegenseitigem Vertrauen abhängige und auf besonders lange Dauer angelegte Geschäftsbeziehungen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1959 – II ZR 107/57, NJW 1959, 878; Urteil vom 25. Februar 1977 – I ZR 67/75, juris, Rn. 32; OLG München, Urteil vom 16. April 2015 – 23 U 3932/14, juris, Rn. 42 ff.). In vielen Fällen wird es gerade der Verdacht sein, der das zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses notwendige Vertrauen des einen Vertragspartners in die Rechtschaffenheit des anderen Vertragspartners zerstören oder auf andere Weise eine unerträgliche Belastung des Vertragsverhältnisses darstellen kann (vgl. grundlegend BAG, Urteil vom 4. Juni 1964 – 2 AZR 310/63, juris, Rn. 29).
b) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, diese Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr. des BAG, vgl. Urteile vom 18. Juni 2015 – 2 AZR 256/14, juris, Rn. 21 ff.; vom 23. Mai 2013 – 2 AZR 102/12, juris, Rn. 20). Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein, d. h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen Vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (vgl. BAG, Urteile vom 23. Mai 2013, a.a.O., und vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11, juris, Rn. 17).
Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 2 BGB – resp. § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB – sein (vgl. BAG, Urteile vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11, juris, Rn. 18, und vom 25. November 2010 – 2 AZR 801/09, juris, Rn. 17).
Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (vgl. BAG, Urteile vom 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09, juris, Rn. 17, und vom 5. Juni 2008 – 2 AZR 234/07, juris, Rn. 25). Dies gilt beispielsweise für die Erhebung der öffentlichen Klage. Zwar kann diese für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen. Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers verstärken kann. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität (vgl. BAG, Urteil vom 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09, juris, Rn. 17).
Allerdings führt allein eine selbst dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden (z.B. ein Haftbefehl) als solche nicht ohne Weiteres zur Begründetheit der darauf gestützten Kündigung. Denn selbst bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Gerichte gehalten, den Sachverhalt ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (vgl. BAG, Urteile vom 18. November 1999 – 2 AZR 852/98, juris, Rn. 23 und vom 26. März 1992 – 2 AZR 519/91, juris, Rn. 53 f.). Für die Verdachtskündigung wird dies erst recht gelten müssen. Hieraus folgt, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen (vgl. BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11, juris, Rn. 26).
3. Der mit Kündigungsschreiben vom 28. Dezember 2012 in Bezug genommene Kündigungsgrund stellt für sich genommen einen „wichtigen Grund“ i. S. d. § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB dar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zerstört ein Arbeitnehmer durch korruptes Verhalten regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (vgl. BAG, Urteil vom 26. September 2002 – 2 AZR 424/01, juris, Rn. 40). Nichts anderes kann gelten, wenn ein Handelsvertreter einen Angestellten des Prinzipals in der Absicht korrumpiert, in kollusivem Zusammenwirken für sich vorteilhafte Entscheidungen bzw. Vergünstigungen ohne den Willen oder gar entgegen den Interessen des Prinzipals herbeizuführen.
So liegt der Fall auch hier: Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten eines geschäftlichen Betriebes, mit dem er in vertragliche Beziehungen eintreten will oder bereits steht, einen Vorteil für diesen als Gegenleistung dafür anbietet, dass er ihn beim Bezug von gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzugt, verletzt zugleich – unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 2 StGB – seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines, (zukünftigen) Vertragspartners als Arbeitgeber der von ihm bestochenen Person Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Ein derartiges Verhalten ist für sich genommen geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Vertragspartner tatsächlich schädigenden Handlung gekommen ist. Der in Aussicht gestellte, persönliche Vorteil begründet vielmehr bereits die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt damit einerseits in der bei dem Arbeitnehmer gezielt hervorgerufenen bzw. geförderten Bereitschaft, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen und andererseits in der hierdurch in unredlicher Weise herbeigeführten Bereitschaft des Geschäftsherrn, mit dem Bestechenden geschäftliche Beziehungen zu führen.
4. Die durch die Beklagten ausgesprochene Kündigung erfüllt die formalen Anforderungen an eine Verdachtskündigung.
a) Unbeschadet des Umstandes, dass § 626 BGB durch die in §§ 89 ff. HGB enthaltenen spezialgesetzliche Regelungen vollständig ersetzt wird und deshalb eine Frist nach dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung nicht einzuhalten ist, haben die Beklagten, nachdem ihnen der Durchsuchungsbeschluss am 18. Dezember 2012 eröffnet worden war, nur elf Tage später die Kündigung ausgesprochen. Bedenken, dass eine Kündigung aufgrund Zeitablaufs nach Treu und Glauben nicht mehr möglich gewesen sein könnte (vgl. hierzu BGH Urteil vom 26. Mai 1999 – VIII ZR 123/98, juris, Rn. 35), kommen daher nicht in Betracht.
b) Den Beklagten stand eine Abmahnung – als geeignetes milderes Mittel – zur Beseitigung zukünftiger Vertragsstörungen nicht zu Gebote. Einer Abmahnung bedarf es ausnahmsweise nicht, wenn dem Kündigenden selbst unter veränderten Umständen nach erfolgreicher Abmahnung eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr möglich oder zuzumuten ist. An das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes sind zwar strenge Anforderungen zu stellen; er kann jedoch bei grobem Fehlverhalten des zu Kündigenden vorliegen, wenn das notwendige Vertrauensverhältnis bei objektiver Würdigung aus der Sicht des Kündigenden endgültig sowie irreparabel zerstört worden ist und eine positive Prognose nicht mehr gestellt werden kann (vgl. BAG, Urteile vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09, juris, Rn. 37 und vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 103/08, juris, Rn. 33: Löwisch in Ebenroth/ Bujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage 2014, § 89a, Rn. 31).
Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze mussten sich die Beklagten nicht auf eine Abmahnung beschränken. Der die Beklagten zur Kündigung veranlassende Verdacht ist gerade aufgrund des durch ihn eingeschlossenen Verdachts kollusiven Zusammenwirkens mit einem Angestellten der Beklagten und der strafrechtlichen Relevanz eines solchen Verhaltens derart schwerwiegend, dass nicht ersichtlich ist, wie das aufgrund der weitgehenden vertraglichen Befugnisse der Klägerin erforderliche Vertrauensverhältnis lediglich durch eine Abmahnung hätte wiederhergestellt werden können. Die grundsätzliche Bereitschaft, vorsätzlich gegen die Interessen des Prinzipals zu handeln, wäre durch einen derartigen Verstoß so deutlich zutage getreten, dass nicht ersichtlich ist, wie das Vertrauen, solches Handeln werde in Zukunft nicht mehr vorkommen, wiederhergestellt werden sollte.
c) Die Beklagten haben ferner alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen. Insbesondere haben sie mit dem Schreiben vom 21. Dezember 2012 der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der diese mit Anwaltsschreiben vom 27. Dezember 2012 Gebrauch gemacht hat. Wie die Beklagten in der Berufungsinstanz – unwidersprochen – vorgetragen haben, haben sie darüber hinaus versucht, die Vorwürfe durch Ermittlungen ihrer Innenrevision zu erhärten und in diesem Zusammenhang am 18. Dezember 2012 auch ihre eigenen Mitarbeiter […] und Haase, die in Zusammenhang mit den inkriminierten Vorgängen stehen sollten, befragt.
Damit haben die Beklagten dasjenige getan, was ihnen zur Aufklärung des Sachverhaltes möglich und – auch angesichts der Kürze der Zeit und unter Berücksichtigung der in die Phase zwischen Kenntniserlangung und Kündigungserklärung fallenden Weihnachtsfeiertage – zumutbar gewesen ist.
5. Die Würdigung des Landgerichts, die Klägerin sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, sodass die fristlose Verdachtskündigung gerechtfertigt gewesen sei, ist (4c berufungsrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar mag ein diesbezüglicher und nach den oben dargelegten Kriterien dringender Verdacht bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht vorgelegen haben (hier- zu c.). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist er jedoch nunmehr begründet (siehe d.).
a) Die Beklagten haben sich erstinstanzlich zur Darlegung des Verdachts auf den im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Verden vom 14. Dezember 2012 dargestellten Sachverhalt berufen. Danach sollen – zusammengefasst – die Geschäftsführerin der Klägerin sowie deren Ehemann dem für die […] Gruppe tätigen Zeugen […] in der Zeit ab 2007 monatliche Zahlungen in Höhe von 2.000,– € sowie weitere Sachzuwendungen versprochen haben, wenn […] die Klägerin im Gegenzug bei der damals vorgesehenen Übertragung von Versicherungsbeständen bevorzugt. In Umsetzung dieses Vorhabens soll […] die Übertragung von Versicherungsbeständen auf die Klägerin in erheblichem Umfang bewirkt und diese bei der Vergabe der ihm zur Verfügung stehenden Werbekostenzuschüsse bevorzugt bedacht haben sowie im Gegenzug von ihr die zugesagten monatlichen Zahlungen und weitere Sachleistungen verdeckt erhalten haben.
b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung haben die Beklagten hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, die Klägerin habe in unredlicher Weise das Zustandekommen der vertraglichen Beziehung mit den Beklagten herbeigeführt, indem sie deren Mitarbeiter in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile für die Einräumung einer bevorzugten Berücksichtigung bei der Vergabe von Versicherungsbeständen und Zuschüssen versprach. Die Beklagten haben sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen berufen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben eines anonymen Anzeigeerstatters beruhte, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung haben die Beklagten dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit der Tat gestützt haben.
c) Ein dringender Verdacht dürfte in der Gesamtschau zum Zeitpunkt der Kündigung – und auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz – indes (noch) nicht bestanden haben.
aa) Zu diesem Ergebnis wird man selbst dann gelangen müssen, wenn man den Ausführungen der Beklagten darin zustimmen wollte, dass die Erklärung, welche die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 5. September 2013 für die jedenfalls im Jahr 2012 erfolgten monatlichen Zahlungen von 2.000,– € an den „Direktionsbeauftragten“ […] gegeben hat, ungewöhnlich und fernliegend ist, weil der Umstand, dass „eine mit der Betreuung von Agenturen betraute Führungskraft des Unternehmers nebenberuflich als Gehilfe der zu betreuenden Agentur tätig wird, […] nicht nur einmalig [ist], sondern […] auch zu Interessenkonflikten [führt]“, und die Annahme nicht völlig fernliegt, dass solche Zahlungen auch schon in den Jahren vor 2012 erfolgten (s. Berufungserwiderund S. 2 unten, Bl. 171 d. A. und S. 5 f., Bl. 174 f.).
Denn ein dringender Verdacht der Bestechung ergibt sich aus diesem einzelnen Anhaltspunkt jedenfalls nicht. Für die Annahme, die Klägerin habe an den Zeugen […] auch schon vor dem Jahr 2012 Zahlungen geleistet, fehlten zudem jenseits der vorgenannten Mutmaßung weitere objektive, hinreichend konkrete Anhaltspunkte. Die Beklagte hat weder vorgetragen noch hat sich aus den von ihr vorgelegten Auszügen aus den Ermittlungsakten ergeben, dass der „Direktionsbeauftragte“ […] auch noch im Jahr 2012 mit der Aufgabe betraut war, Versicherungsbestände auf die den Beklagten angeschlossenen Agenturen zu verteilen. Aus den Gründen des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Verden vom 14. Dezember 2012 (Anlage K 3, Bl. 11 ff. d. A.) ergibt sich vielmehr, dass sich die […] bereits im Jahr 2007 im Rahmen einer Neuausrichtung ihres Vertriebs dazu entschlossen hatte, „die noch unbetreuten Versicherungsbestände an Mehrfachvertreter zur Betreuung und Weiterentwicklung zu übertragen“ (Durchsuchungsbeschluss, S. 3; Bl. 13 d.A.). Anhand der Unterlagen der […] stehe fest, so das Amtsgericht, dass der Zeuge […] mit den Übertragungen von Beständen in der Zeit von 2007 bis 2010 betraut gewesen sei; er sei auch weiterhin in dem Unternehmen beschäftigt. Als Tatzeitraum wird in dem Beschluss angegeben: „in der Zeit ab 2007 bis einschließlich wenigstens 2010“.
Damit wird nicht deutlich, ob der Zeuge […] in demjenigen Zeitraum, in dem er die von der Klägerin eingeräumten Zahlungen erhielt, noch Entscheidungen für die Beklagten vorzubereiten oder zu treffen hatte, die für die Klägerin von Interesse sein konnten.
bb) Der nötige Unrechtszusammenhang zwischen den Zahlungen und vorhergehenden Entscheidungen käme zwar grundsätzlich in Betracht, wenn der Zeuge […] gleichsam „vorgeleistet“ hätte. Eine denkbare Abrede könnte gelautet haben, dass der Zeuge […] der Klägerin zunächst die zusätzlichen Bestände verschaffen und im Gegenzug in den Folgejahren an den Bestandsprovisionen teilhaben sollte. Eine derartige Abrede wäre insoweit nicht abwegig, weil sie berücksichtigt, dass die Klägerin aus den ihr übertragenen Beständen ihrerseits – wie im Versicherungsvertretergeschäft üblich – erst nach und nach Vorteile ziehen konnte. Indes hat es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz an einem objektiven Beleg für eine solche Unrechtsabrede gefehlt.
cc) Die Beklagten haben darüber hinaus nicht mit hinreichender Substanz behauptet, dass der Zeuge […] bereits in dem davor liegenden Zeitraum bis 2012 Zahlungen von der Klägerin erhielt. Sie haben keine weiteren objektiven Anhaltspunkte vorgetragen, welche die Verdachtskündigung zu rechtfertigen vermochten. Insbesondere der Verweis darauf, „zahlreiche weitere vom Anzeigeerstatter angegebene Fakten“ seien verifiziert worden, „so dass von einem erdrückenden Verdacht auszugehen war“ (Klageerwiderung, Seite 3; Bl. 36 d.A.), ist substanzlos geblieben. Die Beklagten haben insofern nichts Konkretes vorgetragen.
Wie die Vernehmung der durch die Beklagten benannten Zeugen […], […] und […], die an den durch die Innenrevision der […] veranlassten Anhörungen des Zeugen […] und dessen Vorgesetzten, Herrn […], am 18. Dezember 2012 sowie am 8. Januar 2013, teilgenommen hatten, gezeigt hat, verfügten die Beklagten bis zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung und auch in der Folgezeit nur in äußerst beschränktem Umfang über Erkenntnisse, die über die den Durchsuchungsbeschluss tragenden Tatvorwürfe hinausgingen. Alle drei Zeugen haben zwar, soweit sie sich an den Inhalt der Anhörungen noch erinnern konnten, bestätigt, dass es auch um Bestandsübertragungen und deren Hintergründe gegangen sei.
Der Zeuge […], der sich noch recht gut an den Hergang der Gespräche und ihren Inhalt erinnern konnte, hat insbesondere bestätigt, dass die bereits am 18. Dezember 2012 aufgekommene Frage nach Nebeneinkünften dem Zeugen […] offen und ohne klaren Bezug gestellt worden sei, weil es zunächst um Sachverhaltsaufklärung gegangen sei. […] habe sich in diesem Punkt jedoch recht verschlossen gezeigt, sodass die Befragung im Dezember 201 2 „nicht ergiebig war“ (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2017, Seite 11; Bl. 490 d. A.). Es sei im Dezember von einer Tätigkeit im Schützenhaus die Rede gewesen, die nach […] Darstellung eher dem Vereinswohl gedient habe.
Im Januar sei die Frage der Nebeneinkünfte dann nochmals erörtert worden und […] habe zugegeben, einige Versicherungsverträge in Bezug auf Versicherungsanfragen aus dem Familien- und Bekanntenkreis vermittelt, jedoch keine konkreten bzw. regelmäßigen Einkünfte erzielt zu haben. Nach Innendiensttätigkeiten für die Klägerin sei hingegen in beiden Terminen nicht gefragt worden und […] habe eine derartige Tätigkeit auch nicht erwähnt. Hingegen seien Fragen nach den Umständen und den Präferenzen der Bestandsübertragungen ebenso gestellt worden wie nach seinem Verhältnis zu den entsprechenden Partnern und deren Verflechtungen untereinander. Die diesbezüglichen Umstände seien jedoch „nach den Gesprächen nicht vollends aufgeklärt und noch dubioser als vorher“ (a.a.O., Seite 13; Bl. 492 d.A.) gewesen.
Der Senat hat keinen Anlass, an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Äußerungen des Zeugen […] zu zweifeln, zumal sie durch die Zeugen […] und […] bestätigt worden sind, soweit diese bekundet haben, sich noch an die Gesprächsinhalte zu erinnern bzw. diese aus ihren damaligen Aufzeichnungen rekonstruieren zu können. Der Zeuge […] hat bekundet, in den Gesprächen „einiges erläutert“ zu haben, jedoch nicht mehr sagen zu können, ob er „auch diese Hintergründe dort so erklärt habe“ (a. a. O., S. 16; Bl. 495 d. A.).
Für den Senat ist hierdurch deutlich geworden, dass die Hintergründe und Umstände der Bestandsübertragungen jedenfalls nicht im Fokus der jeweiligen Anhörungen standen. Die Innenrevision scheint sich in Bezug auf den Zeugen […] in erster Linie im Lichte seiner Privatinsolvenz für Nebentätigkeiten und die diesbezügliche Nutzung eines privaten Kontos des Zeugen […] sowie mögliche Täuschungshandlungen in Bezug auf Reisekostenabrechnungen interessiert zu haben. Offenbar scheint auch das Beziehungsgeflecht zwischen der Klägerin und anderen Unternehmen thematisiert worden zu sein, allerdings ohne das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Zeugen […] weiter zu beleuchten. Da […] Unregelmäßigkeiten bei den Reisekostenabrechnungen eingeräumt hatte und damit ohnehin ein Kündigungsgrund vorlag, scheint sich die Innenrevision mit diesem Ergebnis ihrer Ermittlungen zufriedengegeben zu haben. Die Aufklärungstätigkeit der Innenrevision hat damit nichts dazu beitragen, den sich aus dem Durchsuchungsbeschluss ergebenden Vorwurf, die Klägerin habe sich die Übertragung diverser Bestände durch Bestechung des Zeugen […] erkauft, zu erhellen. Keiner der Zeugen hat erkennen lassen, dass dieser Aspekt aus seiner Sicht in irgendeiner Weise einer Klärung zugeführt worden wäre.
dd) Die Identität des anonymen Anzeigeerstatters, durch dessen Angaben das Ermittlungsverfahren veranlasst worden war (vgl. den Ausdruck der Online-Anzeige, Anlage B1, Bl. 38 d. A.), ist im Dunkeln geblieben. Die Glaubhaftigkeit seiner Angaben ist daher nicht überprüfbar gewesen. Da der Durchsuchungsbeschluss und damit letztlich auch die Kündigung auf seinen Angaben beruhten, lag bei diesem Stand in der Gesamtschau ein dringender Verdacht nicht vor.
d) In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind indes nicht nur die dem Kündigenden bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen – zumindest wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (vgl. BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11, juris, Rn. 41).
aa) Der von den Beklagten vorgetragene Inhalt des Strafbefehls sowie die weiteren Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere die Angaben der in diesem Zuge befragten Zeugen, sind bei der Entscheidung über die Berufung zu berücksichtigen.
Der Vortrag ist gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO in der Berufungsinstanz zuzulassen und auch nicht gemäß §§ 530, 521 Abs. 2 ZPO verspätet. Der Strafbefehl gegen […] ist erst am 3. November 2015 ergangen, mithin sowohl lange nach Abschluss des ersten Rechtszugs als auch lange nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten deutlich früher als vor Ergehen des Strafbefehls Kenntnis von den Ermittlungsergebnissen hatten oder hätten haben können.
bb) Der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 24. Juni 2016 (Bl. 216 ff. d. A.) vorgelegte Strafbefehl des Amtsgerichts Celle vom 3. November 2015 (Anlage B 1, Bl. 218 ff. d. A.) stellt zunächst ein weiteres Indiz für die Richtigkeit des Verdachts dar, weil nunmehr neben dem lediglich einen Anfangsverdacht voraussetzenden Durchsuchungsbeschluss eine weitere Verfahrenshandlung der Strafverfolgungsbehörden vorliegt, die über die Voraussetzungen der §§ 102 ff. StPO hinausgehend hinreichenden Tatverdacht verlangt, § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO.
Ein weiteres derartiges Indiz hätte sich grundsätzlich dadurch ergeben können, dass der den Zeugen […] betreffende Strafbefehl rechtskräftig geworden ist. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Zeuge im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt hat, die Entscheidung, auf einen Einspruch zu verzichten, beruhe in erster Linie darauf, dass er die Angelegenheit mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand habe beenden wollen, was für sich genommen zunächst eine plausible Erklärung für die Hinnahme des Strafbefehls bietet.
Gleiches gilt sinngemäß für das gegen die Geschäftsführerin der Klägerin geführte und nah § 153 StPO eingestellte Ermittlungsverfahren. Die Anwendung der Vorschrift setzt zwar voraus, dass die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten, da das Verfahren anderenfalls nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO einzustellen gewesen wäre. Zu bedenken ist allerdings, dass es einer Zustimmung der Beschuldigten zur Einstellung nach § 153 StPO nicht bedurfte und dieser lediglich die Dienstaufsichtsbeschwerde geblieben wäre, um gegen diese Entscheidung vorzugehen.
Aus dem Umstand, dass sich der Zeuge Christian Heindorf gegen den gegen ihn ergangenen Strafbefehl vom 7. April 2016, den die Klägerin als Anlage zum Schriftsatz vom 31. Juli 2016 (Bl. 295 ff.) vorgelegt hat, zur Wehr setzt, lässt sich hingegen aus gleichen Gründen wie in Bezug auf den Zeugen […] ein die Verdachtsmomente abschwächendes Indiz nicht herleiten.
cc) Die von den Beklagten in Bezug genommenen, sich in dem Strafbefehl niederschlagenden Ermittlungsergebnisse führen ferner zu einer Präzisierung des Verdachts. Aus dem Anklagesatz des Strafbefehls gegen den Zeugen […] (für den Streitfall sind nur die Taten 1.-13. bedeutsam) ergibt sich der – von der Klägerin nicht hinreichend bestrittene – Umstand, dass der Ehemann der Geschäftsführerin der faktisch Verantwortliche der Klägerin war, weshalb diese sich sein Verhalten im Verhältnis zu den Beklagten gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsste. Außerdem schließen die dem Strafbefehl zugrunde liegenden Ermittlungsergebnisse, die sich die Beklagten nunmehr zu Eigen machen, die bereits oben unter 5. c) aa) angesprochene zeitliche Lücke im Vortrag der Beklagten. Danach leistete die Klägerin schon vor dem Jahr 2012 Zahlungen an den Zeugen […]. Diese wurden indes im Gegensatz zu den im Jahr 2012 erfolgten Zahlungen in bar und folglich geheim abgewickelt, weil sich […] bis dahin noch in der Wohlverhaltensphase seines Insolvenzverfahrens befand (und seine Einkünfte daher an den Insolvenzverwalter abgetreten waren, vgl. Seite 3 des Strafbefehls, Bl. 220 d. A.).
Auch stellen die Ermittlungsergebnisse den Einwand der Berufung, Zahlungen an den Zeugen […] in der behaupteten Höhe seien für die Klägerin unwirtschaftlich gewesen, weil sie aus den ihr übertragenen Kundenbeständen allenfalls jährliche Provisionseinkünfte in Höhe von (netto) 35.000,– € hätte ziehen können, in Frage. Laut Strafbefehl (Seite 3 oben, a.a.O.) erhielt die Klägerin allein für die Bestände aus Hannover und Celle monatlich 11.012,– € an Garantiezahlungen. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, durch das Erfordernis, regionale Büros mit entsprechendem Personal zu unterhalten, seien hohe Kosten angefallen, die durch die Garantiezahlungen abgedeckt werden mussten. Gleichwohl gewinnt die Überlegung, dass es aufgrund der generierten Gesamtprovisionen und den mit der Bestandsübertragung einhergehenden Chancen auf. zukünftige Abschlüsse attraktiv gewesen sein könnte, sich die Übertragung von Beständen zu „erkaufen“, an Plausibilität.
dd) Die von der Klägerin benannten Zeugen […] und Heindorf haben den Vorwurf, bereits vor März 2012 seien Zahlungen der Klägerin an den Zeugen […] erfolgt, allerdings in Abrede genommen. Es sei zwar auch Ende 2011 schon über eine Zusammenarbeit und deren Inhalte gesprochen worden, diese sei jedoch erst in 2012 realisiert worden.
Beide Zeugen haben, im Kern übereinstimmend, geschildert, dass es sich bei den Zahlungen ab März 2012 um ein pauschaliertes Entgelt für Tätigkeiten des Zeugen […] gehandelt habe, die dieser in Umsetzung der vorangegangenen Überlegungen, wie sich der Geschäftserfolg steigern lasse, für die Klägerin erbracht habe. Es habe sich nämlich gezeigt, dass die übertragenen Bestände insbesondere in Bezug auf gewerbliche Kunden erhebliche Schwächen aufgewiesen hätten.[…] habe aufgrund seiner vormaligen Tätigkeit für die […] – Versicherung langjährige Erfahrung gehabt, wie gewerbliche Kunden gewonnen und Angebote für diese berechnet werden können. Dieses Know-how sei für die Klägerin bereits aufgrund des Provisionssystems der […] besonders wertvoll gewesen, weil eine signifikante Steigerung nur dann möglich gewesen sei, wenn die Geschäftszahlen in allen vier diesem System zugrunde liegenden Sparten, eine davon die gewerblichen Kunden, „stimmten“. Auch […] selber habe hiervon profitieren können, weil seine Provision in gleichem Maße von dem Erfolg der Vertriebspartner abhing, während der Nutzen für die […] darin bestanden hätte, dass entsprechend ihrer Strategie das Geschäftsvolumen auch in diesem Segment gesteigert worden wäre. Nach den Worten der Zeugen wäre damit durch die Kooperation zwischen dem Zeugen […] und der Klägerin niemand zu Schaden gekommen, sondern sie hätte letztlich allen Beteiligten einschließlich der Beklagten nur nützen können.
Damit haben beide Zeugen ein Geschehen dargelegt, das zunächst geeignet erscheint, die ab März 2012 geleisteten Zahlungen zu erklären und das eine außerordentliche Kündigung – zumindest gegenüber der Klägerin – nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen vermöchte, denn es läge letztlich kein kollusives Verhalten zum Nachteil der Beklagten vor, sondern bei […] lediglich ein Verstoß gegen die arbeitsrechtliche Verpflichtung, sich eine Nebentätigkeit genehmigen zu lassen und bei der Klägerin das – streitig gebliebene – Versäumnis, sich bei […] zu vergewissern, ob er gegenüber seiner Arbeitgeberin die Voraussetzungen für diese Tätigkeit geschaffen habe.
Es verbleiben jedoch erhebliche Zweifel, dass diese Darstellung zutreffend und damit geeignet ist, die bestehenden Verdachtsmomente auszuräumen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass beide Zeugen die de facto durch […] entfaltete Tätigkeit für die Klägerin weder ihrem Inhalt nach noch in Bezug auf konkrete Versicherungsfälle widerspruchsfrei und nachvollziehbar benennen konnten. So ist einerseits von spezialisierten und deshalb hochwertigen Tätigkeiten wie der Berechnung von Gewerbepolicen die Rede gewesen, bei denen – insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach Darstellung des Zeugen […] auch im […]-Konzern entsprechende Expertise kaum vorhanden gewesen ist – eine pauschale und nicht etwa – naheliegend – umsatzbezogene Entschädigung in der eingeräumten Höhe plausibel erscheinen mag. Auffällig ist in diesem Zusammenhang allerdings gewesen, dass beide Zeugen kaum in der Lage gewesen sind, Beispiele und insbesondere Interessenten bzw. gewonnene Kunden namentlich oder wenigstens nach dem Gegenstand des jeweiligen Gewerbes zu benennen, obwohl sie hierzu ausdrücklich aufgefordert waren. Lediglich der Name „Odo Wehr“ ist in diesem Zusammenhang gefallen. So ist im Ergebnis der Umfang der Tätigkeit des Zeugen […], die in erster Linie auf die Gewinnung von Gewerbekunden und die Berechnung entsprechender Angebote gerichtet gewesen sein soll, diffus und kaum einschätzbar, jedenfalls aber nicht objektiv nachprüfbar geblieben.
Zugleich haben beide Zeugen auch von Tätigkeiten des Zeugen […], wie z. B. der Pflege der Bestandsdaten und der Telefonakquisition, gesprochen, die von jedem beliebigen, unter Umständen sogar einem nicht ausgelernten Arbeitnehmer hätten übernommen werden können. Um einen Gegenwert derart untergeordneter Tätigkeiten von monatlich 2.000,– € zu rechtfertigen, hätte der Zeuge […] diese nach dem Dafürhalten des Senats – auf Grundlage des von der Geschäftsführerin der Klägerin im Termin vom 25. August 2016 mit 1.900,– € brutto angegebenen Grundgehalts ihrer angestellten Kräfte – mit einem Volumen von über 40 Wochenstunden ausüben müssen, was selbst unter Berücksichtigung seiner Behauptung, fast seine gesamte Freizeit, insbesondere die Wochenenden, mit dieser Nebentätigkeit verbracht zu haben, angesichts seiner damaligen Vollzeitbeschäftigung als „Direktionsbeauftragter“ kaum plausibel erscheint. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass weitere Nebentätigkeiten (Hochzeitsfotos, Tätigkeit im Schützenhaus) in Rede stehen, die das für die Tätigkeit für die Klägerin zur Verfügung stehende Zeitkontingent noch weiter schmälern würden, sollten sie ebenfalls in diesen Zeitraum fallen.
Der Zeuge […] hat darüber hinaus auf Nachfrage des Senats keine plausible Erklärung dafür abgeben können, warum die – behauptete – tatsächliche und hochwertige Tätigkeit Müllers, die Berechnung von Gewerbepolicen, nicht von Beginn der Ermittlungen und dieses Rechtsstreits an gegenüber der […] offen kommuniziert worden ist, sondern stattdessen eine Tätigkeit für die Klägerin zunächst generell in Abrede genommen und auch später nur die Ausübung untergeordneter Hilfstätigkeiten eingeräumt worden ist. Der Zeuge […] hat sich daraus zurückgezogen, „dass dies wohl ein Fehler war“. Dass weder im Dezember 2012 noch im Januar 2013 eine diesbezügliche Klarstellung erfolgt ist, erscheint jedoch umso unverständlicher, als der Zeuge […] nach eigenem Bekunden frühzeitig und mehrfach mit Verantwortlichen der […], namentlich Dr. […], über Defizite im Gewerbebereich und Möglichkeiten, insoweit Abhilfe zu schaffen, gesprochen haben will. Vor diesem Hintergrund hätte die von ihm behauptete Tätigkeit für die Klägerin in einem logischen Zusammenhang zu diesem Vorlauf gestanden und deshalb ohne Weiteres zu seiner, aber auch zur Entlastung der Klägerin beitragen können.
Der Senat hat in seine Würdigung einbezogen, dass der Zeuge […] bekundet hat, „möglicherweise dies alles nicht gesagt“ zu haben, weil er sich in dem Gespräch im Dezember 2012 „eingeschüchtert“ gefühlt und „wie ein Verbrecher behandelt“ gesehen habe und die in dem Gespräch im Januar 2013 dann von ihm eingeräumte Vermittlertätigkeit mit all dem wiederum „überhaupt gar nichts zu tun“ gehabt habe. Dies alles mag erklären, warum der Zeuge gegenüber seinem Arbeitgeber nicht die nun behaupteten Umstände aufgedeckt hat und sich im Übrigen mit der Äußerung im Januar 2013 zu der Vermittlungstätigkeit nicht in Widerspruch zu seiner heutigen Aussage gesetzt haben könnte. Zu bedenken ist allerdings, dass die Aufdeckung jener Hintergründe der Zahlungen ganz wesentlich zur Entlastung des Zeugen hätte beitragen können, sollten diese der Wahrheit entsprechen und wären sie im zeitlichen Umfeld der Ermittlungen offenbart worden. Das hätte auch dem Zeugen selbst klar sein müssen.
Nicht nachvollziehbar bleibt darüber hinaus, warum nicht zumindest die Klägerin die ihr mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 eingeräumte Gelegenheit genutzt hat, eine derartige Vereinbarung gegenüber der […] offenzulegen. Spätestens mit Erhebung der Klage wäre es naheliegend gewesen, auf den nun behaupteten Inhalt der Vereinbarung zwischen ihr und dem Zeugen […] detailliert einzugehen, um die Erfolgsaussichten der Klage zu verbessern und der Beklagten die Beweisführung in Bezug auf die Rechtfertigung der Kündigung zu erschweren. Dass die Klägerin hierauf verzichtet hat, obwohl ihr die Umstände als Teil ihrer inneren Betriebsvorgänge von Anfang an bekannt sein mussten, lässt den Verdacht, die Klägerin habe ihren Vortrag inhaltlich dem Ermittlungsergebnis oder zumindest dem Verlauf dieses Rechtsstreits durch das Zueigenmachen der für sie günstigsten Variante „angepasst“, nicht fernliegend erscheinen. Dafür scheint zu sprechen, dass die Geschäftsführerin der Klägerin selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. August 2016 noch davon gesprochen hat, zu der Zusammenarbeit mit dem Zeugen […] sei es gekommen, weil die Betreuung der übernommenen Bestände sich als wirtschaftlich schwierig erwiesen habe und deshalb angedacht gewesen sei, „für insbesondere Telefonarbeiten zusätzliches Personal anzustellen“ (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2016, S. 2; Bl. 316 d. A.).
Die Zweifel des Senats an der Richtigkeit der die Hintergründe der Zahlung betreffenden Darstellung der Klägerin beruhen darüber hinaus auf dem Umstand, dass die ihr zugrunde liegende Vereinbarung nach dem Bekunden der Zeugen […] und […] nicht schriftlich fixiert worden sein soll, obwohl die handelnden Personen sämtlich aus dem Steuer- bzw. Versicherungsfach stammen, deshalb in Bezug auf schriftlichen Geschäftsverkehr und seine Erfordernisse geübt sind und darüber hinaus beide Seiten mit dieser Vereinbarung erhebliche Verpflichtungen eingegangen sind. Angesichts der Tatsache, dass ein pauschales Entgelt vereinbart worden ist, hätte es im Interesse beider Seiten nahe gelegen, grundsätzlich zu definieren, welche Leistungen in welchem Umfang durch diese Pauschale abgegolten sein sollten, um späteren Streit um eine ordnungsgemäße Leistungserbringung zu vermeiden. Eine derartige Klarstellung erscheint umso dringlicher, als der Klägerin eine Kontrolle der Tätigkeit des Zeugen […], die dieser nach ihrer Darstellung hauptsächlich außerhalb ihrer Büroräume entfalten sollte, kaum möglich gewesen wäre.
Die Bekundung des Zeugen […], er sei in Bezug auf die Bestandsübertragungen ohnehin nur der „Linksunterzeichner“ gewesen, während die eigentlichen Entscheidungen durch andere zu treffen gewesen seien, entkräftet die Verdachtsmomente ebenso wenig wie die Behauptung der Klägerin, der Vorstand der Beklagten habe nach Auskunft des Leiters der Vertriebsdirektion Nord der Bestandsübertragung auf die Klägerin zugestimmt. Als wahr unterstellt sprächen auch diese Umstände nicht zwingend gegen die von den Beklagten behauptete Unrechtsvereinbarung. Es ist zwar richtig, dass mit der fehlenden Letztentscheidungskompetenz des Zeugen […] ein Unsicherheitsfaktor hinzuträte, der geeignet wäre, die Umsetzung der Vereinbarung zu gefährden. Bedacht werden muss in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Zeuge […] als „Direktionsbeauftragter“ ausdrücklich nach geeigneten Vertriebspartnern suchen und diese vorschlagen sollte. Die Auswahl des/der vorzuschlagenden Kandidaten und die Darstellung der die Geeignetheit begründenden Aspekte lagen damit allein in seiner Hand, sodass er über seinen Vorschlag zumindest maßgeblichen Einfluss darauf nehmen konnte und auch – unstreitig – genommen hat, wer die Bestände übertragen erhalten würde, solange nur sichergestellt war, dass die formellen Kriterien hierfür eingehalten waren und einer Überprüfung standhielten.
Aufgrund dieser Erwägungen hegt der Senat bereits erhebliche Zweifel daran, dass die Äußerungen der Zeugen […] und Heindorf als wahrheitsgemäß angesehen werden können, ohne dass andererseits im Ergebnis sichere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass beide Zeugen die Unwahrheit gesagt haben.
Im Übrigen ist die nunmehr durch die Zeugen […] und […] bestätigte Darstellung der Klägerin, träfe sie zu, nicht geeignet, den durch die Zeugen […] und […] im Ermittlungsverfahren erhobenen Vorwürfe, der Zeuge […] habe bereits deutlich vor März 2012 monatlich 2.000,– € als „Gegenleistung“ für Bestandsübertragungen erhalten, vollständig die Grundlage zu entziehen. Naturgemäß vermag sie lediglich die ab März 2012 in Rechnung gestellten und geleisteten Zahlungen einer „unverfänglichen“ Erklärung zuzuführen. Hierdurch ist jedoch die Annahme, dass vor diesem Zeitpunkt bereits Geld geflossen sei, nicht zu widerlegen.
Die Klägerin meint zwar, die Staatsanwaltschaft sei mit dem Versuch, einen Zahlungsfluss zwischen der Klägerin und dem Zeugen […] auch vor Frühjahr 2012 zu beweisen, gescheitert. Sie verweist hierzu auf das Ergebnis der Vermögensermittlungen, in deren Zuge versucht worden war, Barverfügungen über 1.000,– € von Konten der Klägerin mit Einzahlungen auf das von […] genutzte Konto des Herrn […] binnen maximal zwei Tagen nach Abhebung in Verbindung zu bringen. Anhand der Bewirtungsbelege seien zwar 19 Treffen zwischen dem Zeugen […] und Herrn bzw. Frau […] identifiziert worden. Von den 17 Abhebungen von Konten der Klägerin hätten jedoch lediglich vier in zeitlichen Zusammenhang mit einem dieser Treffen gebracht werden können. Die Klägerin will hieraus ableiten, dass der Korruptionsvorwurf bereits mangels statistischer Signifikanz nicht haltbar sei. Sie übersieht dabei allerdings, dass der Fokus der Untersuchung allein auf Konten der Klägerin lag, ohne dass die Existenz weiterer Herkunftskonten oder die Verwendung vorrätig gehaltener Bargeldbestände ausgeschlossen wäre und darüber hinaus angesichts der finanziellen Probleme des Zeugen […] keineswegs als gesichert erscheint, dass dieser erhaltene Barbeträge auf jeden Fall auf das Konto […] eingezahlt hätte. Wenn die Aussagekraft dieses Ermittlungsergebnisses begrenzt ist, spricht es, anders als die Klägerin meint, jedenfalls nicht per se gegen die Richtigkeit der Bestechungsvorwürfe.
ee) Die Zeugen […] und […] haben indes ihre, die Eheleute […] und den Zeugen […] belastenden Aussagen, die sie bereits im Zuge des Ermittlungsverfahrens getätigt hatten, ohne Abstriche aufrechterhalten.
Mit ihren Bekundungen gegenüber dem Senat haben sie die Zeugen […] und […] und damit mittelbar auch die Klägerin erneut schwer belastet, ohne dass indes einseitige Belastungstendenzen festzustellen gewesen wären, mit denen stets zu rechnen ist, wenn Zeugen – wie hier seitens der Klägerin behauptet – nachgesagt wird, den Sachverhalt aus sachfremden Motiven nicht wahrheitsgemäß darzustellen. Beide Zeugen haben insbesondere deutlich zu erkennen gegeben, in welchen Punkten ihre Darstellung des Geschehens auf eigener Wahrnehmung, auf Hörensagen oder gar nur auf Rückschlüssen, die sie aufgrund ihrer Wahrnehmungen gezogen hätten, beruhe und diesbezügliche Lücken und Unsicherheiten offen kommuniziert. Derartige Zurückhaltung wäre eher nicht zu erwarten gewesen, hätten die Zeugen Schulze und […] aus persönlichen Motiven, etwa – wie ihnen klägerseits vorgeworfen wird – um Rache zu nehmen, ungerechtfertigte Beschuldigungen erheben wollen. Typischerweise werden in derartigen Fällen die den Verdacht tragenden Aspekte besonders eindeutig und als über jeden Zweifel erhaben dargestellt, diesbezügliche Unklarheiten oder Unsicherheiten jedoch verneint. Dies war jedoch nicht zu beobachten. So ist beispielsweise deutlich geworden, dass und aus welchen Gründen der Zeuge […] es zwar als merkwürdig empfand, dass der Zeuge […] bei mehreren Gelegenheiten eine größere Summe Bargeld offen auf seinem Schreibtisch bereitgelegt habe. Den Rückschluss auf einen Zusammenhang mit den Bestandsübertragungen und einem entsprechenden korrupten Wirken des Zeugen […] will er jedoch ebenso wie die Zeugin […], die offengelegt hat, nur vom Hörensagen zu wissen, dass der Mitarbeiter […] mehrfach im zeitlichen Umfeld von Treffen zwischen den Zeugen […] und […] Bargeld holen „musste“, erst nach der Dienstbesprechung im November 2009 gezogen haben, in der die Eheleute […] offen über zu erbringende „Gegenleistungen“ für erfolgte Bestandsübertragungen gesprochen haben sollen.
Jenes Gespräch, das die Zeugen unabhängig voneinander mit eigenen Worten, jedoch im Kern übereinstimmend und widerspruchsfrei geschildert haben, ist dadurch – neben den von dem Zeugen […] erwähnten, bereitgelegten Bargeldbeständen – als auf eigener Wahrnehmung beruhender Tatsachenkern für die erhobenen Beschuldigungen erkennbar geworden. Beide Zeugen haben verdeutlicht, dass sie sich in Bezug auf das Bargeld „den Rest gedacht“ haben. Sie haben nicht behauptet, auch insoweit eigene Wahrnehmungen gemacht zu haben, etwa eine Geldübergabe gesehen zu haben, obwohl es ihnen ein Leichtes gewesen wäre, derartige ihnen nicht zu widerlegende Behauptungen aufzustellen, die die Vorwürfe gegen die Eheleute […] und den Zeugen […] noch deutlich verdichtet hätten.
Zwar mutet es zunächst merkwürdig an, dass die Eheleute […] im Rahmen jener von den Zeugen geschilderten Besprechung im November 2009 in Anwesenheit Dritter derart offen über eine Unrechtsvereinbarung geredet haben sollen, die zugleich eine strafbare Handlung von wesentlichem Gewicht darstellt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es sich bei den Zeugen […] und […] um die Geschäftsführer von Unternehmen handelte, die zu der durch den Zeugen […] initiierten Unternehmensgruppe gehörten und, nach dem Bekunden der Zeugen, -aufgrund vertraglicher Bindungen auch recht weitreichend von ihm kontrolliert werden konnten. Darüber hinaus war der Kreis der Gesprächsteilnehmer überschaubar. Nach Bekunden der Zeugin […], die die frühere Lebensgefährtin des Zeugen […] ist und mit diesem bereits seit Jahrzehnten bekannt war, waren ferner lediglich ihr Ehemann, der Zeuge […], sowie die Geschäftsführerin der Klägerin und ihr Bruder, Herr […], anwesend. Damit haben ausschließlich solche Personen an dem Gespräch teilgenommen, die den Eheleuten […] in besonderer Weise persönlich und/oder wirtschaftlich verbunden waren.
Dass eine gegenüber dem Zeugen […] bestehende „Zahlungsverpflichtung“ von monatlich 2.000,– € offen kommuniziert und darüber gesprochen worden sein soll, welchen Hintergrund diese habe und welcher Nutzen für die Unternehmensgruppe damit verbunden sei, ergibt durchaus auch einen Sinn, weil die Besprechung sich nach übereinstimmender Bekundung der Zeugen […] und […] im Anschluss darum drehte, wie diese „Lasten“ zu verteilen und die insoweit erforderlichen Mittel auch unter steuerlichen Gesichtspunkten zu deklarieren seien. Zu den von den Eheleuten […] hiermit in Zusammenhang gebrachten Ausschüttungen ihrer Gesellschaften, die sie auf Geheiß des Zeugen […] veranlasst haben wollen, gibt es zwar bis in die Details widerstreitende Darstellungen. Diese lassen sich mit den durch die Parteien benannten Beweismitteln jedoch keiner weiteren Klärung zuführen. Das gilt namentlich auch für die klägerseits erhobenen Vorwürfe, es sei zu einer fehlerhaften Deklarierung als Darlehensrückzahlung und zu Fälschungen von Quittungen gekommen. Es bleibt insoweit dabei, dass beide Versionen möglich sind, jedoch nur eine von ihnen zutreffen kann.
Zudem haben es die Eheleute […] nicht bei der „nackten“ Behauptung belassen, es sei geäußert worden, dass […] „lebenslang“ bezahlt werden müsse. Um den Eheleuten […] und dem Zeugen […] korruptes Verhalten „anzudichten“, hätte es genügt, diesen Gesprächsinhalt zu behaupten. Nicht erforderlich wäre hierzu hingegen die Darstellung des weiteren Verlaufs gewesen. Demnach wollen die Zeugen […] und […] der Zahlungsaufforderung durch den Zeugen […] zwar noch nachgekommen sein, die geschäftliche Zusammenarbeit aber danach als direkte Konsequenz aus den in besagtem Gespräch gewonnenen Erkenntnissen über die Bestandsübertragungen aufgegeben haben. Auch hier weicht das Aussageverhalten der Eheleute […] von dem erwartbaren Verhalten bei Falschaussage insoweit ab, als beide eingeräumt haben, sich mit der veranlassten Ausschüttung zumindest kurzfristig an der Umsetzung jener Unrechtsvereinbarung beteiligt zu haben. Ein erdachter Sachverhalt wäre hingegen eher so konzipiert, dass sich hieraus ergebende rechtliche Konsequenzen von vornherein nur gegen Dritte richten, was ausschließt, eine – selbst nur kurzfristige und voraussichtlich folgenlose – Verstrickung einzuräumen.
Die Äußerungen der Eheleute […] zu den Gründen der geschäftlichen Trennung wirken aber auch deshalb plausibel, weil beide nicht für sich in Anspruch genommen haben, diese für ihre wirtschaftliche Existenz äußerst bedeutsame Entscheidung allein aufgrund moralischer bzw. rechtlicher Bedenken in Bezug auf die Hintergründe der Bestandsübertragung getroffen zu haben. Die Zeugin […] hat erkennen lassen, dass dies für sie vielmehr nur der letzte Anstoß war, die zuvor bereits aus verschiedenen, von der Zeugin benannten Gründen belastete Geschäftsbeziehung zu beenden.
Die Möglichkeit, dass die Eheleute […] den Gesprächsinhalt grundlegend missverstanden oder sogar bewusst verzerrt wiedergegeben haben und es bei der Tätigkeit des Zeugen […] und dem diesbezüglich zu zahlenden Betrag in Wirklichkeit nicht um „Schmiergeld“ für Bestandsübertragungen, sondern um eine zukünftige Zusammenarbeit der Gesellschaften im Umfeld der Klägerin und dem Zeugen […] gehen sollte, wie sie von diesem und dem Zeugen […] dargestellt worden ist, besteht bereits mit Blick auf die zeitlichen Zusammenhänge nicht. Denn während die Zusammenarbeit mit den Eheleuten […] bereits Anfang 2010 beendet war, soll über die behauptete Zusammenarbeit mit dem Zeugen […] sowohl nach dessen Darstellung wie auch nach Aussage des Zeugen […] erst anlässlich eines „Gänseessens“ im November 2011 erstmals vertieft gesprochen worden sein. Dass sich die Zeugen […] und […] in der zeitlichen Verortung des von ihnen bekundeten Gesprächs nicht geirrt haben können, wird ferner dadurch deutlich, dass sie davon gesprochen haben, die Zahlungen hätten wegen der Privatinsolvenz […] verdeckt über das Konto […] abgewickelt werden müssen – ein Umstand, der bei Beginn der behaupteten Zusammenarbeit in 2012 jedoch nicht mehr gegeben war.
Der zeitliche Ablauf spricht zugleich auch gegen die Annahme, dass es sich bei den Angaben der Eheleute […] um einen von persönlichen Motiven getriebenen „Racheakt“ handeln könnte. Sämtliche Umstände, die den Gegenstand der die Ermittlungen auslösenden anonymen Anzeige bilden und zur Kündigung durch die Beklagten geführt haben, waren bereits spätestens Anfang 2010 den Eheleuten […] bekannt; zudem hatten sie im Gefolge dieser Geschehnisse zu diesem Zeitpunkt ihre wirtschaftliche Existenz verloren. Nimmt man an, Rachegefühle hätten sie zu falschen Anschuldigungen motiviert, erschließt sich nicht, warum sie mit der Umsetzung eines solchen Plans noch knapp zwei Jahre zugewartet haben sollten. Dass sich hierdurch die Ausgangslage für Ermittlungshandlungen der Strafverfolgungsbehörden und damit auch die „Erfolgsaussicht“ eines derartigen Racheaktes nicht gerade verbessern würden, musste auch dem juristischen Laien ohne Weiteres einleuchten. Derartige Zurückhaltung hätte zudem ein hohes Maß an Selbstdisziplin verlangt, was mit einer rein emotional begründeten Motivationslage nur schwer in Einklang zu bringen ist. Seit Beginn der Ermittlungshandlungen sind zudem weitere vier Jahre vergangen, so dass die Vorgänge, die das Motiv der Eheleute […] nach Darstellung des Zeugen […] wie auch der Klägerin speisen sollen, nunmehr sieben Jahre zurücklägen. Ein ggf. beabsichtigter (wirtschaftlicher) Schaden wäre durch die Kündigung der Beklagten, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und die steuerlichen Folgen bereits in großem Umfang eingetreten; das Ziel eines möglichen Racheaktes mithin schon recht weitgehend erreicht. Das Risiko, das mit einer uneidlichen Falschaussage verbunden wäre, erscheint angesichts der Möglichkeit, sich durch einen Rückzug auf Erinnerungslücken nicht erneut der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen, ohne zugleich die Erhebung falscher Anschuldigungen einräumen zu müssen, recht hoch. Das gilt umso mehr, als die falsche Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB, die in Bezug auf die Aussage im Ermittlungsverfahren im Zweifelsfall vorläge, im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht ist, weshalb die Strafverfolgungsverjährung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78a Satz 1 StGB bereits nach fünf Jahren, mithin im Januar bzw. Februar 2018 und damit in absehbarer Zeit eintreten würde.
e) Der Senat ist in der Gesamtschau der vorgenannten Einzelaspekte zu der Überzeugung gelangt, dass die gegen die Klägerin erhobene Anschuldigung, sich Bestandsübertragungen durch „Schmiergeldzahlungen“ an den Zeugen […] erkauft zu haben, mit großer Wahrscheinlichkeit zutrifft. Die Verdachtskündigung war daher angesichts des Bildes, wie es sich dem Senat bei Schluss der mündlichen Verhandlung dargeboten hat, als gerechtfertigt anzusehen – das Vertrauensverhältnis war durch den dringenden Verdacht zerstört. Ob den Beklagten durch das Handeln der Klägerin tatsächlich ein Schaden ist, ist dabei nicht maßgeblich. Die Beschädigung des Vertrauens wurzelt nicht in einem bereits eingetretenen, materiellen Schaden, sondern bereits darin, dass die Beklagten dringenden Anlass zu der Befürchtung haben, bei der Klägerin als ihrer Vertragspartnerin bestehe die grundsätzliche Bereitschaft, eigene Interessen auch einseitig unter Anwendung illegaler Mittel zu verfolgen. Diese Haltung ist mit den Erfordernissen einer geschäftlichen Betätigung in einer Branche wie der Versicherungswirtschaft, in der der wirtschaftliche Erfolg maßgeblich von der Integrität der Akteure und ihrer diesbezüglichen Reputation abhängt, schlechterdings unvereinbar.
6. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2016 vorgelegten Schreiben der Beklagten aus den Jahren 2013 und 2014 sprechen nicht gegen die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses; sie beinhalten insbesondere keine Aufforderung zu weiterer Tätigkeit in dem Sinne, dass die Klägerin weitere Vermittlungstätigkeit entfalten solle. Bei den Schreiben vom 9. Januar und 19. April 2013 sowie vom und 20. August 2014 handelt es sich um Hinweisschreiben, dass die zur Vertragsdurchführung erforderlichen Angaben nicht vollständig seien, wobei das Schreiben vom 9. Januar 2013 an die Versicherungsnehmerin selbst adressiert ist. Den Schreiben vom 29. April 2013 und 13. Februar 2014 liegt zugrunde, dass die Anschrift des Versicherungsnehmers nicht mehr zutreffend war. Das Schreiben vom 16. Januar 2013 wiederum weist darauf hin, dass der Versicherungsnehmer eine andere Vermittlungsstelle als die Klägerin gewählt habe, und verweist auf mögliche, diesbezügliche Folgen für die Klägerin. Der Hintergrund des Schreibens vom 16. Mai 2013 hingegen erschließt sich dem Senat nicht ohne weitere Erläuterung. Sämtlichen Schreiben ist jedoch gemein, dass es um eine Art „Restabwicklung“ vor dem Kündigungszeitpunkt erfolgter Vermittlungen geht. Keines der Schreiben richtet sich dagegen auf eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Dem Senat erscheint darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass einzelne Schreiben nur aufgrund einer nicht auf dem Stand befindlichen Datenpflege bei der Beklagten an die Klägerin adressiert worden sind. Einen Anhalt hierfür bietet die fehlerhafte Postanschrift des Schreibens vom 20. August 2014.
1. Der Tenor des angefochtenen Urteils war um die Klarstellung zu ergänzen, dass der Rechtsstreit im Hinblick auf den ursprünglichen Klageantrag zu 1. in der Hauptsache erledigt ist. Da sich die Beklagten der Erledigungserklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 5. September 2012 nicht angeschlossen, sondern uneingeschränkt Klageabweisung beantragt haben (vgl. Bl. 67 f. d.A.), liegt eine lediglich einseitige Erledigungserklärung vor. Bei ihr handelt es sich um eine Klageänderung, gerichtet auf die Feststellung, dass die Klage vor Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen ist (vgl. Zöllen / Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 91a, Rn. 34, 43 m. w. N.).
Wie die Ausführungen im angefochtenen Urteil auf Seite 7 (Bl. 82 d.A.) zeigen, hat das Landgericht hierüber auch in der Sache entschieden, indem es ausgeführt hat, die Erledigungserklärung rechtfertige die Auferlegung eines Teils der Verfahrenskosten auf die Beklagte nicht, da die Klägerin sich zugleich gegen die Kündigung der Vertriebsvereinbarung gewandt habe, sodass wirtschaftliche Identität bestehe und der Anfechtung der Vertriebsvereinbarung neben der Kündigung kein besonderer Verfahrenswert zukomme, und der Klägerin in der Entscheidungsformel die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufgegeben hat.
Vor diesem Hintergrund war die in die Urteilsformel offensichtlich versehentlich nicht aufgenommene Feststellung, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglichen Antrags zu Ziffer 1 erledigt sei, gemäß § 319 ZPO einzufügen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
4. Bei der Festsetzung des Streitwertes hat der Senat berücksichtigt, dass das Vertragsverhältnis aufgrund der zugleich ausgesprochenen ordentlichen Kündigung nach Ablauf weiterer sechs Monate jedenfalls beendet gewesen wäre. Unter Zugrundelegung der im Jahr 2012 gezahlten Provisionen (rd. 161.600,– €) und nach Vornahme eines wegen des auf Feststellung gerichteten Klagebegehrens gebotenen Abschlages erscheint ein Wert von bis zu 50.000,– € als angemessen.