Gewerberecht: Versagung einer Erlaubnis als Versicherungsmaklerwegen rechtskräftiger Verurteilung wegen eines Verbrechens(mangelnde Zuverlässigkeit)

OVG 1 M 73.10 Beschluss verkündet am 19. August 2010 OVG Berlin-Brandenburg Versicherungsmaklerrecht

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Im Namen des Volkes
Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO), ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Es kann offen bleiben, ob die Würdigung des Verwaltungsgerichts zutrifft, die Klage sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben worden sei. Die Zustellung des Widerspruchsbescheids erfolgte zwar ausweislich der Zustellungsurkunde im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Hausbriefkasten des Klägers am 13. März 2010, so dass die am Mittwoch, den 14. April 2010, bei dem Verwaltungsgericht eingegangene Klage verspätet wäre. Hiergegen wendet sich der Kläger im Beschwerdeverfahren indes mit dem Einwand, die Zustellung des Widerspruchsbescheids sei nicht nach § 180 ZPO bewirkt worden, weil er am Tag der Zustellung, einem Samstag, durchgehend in seiner Wohnung anwesend gewesen sei, ohne dass ein Postmitarbeiter einen Zustellungsversuch unternommen habe; dies könne seine ebenfalls anwesend gewesene Ehefrau bezeugen. Damit zieht der Kläger die in Nr. 9 und 10.1 der Zustellungsurkunde beurkundete Tatsache, dass die Postmitarbeiterin das Schriftstück zu übergeben versucht hat, die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung des Klägers aber nicht möglich war, in Zweifel.

Die Zustellungsurkunde begründet als öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Die vom Postzusteller bezeugte Tatsache ist zwar dem Gegenbeweis zugänglich (vgl. § 418 Abs. 2 ZPO). Zur Substantiierung des nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässigen Beweisantritts für die Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde beurkundeten Tatsache muss allerdings eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsache dargelegt werden; schlichtes Bestreiten genügt nicht. Die dargelegten Umstände müssen geeignet sein, ein Fehlverhalten des Postzustellers und damit eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde zu belegen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. März 1992 – 2 B 22.92 – juris Rn. 4; vom 12. Dezember 1991 – 5 B 64.91 – juris Rn. 1; vom 16. Mai 1986 – 4 CB 8.86 – juris Rn. 3; Urteil vom 13. November 1984 – 9 C 23.84 -, NJW 1985, 1179, 1180; vgl. ferner BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2000 – X ZB 13/00 – juris Rn. 5; vom 28. Juli 1999 – VIII ZB 3/99 – juris Rn. 12). Ob der Vortrag des Klägers diesen Anforderungen genügt, so dass im Klageverfahren der Frage einer möglichen Falschbeurkundung ggf. durch Beweiserhebung weiter nachzugehen wäre, bedarf keiner Entscheidung.

Denn unbeschadet einer etwaigen Verfristung hätte die Klage nach der im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich in der Sache keinen Erfolg. Auf dieser Grundlage spricht alles dafür, dass die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Erlaubnis als Versicherungsmakler nach § 34 d Abs. 1 GewO zu Recht abgelehnt hat. Nach § 34 d Abs. 2 Nr. 1 GewO ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt; die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt in der Regel nicht, wer in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrages u.a. wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist. Das ist hier der Fall. Das Amtsgericht Tiergarten von Berlin verurteilte den Kläger am 29. Februar 2008 wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln (Cannabis) in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Cannabis) in der Zeit vom 1. Dezember 2006 bis 8. März 2007 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der hier einschlägige Straftatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) ist als Verbrechen ausgestaltet, weil die Tat im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bedroht ist (vgl. § 12 Abs. 1 StGB). Danach sind die Voraussetzungen für den Regelversagungsgrund des § 34 d Abs. 2 Nr. 1 GewO gegeben.

Die hiervon abweichende Annahme der Zuverlässigkeit für das Versicherungsvermittlungsgewerbe vor Ablauf der 5-Jahres-Frist bedarf besonderer Rechtfertigung. Diese kann sich aus der Straftat oder aus dem Verhalten des Betroffenen nach der Straftat und nach der Verurteilung ergeben, wobei eine seit der Verurteilung straffreie Führung nicht ausreicht (zur entsprechenden Regelvermutung in § 34 c Abs. 2 Nr. 1 GewO vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 18. Dezember 1984 – OVG Bf VI 40/84 -, GewArch 1985, 265, 266). Ob eine Ausnahme von der Regelvermutung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, § 34 c Rn. 92; s. a. Schönleiter, ebd., § 34 d Rn. 66 ff.).

Es ist auch in Ansehung der vom Kläger vorgetragenen Umstände nicht ersichtlich, dass die gesetzliche Regelvermutung in seinem Fall ausnahmsweise nicht greifen würde. Die als Besonderheiten geltend gemachten Umstände sind nicht geeignet, die gesetzliche Regelvermutung für die Unzuverlässigkeit zu widerlegen. Sie begründen keinen atypischen Sachverhalt, der es rechtfertigen würde, den Kläger trotz der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens bereits vor Ablauf der 5-Jahres-Frist als zuverlässig anzusehen.

Nach dem im Urteil des Amtsgerichts vom 29. Februar 2008 festgestellten Sachverhalt hat der Kläger gemeinschaftlich mit einer weiteren Person in drei Wohnungen jeweils Cannabis-Pflanzen aufgezogen, um das aus der Aufzucht zu erwartende Cannabis gewinnbringend weiterzuverkaufen. Bei der Strafzumessung hat das Gericht dem Kläger sein umfassendes Geständnis strafmildernd zugute gehalten. Das Urteil enthält ferner die Feststellung, dass sich der bis dahin unbestrafte Kläger sowie der ebenfalls verurteilte Mittäter aufgrund erheblicher Schwierigkeiten im Rahmen ihrer Versicherungsmaklertätigkeit zu ihren Taten veranlasst gesehen hätten. Die Gründe des Strafurteils lassen keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die vom Kläger begangene Straftat wegen ihrer Besonderheiten nicht geeignet wäre, die gesetzliche Regelvermutung zu rechtfertigen.

Zwar handelt es sich bei dem begangenen Delikt nicht um eine Straftat aus dem Bereich der Eigentums- oder Finanzkriminalität. Der Bundesgesetzgeber ist insoweit bei der Umsetzung der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung (ABl. EG Nr. L 9 vom 15. Januar 2003, S. 3; vgl. auch BTDrucks 16/1935, S. 18) über deren Mindestanforderungen hinausgegangen, indem er neben Straftaten aus dem Bereich der Eigentums- oder Finanzkriminalität (vgl. Artikel 4 Abs. 2 erster Unterabsatz Satz 2 der Richtlinie) auch die Verurteilung wegen eines Verbrechens als die Zuverlässigkeit regelmäßig ausschließenden Versagungsgrund in § 34 d Abs. 2 Nr. 1 GewO aufgenommen hat. Damit hat der Gesetzgeber die Versagungsgründe für das Versicherungsvermittlungsgewerbe an bereits vorhandene Tatbestände anderer gewerblicher Bereiche in der Gewerbeordnung angeglichen (vgl. etwa § 34 b Abs. 4 Nr. 1 – Versteigerergewerbe, § 34 c Abs. 2 Nr. 1 GewO – Makler, Bauträger, Baubetreuer).

Auch wenn die vom Kläger begangene Straftat nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der beabsichtigten gewerblichen Tätigkeit steht, stellt das Strafurteil immerhin eine Verbindung hiermit her, indem es darauf verweist, dass sich der Kläger aufgrund erheblicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten im Rahmen der Versicherungsmaklertätigkeit zu seinen Taten veranlasst gesehen habe. Die Stellungnahme des Klägers vom 15. März 2009 bestätigt diese Einschätzung, wonach er den Handel mit Betäubungsmitteln aus „Frustration“, „Dummheit“ und als „Trotzreaktion“ ob der – seiner Ansicht nach unverschuldet – eingetretenen finanziellen Zwangslage begonnen habe. Ungeachtet dessen sollte mit der Einordnung des Straftatbestands nach § 29 a BtMG als Verbrechen deutlich gemacht werden, dass der illegale Umgang mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen stets und nicht erst nach einer Gesamtabwägung von Tat und Täter außerordentlich verwerflich ist (vgl. Weber, Betäubungsmittelgesetz, 3. Aufl. 2009, § 29 a Rn. 37). Das Gewicht der dem Kläger zur Last fallenden Straftat wird durch sein umfassendes Geständnis jedenfalls aus gewerberechtlicher Sicht nicht gemindert. Gleiches gilt für den Umstand, dass die zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen wurde; die dem zugrunde liegende günstige Sozialprognose des Strafgerichts orientiert sich an den in § 56 StGB festgelegten Maßstäben und rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger verfüge zugleich auch über die gewerberechtlich erforderliche Zuverlässigkeit, die sich nach spezifisch gewerberechtlichen Grundsätzen bemisst.

Dass der Kläger eigenen Angaben zufolge in seiner bisherigen Tätigkeit einen großen Mandantenstamm erworben hat und ihm im Hinblick auf die bisher konkret ausgeübte Tätigkeit kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist, rechtfertigt ebenfalls keine vom Regelfall abweichende Beurteilung. Denn der hier einschlägige Versagungsgrund des § 34 d Abs. 2 Nr. 1 GewO betrifft nicht tätigkeitsspezifische Umstände, sondern solche, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung der angestrebten Tätigkeit als Versicherungsvermittler stehen und die der Gesetzgeber gleichwohl als gleichermaßen gewichtig befunden hat, um die Annahme der Unzuverlässigkeit für die Ausübung des Versicherungsvermittlungsgewerbes regelmäßig zu tragen (vgl. auch Schulze-Werner, in: Friauf, Gewerbeordnung, § 34 d Rn. 37).

Der Hinweis des Klägers auf sein außerberufliches Engagement ist ebenfalls nicht geeignet, die gesetzliche Regelvermutung maßgeblich zu erschüttern. Sein Einsatz für die Gleichstellung von Ausländern in der Versicherungswirtschaft lässt ebenso wenig wie seine Eignung als Kommandierender einer Jagdkampfeinheit der österreichischen Streitkräfte durchgreifende Rückschlüsse darauf zu, dass er das angestrebte Gewerbe entgegen der gesetzlichen Regelvermutung zukünftig ordnungsgemäß ausüben würde. Die vom Kläger selbst angeführten eigenen Verdienste in Lebensbereichen außerhalb des Versicherungsvermittlungsgewerbes sind auch bei der für die Zuverlässigkeitsprüfung anzustellenden Gesamtschau mit den vorerwähnten Aspekten insgesamt nicht geeignet, die gesetzliche Regelvermutung der Unzuverlässigkeit zu widerlegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Schlagwörter
Verurteilung wegen eines Verbrechens (1) Unzuverlässigkeit (2) Gewerberecht (1)