Teilweise Anrechenbarkeit der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch trotz Fälligkeitsdifferenz
23 U 2539/06 Urteil verkündet am 16. November 2006 OLG München VersicherungsvertreterrechtOberlandesgericht München
Im Namen des Volkes
Urteil
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 07.03.2006 werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 55% und die Beklagte 45%.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I. Die Parteien streiten über die Anrechnung einer von der Beklagten finanzierten Altersversorgung des Klägers auf dessen Versicherungsvertreter-Ausgleichsanspruch.
1. Der am 31.03.1950 geborene Kläger war von 1972 bis 2004 als selbständiger Versicherungsvertreter für die Beklagte tätig. Der zwischen dem Kläger und der Beklagten im Mai 1972 geschlossene Vertretervertrag enthielt unter Ziffer 17.c) eine Bezugnahme auf die zwischen dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft und den Spitzenverbänden des Versicherungsaußendienstes vereinbarten „Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs (§ 89b HGB)“, in denen sich folgende Regelung findet:
„Berücksichtigung einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung
Da nach Auffassung der Beteiligten ein Ausgleichsanspruch auch aus Billigkeitsgründen (§ 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB) insoweit nicht entsteht, wie der Vertreter Leistungen aus einer durch Beiträge des Versicherungsunternehmens aufgebauten Alter- und Hinterbliebenenversorgung erhalten oder zu erwarten hat, ist von der nach I und II errechneten Höhe des Ausgleichsanspruchs bei einer Rentenversicherung der kapitalisierte Barwert der Rente der Anspruchsberechtigen, bei einer Kapitalversorgung deren Kapitalwert und bei fixierten Provisionsrenten (früher als Nachinkassoprovisionen oder Nachprovisionen bezeichnet) der kapitalisierte Barwert der zugesagten Provisionsrenten abzuziehen.“
Im Jahr 1980 schloss die Beklagte für den Kläger im Rahmen einer Gruppenversicherung bei der V. Versicherung eine Versicherung ab, die die Risiken Alter, Berufsunfähigkeit und Hinterbliebenenrente abdeckte. Im Rahmen dieser Versicherung vereinbarten die Parteien insbesondere folgendes:
„Mit Rücksicht auf die Zukunftssicherung entsteht ein Ausgleichsanspruch nach § 89b des Handelsgesetzbuches aus Billigkeitsgründen insoweit nicht, wie das geschäftsplanmäßige Deckungskapital aus Beiträgen der D. stammt.
Soweit ein Ausgleichsanspruch gegeben ist und geltend gemacht wird, vermindern sich die aus den Beiträgen der D. stammenden Rentenansprüche so weit, dass das geschäftsplanmäßige Deckungskapital der fortfallenden Rentenansprüche gleich dem Betrage des Ausgleichsanspruchs ist; übersteigt der Betrag des Ausgleichsanspruchs das Deckungskapital, so entfallen die aus den Beiträgen der D. stammenden Rentenansprüche ganz. (…)“.
Zwischen 1980 und 2004 erbrachte die Beklagte für den Kläger auf diese Versicherung Beiträge, mit denen bis zum Ende der Vertragsbeziehung zwischen den Parteien eine Altersversorgung mit einem Barwert von 148.375,78 EUR geschaffen wurde. Aufgrund dessen hat der Kläger mit Vollendung des 65. Lebensjahres einen jährlichen Altersrentenanspruch in Höhe von 11.941,74 EUR erworben.
Mit Schreiben vom 22.05.2003 kündigte die Beklagte den Vertretervertrag des Klägers zum 30.06.2004. Der Kläger machte mit Schreiben vom 24.06.2003 einen Ausgleichsanspruch geltend, den die Beklagte mit 134.982,00 EUR errechnete. Dieser Betrag ist zwischen den Parteien unstreitig.
In der Folge verweigerte die Beklagte eine Ausgleichzahlung mit der Begründung, im Rahmen der Billigkeitserwägung gem. § 89b HGB sei der Kapitalwert der von ihr erbrachten finanziellen Leistungen für die Altersversorgung des Klägers mit dem Ausgleichsanspruch zu verrechnen, so dass dem Kläger keine Zahlungsansprüche mehr zustünden.
Der Kläger, der derzeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs bezieht, hat vorgetragen, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Vertretervertrages habe für ihn katastrophale Folgen gehabt. Ihm sei in Folge seines Alters ein Neuanfang als selbständiger Versicherungsvertreter praktisch unmöglich. Er benötige die Ausgleichszahlung, um seine berufliche Zukunft bis zum Erreichen der Altersgrenze zu sichern. Auch diese Umstände seien im Rahmen der Billigkeitsprüfung über die Ausgleichszahlung zu berücksichtigen. Soweit sich die Beklagte auf vertragliche Vereinbarungen über eine Anrechnung ihrer Leistungen für die Altersversorgung beziehe, seien derartige Abreden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 134.982,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2004 zu verurteilen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat vorgetragen, eine volle Anrechnung der Altersversorgungsansprüche des Klägers auf dessen Vertreterausgleichsanspruch widerspreche keineswegs der Billigkeit im Sinne von § 89b HGB. Die Umstände des vorliegenden Falles gestatteten es nicht, von einer solchen Anrechnung auch nur teilweise abzusehen. Insbesondere habe der Kläger nicht hinreichend dargetan, dass er tatsächlich auf den Geldbetrag angewiesen sei.
2. Das Landgericht hat eine Teilanrechnung der Altersversorgungsansprüche des Klägers auf dessen Ausgleichszahlung bejaht und dem Kläger unter Abweisung der Klage im Übrigen einen Betrag von 45.000,00 EUR zuzüglich Zinsen zugesprochen.
Es hat zur Begründung ausgeführt, eine Anrechnung sei grundsätzlich sachangemessen und entspreche auch dem Willen der Parteien. Eine Ausgleichszahlung diene auch dann, wenn das Vertreterverhältnis vorzeitig durch Kündigung ende, der Altersversorgung des Vertreters. Auch bei einer derartigen Fälligkeitsdifferenz übernehme die Altersversorgung im Wesentlichen den praktischen Zweck einer Ausgleichszahlung. Sie müsse daher bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs berücksichtigt werden, um unbillige Doppelbelastungen des Unternehmers zu vermeiden.
Andererseits sei im Rahmen der Abwägung nach § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB auch auf die Belange des Vertreters im Einzelfall abzustellen. Im vorliegenden Fall sei insbesondere von Belang, dass der Kläger 32 Jahre bei der Beklagten als Versicherungsvertreter tätig gewesen sei, also praktisch seine gesamte Lebensarbeitszeit der Beklagten gewidmet habe. In dieser Zeit sei er an die Beklagte in einer Weise gebunden worden, die es allein für sich schon schwer mache, eine anderweitige Tätigkeit nach Beendigung des Vertreterverhältnisses zu finden. Hinzu komme, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages 54 Jahre alt gewesen sei. Es sei gerichtsbekannt, dass gerade Selbständige in diesem Alter, die nach langjähriger Tätigkeit bei der gleichen Firma ihren Arbeitsbereich verlören, äußerst schwer weiter zu vermitteln seien. In der Versicherungsbranche lege ein Versicherer keinen Wert darauf, einen Vertreter zu engagieren, der maximal 10 Jahre arbeiten könne und altersbedingt aus der Sicht des Unternehmens nicht mehr die Leistungen erbringen werde, die von einem jungen Vertreter erwartet würden. Die Aussichten des Klägers auf eine adäquate Nachfolgetätigkeit seien also ausgesprochen schlecht.
Entscheidend komme hier die desolate Vermögenssituation des Klägers hinzu, der von Sozialhilfe lebe. Gerade in einer solchen Situation könne aber eine neue Existenz nur dann mit einiger Aussicht auf Erfolg aufgebaut werden, wenn ein gewisses Kapital zu Verfügung stehe. Nur dann bestehe für den Kläger die Chance, die verbleibenden Jahre bis zum Erreichen der Altersgrenze so weit überbrücken zu können, dass er nicht auf Sozialhilfe angewiesen sei. Auch in Ansehung der erheblichen Leistungen der Beklagten hinsichtlich des Aufbaus einer Altersversorgung des Klägers erscheine es daher in Abwägung aller beteiligten Interessen angemessen, dem Kläger einen gekürzten Ausgleich von 45.000,00 EUR zuzubilligen.
3. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollen Klageabweisung weiter. Sie kritisiert insbesondere, der Kläger habe in keiner Weise näher vorgetragen, welchen konkreten finanziellen Bedarf er für welche beruflichen Maßnahmen habe; das Landgericht habe seiner Billigkeitsprüfung insoweit lediglich pauschale Erwägungen zu Grunde gelegt. Auch die vom Landgericht als gerichtsbekannt verwerteten Umstände, wonach ein Versicherungsvertreter von 54 Jahren praktisch keine adäquate Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten mehr finde, könnten zwar durchaus den Tatsachen entsprechen; ihr Vorliegen sei jedoch im Fall des Klägers nicht festgestellt. Allein die Tatsache, dass der Kläger von Sozialhilfe lebe, könne es nicht rechtfertigen, die Beklagte bezogen auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB doppelt in Anspruch zu nehmen. Benötige der Kläger in dieser Situation Geldmittel, um sich eine neue Existenz zu schaffen, so müsse er diesen Bedarf konkret und nachvollziehbar darlegen.
Das Erstgericht habe zudem nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Parteien im vorliegenden Fall einverständlich von einer Surrogatfunktion der Altersversorgung im Hinblick auf den Altersanspruch ausgegangen seien. Auch dies hätte zu einer vollen Anrechnung gezwungen. Schließlich sei es unstatthaft, in die Billigkeitsprüfung nicht nur vertragsbezogene, sondern auch vertragsfremde Umstände wie Alter, Gesundheit und Vermögen des Klägers einzubeziehen.
Der Kläger hält dem im Wege der Anschlussberufung entgegen, ihm seien von Rechts wegen weitere 55.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.01.2005 als Ausgleichszahlung zuzusprechen. Er habe sein ganzes Leben und seine ganze Lebensführung darauf ausgerichtet, für die Beklagte tätig zu sein. Dass sein Vertragsverhältnis bis zum Erreichen der Altersgrenze andauern werde, habe er auch deswegen annehmen dürfen, weil er der Beklagten keinerlei Anlass zur Kündigung gegeben habe. Wenn die Beklagte meine, der Bezug von Sozialhilfe stelle keine existenzielle Bedrohung dar, so sei dies zynisch. Im Übrigen habe er bereits Chancen zum beruflichen Wiedereinstieg versäumen müssen, weil ihm bisher ein hierfür notwendiges Mindestkapital nicht zur Verfügung gestanden habe. Schließlich sei er seinerzeit bei Abschluss der Altersrentenversicherung von der Beklagten nicht auf das besondere Risiko hingewiesen worden, das in der Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung des Vertragsverhältnisses und dem damit verbundenen Risiko eines zumindest teilweisen Verlustes des Ausgleichsanspruchs liege. Da er durch die Kündigung faktisch in den „vorzeitigen Ruhestand versetzt“ worden sei, müsse ihm ein Betrag von insgesamt 100.000,00 EUR zur Verfügung gestellt werden.
Ergänzend wird auf die Berufungsschriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2006 Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig, bleiben jedoch ohne Erfolg. Das Urteil des Landgerichts wird dem Maßstab des § 89b Abs. 1 HGB gerecht.
Dem Kläger stand nach Beendigung seiner Tätigkeit für die Beklagte gemäß §§ 92, 89b Abs. 1 und 5 HGB ein Ausgleichsanspruch zu, dessen rechnerische Höhe von 134.982,00 EUR unstreitig ist. Auf diesen Anspruch ist der Kapitalwert der von der Beklagten finanzierten Altersversorgung des Klägers im Rahmen der Billigkeitsprüfung (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB) in dem Umfang anzurechnen, dass ein Ausgleich in Höhe von 45.000,00 EUR auszuzahlen ist.
1. Hat der Prinzipal auf eigene Kosten eine Altersversorgung des Handelsvertreters eingerichtet, so entspricht es grundsätzlich der Billigkeit, den Wert dieser freiwillig erbrachten finanziellen Zuwendung des Prinzipals auf den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB anzurechnen ( BGHZ 45, 268; BGH NJW 03, 1241, 1243; NJW 03, 3350, 3351). Scheidet der Handelsvertreter wegen Erreichung der Altersgrenze aus seiner Tätigkeit aus, so übernimmt die Altersversorgung im Wesentlichen den „praktischen Zweck“ einer Ausgleichszahlung ( BGHZ 45, 268, 272). Diese „funktionelle Verwandtschaft zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung“ (BGH a.a.O. S. 273) rechtfertigt regelmäßig eine volle Anrechnung der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch.
2. Dagegen kann in Fällen, in denen – wie hier – der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters vor eventuellen Ansprüchen aus einer privaten Altersversorgung fällig wird, von einer Substitution des Ausgleichsanspruchs durch Versorgungsansprüche nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn wenn das Vertragsverhältnis des Handelsvertreters vor Erreichung der Altersgrenze endet, kann eine dem Handelsvertreter zustehende Versorgungsanwartschaft unter Umständen nicht die Funktion erfüllen, die dem Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zukommt (vgl. OLG Köln VersR 97, 615, 616).
Zwar ist der Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters nach §§ 92, 89b HGB nicht in erster Linie als Versorgungsanspruch anzusehen (Hopt, HGB, 32. Aufl., § 89b Rn. 2 f.). Vielmehr wird dem Vertreter für nachwirkende Vorteile des Prinzipals aus der Vertretertätigkeit eine Kompensation entstehender Nachteile (insbesondere Wegfall von Folgeprovisionen; hierzu Küstner in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, 2. Aufl., § 89b Rn. 18) zuerkannt, die jedoch nicht nur bisherige Leistungen abgelten, sondern ihm auch die Fortsetzung seiner Berufstätigkeit erleichtern soll. Neben einem Vorteilsausgleich hat der Anspruch nach § 89b HGB damit auch die soziale Funktion einer „Überbrückungshilfe“. Er gründet sich gleichwohl in vollem Umfang auf die vom Vertreter erbrachte Eigenleistung im Rahmen der vorausgegangenen Vertragsbeziehung (vgl. Küstner a.a.O., Rn. 20b).
Ziel der genannten Überbrückungshilfe ist jedenfalls in Fällen, in denen einerseits dem Handelsvertreter noch ein langjähriger Zeitraum der Berufstätigkeit bis zum Einsetzen der Altersversorgung verbleibt und in denen sich der Handelsvertreter zugleich bereits in einem Lebensalter befindet, in welchem ein beruflicher Neuanfang regelmäßig zumindest schwierig ist, nicht die Finanzierung des Lebensunterhalts bis zum Erreichen der Altersgrenze. Vielmehr liegt ihr Zweck darin, den Vertreter beim Aufbau einer neuen beruflichen Position, also der durch die Kündigung des Prinzipals erforderlich gewordenen Neuorientierung, finanziell zu unterstützen. Wegen dieser Zielverschiedenheit fehlt es in derartigen Fällen erheblicher Fälligkeitsdifferenzen zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgungsansprüchen an einer „funktionellen Verwandtschaft“ beider Rechtspositionen (vgl. BGH NJW 94, 1350, 1351; OLG Köln VersR 97, 615, 616).
3. Dies schließt es gleichwohl nicht aus, auch bei einer Fälligkeitsdifferenz freiwillige Leistungen des Prinzipals zur Einrichtung einer privaten Altersversorgung des Vertreters bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs im Rahmen des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB angemessen zu berücksichtigen, um eine unbillige Doppelbelastung des Prinzipals zu vermeiden (OLG Köln VersR 01, 1377, 1379). Hierfür existieren keine starren Regeln (vgl. BGH WM 84, 212; BGH NJW 94, 1350, 1351).
Soweit Prinzipal und Handelsvertreter – wie hier – über eine solche Vorausanrechnung der Altersversorgung Abreden getroffen haben, ist eine Vereinbarung, die die Vorausanrechnung unter Ausschluss anderer Billigkeitsgesichtspunkte vorsieht, zwar wegen Verstoßes gegen § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB unwirksam (vgl. BGH NJW 03, 1241, 1243). Eine derartige Vereinbarung kann jedoch auch im Falle ihrer Unwirksamkeit ein Indiz für den grundsätzlichen Anrechnungswillen der Vertragsparteien liefern und damit in den Abwägungsprozess einfließen (so BGH NJW 03, 1244, 1246).
Im Übrigen sind bei der Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB sämtliche vertragsbezogenen Umstände des Einzelfalles in eine Gesamtabwägung einzustellen. Darüber hinaus ist es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ausgeschlossen, dass in der Anrechnungsfrage im Einzelfall auch vertragsfremde Gegebenheiten Berücksichtigung finden (vgl. BGH NJW 03, 1244, 1246), sofern sich diese – wie etwa die wirtschaftliche und berufliche Situation des Vertreters nach Vertragsende – in einer Weise auswirken, die auch unter Würdigung der Interessen des Prinzipals bei der Erforderlichkeit einer Überbrückungshilfe für den Vertreter billigerweise nicht außer Acht bleiben können (vgl. v. Hoyningen-Huene in: Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl., § 89b Rn. 102 f.; Küstner in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2, 7. Aufl., Rn. 1170 ff. [1259 ff., 1279 ff.]).
4. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht seiner Abwägung § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB zu Grunde gelegt und die Anrechnungsvereinbarung der Parteien als Indiz für deren Willensrichtung gewürdigt. Ausgehend von dem Ziel, eine unbillige Doppelbelastung des Prinzipals zu vermeiden, hat das Landgericht die Möglichkeit einer überwiegenden Anrechnung der Altersversorgungsansprüche auf den Ausgleichsanspruch zutreffend bejaht und folgerichtig die für den Fall wesentlichen Abwägungsumstände zusammen gestellt. Dabei wurden die jahrzehntelange Tätigkeit des Klägers, die ausschließlich für die Beklagte geleistet worden ist, das fortgeschrittene Lebensalter des Klägers, die für ihn gegebene Arbeitsmarktsituation und seine persönliche finanzielle Situation sowie andererseits der hohe, den Ausgleichsbetrag noch übersteigende Kapitalwert der von der Beklagten finanzierten Rentenanwartschaft als ausschlaggebend bewertet.
Der Senat tritt diesen Billigkeitserwägungen in vollem Umfang bei. Den vorliegenden Fall kennzeichnet, dass der Kläger sein gesamtes bisheriges Berufsleben der Beklagten gewidmet hat und zum Zeitpunkt der Einrichtung der Altersversorgung nicht mit einer Kündigung seines Vertragsverhältnisses rechnen musste, sondern, was auch die Beklagte in der Berufungsverhandlung nicht in Zweifel gezogen hat, davon ausgehen konnte, bei beanstandungsfreiem Verhalten seine Tätigkeit für die Beklagte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, also dem Einsetzen der Altersversorgung, fortführen zu dürfen. Zudem liegt auf der Hand, dass ihm die Kündigung der Beklagten angesichts seines Lebensalters und seines bisherigen Werdegangs einen angemessenen Wiedereinstieg ins Berufsleben zumindest erheblich erschwert. Auch wenn die Situation des Klägers deshalb selbstverständlich nicht arbeitnehmerähnlich ist, leitet sich doch aus der langjährigen Vertragsbeziehung eine nachwirkende Verantwortlichkeit der Beklagten für eine berufliche Wiedereingliederung des Klägers ab, die eine beschränkte finanzielle Doppelbelastung in dem vom Landgericht ausgesprochenen Umfang rechtfertigt.
5. Soweit die Beklagte schließlich beanstandet, das Erstgericht habe mangels Sachvortrag des Klägers keine Feststellungen zu möglichen anderweitigen Tätigkeiten des Klägers und konkret hierzu benötigten Mitteln getroffen, wird übersehen, dass die Überbrückungsfunktion des Ausgleichsanspruchs im vorliegenden Fall die Suche nach einer künftigen Arbeitsstelle einschließt. Der Anspruch kann folglich nicht mit dem Argument versagt werden, eine solche Stelle sei noch nicht in Aussicht, zumal dann, wenn – wie vorliegend – die Arbeitsmarktsituation für den Ausgleichsberechtigten ungünstig ist. Hier ist eine angemessen Pauschalierung des Überbrückungsbedarfs geboten.
6. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Zur Frage der Anrechenbarkeit einer Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB wendet der Senat anerkannte Rechtsgrundsätze an. Die konkrete Würdigung aller Umstände im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB betrifft ausschließlich den vorliegenden Einzelfall.