Übertragung geschäftlicher Telefonnummern nach Franchisevertragsende

19 U 171/03 Urteil verkündet am 17. September 2004 OLG Köln Anwendung handelsvertreterrechtlicher Vorschriften auf Franchiseverträge

Oberlandesgericht Köln
Im Namen des Volkes
Urteil

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Aachen vom 01.10.2003 (LG Aachen, Urt. v. 01.10.2003 – 11 O 302/03) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien streiten um Rechte an Telefonnummern nach Beendigung eines Franchise-Vertrages.

Die Klägerin betreibt ein Franchise-System, welches zunächst die Bezeichnung „B Express“ trug und später in „I Pizza“ umfirmiert wurde. Es handelt sich um eine Kette von mehr als 100 Filialbetrieben in ganz Deutschland. Der Beklagte betrieb aufgrund des Franchise-Vertrages vom 24.10.1994 (Bl. 8 ff. d. GA) ein „I Pizza“-Ladengeschäft in Aachen, zuletzt in der U Straße 544. § 10 des Vertrages sah unter Ziff. 10.3 vor, dass der Franchise-Nehmer nach Ablauf des Vertrages die Telefonnummer des B-Lokals auf den Franchise-Geber zu übertragen hatte. Für das durch den Beklagten betriebene Ladengeschäft bestanden zunächst drei Rufnummern, und zwar die Aachener Nrn. ..1, ..2 und ..3. Die beiden erstgenannten Telefonnummern hatte der Beklagte vom ursprünglichen Inhaber des Pizza-Liefer-Services übernommen. Die Klägerin kann über die drei Telefonnummern nicht verfügen und erhält hierfür auch keine Rechnungen. Seit Anfang Mai 2003 nutzte der Beklagte zwei weitere Nummern für sein Ladengeschäft, nämlich die 0800er-Nummern -10 und 0-1. Diese sind auf Frau B D zugeteilt.

Die Klägerin meint, sie könne vom Beklagten nach § 10 Ziff. 10.3 des Franchise-Vertrages die Übertragung der drei Aachener Telefonnummern sowie das Unterlassen der geschäftlichen Nutzung der beiden 0800er-Nummern verlangen.

Sie hat zunächst die aus der Klageschrift vom 04.04.2003 und dem Klageerweiterungsschriftsatz vom 03.06.2003 (Bl. 29d. GA) ersichtlichen Haupt- und Hilfsanträge angekündigt. Die Hauptanträge hat sie sodann zurückgenommen und nach Umformulierung der ursprünglichen Hilfsanträge beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Telefonanschlüsse 0241/..1, ..2 und ..3 ab dem 01.08.2003 auf die Klägerin zu übertragen sowie es ab dem 01.08.2003 zu unterlassen, die Telefonnummern 0800/..10 und 0800/0..1 geschäftlich im Rahmen des Pizzageschäftes zu nutzen. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das LG hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte sei aufgrund des § 10 Ziff. 10.3 des Franchise-Vertrages zur Übertragung bzw. Nutzungsunterlassung verpflichtet. Die betreffende Vertragsklausel sei nicht wegen Verstoßes gegen § 90a HGB unwirksam. Vielmehr werde … die Anwendbarkeit des § 90a HGB auf das vorliegende Franchise-Vertragsverhältnis unterstellt … allenfalls von Seiten der Klägerin eine angemessene Entschädigung geschuldet, um die es hier aber nicht gehe. Es könne nach Sinn und Zweck der Vertragsklausel auch keinen Unterschied machen, ob der Beklagte selber Inhaber der Telefonnummern sei oder diese – wie die 0800er-Nummern – auf eine andere Person eingetragen seien. Als Minus der besagten Regelung sei es dem Beklagten daher verwehrt, diese geschäftlich zu nutzen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er macht geltend, das LG habe verkannt, dass es sich bei der vermeintlichen Klarstellung der früheren Hilfsanträge um eine Klageänderung gehandelt habe. In der Sache vertritt er die Ansicht, bei der in § 10 Ziff. 10.3 des Franchise-Vertrages enthaltenen Regelung handele es sich um eine nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkung, bei der der Franchise-Geber in analoger Anwendung des § 90a HGB keinen Anspruch auf Durchsetzung der Vereinbarung ohne Leistung einer angemessenen Entschädigung habe; anderenfalls sei die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit i. S. d. § 138 BGB unangemessen beschränkt. Der erworbene Kundenstamm und der notwendige Kontakt stelle einen wesentlichen Teil des Geschäftsvermögens dar. Werde der Beklagte der Telefonnummern beraubt, verliere er praktisch seine gesamte Kundschaft und damit seine Existenzgrundlage. Daher bedürfe es eines Interessenausgleichs entsprechend § 90a HGB. Die Übertragung der Telefonnummern ohne Entschädigungszahlung stelle eine unangemessene Benachteiligung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit dar. Da er zudem nicht Inhaber der 0800er-Nummern sei, könne er auch nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen sowie auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das LG von der Zulässigkeit der in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2003 gestellten Anträge ausgegangen. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt in der Rücknahme der Hauptanträge und dem Stellen der Hilfsanträge keine Klageänderung i. S. v. § 263 ZPO. Werden ein Haupt- und ein Hilfsantrag gestellt, liegt eine Eventualklagehäufung vor, weil mehrere Anträge nicht nebeneinander, sondern in Abhängigkeit voneinander gestellt werden (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 260 Rz. 4). Der Hilfsantrag begründet insoweit eine auflösend bedingte Rechtshängigkeit des mit ihm verfolgten Anspruchs in der Form, dass eine Sachentscheidung nur für den Fall der Erfolglosigkeit des Hauptantrages begehrt wird (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 260 Rz. 4). Wird der Hauptantrag im Laufe des Verfahrens zurück genommen oder über den Hilfsantrag wegen der Erfolglosigkeit des Hauptantrages entschieden, liegt hierin grundsätzlich keine Klageänderung, wenn die Anträge – wie vorliegend – von Anfang an als Haupt- und Hilfsantrag gestellt worden sind (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 263 Rz. 8). Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt auch in der Umformulierung der Hilfsanträge keine Klageänderung i. S. d. § 263 ZPO. Insoweit fehlt es an einer Änderung des Streitgegenstandes, wie sie eine Klageänderung i. S. d. § 263 ZPO voraus setzt. Denn es liegt weder eine tatsächliche Änderung des Klageantrages, noch des dem Klagebegehren zu Grunde liegenden Lebenssachverhaltes vor (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., Rz. 60 ff.). Mit ihrem ursprünglichen Hilfsantrag zu 1) hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ggü. der D.T. AG zu erklären, dass die entsprechenden Telefonanschlüsse auf die Klägerin übertragen seien. Soweit in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2003 dieser Klageantrag dahin umformuliert worden ist, dass die Klägerin die Übertragung der entsprechenden Telefonanschlüsse durch den Beklagten auf sich beantragt hat, liegt hierin lediglich eine sprachliche Klarstellung. Soweit in dem ursprünglichen Hilfsantrag der Klägerin nämlich auch die Formulierung enthalten war, dass die Übertragung durch eine Erklärung des Beklagten ggü. der D.T. AG erfolgen sollte, ist hierdurch lediglich in den Hilfsantrag aufgenommen worden, wie der Beklagte eine Verpflichtung aus einer entsprechenden Verurteilung zu erfüllen hätte, nämlich durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung ggü. der D.T. AG. Da dies als Bestandteil des Klageantrages nicht erforderlich war, ist das LG insoweit seiner materiellen Prozessleitungspflicht aus § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO nachgekommen und hat darauf hingewirkt, dass die Klägerin ihre Anträge sachdienlich formuliert. In Bezug auf den von der Klägerin gestellten Hilfsantrag zu 2), der die Unterlassung der Benutzung der 0800er-Nummern zum Gegenstand hat, ist eine Umformulierung lediglich insoweit erfolgt, als die von der Klägerin beantragte Unterlassung der „geschäftlichen“ Nutzung im Termin am 10.09.2003 dahin ergänzt wurde, dass von der Klägerin die Unterlassung der geschäftlichen Nutzung „im Rahmen des Pizzageschäftes“ begehrt wurde. Hierin liegt ebenfalls lediglich eine verdeutlichende Klarstellung und nicht etwa eine Klageänderung i. S. d. § 263 ZPO.

Die Klage ist auch begründet. Der – zu Recht zugesprochene – Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Übertragung der drei Aachener Telefonnummern folgt aus § 10 Ziff. 10.3 des Franchise-Vertrages. Soweit der Beklagte die Ansicht vertritt, er sei mangels Entschädigungsregelung i. S. v. § 90a HGB (analog) nicht zur Übertragung der besagten Telefonnummern verpflichtet, kann ihm nicht gefolgt werden. Denn bei § 10 Ziff. 10.3 des Franchise-Vertrages handelt es sich nicht um eine Wettbewerbsabrede i. S. v. § 90a HGB. Hierunter ist eine Vereinbarung zu verstehen, die den Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Baumbach/Hopt, § 90a HGB Rz. 4). Darum geht es bei § 10 Ziff. 10. 3 des Franchise-Vertrages aber nicht. So wie der Handelsvertreter den Kundenstamm für den Geschäftsherrn erwirtschaftet, ist wegen der weitgehenden Identifikation des Franchise-Nehmers mit dem System der Kundenstamm wirtschaftlich von Vornherein dem System bzw. dem Franchise-Geber als dessen Herrn zuzuordnen (vgl. K. Schmitt, DB 79, 2357, 2360). Zwar wird der Franchise-Nehmer im Gegensatz zum Handelsvertreter rechtlich im eigenen Namen tätig. Seine Identität tritt jedoch völlig hinter die des Systems bzw. des Franchise-Gebers zurück. Der Inhaber des einzelnen Geschäftslokals wird meist nur aus den durch die Gewerbeordnung vorgeschriebenen Angaben am Eingang ersichtlich. Nach außen erscheinen Franchise-Nehmer-Betriebe eher als Filialen des Franchise-Gebers (Bodewig, BB 97, 639). Für den Kunden bietet der Franchise-Nehmer nicht „sein“, sondern ein System-Produkt an. So lag es auch hier. Dies zeigt etwa der Flyer, den der Beklagte nach Einrichtung der 0800er-Nummern an den Kundenstamm verteilt hat. Dieser enthält keinerlei Hinweis auf den Beklagten. Geworben wird einzig und allein für „I Pizza“, d. h. die Franchise-Kette. Auch wenn nicht der Franchise-Geber das Produkt erstellt, akquiriert der Franchise-Nehmer Kunden nicht etwa in erster Linie für sich und sein Produkt, sondern für das System und dessen Produkt und damit für den Franchise-Geber. Die Konzeption und ihre Umsetzung durch den Franchise-Nehmer schaffen für die Betriebe des Systems einen eigenen Kundenstamm, der sich durch eben diese „Unternehmerphilosophie“ und -praxis angezogen fühlt.

Wenn § 10 Ziff. 10.3 des Franchise-Vertrages den Beklagten nach Ablauf des Vertrages verpflichtet, die Telefonnummer des B .. bzw. „I Pizza“ .. Lokals auf die Klägerin als Franchise-Geberin zu „übertragen“, so soll dadurch lediglich sicher gestellt werden, dass der Kundenstamm von demjenigen weiter genutzt werden kann, dem er bereits vor Beendigung des Vertragsverhältnisses wirtschaftlich zugeordnet war: dem Franchise-System „I Pizza“.

Verliert also der Beklagte durch Übertragung der Aachener Telefonnummern einen nicht unerheblichen Teil des bisherigen Kundenstamms, so liegt darin nach alledem keine Beschränkung seiner vormals größeren Wettbewerbsfähigkeit; ihm geht vielmehr der Goodwill des Systems „I Pizza“ verloren und damit ein Wettbewerbsvorteil, den er zum Teil von seinem Vorgänger im Franchise-System übernommen und für den er während seiner Teilnahme an „I Pizza“-System die Franchise-Gebühren zu entrichten hatte. Warum der Beklagte nach Beendigung des Vertrages vom Goodwill der Klägerin kostenlos sollte profitieren können ist nicht ersichtlich. Was für den Namen „I Pizza“ gilt, den der Beklagte nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin natürlich nicht mehr verwenden darf, muss auch für die streitgegenständlichen Aachener Telefonnummern gelten. Von daher besteht wegen der aus § 10 Ziff. 10.3 des Franchise-Vertrages für den Beklagten resultierenden nachteiligen Folgen auch keine Gesetzeslücke, die durch eine analoge Anwendung des § 90a HGB zu schließen wäre. Einschlägig dürfte allenfalls § 89b HGB sein, der dem Handelsvertreter nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses mit dem Unternehmer einen Ausgleich dafür zubilligt, dass seine Tätigkeit bei Kunden einen Goodwill geschaffen hat, der statt wie bei Fortdauer des Handelsvertretervertrages beiden Teilen infolge des Vertragsendes allein dem Unternehmer zu Gute kommt (Baumbach/Hopt, § 89b HGB Rz. 1).

Doch kann hier dahingestellt bleiben, ob dem Beklagten ein Ausgleichsanspruch zusteht. Denn hieraus ergibt sich jedenfalls kein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch aus § 10 Ziff. 10.3 des Franchise-Vertrages. Dies folgt aus § 88a Abs. 2 HGB, der ein Zurückbehaltungsrecht des Handelsvertreters wegen eines Ausgleichsanspruchs ausschließt (vgl. Baumbach/Hopt, § 88a HGB Rz. 5). Der darin enthaltene Rechtsgedanke muss für einen etwaigen Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers entsprechend gelten.

Nach alledem steht die fehlende Entschädigungsregelung einem durchsetzbaren Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Übertragung der drei Aachener Telefonnummern nicht entgegen.

Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine Unwirksamkeit der in § 10 Ziff. 10.3 des Franchise-Vertrages enthaltenen Regelung nach § 9 AGB-Gesetz a.F. aus. Denn die darin enthaltene Verpflichtung des Beklagten zur Übertragung der betreffenden Telefonnummern ist – wie ausgeführt – nicht unangemessen, sondern systemgerecht.

Die Klägerin kann schließlich nach dem Sinn und Zweck der Regelung in § 10 Ziff. 10.3 des Vertrages vom Beklagten auch verlangen, dass dieser die auf eine Verwandte eingetragenen 0800er-Telefonnummern nicht mehr für den Betrieb eines Lieferservices für Schnellküchengerichte nutzt. Dies ergibt sich aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, und 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.000,– Euro.

Schlagwörter
Pflicht zur Übertragung geschäftlicher Telefonnummern (1) Medienrecht (1)