Unwirksamkeit von Formularklauseln im Kfz-Händlervertrag
KZR 10/03 Urteil verkündet am 13. Juli 2004 BGH Vertragshändlerrecht und KartellrechtBundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2004 durch […] für Recht erkannt:
Tenor
I. Auf die Revisionen der Kläger und der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht
die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung, die Verwendung der Klausel I 6 lit. b Abs. 2 Satz 1 des […]-Händlervertrages (Pflicht zur Vermeidung einer Markenverwechslung) zu unterlassen, für die Zeit nach dem 30. September 2002 zurückgewiesen hat und als es
auf die Berufung der Beklagten die Klage hinsichtlich der Klauseln
I 6 lit. b Abs. 2 Satz 2 des […]-Händlervertrages (Pflicht zum Schutz von Investitionen der Beklagten),
III 2 Abs. 1 Satz 1 des […]-Händlervertrages (Bezugsbindung der […]-Händler im Umfang der Mindestabsatzmenge an Vertragsware)
III 2 Abs. 1 Satz 2 des […]-Händlervertrages (Festlegung von Mindestabsatzmengen unter Berücksichtigung der Modellpolitik der Beklagten) für die Zeit vor dem 1. Mai 2004 und
2.13 Abs. 4 der Anlage 5 zum […]-Händlervertrag (Vergütung von Gewährleistungsarbeiten) abgewiesen hat.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27. Januar 1999 teilweise geändert.
Hinsichtlich der Klausel I 6 lit. b Abs. 2 Satz 1 des […]-Händlervertrages (Pflicht zur Vermeidung einer Markenverwechslung) wird die Klage für die Zeit nach dem 30. September 2002 abgewiesen.
III. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27. Januar 1999 wird zurückgewiesen, soweit der Beklagten die Verwendung
der Klausel I 6 lit. b Abs. 2 Satz 2 des […]-Händlervertrages (Pflicht zum Schutz von Investitionen der Beklagten) unbeschränkt und
der Klauseln III 2 Abs. 1 Satz 1 des […]-Händlervertrages (Bezugsbindung der […]-Händler im Umfang der Mindestabsatzmenge an Vertragsware) sowie
III 2 Abs. 1 Satz 2 des […]-Händlervertrages (Festlegung von Mindestabsatzmengen unter Berücksichtigung der Modellpolitik der Beklagten) jeweils für die Zeit vor dem 1. Mai 2004
untersagt worden ist.
IV. Im weitergehenden Umfang der Aufhebung des Berufungsurteils wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte vertreibt über ein Netz von Vertragshändlern Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile der Marke […] in Deutschland. Der Kläger zu 1 ist ein Verband zur Wahrung und Förderung der allgemeinen beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen des Kraftfahrzeuggewerbes. Der Kläger zu 2 ist die Verbandsorganisation der […]-Vertragshändler in Deutschland. Die Beklagte bedient sich seit dem Jahr 1997 zum Abschluß von Vertragshändlerverträgen eines aus dem […]-Händlervertrag und diversen Anlagen bestehenden Vertragsmusters, das, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, die nachfolgend wiedergegebenen Klauseln enthält, die nach Auffassung der Kläger die Vertragshändler unangemessen benachteiligen (die Klauseln sind im jeweiligen Regelungszusammenhang wiedergegeben, die beanstandeten Klauseln und Klauselteile in Kursivdruck).
I. Vertragsgegenstand …
6. Markenexklusivität …
a) Der Händler konzentriert sich in seiner Tätigkeit im Rahmen seiner Absatzförderungspflicht und seiner vorliegend geregelten Absatzverpflichtungen auf seine konkreten Aufgaben aus diesem Vertrag.
Es ist dem Händler in seinem Betrieb (Anlage 3) nicht gestattet, neue Kraftfahrzeuge anderer Marken als der Vertragsware (neue […] Personenkraftwagen) zu verkaufen, abzusetzen oder zu vertreiben.
b) Unbeschadet der Bestimmungen zum Vorbuchstaben a) ist der Händler berechtigt, den Verkauf von neuen Kraftfahrzeugen anderer Marken zu übernehmen, falls der Händler […] nachweist, daß sachlich gerechtfertigte Gründe dafür vorliegen.
1Der Händler verpflichtet sich, bei Übernahme eines Zweitfabrikats gemäß dieser Regelung dafür Sorge zu tragen, daß keine Verwechslung der Marke […] mit der Zweitmarke möglich ist, gleich in welcher Form dies geschieht. 2Er verpflichtet sich weiterhin, dafür Sorge zu tragen, daß in keiner Weise Nutzen aus Investitionen für ein Zweitfabrikat gezogen werden, die von […] insbesondere in den Bereichen Ausstattung und Personalschulung getätigt wurden, noch aus den Rechten an geistigem Eigentum unter dem know-how von […].
c) Unbeschadet der Bestimmungen zum Vorbuchstaben a) und soweit die Voraussetzungen zum Vorbuchstaben b) nicht vorliegen, ist der Händler berechtigt, andere als von […] angebotene neue Kraftfahrzeuge zu vertreiben, jedoch nur, wenn dies in räumlich getrennten Verkaufslokalen, unter getrennter Geschäftsführung, mit eigener Rechtspersönlichkeit und in einer Weise geschieht, die eine Verwechslung der Marken ausschließt, bei Arbeiten im Rahmen des Kundendienstes, die in einer gemeinsamen Werkstatt ausgeführt werden, dafür Sorge getragen ist, daß kein Dritter unberechtigt Nutzen aus Investitionen zieht, die von […], insbesondere bezüglich der Ausstattung der Werkstatt oder der Ausbildung des Personals erbracht wurden.
III. Verkaufsaufgaben des Händlers …
2. Mindestabsatz, Lager-, Vorführfahrzeuge
1Der Händler ist verpflichtet, sich zu bemühen, jährlich (Kalenderjahr) innerhalb des Vertragsgebietes Vertragsware (neue […] Personenkraftwagen) und […] Original-Ersatzteile – jeweils von […] bezogen – mindestens in dem Umfang abzusetzen, der von […] und dem Händler einvernehmlich festgesetzt worden ist. 2Bei fehlendem Einvernehmen über die jährliche Mindestmenge erfolgt die Festsetzung durch einen Sachverständigen, der insbesondere anhand der im Vertragsgebiet bisher erzielten Verkäufe und Vorausschätzungen für zukünftige Verkäufe in diesem Gebiet und der Markterwartung im Bundesgebiet sowie unter Berücksichtigung der Modell- und Vertriebspolitik der […] DEUTSCHLAND AG eine Festsetzung vornehmen wird. 3Besonderheiten und Deregulierungen im Vertragsgebiet (z.B. Mitarbeiter-Fahrzeuge von Kraftfahrzeugherstellern bzw. -importeuren, Zulassungen von Mietgesellschaften etc.) werden berücksichtigt. 4Die Festlegung des Sachverständigen ist verbindlich. 5Bis zur Festlegung des Sachverständigen gilt der Vorschlag der […] DEUTSCHLAND AG als verbindlich. 6Das Verfahren regelt sich gemäß Anlage 8 dieses Vertrages.
1Des weiteren erklärt sich der Händler im Rahmen seiner Absatzförderungspflicht ausdrücklich bereit, ständig einen Bestand an Vorführwagen aus dem aktuellen Programm der Vertragsware (neue […] Personenkraftwagen) zu unterhalten, deren Mindestzahl für jedes Kalenderjahr unter Berücksichtigung des Jahresverkaufsziels für Neufahrzeuge im gegenseitigen Einvernehmen festgesetzt wird. 2Kommt keine Einigung zustande, erfolgt die Festsetzung ebenfalls durch einen Sachverständigen (Anlage 8). 3Sämtliche Modellreihen sollen im Bestand der Vorführfahrzeuge repräsentiert sein (Anlage 7). 4Für Fahrzeugtypen, die neu in das Vertragsprogramm im Laufe eines Jahres aufgenommen werden, wird […] dem Händler einen Vorschlag für die einzustellende Anzahl der Vorführwagen unterbreiten. 5Wird eine Einigung mit dem Händler nicht erzielt, wird erneut der Sachverständige gemäß vorbeschriebenem Verfahren entscheiden.
6Bis zu diesem Zeitpunkt gilt der Vorschlag von […] als verbindlich.
1Der Händler unterhält darüber hinaus ständig einen entsprechenden Lagerbestand an Vertragsware (neue […] Personenkraftwagen), der wenigstens einem Elftel des Jahresverkaufsziels für Neufahrzeuge entspricht. 2Die Zusammensetzung der Fahrzeugtypen soll anteilsmäßig der Bedeutung des Vertragsprogramms an Vertragsware (neue […] Personenkraftwagen) entsprechen.
3Den genauen Bestand in Menge und Zusammensetzung legen […] und der Händler einvernehmlich in einer Jahresvereinbarung fest. 4Bei fehlendem Einvernehmen erfolgt die Festsetzung durch den zu benennenden Sachverständigen. 5Das Verfahren regelt sich in Anlage 8. 6Bis zur Einigung bzw. Festlegung durch den Sachverständigen gilt der Vorschlag von […] als verbindlich.
Anlage 7 zum […] Händler-Vertrag:
3.3. Vorführwagen-Bestand …
(Absatz 2) Für hochvolumige Modelle (derzeit […], […] und […]) gilt ein dreimaliger Wechsel pro Kalenderjahr als vereinbart, für die restlichen PKW/Kombi-Modelle (derzeit […], […] und […]) ein zweimaliger, für die Nfz.-Modelle (soweit Nfz.-Vereinbarung vorliegt) ein einmaliger Wechsel pro Kalenderjahr.
…
V. Gewährleistung/Kundendienst
1[…] leistet für gelieferte Vertragswaren (neue […] Personenkraftwagen), für die der Händler seinerseits Gewähr zu leisten hat, in entsprechendem Umfang Gewähr. 2[…] vergütet anerkannte Gewährleistungsarbeiten nach […] Gewährleistungsrichtlinien (Anlage 5).
Der Händler leistet für alle Vertragswaren oder ihnen entsprechende Fahrzeuge, die von einem anderen Unternehmen des […] Vertriebsnetzes im gemeinsamen Markt (EU) verkauft wurden, Gewähr, erbringt Kundendienst und führt Kulanzentscheidungen in Abstimmung mit […], Rückrufaktionen sowie Erzeugnisänderungskampagnen nach den […] Richtlinien (Anlage 7) durch.
Anlage 5 zum […] Händler-Vertrag
2.13 Umfang der Vergütung …
[…] vergütet dem Händler Aufwendungen für Gewährleistungs- und Kulanzarbeiten getrennt nach Arbeitsleistung, ausgewechselten, von […] bezogenen […] Original-Teilen sowie unvermeidbaren Fremdleistungen.
[…] vergütet dem Händler 100 % seines Stundenverrechnungssatzes unter Zugrundelegung des Richtzeitenkatalogs. …
…
1[…] vergütet dem Händler die für Gewährleistungsarbeiten verwendeten und von […] bezogenen […]Original-Teile gemäß der nachstehenden Vergütungstabelle. 2Weitergehende Beträge werden nicht erstattet, insbesondere keine Kosten für Lagerhaltung, Fracht und Verpackung.
(Es folgt der Abdruck einer Garantie-Vergütungstabelle Ersatzteile betreffend)
X. Vertragsdauer/Kündigung …
3. Außerordentliche Kündigung
1Dieser Vertrag ist außerordentlich kündbar mit sofortiger Wirkung, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
2Ein wichtiger Grund liegt unbeschadet der Möglichkeit der Geltendmachung sonstiger Gründe, z.B. insbesondere für eine Kündigung durch […], dann vor,
…
n) wenn der Händler seiner Absatzförderungspflicht, beschrieben in Ziffer III. 2., insbesondere dadurch nicht nachkommt, daß die vereinbarten Absatzzahlen für Vertragsware (neue […] Personenkraftwagen) keine 70 % der Jahresvereinbarung oder Festlegung durch den Sachverständigen erreichen und keine 70 % des in dem jeweiligen Bundesland geltenden Marktanteils für das Fabrikat […] erreicht werden und der Händler in der Folgezeit von 6 Monaten nach Abmahnung vereinbarte oder durch Sachverständige festgesetzte Jahresziele im Absatz der Vertragsware (neue […] Personenkraftwagen) weiterhin (anteilsmäßig) nicht erreicht. Für die Berechnung wird […] die Besonderheiten im Vertragsgebiet berücksichtigen, die zu Lasten des Händlers sich im Rahmen der Nichterreichung der Jahresziele ausgewirkt haben (z.B. Ansässigkeit eines Kraftfahrzeug-Herstellers oder Kraftfahrzeug-Importeurs im Vertragsgebiet, Ansässigkeit eines Mietwagenunternehmens im oder in der Nähe des Vertragsgebietes, Mitarbeiter-Fahrzeuge für das Fabrikat […], etc.).
…
XIV. Allgemeine Vorschriften
1. Zurückbehaltungsrecht/Aufrechnung
1Ein Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrecht gegenüber […] ist für den Händler ausgeschlossen, es sei denn, daß die Forderung des Händlers unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist. 2[…] ist berechtigt, mit eigenen Forderungen gegen Forderungen des Händlers aufzurechnen, dies auch mit Forderungen, die für die […] Bank ([…] Bank) gegen den Händler bestehen.
…
Mit der im November 1997 erhobenen Klage nehmen die Kläger die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der betreffenden Klauseln (§ 13 AGBG, jetzt § 1 UKlaG) in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage hinsichtlich der Klauseln I 6 lit. b Abs. 2 Satz 2 des […]-Händlervertrages (Pflicht zum Schutz von Investitionen der Beklagten), III 2 Abs. 1 Satz 1 des […]-Händlervertrages (Bezugsbindung der […]-Händler im Umfang der Mindestabsatzmenge an Vertragsware), III 2 Abs. 1 Satz 2 des […]-Händlervertrages (Festlegung von Mindestabsatzmengen unter Berücksichtigung der Modellpolitik der Beklagten), 2.13 Abs. 4 der Anlage 5 zum […]-Händlervertrag (Vergütung von Gewährleistungsarbeiten) und XIV 1 Satz 2 des […]-Händlervertrages (Konzernverrechnungsklausel) abgewiesen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen und für beide Parteien die Revision zugelassen.
Mit dieser erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte verfolgt ihren Antrag auf Abweisung der Klage hinsichtlich der Klauseln I 6 lit. b Abs. 2 Satz 1 des […]-Händlervertrages (Pflicht zur Vermeidung einer Markenverwechslung), III 2 Abs. 1 Satz 2 des […]-Händlervertrages (Festlegung von Mindestabsatzmengen unter Berücksichtigung der Vertriebspolitik der Beklagten), III 2 Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 3 Satz 6 des […]-Händlervertrages (einseitiges Bestimmungsrecht in bezug auf Mindestabsatzmengen sowie Bestand an Lager- und Vorführwagen), III 2 Abs. 2 Satz 3 (Bestand an Vorführwagen), 3.3 der Anlage 7 zum […]-Händlervertrag (Wechselintervall für Vorführwagen) und X 3 lit. n des […]-Händlervertrages (außerordentliches Kündigungsrecht wegen Nichterreichens von Absatzzielen) weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist zum überwiegenden, die Revision der Beklagten nur zu einem geringen Teil begründet.
I. Das Berufungsgericht hat sich bei der Inhaltskontrolle der beanstandeten Klauseln nach § 307 BGB, soweit diese wettbewerbsbeschränkenden Charakter besitzen, im wesentlichen an den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (Abl. (EG) Nr. L 145/25 vom 29.06.1995, fortan: GVO 1475/95) orientiert. Dieses Regelwerk, so hat es ausgeführt, bezwecke als Bestandteil des EG-Kartellrechts nicht allein den Schutz des Wettbewerbs als Institution, sondern auch den Schutz der einzelnen Marktteilnehmer. Die Gruppenfreistellungsverordnung verfolge als Ziel einen Interessenausgleich zwischen dem beherrschenden Prinzipal und den von ihm abhängigen Händlern, denen sie größere Freiheit und geschäftliche Selbständigkeit gegenüber den Kraftfahrzeugherstellern und -importeuren verschaffen wolle. Da die Gruppenfreistellungsverordnung somit auch den Schutz der Vertragshändler bezwecke, komme ihren Bestimmungen Ordnungs- und Leitbildfunktion im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) zu.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung offengelassen, ob Bestimmungen einer Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugvertrieb Leitbildfunktion für die Inhaltskontrolle von Kraftfahrzeughändlerverträgen zukommt. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Frage in der […]-Entscheidung ausdrücklich offengelassen (BGHZ 124, 351, 353). Der erkennende Senat hat bei der Inhaltskontrolle einer Kündigungsklausel unter anderem darauf hingewiesen, daß die dort vorgesehene Kündigungsfrist den Vorgaben der damals geltenden Gruppenfreistellungsverordnung entsprach, ohne zu der grundsätzlichen Frage Stellung zu nehmen, ob deren Regelungen als Kontrollmaßstab für die Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, jetzt § 307 BGB taugen (Urt. v. 21.02.1995 – KZR 33/93, WuW/E 2983, 2985 – Kfz-Vertragshändler, zum damaligen […]-Händlervertrag).
Die Frage bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung. Denn in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist seit langem anerkannt, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegen zwingendes Recht verstoßen und aus diesem Grunde nichtig sind, den Gegner des Klauselverwenders unangemessen benachteiligen und deshalb Gegenstand von Unterlassungsansprüchen nach § 13 AGBG (jetzt: § 1 UKlaG) sein können (BGH, Urt. v. 26.01.1983 – VIII ZR 342/81, NJW 83, 1320, 1322 unter II 7; BGHZ 108, 1, 5; 118, 194, 198; 152, 121, 133, je m.w.N.; zustimmend Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 41; Micklitz in MünchKomm.BGB, 4. Aufl., § 13 AGBG Rdn. 46 f.; M. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 9 Rdn. 10; im Ergebnis ebenso Lindacher daselbst, § 13 Rdn. 38; Hensen a.a.O. § 13 Rdn. 5 f.). Händlervertragsklauseln, die die Wettbewerbsfreiheit der Händler einschränken – das trifft für die beanstandeten Klauseln bis auf zwei Ausnahmen, die Klauseln über die Vergütung von Gewährleistungsarbeiten und die Konzernverrechnungsklausel, zu – sind daher zugleich gemäß § 307 BGB, § 9 AGBG unwirksam, soweit sie den Händlern Beschränkungen auferlegen, die nicht durch die jeweils maßgebliche Gruppenfreistellungsverordnung vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt und demzufolge nach Art. 81 Abs. 2 EG nichtig sind.
Soweit das Unterlassungsbegehren der Kläger in die Zukunft gerichtet ist, ist für die EG-kartellrechtliche Beurteilung des Klauselwerks allerdings die seit 1. Mai 2004 geltende Rechtslage maßgeblich. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß Unterlassungsansprüche, deren Rechtsgrundlage im Laufe des Rechtsstreits Änderungen erfahren hat, vom Revisionsgericht unter Berücksichtigung der geänderten Rechtslage zu prüfen sind, auch wenn die Rechtsänderung erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz oder im Laufe des Revisionsverfahrens in Kraft getreten ist (Senat, Urt. v. 29.09.1998 – KZR 3/97, WuW/E DE-R 197, 198 – Röntgenbilder; Urt. v. 08.12.1998 – KZR 26/97, WuW/E DE-R 217 – Postbeförderungsvorbehalt; Urt. v. 14.03.2000 – KZR 15/98, WuW/E DE-R 487, 489 – Zahnersatz aus Manila; Urt. v. 24.06.2003 – KZR 32/02, WuW/E DE-R 1125, 1126 – Buchpreisbindung; ebenso BGHZ 141, 329, 336 – Tele-Info-CD). Nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (Abl. (EG) Nr. L 1/1 v. 04.01.2003) sind Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG, die die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllen, nicht (mehr) verboten, auch wenn sie nicht durch eine ausdrückliche Freistellung vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG ausgenommen sind. Daraus folgt für den Streitfall, daß die Unvereinbarkeit einer Händlervertragsklausel mit der seit 1. Oktober 2002 für den Kraftfahrzeugvertrieb maßgeblichen Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 (Abl. (EG) Nr. L 203/30 v. 01.08.2002, fortan: GVO 1400/2002) nicht zwingend die Nichtigkeit nach Art. 81 Abs. 2 EG zur Folge hat, sondern daß die Klausel gleichwohl nach Art. 81 Abs. 3 EG wirksam sein kann, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der Legalausnahme erfüllt sind.
Inwieweit dies bei den hier in Rede stehenden Händlervertragsklauseln der Fall ist, vermag der Senat nicht zu beurteilen, weil es dazu an Feststellungen des Berufungsgerichts und ebenso an Sachvortrag der Parteien fehlt. Dieser Umstand nötigt indessen insoweit nicht zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, als die beanstandeten Klauseln die Vertragshändler der Beklagten schon aus anderen Gründen als wegen ihrer möglicherweise gegebenen Unvereinbarkeit mit Art. 81 Abs. 1 EG und der daraus folgenden Nichtigkeit unangemessen benachteiligen. Das trifft auf die beanstandeten Klauseln mit wettbewerbsbeschränkendem Inhalt zum ganz überwiegenden Teil zu (unten II.). Einzig die Wirksamkeit der eine Bezugsbindung für neue […]-Personenkraftwagen statuierenden Klausel III 2 Abs. 1 Satz 1 des Händlervertrages hängt davon ab, ob die Legalausnahme des Art. 81 Abs. 3 EG eingreift (unten II. 3.).
Eine „Verwendung“ Allgemeiner Geschäftsbedingungen, deren Unterlassung mit der Klage begehrt wird, besteht auch darin, daß der Verwender sich in Altfällen auf eine Klausel beruft, selbst wenn er diese für den Abschluß neuer Verträge nicht mehr verwendet (BGH, Urt. v. 11.02.1981 – VIII ZR 335/79, NJW 81, 1511 unter II 1; BGHZ 116, 1, 6; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O. § 13 Rdn. 27). Insoweit gelten für die Inhaltskontrolle der beanstandeten Klauseln andere Maßstäbe, weil für deren kartellrechtliche Beurteilung für die Zeit vor dem 1. Mai 2004 allein die jeweils geltende Gruppenfreistellungsverordnung maßgeblich ist und weil Klauseln, die für sich betrachtet unbedenklich sind, gleichwohl nach Art. 81 Abs. 2 EG nichtig sein können, weil sie Bestandteil eines Vertragswerks sind, das sogenannte schwarze Klauseln enthält, die sowohl nach der bis zum 30. September 2002 maßgeblichen Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1475/95 als auch nach der seit 1. Oktober 2002 geltenden Nachfolgeverordnung Nr. 1400/2002 bewirken, daß die Freistellung für alle die Wettbewerbsfreiheit der Händler beschränkenden Klauseln entfällt (unten III.).
II. Verwendung der beanstandeten Klauseln nach dem 30. April 2004
1. Klausel I 6 lit. b Abs. 2 Satz 1 des […]-Händlervertrages – Markenverwechslung
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klausel stehe nicht in Einklang mit der GVO 1475/95.
b) Im Gegensatz hierzu bestimmt Art. 1 Abs. 1 lit. b Satz 2 der GVO 1400/2002, mit der sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt hat, daß die Verpflichtung des Händlers, beim Mehrmarkenvertrieb dafür zu sorgen, daß keine Verwechslung der Marken möglich ist, kein Wettbewerbsverbot im Sinne dieser Verordnung darstellt. Jedenfalls im zeitlichen Geltungsbereich der GVO 1400/2002 und damit auch für den zukünftigen Abschluß von Händlerverträgen ist die Klausel daher nicht schon wegen Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EG als unangemessen anzusehen.
Eine unangemessene Benachteiligung der Händler ist aber auch unabhängig von der kartellrechtlichen Beurteilung der Klausel nicht zu erkennen. An Maßnahmen, die einer Verwechslung der Marke […] mit einer von dem Händler vertriebenen Zweitmarke vorbeugen, besteht ein anzuerkennendes erhebliches Interesse der Beklagten. Legitime Händlerinteressen, hinter denen es zurückzutreten hätte, sind nicht zu erkennen und auch von der Revision der Kläger nicht aufgezeigt worden. Zwar mag gerade ein Händler mit geringem Absatz und entsprechend kleiner Ausstellungsfläche aus wirtschaftlichen Gründen auf den Vertrieb einer Zweitmarke angewiesen sein. Selbst in einem kleinen Ausstellungs- oder Verkaufsraum ist es aber möglich, die ausgestellten Fahrzeuge und das Werbe- und Informationsmaterial so anzuordnen, daß für die Kunden die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Marke klar erkennbar bleibt.
2. Klausel I 6 lit. b Abs. 2 Satz 2 des […]-Händlervertrages – Investitionsschutz
a) Das Berufungsgericht hat die Klausel nicht für unangemessen gehalten und die Unterlassungsklage daher insoweit auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Klausel gehe zwar über die in Art. 3 Nr. 4 der GVO 1475/95 freigestellte Verpflichtung des Händlers hinaus, bei Kundendienstarbeiten in einer gemeinsamen Werkstatt die unberechtigte Nutzung von Investitionen des Herstellers auszuschließen. Dennoch stelle sie einen angemessenen Interessenausgleich dar.
b) Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zwar ist grundsätzlich ein Interesse der Beklagten anzuerkennen, die Nutzung ihrer Investitionen in Ausstattung und Schulung der Händlerbetriebe zur Förderung eines Konkurrenzprodukts zu unterbinden. Andererseits muß ein Händler, der neben Fahrzeugen der Marke […] solche einer Zweitmarke vertreibt, die Möglichkeit haben, auch diese Fahrzeuge zu warten und zu reparieren. Da Fahrzeughersteller in großem Umfang Fahrzeugkomponenten von Zulieferern beziehen, die zumeist nicht nur einen Fahrzeughersteller beliefern, ist es unvermeidlich, daß Werkstattpersonal, das von der Beklagten auf deren Kosten geschult worden ist, hierbei erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten auch bei Wartungs- und Reparaturarbeiten an Fahrzeugen der Zweitmarke anwendet. Um der Investitionsschutzklausel der Beklagten zu genügen, müßte ein Händler, der in seiner Werkstatt Wartungs- und Reparaturarbeiten auch an Fahrzeugen des Zweitfabrikats durchführt, neben den von der Beklagten geschulten Fachkräften zusätzliches Personal mit gleichen, aber nicht durch Schulung der Beklagten erworbenen Fachkenntnissen vorhalten. Durch diesen zusätzlichen Aufwand ginge der mit dem Vertrieb – einschließlich der Wartung und der Reparatur – von Fahrzeugen einer Zweitmarke angestrebte Rationalisierungseffekt vielfach verloren.
Diesem gewichtigen gegenläufigen Interesse der Händler trägt die Klausel keine Rechnung. Sie schreibt den Händlern vielmehr ohne Einschränkung vor, dafür zu sorgen, daß „in keiner Weise“ Nutzen aus Investitionen für ein Zweitfabrikat gezogen wird. Hierdurch werden die Vertragshändler der Beklagten unangemessen benachteiligt, denn die Beklagte versucht mit dieser Regelung durch einseitige Vertragsgestaltung mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten ihrer Vertragspartner durchzusetzen, ohne von vornherein auch deren Belange hinreichend zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 90, 280, 284; 120, 108, 118; 143, 103, 113).
Die darin liegende unangemessene Benachteiligung der Händler hat zur Folge, daß die Klausel insgesamt – nicht nur im Hinblick auf den Schutz von Investitionen der Beklagten in die Personalschulung – unwirksam ist, ohne Rücksicht darauf, ob die Klausel auch den Schutz von Investitionen der Beklagten in die Ausstattung der Werkstattbetriebe ihrer Händler unangemessen regelt. Denn die Klausel kann nicht teilweise – hinsichtlich der Sachinvestitionen – aufrechterhalten werden. Voraussetzung dafür wäre, daß die Klausel sich ihrem Wortlaut nach aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen läßt (BGHZ 125, 343, 348; BGH, Urt. v. 25.03.1998 – VIII ZR 244/97, NJW 98, 2284 unter II 1 a bb). Das trifft auf die hier zu beurteilende Klausel nicht zu. Denn auch wenn die Wörter „und Personalschulung“ oder der Satzteil „insbesondere in den Bereichen Ausstattung und Personalschulung“ gestrichen würden, bliebe eine Regelung erhalten, nach der die Händler ohne Einschränkung zum Schutz der Investitionen der Beklagten, auch solcher in die Personalschulung, verpflichtet wären.
3. Klausel III 2 Abs. 1 Satz 1 des […]-Händlervertrages – Mindestabsatz
a) Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, soweit das Landgericht ihr die Verwendung der Klausel in bezug auf […]-Originalersatzteile untersagt hat. Das nimmt die Beklagte hin. In bezug auf Vertragsware – neue […]-Personenkraftwagen – hat es die Klage dagegen mit der Begründung abgewiesen, die Festlegung eines Mindestabsatzes, verbunden mit der Verpflichtung, sich um die Erzielung desselben zu bemühen und eine Mindestmenge abzunehmen, benachteilige die Händler grundsätzlich nicht unangemessen. Die Übernahme einer Bezugsverpflichtung gegenüber der Beklagten bilde die Gegenleistung des Händlers dafür, daß ihm die Beklagte ein Vertriebsrecht in einem bestimmten Vertragsgebiet eingeräumt habe.
b) Betrachtet man die Klausel unter Ausklammerung kartellrechtlicher Aspekte allein unter vertragsrechtlichen Gesichtspunkten, wie das Berufungsgericht dies getan hat, so ist dessen Wertung nicht zu beanstanden. Die Festlegung von Mindestabsatzmengen und Bezugspflichten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie sie von Seiten der Lieferanten für den Abschluß von Händlerverträgen oder ähnlichen Dauerschuldverhältnissen wie etwa Bierlieferungsverträgen zwischen Brauereien und Gastwirten verwendet werden, benachteiligt die Abnehmerseite grundsätzlich nicht unangemessen (vgl. für Bierlieferungsverträge z.B. BGHZ 147, 279, 282 ff.).
Die Verpflichtung der Händler, die zur Erreichung der Mindestabsatzmenge benötigten Neufahrzeuge von der Beklagten zu beziehen, begegnet jedoch kartellrechtlichen Bedenken. Denn die Bezugsbindung an die Beklagte wirkt sich zugleich als Beschränkung von Querlieferungen zwischen den Händlern des selektiven Vertriebssystems für […]-Fahrzeuge aus, weil sie die Händler bis zum Erreichen der jeweils festgelegten Mindestabsatzmenge daran hindert, Neufahrzeuge statt von der Beklagten von einem anderen deutschen oder europäischen […]-Vertragshändler zu beziehen. Eine derartige Vertragsbestimmung, die unmittelbar oder mittelbar die Beschränkung von Querlieferungen zwischen Händlern oder Werkstätten innerhalb eines selektiven Vertriebssystems objektiv bezweckt, ist nach Art. 4 Abs. 1 lit. c der GVO 1400/2002 eine Kernbeschränkung, für die die Freistellung nach Art. 2 der Verordnung nicht gilt (Schütz in Gemeinschaftskommentar z. GWB, 5. Aufl., 7. Lieferung 2002, EG-Gruppenfreistellungen, Branchen-Regelungen, Kfz-Vertrieb, VO [EG] 1400/2002, Art. 4 Rdn. 35). Ob die Klausel nach Art. 81 Abs. 2 EG nichtig und aus diesem Grund zugleich nach § 307 BGB unwirksam ist, hängt folglich davon ab, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Legalausnahme des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt sind. Dies vermag der Senat nicht zu beurteilen, da es dazu an Feststellungen des Berufungsgerichts und ebenso an Tatsachenvortrag der Parteien fehlt.
4. Klausel III 2 Abs. 1 Satz 2 des […]-Händlervertrages – Berücksichtigung der Modellpolitik
a) Das Berufungsgericht hält das Kriterium der „Modellpolitik“ im Rahmen der Festsetzung von Mindestabsatzmengen durch den Sachverständigen für hinreichend transparent und auch für materiell unbedenklich. Die Revision der Kläger tritt dem inhaltlich nur mit dem Argument entgegen, Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 der GVO 1475/95 regele abschließend, nach welchen Kriterien die sachverständigen Feststellungen zu treffen seien, und lasse keinen Raum für ergänzende vertragliche Regelungen, die auf ein unzulässiges einseitiges Bestimmungsrecht hinausliefen, soweit sie zu abweichenden Ergebnissen der sachverständigen Feststellungen führen könnten.
b) Dieser Einwand ist, soweit der Beklagten die Verwendung der Klausel für den zukünftigen Abschluß von Händlerverträgen untersagt werden soll, schon deswegen unbeachtlich, weil der zeitliche Geltungsbereich der GVO 1475/95 am 30. September 2002 geendet hat. Die seither maßgebliche GVO 1400/2002 führt im Gegensatz zu Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 der GVO 1475/95 keine Kriterien für die Festsetzung von Absatzzielen durch einen unabhängigen Sachverständigen oder einen Schiedsrichter (Art. 3 Abs. 6 der GVO 1400/2002) mehr auf. Davon abgesehen liegt es auf der Hand, daß die Festlegung von Absatzzielen nur auf der Grundlage bestimmter Daten möglich ist, zu denen auch die Modellpolitik des Herstellers zählt. Daraus folgt des weiteren, daß die Nennung dieses ohnehin zu berücksichtigenden Kriteriums nicht dazu führen kann, daß das Ergebnis der Festsetzung durch den Sachverständigen einseitig zu Lasten der Händler verfälscht wird. Die Einbeziehung der Modellpolitik des Herstellers in die Absatzprognose benachteiligt die Händler daher auch unabhängig von kartellrechtlichen Gesichtspunkten nicht unangemessen.
5. Klausel III 2 Abs. 1 Satz 2 des […]-Händlervertrages – Berücksichtigung der Vertriebspolitik
a) Im gleichen Zusammenhang hält das Berufungsgericht das Kriterium der „Vertriebspolitik“ demgegenüber für verschwommen und unbestimmt und nicht hinreichend objektivierbar mit der Folge, daß die Klausel insoweit wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sei.
b) Dem ist zuzustimmen. Anders als die Modellpolitik, die in Geschäftsunterlagen nachprüfbar dokumentiert ist und technisch bedingt keinem sprunghaften Wechsel unterliegen kann, ist die Vertriebspolitik ein konturloser Begriff, mit dessen Hilfe die Festsetzung von Mindestabsatzmengen durch den Sachverständigen nahezu beliebig gesteuert werden könnte. Was unter Vertriebspolitik zu verstehen ist, ist weder inhaltlich hinreichend klar eingrenzbar noch notwendigerweise nachprüfbar dokumentiert. Dem zufolge könnten vertriebspolitische Ziele aus taktischen Gründen kurzfristig definiert oder geändert oder auch nur vorgeschoben werden, um die Festsetzung von Mindestabsatzmengen zu beeinflussen. Ein solcher Klauselinhalt ist jedenfalls mit dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht zu vereinbaren und deswegen nach § 307 BGB unwirksam.
a) Das Berufungsgericht sieht in dem einseitigen Bestimmungsrecht der Beklagten in bezug auf die Mindestabsatzmenge einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 und Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b der GVO 1475/95. Es nimmt ergänzend auf die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Unangemessenheit Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Vertragshändlerverträgen Bezug, in denen sich der Hersteller ein einseitiges Leistungsbestimmungs- oder Leistungsänderungsrecht einräumt (BGH, Urt. v. 06.10.1999 – VIII ZR 125/98, BGHZ 142, 358, 368 = NJW 00, 515).
b) Ob das kartellrechtliche Argument des Berufungsgerichts unter der Geltung der nunmehr maßgeblichen GVO 1400/2002 Gültigkeit beanspruchen kann, ist zweifelhaft, denn das Verfahren zur Festsetzung von Mindestabsatzmengen ist dort nur noch rudimentär geregelt (Art. 3 Abs. 6). Zweifelhaft ist des weiteren, ob die Klausel, wie das Berufungsgericht meint, die Händler deswegen unangemessen benachteiligt, weil sie den Vorgaben der Rechtsprechung zum notwendigen Inhalt einseitiger Leistungsänderungsrechte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – diese sind nur aus schwerwiegenden Gründen, die in der Klausel genannt sein müssen, und nur unter der Voraussetzung zulässig, daß dem Vertragspartner zugleich ein angemessener Ausgleich gewährt wird (BGHZ 89, 206, 211 f.; 142, 358, 365) – nicht genügt. Dies erscheint wegen des nur vorläufigen und vorübergehenden Charakters der einseitigen Festsetzung fraglich. Die Klausel benachteiligt die Händler jedoch deswegen unangemessen, weil für eine auch nur vorläufige und vorübergehende Berechtigung der Beklagten, Mindestabsatzmengen ihrer Händler einseitig festzusetzen, kein Bedürfnis erkennbar ist. Die Beklagte hat vielmehr ohne weiteres die Möglichkeit, das in der Anlage 8 zum […]-Händlervertrag geregelte Verfahren zur einvernehmlichen, ersatzweise durch einen Sachverständigen vorzunehmenden Festsetzung der Mindestabsatzmengen jeweils so rechtzeitig einzuleiten, daß die Mindestabsatzmenge vor Beginn des dafür maßgeblichen Zeitraums feststeht.
Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 a.a.O.).
7. Klausel III 2 Abs. 2 Satz 3 des […]-Händlervertrages – Bestand an Vorführwagen
a) Das Berufungsgericht hält die Klausel für unangemessen, weil sie in Widerspruch zu Art. 4 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. Nr. 3 der GVO 1475/95 stehe, vor allem kleine und mittlere Händler wirtschaftlich stark belasten könne und vertriebspolitisch nicht geboten sei, weil ein Händler einen Vorführwagen im Bedarfsfall bei einem anderen Händler ausleihen oder kurzfristig von der Beklagten beziehen könne.
b) Die Klausel ist auch durch die derzeit maßgebliche GVO 1400/2002 nicht freigestellt, weil die Beklagte damit zu Lasten der Händler den Spielraum für eine den vertraglichen Vorgaben entsprechende einvernehmliche oder durch einen unabhängigen Sachverständigen vorzunehmende Festsetzung des Bestands an Vorführwagen (Art. 3 Abs. 6 lit. d) einengt. Dafür macht es keinen Unterschied, ob die Beklagte sich vertraglich ein einseitiges Bestimmungsrecht vorbehält oder – wie hier – in einer von ihr vorgegebenen, allein ihre Interessen berücksichtigenden Vertragsklausel den Mindestbestand zum Gegenstand einer vertraglichen Festlegung macht. Ein Händler, der aus wirtschaftlichen Gründen davon absehen möchte, einen Vorführwagen aus einer weniger gefragten Modellreihe anzuschaffen, wird sich in den Verhandlungen mit der Beklagten dem kaum zu entkräftenden Argument ausgesetzt sehen, daß dies im Widerspruch zu der vertraglichen Absprache stehe. Ein Sachverständiger wird sich bei der Festsetzung nach Art. 3 Abs. 6 lit. d der GVO 1400/2002 ebenfalls an der vertraglichen Regelung orientieren, auch wenn diese nur als Soll-Bestimmung ausgestaltet ist. In ihren praktischen Auswirkungen läuft die Klausel daher trotz ihrer vordergründigen Unverbindlichkeit auf die Festlegung einer Mindestanzahl an Vorführwagen durch die Beklagte hinaus, die auch nach der GVO 1400/2002 nicht freigestellt ist.
Ob die Klausel infolgedessen gemäß Art. 81 Abs. 2 EG nichtig und daher schon aus diesem Grunde zugleich gemäß § 307 BGB unwirksam ist oder ob sie den Tatbestand der Legalausnahme des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Klausel ist aus den vorgenannten Gründen – unabhängig von ihrer kartellrechtlichen Beurteilung – unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte mit dieser Regelung durch einseitige Vertragsgestaltung mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten ihrer Vertragspartner durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch deren Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihnen einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGHZ 90, 280, 284; 120, 108, 118; 143, 103, 113). Zumindest für absatzschwächere Händlerbetriebe kann sich die Verpflichtung, aus jeder Modellreihe einen Vorführwagen bereitzuhalten, übermäßig belastend auswirken. Eine Abwägung des Händlerinteresses, diese Belastung in Grenzen zu halten, mit dem eigenen Absatzinteresse der Beklagten läßt die Klausel vollständig vermissen.
8. Klausel III 2 Abs. 2 Satz 6 des […]-Händlervertrages – einseitiges Bestimmungsrecht in bezug auf die Mindestanzahl von Vorführwagen
Die Klausel ist aus den unter 6. dargelegten Gründen, die hier sinngemäß gleichermaßen gelten, unangemessen.
9. Klausel 3.3 der Anlage 7 zum […]-Händlervertrag – Wechselintervall für Vorführwagen
a) Nach Auffassung des Berufungsgerichts teilt die Klausel das rechtliche Schicksal der Klausel über den Mindestbestand an Vorführwagen.
b) Dem ist zuzustimmen. Die Klausel steht in noch eindeutigerem Widerspruch zu Art. 3 Abs. 6 lit. d der GVO 1400/2002. Denn mit der Formulierung „gilt als vereinbart“ schließt die Klausel eine spätere Vereinbarung der Vertragsparteien über abweichende Wechselintervalle von vornherein ebenso aus wie eine abweichende Festsetzung solcher Intervalle durch einen unabhängigen Sachverständigen. Mit der Differenzierung der Wechselintervalle nach der Höhe der Absatzzahlen der unterschiedlichen Modellreihen legt die Beklagte zudem durch einseitige Vorgabe vertraglich jährliche Mindestabnahmemengen ihrer Händler fest. Dies ist mit Art. 3 Abs. 6 lit. b der GVO 1400/2002 nicht zu vereinbaren, die nur eine – einvernehmlich oder durch einen unabhängigen Sachverständigen vorzunehmende – Festsetzung von Absatzzielen, nicht aber von Mindestabsatzmengen, freistellt.
Ob die Klausel infolgedessen gemäß Art. 81 Abs. 2 EG nichtig und daher schon aus diesem Grunde zugleich gemäß § 307 BGB unwirksam ist oder ob sie den Tatbestand der Legalausnahme des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt, bedarf auch für die hier zu beurteilende Klausel keiner Entscheidung. Denn diese ist ebenso aus den vorgenannten Gründen – unabhängig von ihrer kartellrechtlichen Beurteilung – unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte mit dieser Regelung durch einseitige Vertragsgestaltung mißbräuchlich das eigene Absatzinteresse auf Kosten ihrer Vertragspartner durchzusetzen versucht, o hne von vornherein auch de ren Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihnen einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGHZ 90, 280, 284; 120, 108, 118; 143, 103, 113).
10. Klausel III 2 Abs. 3 Satz 6 des […]-Händlervertrages
– Einseitiges Bestimmungsrecht in bezug auf den Lagerbestand an Vertragsware
Die Klausel ist aus den unter 6. dargelegten Gründen, die hier sinngemäß gleichermaßen gelten, unangemessen.
11. Klausel X 3 lit. n des […]-Händlervertrages – Außerordentliche Kündigung wegen Nichterreichens von Absatzzielen
a) Das Berufungsgericht hält die Klausel schon deswegen für unwirksam, weil sie nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Ausgestaltung einseitiger Eingriffsbefugnisse des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen in vertragliche Rechtspositionen seiner Vertragspartner entspreche.
Das ist nicht richtig. Die genannten Erfordernisse gelten nur für ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregeltes Teilkündigungsrecht, weil ein solches Kündigungsrecht im Ergebnis einem einseitigen Leistungsänderungsrecht gleichkommt (BGHZ 142, 358, 364 ff.). Auf eine Klausel, die – wie hier – ein zur Vollbeendigung des Vertrages führendes Kündigungsrecht statuiert, sind sie dagegen nicht übertragbar.
b) Zu Recht wendet sich die Revision der Beklagten gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klausel halte der Inhaltskontrolle ferner deswegen nicht stand, weil sie sich auch auf neu abgeschlossene Händlerverträge mit erst kurzer Laufzeit beziehe, bei denen eine Kündigung mit einer Frist von nur sechs Monaten in aller Regel zu kurz bemessen sei, um dem Händler die Amortisation seiner hersteller- und markenspezifischen Investitionen zu ermöglichen. Zwar läßt sich diese Erwägung der […]-Entscheidung (BGHZ 142, 358, 372) auch auf ein zur Vollbeendigung des Händlervertrages führendes Kündigungsrecht übertragen. Die Beklagte weist aber mit Recht darauf hin, daß die Klausel eine Kündigung im für den Händler ungünstigsten Fall frühestens nach einer Vertragslaufzeit von mehr als zwei Jahren erlaubt, weil erst nach Ablauf eines Jahres festgestellt werden könne, ob der für dieses Jahr festgesetzte Mindestabsatz nicht erreicht worden sei, und die Kündigung erst nach Ablauf der durch die Abmahnung in Gang gesetzten Sechsmonatsfrist mit einer Frist von weiteren sechs Monaten ausgesprochen werden könne. Damit verbleibt auch einem neuen […]-Vertragshändler eine Mindestlaufzeit des Vertrages, die der Mindestfrist für eine ordentliche Kündigung nach Art. 3 Abs. 5 lit. b der GVO 1400/2002 entspricht und rund doppelt so lang ist wie die – von den Klägern nicht beanstandete – Frist für eine ordentliche Kündigung in den ersten drei Jahren bei Erstabschluß eines […]-Händlervertrages (Klausel X 2 Abs. 2). Eine Kündigungsklausel, die für die ordentliche Kündigung eines Kraftfahrzeughändlervertrages eine der dafür maßgeblichen Gruppenfreistellungsverordnung entsprechende Frist vorsieht, ist nach der Rechtsprechung des Senats (Senat, Urt. v. 21.02.1995 – KZR 33/93, WuW/E 2983, 2985 – Kfz-Vertragshändler, zum damaligen […]-Händlervertrag) nicht zu beanstanden.
c) Die Klausel benachteiligt die Händler aber deswegen unangemessen, weil sie der Beklagten die außerordentliche Kündigung des Händlervertrages auch für den Fall ermöglicht, daß ein Händler sich nach besten Kräften bemüht hat, das festgesetzte Absatzziel zu erreichen, dieses aber gleichwohl aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen verfehlt hat.
aa) Allerdings hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine in einem Kraftfahrzeughändlervertrag enthaltene, im wesentlichen gleichlautende Kündigungsregelung ungeachtet des Umstands, daß Kraftfahrzeughändlern nach der seinerzeit maßgeblichen GVO 1475/95 im Hinblick auf Mindestabsatzmengen kartellrechtlich nur eine „Bemühenspflicht“ auferlegt werden durfte, als mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 der GVO 1475/95 vereinbar bezeichnet (Urt. v. 30.04.1998 – Rs. C-230/96, Slg.998 S. I-2055). Ob aus dieser Entscheidung zu folgern ist, daß eine derartige Klausel auch nach der derzeit geltenden GVO 1400/2002 freigestellt ist, bedarf keiner Entscheidung.
bb) Denn die hier zu beurteilende Kündigungsklausel hält ungeachtet ihrer etwaigen Vereinbarkeit mit EG-Kartellrecht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand.
(1) Die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund setzt allerdings kein Verschulden des Kündigungsgegners voraus (BGH, Urt. v. 13.12.1995 – XII ZR 185/93, ZMR 96, 309 unter B 2 a; für Handelsvertreterverträge: Umkehrschluß aus § 89a Abs. 2, § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1, 3. Aufl., Rdn. 1739). Entscheidend ist vielmehr allein, ob dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 BGB). Nach diesen Grundsätzen, die auch vor der Kodifizierung des Kündigungsrechts für Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz insbesondere im Handelsvertreterrecht Anwendung fanden, ist das Nichterreichen eines dem Handelsvertreter vorgegebenen Mindestumsatzes allein noch kein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung (Küstner/Thume a.a.O. Rdn. 1976 ff.; Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl., § 89a HGB Rdn. 18). Anderes kann für einen Umsatzrückgang gelten, der auf einer Pflichtvernachlässigung des Handelsvertreters beruht (BGH, Urt. v. 18.02.1982 – I ZR 20/80, WM 82, 632 unter A I 1; Küstner/Thume a.a.O. Rdn. 1991; Martinek/Semler/Habermeier, Handbuch des Vertriebsrechts, 2. Aufl., § 14 Rdn. 16; Stumpf/Jaletzke/Schultze, Der Vertragshändlervertrag, 3. Aufl., Rdn. 650 für Vertragshändlerverträge).
(2) Allerdings können individualvertraglich Gründe für eine außerordentliche Kündigung festgelegt werden, die eine Kündigung unabhängig davon ermöglichen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar ist (BGH, Urt. v. 07.07.1988 – I ZR 78/87, WM 88, 1490 unter II 1; Stumpf/Jaletzke/Schultze a.a.O. Rdn. 653). Entsprechenden Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind dagegen enge Grenzen gezogen; dort geregelte Kündigungsgründe müssen auch objektiv so erheblich sein, daß sie eine fristlose Kündigung als angemessen erscheinen lassen (Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O. Anhang §§ 9-11 Rdn. 891).
(3) Nach diesen Vorgaben hält die hier zu beurteilende Kündigungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand. Zwar ist ohne Zweifel ein Interesse der Beklagten anzuerkennen, sich von einem Händler, der das vereinbarte oder durch einen unabhängigen Sachverständigen festgesetzte Absatzziel deutlich verfehlt, auch gegen dessen Willen zu trennen. Das adäquate Mittel hierzu ist indessen die ordentliche Kündigung des Händlervertrages, die nicht von Kündigungsgründen abhängig ist, zum Schutz des Händlers aber in der Regel nur mit einer Frist von zwei Jahren ausgesprochen werden kann (X 2 des […]-Händlervertrages; Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 der GVO 1475/95, Art. 3 Abs. 5 lit. b der GVO 1400/2002). Das Recht, einen Händlervertrag ohne Einhaltung dieser Frist durch außerordentliche Kündigung zu beenden, setzt nach der gesetzlichen Regelung (§ 314 BGB) voraus, daß der Beklagten die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der zweijährigen Kündigungsfrist nicht zumutbar ist. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn der Händler trotz Abmahnung seiner Pflicht nicht nachkommt, sich um die Erreichung des Absatzziels zu bemühen (III 2 Abs. 1 des […]-Händlervertrages). Gelingt es dem Händler jedoch trotz pflichtgemäßen Bemühens nicht, das Absatzziel zu erreichen, so ist das noch kein Grund, ihm den Schutz der zweijährigen Kündigungsfrist zu entziehen. Daß damit die „Verlängerung einer Hängepartie“ auf zwei Jahre verbunden ist, ma g für die Beklagte unerfr eulich sein; daß ihr dies – gemessen an den nachteiligen Folgen einer Halbierung der Kündigungsfrist für den Händler – unzumutbar wäre, ist dagegen nicht zu erkennen.
Ist der Beklagten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit einem Händler, der trotz pflichtgemäßen Bemühens zeitweise das Absatzziel nicht erreicht, für die Dauer der zweijährigen Kündigungsfrist nicht typischerweise unzumutbar, so ist die Klausel mit einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 314 BGB, § 89a HGB, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren. Dies indiziert nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung der […]-Vertragshändler. Gründe, die diese Benachteiligung der Händler als noch angemessen erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine angemessene Berücksichtigung auch ihrer Interessen hätte vielmehr eine differenzierte Kündigungsregelung erfordert, nach der nur die Verletzung der Bemühenspflicht und nicht allein das Ausbleiben des Absatzerfolges der Beklagten das Recht gäbe, den Vertrag durch außerordentliche Kündigung vorzeitig zu beenden.
12. Klausel 2.13 Abs. 4 der Anlage 5 zum […]-Händlervertrag – Vergütung von Gewährleistungsarbeiten
a) Das Berufungsgericht hat die Klausel, die zusammen mit der in Bezug genommenen Vergütungstabelle die Vergütung von […]-Originalteilen festlegt, die der Händler bei der Ausführung von Gewährleistungsarbeiten verwendet (Nr. 2.13 Abs. 4 der Anlage 5 zum […]-Händlervertrag), für kontrollfähig und im Ergebnis für unbedenklich gehalten. Es hat dies damit begründet, daß die Beklagte den Händlern nach Auftragsrecht für die verwendeten Teile keinen Gewinnaufschlag, sondern nur Aufwendungsersatz schulde. Diesen gewährleiste die Klausel in ausreichendem Maße. Die Kläger hätten, was zu ihren Lasten gehe, nicht darzulegen vermocht, daß ein typischer Vertragshändler nach der Erstattungsregelung keine volle Kostendeckung erreiche.
b) Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision der Kläger mit Erfolg.
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt die Klausel allerdings insoweit nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, als sie für die Vergütung der für Gewährleistungsarbeiten verwendeten Teile unter Bezugnahme auf die entsprechende Tabelle bestimmte Prozentsätze der Händlereinkaufspreise vorsieht. Denn hierbei handelt es sich um unmittelbare Preisbestimmungen, die gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (früher § 8 AGBG) auch im Rahmen der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht auf ihre Angemessenheit überprüft werden dürfen (st. Rspr., z.B. BGHZ 142, 46, 48 f. m.w.N.). Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sei deswegen nicht einschlägig, weil die Regelung betreffend die Gewährleistung und die dafür zu zahlende Vergütung nur eine Nebenabrede im Rahmen des Händlervertrages darstelle. Daran ist richtig, daß die Ausführung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten nicht zu den Hauptpflichten eines Kraftfahrzeughändlervertrages zu zählen ist. Für die Frage der Kontrollfähigkeit kommt es auf diese Unterscheidung indessen nicht an. Denn anders als Preisnebenabreden unterliegen Preisabreden für Nebenleistungen ebensowenig der Inhaltskontrolle wie Preisklauseln für die vertragliche Hauptleistung (BGHZ 116, 117, 120; 142, 46, 49; BGH, Urt. v. 17.11.1992 – X ZR 12/91, WM 93, 468 unter II 2 b). Kontrollfähig ist demgegenüber die in Satz 2 der Klausel enthaltene Regelung, daß weitergehende Beträge, insbesondere Kosten für Lagerhaltung, Fracht und Verpackung, nicht erstattet werden. Hierbei handelt es sich um eine Preisnebenabrede, die zwar mittelbar Auswirkungen auf den Preis hat, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Recht (§ 670 BGB) treten kann, und die deswegen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt (vgl. BGHZ 124, 254, 256; 136, 261, 264).
bb) Bei der hiernach zulässigen Inhaltskontrolle dieses Klauselbestandteils ist von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (bisher § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) auszugehen. Danach ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Da der Händler bei der Ausführung von Gewährleistungs- und Kulanzarbeiten im Auftrag der Beklagten tätig wird, ist die Vergütungsregelung an den dispositiven Bestimmungen des gesetzlichen Auftragsrechts zu messen. Dieses gewährt dem Beauftragten in § 670 BGB einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die der Beauftragte den Umständen nach zum Zweck der Ausführung des Auftrags für erforderlich halten durfte. Aufwendungen sind Vermögensopfer, die der Beauftragte zum Zweck der Ausführung des Auftrags freiwillig oder auf Weisung des Auftraggebers erbringt (Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 670 Rdn. 2). Dazu gehören neben dem Händlereinkaufspreis auch Aufwendungen des Händlers für Lagerhaltung, Fracht und Verpackung der zur Ausführung des Auftrags benötigten, von der Beklagten zu beziehenden Originalteile.
Die hiervon abweichende Regelung unter Nr. 2.13 der Gewährleistungsrichtlinien der Beklagten benachteiligt die Händler, indem sie Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen für Lagerhaltung, Fracht und Verpackung ausschließt. Diese Benachteiligung ist nur dann nicht unangemessen, wenn die den Händlern statt dessen gewährte Pauschalvergütung von zuletzt 13 % des Händlereinkaufspreises der bezogenen Teile die den Händlern bei der Durchführung von Gewährleistungs- und Kulanzarbeiten entstehenden Aufwendungen für Lagerhaltung, Fracht und Verpackung abdeckt.
Ob das der Fall ist, hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht. Begründet hat es seine Entscheidung insoweit im Kern damit, daß die Kläger ihrer Darlegungslast für die die unangemessene Benachteiligung begründenden Umstände nicht genügt hätten. Das ist nicht richtig. Die Beweislastverteilung, von der das Berufungsgericht ausgeht, betrifft nur die Frage der Unangemessenheit nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB, früher § 9 Abs. 1 AGBG (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 307 Rdn. 5). Aus der dort in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. November 1995 (XI ZR 255/94, NJW 96, 388, 389) ergibt sich nichts anderes. In den Fällen des – hier einschlägigen – § 307 Abs. 2 BGB, früher § 9 Abs. 2 AGBG, wird die unangemessene Benachteiligung demgegenüber vermutet, wie sich aus der Formulierung „im Zweifel“ ergibt (Palandt/Heinrichs a.a.O.). Wer sich auf die Vermutung beruft, muß deren Voraussetzungen darlegen und beweisen; alsdann ist es Sache des anderen Teils, die Vermutung zu entkräften (Palandt/Heinrichs a.a.O.; Brandner a.a.O. § 9 Rdn. 129; M. Wolf a.a.O. § 9 Rdn. 58). Somit hätte die Beklagte darlegen müssen, daß die den Händlern zugestandene Kostenpauschale von 13 % den händlertypischen Aufwand für Lagerhaltung, Fracht und Verpackung von Originalteilen, die für Gewährleistungs- und Kulanzarbeiten verwendet werden, abdeckt. Daß dies geschehen wäre, ist den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen.
13. Klausel XIV 1 Satz 2 des […]-Händlervertrages – Konzernverrechnungsklausel
Die von den Klägern beanstandete Konzernverrechnungsklausel (Abschnitt XIV 1 Satz 2) hat das Berufungsgericht mit Recht für unbedenklich gehalten.
a) In Teilen des Schrifttums wird allerdings die Auffassung vertreten, Konzernverrechnungsklauseln seien ihrer geringen Verbreitung wegen überraschend und könnten daher gemäß § 305c Abs. 1 BGB (früher § 3 AGBG) in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbart werden (Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O. § 3 Rdn. 35; Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher a.a.O. § 3 Rdn. 76). Ob dem zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn auf die Unwirksamkeit einer Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB kann eine Klage nach § 1 UKlaG, früher § 13 AGBG, nicht gestützt werden, weil die Entscheidung, ob eine Klausel wegen ihres Überraschungscharakters nicht V ertragsinhalt geworden ist, in aller Regel von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängt (BGHZ 116, 1, 3 m.w.N.).
b) Darüber hinaus werden Konzernverrechnungsklauseln teilweise auch als unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB, früher § 9 AGBG, angesehen (M. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher a.a.O. § 11 Nr. 3 Rdn. 15; Palandt/Heinrichs a.a.O. § 387 Rdn. 22). Begründet wird dies meist damit, daß durch solche Klauseln die Forderungen des Vertragspartners als Kreditunterlage weitgehend entwertet werden, vor allem dann, wenn die Konzernmitglieder nicht namentlich genannt sind oder ihr Kreis unangemessen weit ist (M. Wolf a.a.O. m.N.). Der Bundesgerichtshof, der sich, soweit ersichtlich, nur in einer einzigen Entscheidung mit der Inhaltskontrolle einer Konzernverrechnungsklausel befaßt hat, hat offen gelassen, ob diese Bedenken durchgreifen (BGHZ 81, 15, 17 f.).
c) Nach Auffassung des Senats benachteiligt die hier zu beurteilende Konzernverrechnungsklausel die Vertragshändler der Beklagten nicht unangemessen. Der Kreis der einbezogenen Konzernunternehmen beschränkt sich auf die konzernangehörige und als solche erkennbare […]-Bank ([…]-Bank). Dabei besteht die Besonderheit, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision nicht angegriffen werden, der Zahlungsverkehr zwischen der Beklagten und ihren Vertragshändlern über diese konzerneigene Bank abgewickelt wird. Bei den Forderungen, die der […]-Bank gegen die Vertragshändler der Beklagten zustehen, handelt es sich hiernach im wesentlichen um Kaufpreisforderungen der Beklagten gegen ihre Händler aus der Lieferung von Fahrzeugen und Teilen. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, aus welchen Gründen es unbillig sein soll, die Händler einer Aufrechnung mit solchen Gegenforderungen auszusetzen, auch wenn nicht die Beklag