vertraglicher Ausschlusses des Ausgleichsanspruchs bei ausländischem Handelsvertreter

23 U 4416/01 Urteil verkündet am 11. Januar 2002 OLG München Grenzüberschreitender Vertrieb

Oberlandesgericht München
Im Namen des Volkes
Urteil

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 07.05.2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 35.000,- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer beträgt mehr als DM 60.000,-.

Tatbestand

Der Kläger macht einen Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend. Er ist Luftfahrttechniker und seit 1992 für den Beklagten in Kolumbien und Venezuela tätig. Grundlage seiner Handelsvertretertätigkeit in Kolumbien ist der in englischer Sprache abgefasste Vertrag vom 31.07.1992 (Agency Agreement ). In Punkt 7 ist dort geregelt, dass der Kläger keine Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertrags habe. Punkt 15 regelt, dass deutsches Recht anwendbar sei, nicht aber zwingende Regelungen zu Gunsten in Deutschland residierender Agenten – wie etwa § 89 b HGB. Im Laufe seiner Tätigkeit sei es nach Angaben des Klägers zu einer mündlich vereinbarten Vertragsänderung dahingehend gekommen, dass er auch in Deutschland habe tätig werden sollen. Auf Bitten der Beklagten habe er Delegationen des kolumbianischen Kunden zur Unterstützung von Vertragsverhandlungen und Werksbesichtigungen begleitet.

Er hat die Auffassung vertreten, der Ausschluss des Handelsvertreterausgleichsanspruchs im Vertrag vom 31.07.1992 sei nicht wirksam oder jedenfalls nachträglich unwirksam geworden. Da das Recht Kolumbiens ebenfalls einen zwingenden Ausgleichsanspruch vorsehe, sei § 92 c Abs. 1 HGB bei der gebotenen einschränkenden Auslegung nicht anwendbar. Der Ausschluss des Ausgleichsanspruchs verstoße jedenfalls gegen § 9 AGBG. Seit der geschilderten Vertragsänderung seien die Voraussetzungen des § 92 c Abs. 1 HGB nicht mehr gegeben, weil sich sein Tätigkeitsgebiet auch auf Deutschland erstreckt habe. Er macht klageweise 650.941,22 US $ geltend.

Mit Endurteil vom 07.05.2001 hat das LG München I die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig. Den vertraglich vorausgesetzten Schlichtungsversuch habe der Kläger unternommen. Ein förmliches Verfahren sei dafür nicht festgelegt worden. Mehr als die vorgetragenen Gesprächsversuche habe der Kläger nicht unternehmen müssen, nachdem die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleich mit Schreiben vom 30.11.2000 definitiv abgelehnt habe. Die Klage sei jedoch nicht begründet, da von einem wirksamen vertraglich vereinbarten Ausschluss des Handelsvertreterausgleichsanspruchs gemäß § 92 c HGB auszugehen sei. Die spezifische Handelsvertretertätigkeit habe der Kläger allein in dem ihm als Vertragsgebiet zugewiesenen Gebiet Kolumbien ausgeübt. Seine Besuche in Deutschland als Begleiter zum Firmensitz der Beklagten können daran nichts ändern. Auch ein Verstoß gegen § 9 AGBG liege nicht vor. Dabei komme es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es sich um einen Formularvertrag handele, nicht an. Eine Einbeziehung des kolumbianischen Rechts als gesetzlichen Maßstab für § 9 AGBG würde den in Art. 34 EGBG zum Ausdruck gekommenen Grundgedanken auf den Kopf stellen, wonach zwingende Vorschriften ausländischen Rechts bei Anwendbarkeit deutschen Rechts – von Ausnahmen abgesehen – nicht berücksichtigt werden müssen.

Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers – ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

2. Dem Kläger steht kein Ausgleichsanspruch nach § 89 b Abs. 1 HGB zu, da die Parteien dies wirksam gemäß § 92 c Abs. 1 HGB ausgeschlossen haben. Auf den Inhalt des nationalen kolumbianischen Rechts kommt es dabei nicht an.

Die Parteien haben deutsches Recht vereinbart, ausländisches Recht ist nicht vorrangig

a) Die Parteien haben gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Die Voraussetzungen, unter denen demgegenüber Bestimmungen ausländischen Rechts vorrangig sein können (vgl. Art. 27 Abs. 3, 29 Abs. 1, 30 Abs. 1 EGBGB), liegen nicht vor.

Der Ausschluss des Handelsvertreterausgleichs ist von § 92 c Abs. 1 HGB gedeckt, …

b) § 92 c Abs. 1 HGB erlaubt bei Anwendbarkeit des deutschen Rechts den Ausschluss zwingender Vorschriften zu Gunsten des Handelsvertreters – so auch von § 89 b HGB – ganz generell für den Fall, dass der Handelsvertreter seine Tätigkeit für den Unternehmer nach dem Vertrag nicht innerhalb des Gebiets der Europäischen Gemeinschaft oder Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben hat, d. h. unabhängig davon, wie das Recht im Land seiner Tätigkeit ausgestaltet ist. Für eine einschränkende Auslegung im Sinne einer teleologischen Reduktion in der Richtung, dass das nur für Länder, die keinen oder jedenfalls keinen zwingenden Handelsvertreterausgleich kennen, gelten solle, ist kein Raum. Der dahingehenden Literaturmeinung (vgl. etwa Küstner/Thume Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1, 3 Aufl., Rdnr. 2424) kann sich der Senat nicht anschließen. Aus der Begründung zum Regierungsentwurf der Handelsvertreternovelle 1953 (BT Drucks. 1/3856 Anlage 1, S. 19) lässt sich dies nicht überzeugend ableiten. Wenn es dort heißt: „Beschränkungen der Vertragsfreiheit, die für deutsche Verhältnisse geboten sind, brauchen jedoch für das Vertragsverhältnis mit einem Auslandsvertreter nicht zu passen. Die Parteien müssen deshalb, sofern ein Vertreter im Ausland tätig ist, in der Lage sein, das Vertragsverhältnis den jeweiligen örtlichen Bedürfnissen anzupassen, die unter Umständen von den inländischen erheblich abweichen“, kann dies nicht so verstanden werden, dass die Anwendbarkeit des (heutigen) § 92 c Abs. 1 HGB vom jeweiligen Inhalt des ausländischen Rechts abhängen würde. Dem Gesetzgeber war sicherlich bekannt, wofür auch die zitierte Formulierung spricht, dass es auch ausländische bzw. außereuropäische Rechtsordnungen gibt, die ähnlich zwingende Vorschriften zu Gunsten des Handelsvertreters kennen wie das deutsche Recht. Wenn für diese Fälle Einschränkungen gewollt gewesen wären, hätte dies im Gesetz zum Ausdruck gebracht werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ganz bewusst eine generelle Regelung treffen wollte, die unpraktikable Differenzierungen vermeidet. Konsequenterweise würde diese Auffassung darauf hinauslaufen, dass einschränkende Vereinbarungen jeweils (nur) in dem Umfang zulässig sein dürften, der dem nationalen Recht des jeweiligen Tätigkeitslandes entspricht. Dass der Gesetzgeber auf diesem Umweg ausländischem nationalem Recht den Vorrang hätte einräumen wollen, kann nicht angenommen werden (vgl. Hepting/ Detzer, RIW 89, 337, 339; v. Hoyningen Huene, in: Münchener Komm. HGB, § 92 c Rdnr. 16).

und auch § 9 AGBG steht der Wirksamkeit des Ausschlusses nicht entgegen.

c) Etwas anderes gilt auch nicht mit Rücksicht auf § 9 AGBG. Soweit vertreten wird, dass ein vorformulierter Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 9 AGBG unwirksam sei, wenn das Heimatrecht des ausländischen Handelsvertreters oder das außereuropäische Land der Tätigkeit des inländischen Handelsvertreters einen durch AGB nicht ausschließbaren Ausgleichsanspruch vorsieht (vgl. Hepting/Detzer, RIW 89, 337, 340 ff.; Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., Anhang
§§ 9 11, Rdnr. 414a), ist dem nicht zu folgen (vgl. Löwisch, in: Ehenroth/Boujong/ Joost, HGB,§ 92 c Rdnr. 13).

Auch die AGB sind im Lichte des § 92 c HGB zu beurteilen.

Für die Frage, ob eine Bestimmung in AGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG), kann nicht allein auf § 89 b HGB abgestellt werden, sondern es muss auch § 92 c HGB in die Überlegung einbezogen werden. Wenn das Gesetz ausdrücklich für Handelsvertreter mit einem Tätigkeitsbereich außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes Vereinbarungen zulässt, die von den Bestimmungen des 7. Abschnitts des 1. Buches des HGB (Handelsvertreter) abweichen, so kann in diesen Fällen nicht von einer Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gesprochen werden.

Es liegt auch keine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 9 AGBG vor.

Die Auffassung, dass dies zwar nicht generell so sei, aber dann gelte, wenn das Recht des Tätigkeitslandes einen zwingenden Handelsvertreterausgleich vorsehe, so Hepting/Detzer, RIW 89, 337, überzeugt nicht. Bei der gesetzlichen Regelung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AGBG, von deren wesentlichen Grundgedanken nicht abgewichen werden darf, kann es sich nur um anwendbares Recht handeln und nicht um zulässigerweise abbedungenes ausländisches Recht.

Danach könnten allenfalls noch eine unangemessene Benachteiligung wegen der konkreten Umstände des Falls nach § 9 Abs. 1 AGBG in Betracht gezogen werden. Dafür sind hier keine Gründe erkennbar und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Der alleinige Hinweis darauf, dass das kolumbianische Recht einen irgendwie gearteten zwingenden Handelsvertreterausgleich vorschreibe, reicht nach den vorstehenden Erwägungen für die Annahme eines Verstoßes gegen § 9 AGBG nicht.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung BGH, NJW 85, 623, 630, berufen. Diese Entscheidung hat mit § 92 c HGB nichts zu tun. Sie befasst sich lediglich allgemein mit einem Kfz Vertragshändler und in diesem Zusammenhang primär mit der entsprechenden Anwendbarkeit des § 89 b HGB und sodann lediglich in einer Hilfserwägung mit § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG.

Da somit ein Verstoß gegen § 9 AGBG ausscheidet, bedarf es keiner näheren Untersuchung, ob der Vertrag zwischen den Parteien ein Formularvertrag im Sinne des AGBG ist …

Es liegt auch keine nachträgliche konkludente Vertragsänderung vor.

d) Dem Kläger kann schließlich auch nicht in seiner Auffassung gefolgt werden, dass § 92 c Abs. 1 HGB deshalb nicht (mehr) anwendbar sei, weil auf Grund einer nachträglichen konkludenten Vertragsänderung das Tätigkeitsgebiet des Klägers auf Deutschland ausgeweitet worden sei. Auch wenn der Tatsachenvortrag des Klägers zu Grunde gelegt wird, rechtfertigt das eine entsprechende rechtliche Schlussfolgerung nicht. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er habe den kolumbianischen Kunden auf Bitten der Beklagten mehrfach zum Stammsitz der Beklagten nach Deutschland begleitet. Dies genügt nicht für die Annahme, der Kläger habe nunmehr seine Tätigkeit nach dem Vertrag i. S. v. § 92 c Abs. 1 HGB auch innerhalb Deutschlands ausgeübt. Eine solche Auslegung würde die gesetzliche Vorschrift weitgehend funktionslos machen und Umgehungsversuchen Raum geben. Bei sachgerechter Auslegung kann eine derartige Kontaktaufnahme mit dem inländischen Unternehmer für den maßgeblichen Tätigkeitsort nicht ausschlaggebend sein. Der Kläger hatte sein ihm mit Vertrag vom 31.07.1992 zugewiesenen Vertragsgebiet in Kolumbien, hat dort seine entscheidende werbende Tätigkeit ausgeübt und sollte auch nicht andere als kolumbianische Kunden betreuen. Irgendwelche Kontaktaufnahmen mit der Beklagten in diesem Zusammenhang können nicht als vertragliche Ausweitung des Tätigkeitsraumes verstanden werden (vgl. Löwisch, in Ebenroth/Boujong/Joost, § 92 c Rdnr. 10; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 92 c Rdnr. 7).

3. Da die Parteien einen etwaigen Handelsvertreterausgleichsanspruch des Klägers wirksam vertraglich ausgeschlossen haben, kommt es auf das bestrittene Vorliegen der Voraussetzungen des § 89 b HGB nicht mehr an.

Schlagwörter
Wirksamkeit eines vertraglichen Ausschlusses des Ausgleichsanspruchs bei ausländischem Handelsvertreter (1)