Verwertung von einbehaltenen Kundenadressen; Anspruch auf Herausgabe bzw. Rückgabe der Kundendatei; Vertragsstrafe

I ZR 294/90 Urteil verkündet am 28. Januar 1993 BGH Pflichten des Handelsvertreters

Bundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Urteil

Tatbestand

Der Kläger war als Handelsvertreter für die Beklagte, ein Weinhandelsunternehmen, tätig. Der Handelsvertretervertrag vom 29.8.1986, den die Parteien mit Wirkung zum 1.10.1988 einvernehmlich beendeten, sah in Nr. 8 unter der Überschrift „Geschäftsgeheimnisse“ folgende Regelung vor:
8. (1) Die Namen, Anschriften, Telefonnummern und Kaufgewohnheiten von Kunden und die Anschriften von Weininteressenten auf Werberückantwortkarten der Firma sind Geschäftsgeheimnisse der Firma i. S. von § 90 HGB, § 17 UWG. Der Handelsvertreter anerkennt, daß ihm diese Anschriften und Daten nur als Geschäftsgeheimnisse anvertraut werden und daß die Verwertung dieser Geschäftsgeheimnisse außerhalb dieses Vertrages oder die Mitteilung an Dritte vertrags- und sittenwidrig ist und der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widerspricht.
(2) Die Daten von Kunden, die erst während der Vertragsdauer aufgrund von Werberückantwortkarten der Firma oder als sog. Empfehlungskunden gewonnen wurden, sind ebenfalls Geschäftsgeheimnisse der Firma, die der Handelsvertreter außerhalb dieses Vertragsverhältnisses nicht verwerten darf.
(3) Der Handelsvertreter darf Aufzeichnungen von obigen Kundendaten nur auf firmeneigenen Unterlagen (Originalkarteikarte, Auftragsvordruck) im Rahmen der Verkaufsrichtlinien anfertigen. Er hat diese auf Verlangen der Firma jederzeit bei Kündigung oder Vertragsbeendigung unaufgefordert vollständig beim zuständigen Verkaufsleiter abzugeben. Insoweit ist jedes Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen (§ 369 Abs. 3 HGB), soweit er keinen, zu diesem Zeitpunkt fälligen Provisions- oder Aufwendungsersatzanspruch nachweist. …
(4) Der Handelsvertreter verpflichtet sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 250,– DM
a) für jede Kundenanschrift, die er während des Vertrages Dritten, insbesondere Konkurrenten unbefugt mitteilt oder zugänglich macht,
b) für jede Kundenanschrift, von der er sich bei Beendigung des Vertrages Aufzeichnungen zurückbehält,
c) für jede ihm als Geschäftsgeheimnis anvertraute Kundenanschrift, sowie jede sonstige Kundenanschrift der Firma, die er nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zu Konkurrenzzwecken selbst verwertet oder Dritten, insbesondere Konkurrenten, zugänglich macht. Die gleiche Vertragsstrafe ist verwirkt, wenn der Handelsvertreter diese Handlungen vorbereitet.
Der Kläger, der nach Beendigung des Vertrages mit der Beklagten die Vertretung für ein anderes Weinhandelsunternehmen übernommen hat, hat von der Beklagten Zahlung restlicher Provisionen in Höhe von 5.001,38 DM verlangt. Die Beklagte hat gegenüber der Klageforderung mit Ansprüchen auf Zahlung von Vertragsstrafen wegen der Verwertung von mindestens 100 Kundenadressen durch den Kläger, der Überlassung dieser Adressen an das nunmehr vom Kläger vertretene Unternehmen und der Zurückhaltung von Aufzeichnungen über diese Kundenanschriften, hilfsweise mit Schadensersatzansprüchen wegen vertrags- und wettbewerbswidriger Verwertung der Kundenanschriften sowie wegen des durch die Abwerbung ihr entstandenen Schadens aufgerechnet. Sie hat hierzu behauptet, der Kläger habe mehr als 1.000 ihrer Kunden über das von ihm vertretene Unternehmen zu einer Verbrauchermesse in Nürnberg vom 29.10. bis 6.11.1989 eingeladen. Dies hätten 111 Kunden bestätigt. Die vom Kläger angeschriebenen Kunden hätten vorher regelmäßig bei ihr Wein gekauft und in den letzten zwei Monaten mehrfach Bestellungen vorgenommen. Der Kläger habe die Anschriften aus der ihm anvertrauten Kartei abgeschrieben.Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Die – zugelassene – Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat gegenüber den unstreitigen Provisionsansprüchen die Aufrechnung der Beklagten mit Vertragsstrafeansprüchen wegen der Verwertung von Kundenanschriften durch den Kläger (Nr. 8 lit. c des Vertrages) durchgreifen lassen. Es hat dazu ausgeführt:

Der Beklagten stehe wegen der Verwertung der Anschriften von 21 namentlich im Rechtsstreit bezeichneten Personen ein Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von je 250,– DM zu. Zwar sei die Vereinbarung über die Vertragsstrafe in Nr. 8 lit. c wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz unwirksam, weil sie dem Kläger die Verwertung von Geschäftsgeheimnissen schlechthin verbiete, ohne dass dabei, wie es in § 90 HGB vorgeschrieben sei, berücksichtigt werde, ob eine solche Verwertung nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widerspreche. An die Stelle der nichtigen Vereinbarung sei aber nach § 6 AGB-Gesetz als dispositives Recht § 90 HGB getreten, für dessen Verletzung das Vertragsstrafeversprechen gültig bleibe. Die damit für den Kläger nach Beendigung der Vertretertätigkeit gegebene Beschränkung seiner gewerblichen Tätigkeit sei auch ohne ausdrückliche Vereinbarung einer Karenzentschädigung wirksam, da sich eine solche aus dem Gesetz (§ 90 a HGB) ergebe. Der Kläger habe die Vertragsstrafen durch Verwertung der Anschriften solcher Kunden verwirkt, die ihm die Beklagte bei Beginn seiner Tätigkeit benannt habe und die auch in der Folgezeit über ihn Wein bestellt hätten, die mithin Stammkunden gewesen seien. Damit habe er ihm anvertraute Geschäftsgeheimnisse verletzt. Dies widerspreche der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns (§ 90 HGB), während die Verwertung von Anschriften solcher Kunden nicht zu beanstanden sei, die in keinen dauerhaften Rechtsbeziehungen zur Beklagten gestanden hätten. Der Kläger habe die Anschriften der Stammkunden noch während seiner Tätigkeit für die Beklagte in wenigstens 111 Fällen abgeschrieben oder fotokopiert und diese Anschriften nach Beendigung seiner Tätigkeit selber verwertet oder weitergegeben.

II. Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Beklagte gegenüber dem Provisionsanspruch des Klägers mit Ansprüchen aus verwirkten Vertragsstrafen aufrechnen kann.

1. Nicht beigetreten werden kann dem Berufungsgericht allerdings darin, dass der Beklagten Vertragsstrafeansprüche nach Nr. 8 lit. c des Vertrages zustünden.

a) Das Berufungsgericht ist zwar rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass das Vertragsstrafeversprechen in Nr. 8 lit. c des Handelsvertretervertrages unwirksam ist. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen ist die Vereinbarung in einem Formularvertrag enthalten, der § 1 Abs. 1 AGB-Gesetz unterfällt. Der Kläger ist durch diese Vereinbarung unangemessen benachteiligt, weil die von der Beklagten formulierten Voraussetzungen, unter denen eine Vertragsstrafe zu zahlen ist, mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sind (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz). Diese Vorschrift gilt auch im Verhältnis der Parteien zueinander (§ 24 AGB-Gesetz). Nach Nr. 8 lit. c ist dem Kläger jegliche Verwertung von Kundenanschriften verboten. Er darf sie auch selbst nicht nutzen. Das Verbot bezieht sich auch auf solche Anschriften, die er im Gedächtnis behalten hat und gilt ohne Fristbegrenzung für alle Zeit. Durch diese Vereinbarung ist es dem Kläger weitgehend unmöglich gemacht, nach Beendigung des Handelsvertretervertrages in Wettbewerb um Kunden zu treten, die vorher einmal bei der Beklagten gekauft haben oder auch sich ihr gegenüber nur als Interessenten zu erkennen gegeben haben. Das ist mit dem Leitbild des dispositiven Rechts, wie es in § 90 HGB seinen Niederschlag gefunden hat, nicht vereinbar. Es entspricht vielmehr den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs und widerspricht nicht der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns, wenn ein ausgeschiedener Handelsvertreter in Konkurrenz zu dem früher von ihm vertretenen Unternehmen auch bezüglich dessen Kunden tritt. Es steht einem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertreterverhältnisses grundsätzlich frei, dem Unternehmer, für den er bis dahin tätig gewesen ist, auch in dem Bereich Konkurrenz zu machen, in dem er ihn vorher vertreten hat. Einen generellen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenkreises hat der Unternehmer nicht.

Wettbewerbsrechtlich kann er das Vorgehen seines früheren Handelsvertreters nur dann beanstanden, wenn sich dieser bei dem Wettbewerb um die Kundschaft unlauterer Mittel bedient (vgl. BGH, NJW 64, 351 = LM § 1 UWG Nr. 132 = GRUR 64, 215 – Milchfahrer; OLG Köln, GRUR 90, 536 – Kundenabwerbung; Baumbach-Hefermehl, WettbewerbsR, 17. Aufl., § 1 UWG Rdnrn. 601, 602). Ein vertrags- oder wettbewerbswidriges Verhalten liegt daher dann nicht vor, wenn ein ausgeschiedener Vertreter Kundenadressen verwertet, die in seinem Gedächtnis geblieben sind, oder sich solche Anschriften von Kunden nutzbar macht, die keinen dauerhaften geschäftlichen Kontakt zu dem bisher vertretenen Unternehmen aufgenommen haben. Die danach grundsätzlich gegebene und dem gesetzlichen Leitbild entsprechende Möglichkeit, nach Beendigung der Vertretertätigkeit auch in Wettbewerb zur Beklagten zu treten, versperrt aber die Beklagte dem Kläger, indem sie ihm durch das umfassende und zeitlich unbeschränkte Verwertungsverbot in Nr. 8 lit. c des Vertrages jegliche Konkurrenztätigkeit untersagt.

b) Nicht beigetreten werden kann jedoch dem Berufungsgericht darin, dass anstelle der nach den vorstehenden Ausführungen nichtigen Vereinbarungen als dispositives Recht § 90 HGB Anwendung mit der Wirkung finde, dass die Klausel hinsichtlich der Vereinbarung einer Vertragsstrafe wirksam bleibe. Nach feststehender Rechtsprechung des BGH ist die Rückführung unwirksamer Klauseln auf einen zulässigen Inhalt ausgeschlossen; dazu gehört insbesondere die Beschränkung ihrer Anwendbarkeit auf einen Bereich, in dem sie der Inhaltskontrolle standhalten würden (BGHZ 84, 109, 114 ff. = NJW 82, 2309 = LM
§ 3 AGBG Nr. 3; BGHZ 96, 18, 25 = NJW 86, 1610 = LM PflVG 1965 Nr. 52; BGHZ 106, 259, 267 = NJW 89, 582 = LM § 8 AGBG Nr. 14).

Dies gilt auch im kaufmännischen Verkehr (BGHZ 92, 312, 315 = NJW 85, 319 = LM § 9 (C) AGBG Nr. 3). Dieses Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ergibt sich aus dem mit dem AGB-Gesetz verfolgten gesetzgeberischen Grundanliegen, den Vertragspartner vor der Verwendung ungültiger Klauseln zu schützen und auf einen den Interessen beider Seiten gerecht werdenden Inhalt derartiger Formularbedingungen hinzuwirken. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn es dem Verwender möglich bliebe, seine Allgemeinen Vertragsbedingungen einseitig in seinen Interessen auszugestalten, um es der Initiative seines Vertragspartners und der Gerichte zu überlassen, derartige Klauseln auf das gerade noch zulässige Maß zurückzuführen. Dies gilt auch dann, wenn eine für den Verwender günstigere Gestaltungsmöglichkeit durch sich von vornherein in den Grenzen des Zulässigen haltende Absprachen bestanden hätte, hier durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall eines Verstoßes gegen § 90 HGB. Lediglich in Fällen, in denen die Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel eine Lücke in der gesetzlichen Regelung offenbart, die die berechtigten Interessen beider Seiten unangemessen geregelt sein lässt, erscheint es nach dem dargelegten Sinn des Gesetzes zulässig, eine angemessene Interessenlösung auf dem Weg der ergänzenden Vertragsauslegung anzustreben. Um einen solchen Fall handelt es sich aber vorliegend nicht. Das Gesetz enthält in §§ 90, 90 a HGB sowie in § 1 UWG ausreichende Regelungen und Schutzvoraussetzungen, mit deren Hilfe in angemessener Weise die Rechtsbeziehungen zwischen dem ausgeschiedenen Handelsvertreter und dem von ihm bis dahin vertretenen Unternehmen geregelt werden können (vgl. auch H. Köhler, in: Festschr. f. Rittner, 1991, S. 266, 275). Auch ohne die Vereinbarung des unter Vertragsstrafe gestellten umfassenden Verwertungsverbots blieben der Beklagten nach den genannten Vorschriften ausreichende Möglichkeiten, vertrags- und wettbewerbswidrigem Verhalten des Klägers zu begegnen.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Nr. 8 lit. c nur äußerlich zusammengefasste Regelungen enthalte, die inhaltlich voneinander trennbar seien. Das Berufungsgericht hat – entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung – zu Recht keine zergliedernde Auslegung des Vertragsstrafeversprechens vorgenommen. Der mit dem Verwertungsverbot beabsichtigte Schutz der Beklagten soll einheitlich dadurch erreicht werden, dass eine Vertragsstrafe in allen Fällen zu zahlen ist, in denen der Kläger selbst geschäftliche Kontakte zu Personen aufnimmt oder Voraussetzungen für geschäftliche Kontakte schafft, die ihm während seiner Tätigkeit für die Beklagte bekannt geworden sind; dabei ist nicht danach unterschieden, ob es sich um bloße Interessenten handelt oder um Stammkunden oder ob sich der Kläger ihrer nur aus dem Gedächtnis erinnert. Dieses umfassende und für alle Fälle einheitlich formulierte Verbot verbietet die Annahme, die Beklagte habe verschiedene, voneinander abgrenzbare Handlungen unter Vereinbarung einer Vertragsstrafe untersagen wollen.

III. Die angegriffene Entscheidung stellt sich aber im Ergebnis deshalb als richtig dar, weil die Vertragsstrafeansprüche der Beklagten nach Nr. 8 lit. b des Vertrages begründet sind. Nach dieser Bestimmung ist der Kläger zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 250,– DM für jede Kundenanschrift verpflichtet, von der er sich bei Beendigung des Vertrages eine Aufzeichnung zurückbehalten hat. Gegen diese Vereinbarung hat der Kläger verstoßen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat er noch während seiner Tätigkeit für die Beklagte mindestens 111 Adressen von Stammkunden der Beklagten abgeschrieben bzw. fotokopiert und diese später – nach Beendigung seiner Tätigkeit – an das jetzt von ihm vertretene Unternehmen weitergegeben. Damit steht fest, dass sich der Kläger von diesen Kundenanschriften bei Beendigung des Vertrages Aufzeichnungen zurückbehalten hat, so dass die Vertragsstrafe für die 21 Fälle, die das Berufungsgericht – ebenfalls unangegriffen – als dargelegt angesehen hat, verwirkt ist.

1. Die in Nr. 8 lit. b enthaltene Regelung wird von der vorerörterten Unwirksamkeit der Nr. 8 lit. c nicht erfasst. Sie betrifft den Tatbestand der unterlassenen Herausgabe von Kundenanschriften, während es bei Nr. 8 lit. c um die Fälle der Verwertung von Kundenanschriften geht.

2. Die Regelung in Nr. 8 lit. b begegnet auch unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz keinen rechtlichen Bedenken, denn sie weicht nicht von der gesetzlichen Regelung ab, wie sie bei Beendigung eines Handelsvertreterverhältnisses auch kraft dispositiven Rechts gilt. Nach § 667 BGB, der auf die Rechtsbeziehungen zwischen Unternehmer und Handelsvertreter als einem Auftragsverhältnis ergänzend anzuwenden ist (vgl. dazu Staub-Brüggemann, HGB, 4. Aufl., § 86 Rdnr. 25), war der Kläger als Handelsvertreter auch unabhängig von der vertraglichen Regelung verpflichtet, die Kundenanschriften herauszugeben. Diese Verpflichtung betraf sowohl die Kundenanschriften, die der Kläger von der Beklagten erhalten hatte, als auch solche, die ihm während seiner Tätigkeit bekannt geworden waren, denn die Herausgabepflicht bezieht sich auf alles, was der Kläger aus der Tätigkeit für die Beklagte erlangt hatte. Die Parteien haben damit in Nr. 8 lit. b des Vertrages lediglich ausdrücklich vereinbart, was ohnehin als Verpflichtung des Klägers bei Beendigung des Vertrages galt. Dass sie diese Pflicht mit einer Vertragsstrafe bewehrten, unterliegt ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Auch nach dem Gesetz – wie hier nach § 667 BGB – begründete Pflichten können durch Strafversprechen gesichert werden (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 52. Aufl., Vorb. § 339 Rdnr. 2; Söllner, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 339 Rdnr. 7).

3. Das Vertragsstrafeversprechen ist auch nicht deshalb unwirksam, weil es für jeden Fall der Zurückhaltung einer Kundenanschrift gilt und dadurch eine Vielzahl von Fällen betrifft, so dass sich je nach der Zahl der zurückbehaltenen Kundenanschriften die Zahl der Verstöße vergrößert und die zu zahlende Vertragsstrafe erhöht. Dass der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe bei mehreren Verstößen gegen die gleiche Verpflichtung entstehen kann, ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt (NJW 84, 919, 921 = LM § 242 (Ba) BGB Nr. 79 = GRUR 84, 72, 74 – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung).

Auch der Umstand, dass es bei der Zurückhaltung einer Kundenanschrift jeweils um gleichartige Handlungen geht, steht der Wirksamkeit der Vereinbarung nach dem Zweck, der mit einer Vertragsstrafe verfolgt werden soll, nicht entgegen. Die Vertragsstrafe ist vom Gesetzgeber mit einer doppelten Zielrichtung geschaffen worden. Sie soll einmal als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der vorgesehenen Leistung anhalten. Zum anderen soll sie dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadensdurchsetzung ohne Einzelnachweis eröffnen (BGHZ 63, 256, 259 = NJW 75, 163 = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 58; BGHZ 85, 305, 312 = NJW 83, 385 = LM § 341 BGB Nr. 9; BGHZ 105, 24, 27 = NJW 88, 2536 = LM § 9 (Bf) AGBG). Bei Berücksichtigung dieser Zielsetzungen hat die Beklagte ein anzuerkennendes Interesse daran, für jeden einzelnen Fall, in dem der Kläger bei Vertragsbeendigung eine Kundenanschrift zurückbehält, einen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages zu erlangen. Denn in jedem Fall ist die naheliegende Gefahr begründet, dass der Kläger diese Kundenanschrift anderweit verwertet. Zudem hat die Beklagte als Unternehmerin im Weinhandel, in dem als Gegenstände der Geheimhaltung vor allem die Kundenanschriften in Betracht kommen, ein erhebliches Interesse daran, dass sie bei Verletzung der Herausgabepflicht nicht vor der Schwierigkeit steht, den ihr entstandenen Schaden in jedem Einzelfall darlegen und gegebenenfalls beweisen zu müssen, in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist. Denn nach allgemeiner Erfahrung ist es schwierig zu beweisen, dass ein Kunde infolge des vertragswidrigen Verhaltens des Vertreters, die Kundenanschrift nicht herauszugeben, keine Bestellungen mehr getätigt und die Nachfrage auf ein anderes Unternehmen umgelenkt hat. Die Annahme, bei Nichtherausgabe der Kundenanschrift könne ein Schaden in Höhe von 250,– DM je Einzelfall entstehen, erscheint ebenfalls nicht erfahrungswidrig.

Die Beklagte konnte eine solche Vertragsstrafe, die sich bei mehrfachem Verstoß entsprechend der Zahl der Zuwiderhandlungen erhöht, auch in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen vereinbaren. Der Kläger als ihr Vertragspartner wurde damit nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 AGBG). Das hätte nur der Fall sein können, wenn die Vertragsstrafe in den AGB der Beklagten unabhängig von dem Verhalten des Klägers im Einzelfall und ohne Begrenzung nach oben festgelegt worden wäre (vgl. für den Fall des Verzugs beim Bauvertrag BGH, NJW 81, 1509, 1510 = LM § 9 (Bf) AGBG Nr. 1). So liegt der Fall hier aber nicht, denn die Verwirkung der einzelnen Vertragsstrafe hängt davon ab, dass der Kläger die jeweilige Kundenanschrift nicht, wie geboten, herausgibt.

Der Wirksamkeit des Vertragsstrafeversprechens stehen auch nicht Bedenken entgegen, wie sie der Senat in seinem Urteil vom 10.12.1992 (NJW 93, 721 = LM H. 6/1993 § 339 BGB Nrn. 35/36 – Fortsetzungszusammenhang (zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt)) erörtert hat. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass das Zurückbehalten der Anschriften der Kunden eine fortgesetzte Handlung wäre und dass deshalb die auch für die zivilrechtliche Vertragsstrafe anerkannte Regelung gilt, wonach miteinander in Fortsetzungszusammenhang stehende Verletzungshandlungen grundsätzlich zu einer Handlung im Rechtssinne zusammenzufassen sind, wäre die Vereinbarung nicht deshalb unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren wäre (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz). Wie der Senat in der vorgenannten Entscheidung weiter ausgeführt hat, kann eine unangemessene Benachteiligung i. S. des § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz dann nicht angenommen werden, wenn – wie es hier der Fall ist – die Abweichung durch besondere Umstände, insbesondere durch eine aus bestimmten Gründen gegebene Notwendigkeit oder durch besondere Interessen der Gläubigerseite zu rechtfertigen ist. Da – wie ausgeführt (o. III. 2) – die Vertragsstrafe hier gerade dazu dient, einen pauschalierten Schadensersatz durchzusetzen, hat im Streitfall die Beklagte ein besonderes Interesse daran, dass sie für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung auch einen dahingehenden Ausgleich erhält. Dabei geht es nicht darum, den Kläger vor einer unangemessen hohen Strafe zu bewahren, sondern darum, der Beklagten auf einem erleichterten Weg Ersatz auch solcher Schäden zuzubilligen, die aus der vertragswidrigen Vorenthaltung der Kundenanschriften folgen, mag es sich dabei auch nur um eine Handlung im Rechtssinne gehandelt haben. Hinzu kommt, dass dieser Handlung nach den Feststellungen ein vorsätzliches und nicht lediglich ein fahrlässiges Vorgehen zu Grunde liegt.

Schlagwörter
Vertragsstrafe (5) Kundenlisten (2) Kundendaten (5) Herausgabeanspruch (2) geltungserhaltende Reduktion (1) Anspruch auf Herausgabe der Kundenkartei (1)