Vertragsstrafe; Begriff der Kundenbeziehung in Vertragsstrafeklausel

VIII ZR 144/94 Urteil verkündet am 10. Mai 1995 BGH Handelsvertretervertrag, Pflichten des Handelsvertreters

Bundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 1995 […]

Tenor

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 18. März 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte war von Februar 1987 bis Februar 1988 für die Klägerin, eine Weinkellerei, als Handelsvertreterin für das Vertriebsgebiet Hamburg tätig. Nr. 7 des formularmäßigen Handelsvertretervertrages lautet wie folgt:

„7. Geschäftsgeheimnisse

Die Namen, Anschriften, Telefonnummern und Kaufgewohnheiten von Kunden und die Anschriften von Weininteressenten auf Werberückantwortkarten der Firma sind Geschäftsgeheimnisse der Firma im Sinne von § 90 HGB, § 17 UWG. Der HV anerkennt, daß ihm diese Anschriften und Daten nur als Geschäftsgeheimnisse anvertraut werden und daß die Verwertung dieser Geschäftsgeheimnisse außerhalb dieses Vertrages oder die Mitteilung an Dritte vertrags- und sittenwidrig ist und der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widerspricht.

Die Daten von Kunden, die erst während der Vertragsdauer aufgrund von Werberückantwortkarten der Firma oder als sogenannte Empfehlungskunden gewonnen wurden, sind ebenfalls Geschäftsgeheimnisse der Firma, die der HV außerhalb dieses Vertragsverhältnisses nicht verwerten darf.

Der HV darf Aufzeichnungen von obigen Kundendaten nur auf firmeneigenen Unterlagen (Originalkarteikarte, Auftragsvordruck) im Rahmen der Verkaufsrichtlinien anfertigen. Er hat diese auf Verlangen der Firma jederzeit, bei Kündigung oder Vertragsbeendigung unaufgefordert vollständig beim zuständigen Verkaufsleiter abzugeben. Insoweit ist jedes Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen (§ 369 Abs. 3 HGB), soweit er keinen, zu diesem Zeitpunkt fällen Provisions- oder Aufwendungsersatzanspruch nachweist.

Soweit der HV Aufzeichnungen, die Kundendaten enthalten, zur Kontrolle der noch nicht verprovisionierten Aufträge oder aus sonstigen triftigen Gründen benötigt, hat er diese Unterlagen in den vorgenannten Fällen dennoch zur Verwahrung bei der Firma abzugeben.
Gibt der HV die Kundenkartei oder sonstige Aufzeichnungen von Kundendaten trotz schriftlicher Aufforderung nicht heraus, so verpflichtet er sich, für jeden Tag der verspäteten Rückgabe eine Vertragsstrafe von DM 2,– pro Tag und Kundenanschrift an die Firma zu zahlen.

Der HV verpflichtet sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 250,–

a) für jede Kundenanschrift, die er während des Vertrages Dritten, insbesondere Konkurrenten unbefugt mitteilt oder zugänglich macht,

b) für jede Kundenanschrift, von der er sich bei Beendigung des Vertrages Aufzeichnungen zurückbehält,

c) für jede ihm als Geschäftsgeheimnis anvertraute Kundenanschrift, sowie jede sonstige Kundenanschrift der Firma, die er nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zu Konkurrenzzwecken selbst verwertet oder Dritten, insbesondere Konkurrenten, zugänglich macht. Die gleiche Vertragsstrafe ist verwirkt, wenn der HV diese Handlungen vorbereitet.“

Auf eine Strafanzeige der Klägerin hin wurden bei einer polizeilichen Durchsuchung im September 1988 bei der Beklagten diverse Unterlagen, darunter Adressenmaterial, beschlagnahmt. Hierbei handelte es sich im einzelnen um eine 268 Anschriften umfassende EDV-Liste nebst Adressenaufklebern, die der Beklagten im Sommer 1987 von der Klägerin überlassen worden war und von der die Beklagte vor Vertragsende eine handschriftliche Abschrift gefertigt hatte, ferner um ein rotes DIN A5 Heft mit 193 weiteren Anschriften und um eine 47 Kundenanschriften umfassende Liste „B.“.

Die Klägerin hat dem sichergestellten Material entnommen, daß die Beklagte von mindestens 250 Kundenanschriften Aufzeichnungen zurückbehalten habe. Sie hat demgemäß, gestützt auf die genannten Adressenlisten in der angegebenen Reihenfolge, beantragt, die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe von (250,– x 250,– DM =) 62.500,– DM nebst Zinsen zu verurteilen und ihr in näher umrissenem Umfang zu untersagen, mit Kunden der Klägerin zum Zwecke des Verkaufs von Wein und anderen Getränken Kontakt aufzunehmen.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben und der Beklagten die Verwertung zurückbehaltener Kundenadressen untersagt. Die Berufung der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als das Unterlassungsgebot auf Stammkunden der Klägerin beschränkt worden ist, von deren Anschriften die Beklagte Aufzeichnungen zurückbehalten hat. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung. Die Anschlußrevision, mit der die Klägerin sich gegen die Beschränkung des Unterlassungsgebots auf Stammkunden gewandt hat, hat der Senat nicht angenommen.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, ausgeführt:

Die Beklagte habe die vereinbarte Vertragsstrafe in der eingeklagten Höhe verwirkt. Die Strafklausel halte der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand. Es sei unbedenklich, daß die Verwirkung der Strafe nicht auf das Zurückbehalten von Aufzeichnungen über Anschriften von Stammkunden der Klägerin beschränkt sei. Die Beklagte habe mindestens 250 Kundenadressen zurückgehalten. Dies sei schon dadurch geschehen, daß die Beklagte die ihr im Sommer 1987 überlassene EDV-Liste mit 268 Kundenanschriften und die von ihr handschriftlich gefertigte Abschrift unstreitig nicht an die Klägerin herausgegeben habe. Daß es sich hierbei nach der Darstellung der Beklagten ganz oder überwiegend um Anschriften inaktiver Kunden gehandelt habe, sei für die Verwirkung der Vertragsstrafe unerheblich, denn die Beklagte sei sowohl nach dem Handelsvertretervertrag als auch nach § 667 BGB verpflichtet gewesen, sämtliches Material an die Klägerin herauszugeben. Es entlaste die Beklagte auch nicht, daß die Liste angeblich bei ihr in Vergessenheit geraten sei. Schließlich könne die Beklagte sich auch nicht darauf berufen, daß die Werbeaktion, in deren Zusammenhang ihr die EDV-Liste ausgehändigt worden sei, abgebrochen und die Liste danach von der Klägerin nicht zurückverlangt worden sei. Hierin liege kein konkludenter Verzicht auf den Herausgabeanspruch. Daß die Beklagte die in dem roten DIN A5 Heft verzeichneten weiteren 193 Anschriften aus dem Gedächtnis oder aufgrund von Anrufen früherer Kunden nach Vertragsbeendigung rekonstruiert habe, sei ihr „kaum zu glauben“. Die Beklagte habe für diese Art des Entstehens der Adressenliste auch keinen Beweis angetreten. Näher liege die Annahme, daß das Heft bereits während der Tätigkeit der Beklagten für die Klägerin entstanden sei oder auf Unterlagen beruhe, die während dieses Zeitraums erstellt worden seien. Die weiteren 47 Anschriften der Liste „B.“ habe die Beklagte nach eigener Einlassung bei Vertragsende zum Zwecke der Auftragskontrolle zurückbehalten. Dies sei ihr nach Nr. 7 des Handelsvertretervertrages verboten gewesen und löse den Vertragsstrafeanspruch aus. Insgesamt sei jedenfalls die Feststellung des Landgerichts begründet, die Beklagte habe 250 Kundenanschriften zurückgehalten. Dadurch habe sie eine Vertragsstrafe von 62.500,–DM verwirkt.

Ein Unterlassungsanspruch stehe der Klägerin zu, soweit der Kontakt der Beklagten zu Kunden der Klägerin vertrags- oder wettbewerbswidrig wäre. Das sei nur insoweit der Fall, als ein ausgeschiedener Handelsvertreter Adressen von Stammkunden verwerte. Die Beklagte könne dem Unterlassungsbegehren nicht entgegenhalten, es bestehe keine Begehungs- oder Wiederholungsgefahr mehr. Diese werde durch die erstmalige Begehung von Wettbewerbsverstößen indiziert. Daß die Beklagte sich nicht mehr als Weinvertreterin betätige, sei unerheblich, weil sie eine solche Tätigkeit jederzeit wieder aufnehmen könne.

II. Diese Ausführungen halten den Revisionsangriffen in entscheidenden Punkten nicht stand.

A. Vertragsstrafeanspruch

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hält ein formularmäßiges Vertragsstrafeversprechen, das einen im Weinhandel tätigen Handelsvertreter verpflichtet, für jede bei Vertragsbeendigung zurückbehaltene Kundenanschrift einen Betrag von 250,–DM zu zahlen, der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand (Urteil vom 28. Januar 1993 – I ZR 294/90 = NJW 93, 1786 unter III). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Auch die Revision zieht sie nicht grundsätzlich in Zweifel.

2. Sie meint indessen, die Entscheidung vom 28. Januar 1993 sei im Streitfall nicht einschlägig, weil dieser sich von dem dort zu beurteilenden Sachverhalt in entscheidenden Punkten unterscheide. So habe die Beklagte im vorliegenden Falle, soweit vom Berufungsgericht Feststellungen getroffen worden seien, nicht Aufzeichnungen Über Anschriften von Stammkunden, sondern nur solche über Anschriften „inaktiver“ Kunden zurückbehalten und darüber hinaus nur fahrlässig gegen ihre Rückgabepflicht verstoßen. Soweit die Strafklausel auch diesen Fall erfasse, benachteilige sie den Vertragspartner der Klägerin unangemessen im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG. Unter den hier gegebenen Umständen fehle es ferner an dem besonderen Interesse des Klauselverwenders, das es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertige, dem Unternehmer unter dem Gesichtspunkt pauschalierten Schadensersatzes die ausbedungene Vertragsstrafe für jede einzelne einer Vielzahl von Kundenanschriften zuzubilligen, die durch eine im tatsächlichen, jedenfalls im Rechtssinne einheitliche Handlung zurückbehalten worden seien. Im Hinblick auf diese Besonderheit sei die im Streitfall ausbedungene Strafe jedenfalls sittenwidrig überhöht.

3. Mit diesen Rügen dringt die Revision im Ergebnis durch.

a) In tatsächlicher Hinsicht sind der revisionsrechtlichen Beurteilung allein die 268 Anschriften der der Beklagten im Sommer 1987 überlassenen und von ihr kopierten EDV-Liste sowie die weiteren 47 Anschriften der Liste „B.“ zugrunde zu legen. Zu den weiteren 193 Anschriften, die in einem roten DIN A5 Heft verzeichnet sind, fehlt es an abschließenden Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, ob die Beklagte die Aufzeichnung bereits vor Vertragsende angefertigt – und demgemäß bei Vertragsende zurückbehalten – oder ob sie die Adressen, wie von ihr behauptet, erst nach ihrem Ausscheiden aus den Diensten der Klägerin rekonstruiert hat. Das Berufungsgericht hält die Einlassung der Beklagten zwar für unwahrscheinlich, ohne die Frage aber abschließend zu klären. Soweit es die danach bestehende Ungewißheit zu Lasten der Beklagten gehen lassen will, beruht dies, wie die Revision mit Recht beanstandet, auf einer Verkennung der Beweislast. Nach der Vertragsstrafeklausel ist die Strafe nur hinsichtlich solcher Kundenanschriften verwirkt, von denen der Vertreter sich bei Beendigung des Vertrages Aufzeichnungen zurückbehält. Anspruchsbegründende Tatsache ist mithin, daß die Adressenaufzeichnung schon bei Vertragsende existiert hat. Der Nachweis dieser Tatsache obliegt nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen der Klägerin als Gläubigerin des eingeklagten Vertragsstrafeanspruchs (z. B. BGHZ 119, 387, 391; 113, 222, 225; BGH, Urteil vom 2. März 1993 – VI ZR 74/92 = BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweislast 7 m. w. Nachw.).

Anders verhält es sich dagegen mit den 47 Anschriften der Liste „B.“, die die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts – und nach ihren eigenen Angaben – vor Vertragsende zu Kontrollzwecken angefertigt hat.

b) Das in der EDV-Liste enthaltene Adressenmaterial besteht nach der Darstellung der Beklagten, zu der das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat und die es seiner Beurteilung zugrunde legt, aus Anschriften „inaktiver“ Kunden. Die Beklagte hat hierzu ausweislich der von der Revision angeführten Aktenstellen in den Tatsacheninstanzen vorgetragen, die EDV-Liste sei ihr im Sommer 1987 zwecks Durchführung einer umfassenden Reaktivierungsaktion von der Klägerin übergeben worden. Sie habe diejenigen Kunden erfaßt, zu denen früher einmal Beziehungen bestanden hätten, mit denen aber seit geraumer Zeit keine Umsätze mehr getätigt worden seien. Hinsichtlich dieser Kunden habe die Klägerin über ihre Handelsvertreter im Sommer 1987 eine „letzte Offensive“ gestartet, diese aber bereits nach sechs Wochen im wesentlichen ergebnislos abgebrochen. Danach seien die Unterlagen bei beiden Parteien in Vergessenheit geraten, weil sie sich soeben erst „als dauerhaft wertlos erwiesen“ hätten. Viele der in der Liste aufgeführten Kunden seien bereits verstorben gewesen.

Das Berufungsgericht würdigt dieses Vorbringen rechtsfehlerhaft nur im Hinblick auf die Pflicht der Beklagten zur Herausgabe der EDV-Kundenliste. Auf die entscheidende Frage, welche oder wie viele der aufgelisteten Personen bei Vertragsende noch als Kunden der Klägerin anzusehen waren, geht es nicht ein. Die Revision beanstandet dieses Versäumnis unter dem Gesichtspunkt der Inhaltskontrolle der Vertragsstrafeklausel nach § 9 AGBG. Ansatzpunkt der revisionsrechtlichen Überprüfung ist indessen bereits der Begriff der Kundenanschrift im Sinne der Vertragsstrafeklausel, in deren Auslegung der erkennende Senat nicht beschränkt ist, weil die Beklagte das im Streitfall verwendete Vertragsformular über die Grenzen des Bezirks eines Oberlandesgerichts hinaus zum Abschluß von Handelsvertreterverträgen verwendet (vgl. BGHZ 105, 24, 27; 112, 204, 210; Senatsurteil vom 17. Februar 1993 – VIII ZR 37/92 = WM 93, 955 unter I 2 a). Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß die Anschriften ehemaliger Kunden nicht als Kundenanschriften im Sinne der Vertragsstraferegelung anzusehen sind. Hinsichtlich solcher Kunden, die bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses der Parteien bereits verstorben waren, versteht sich dies von selbst. Von einer Kundenanschrift kann aber auch dann keine Rede mehr sein, wenn eine frühere Kundenbeziehung bereits vor der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses endgültig abgebrochen war. Denn damit war die betreffende Person für die Klägerin als Kunde verloren. Das gilt erst recht für all diejenigen ehemaligen Kunden, bei denen auch die „letzte Offensive“ der Klägerin im Sommer 1987 ohne Erfolg geblieben war. Denn hinsichtlich dieses Personenkreises hat der Mißerfolg der „letzten offensive“ gezeigt, daß sie für die Klägerin auch nicht als Kunden wiederzugewinnen waren. Daß die Klägerin dies ebenso sah, belegt die Kennzeichnung der im Sommer 1987 durchgeführten Reaktivierungsaktion als „letzte Offensive“.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits hätte es demnach tatrichterlicher Feststellungen dazu bedurft, zu welchen der in der EDV-Liste aufgeführten 268 Personen die Klägerin bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses der Parteien im Februar 1988 noch Kundenbeziehungen unterhielt. Daran fehlt es. Diese Ungewißheit kann nicht zu Lasten der Beklagten gehen, denn es handelt sich wiederum um anspruchsbegründende Tatsachen, deren Darlegung und Nachweis der Klägerin obliegt.

4. Nach dem der Revisionsentscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt läßt sich mithin die Verwirkung der Vertragsstrafe allein hinsichtlich der in einem roten DIN A5 Heft verzeichneten 47 Anschriften feststellen, bei denen es sich auch nach dem vorbringen der Beklagten um Kundenanschriften in dem soeben erörterten Sinne handelt und hinsichtlich derer die Tatbestandsvoraussetzungen der Vertragsstrafeklausel auch im übrigen erfüllt sind. Gleichwohl kann das Berufungsurteil auch nicht insoweit – teilweise – aufrechterhalten werden. Die Klägerin begehrt Vertragsstrafe nur für einen Teil, nämlich für 250 von insgesamt 508 Kundenanschriften, von denen die Beklagte nach der Behauptung der Klägerin Aufzeichnungen in getrennten Listen zurückbehalten hat. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin angegeben, in welcher Rangfolge das Zurückbehalten der drei verschiedenen Listen dem Vertragsstrafebegehren zugrunde zu legen ist. An diese Rangfolge ist das Gericht gebunden (MünchKommZPO-Lüke § 260 Rdnr. 48; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 260 Rdnrn. 8, 22; vgl. auch BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1983 – III ZR 87/83 = NJW 84, 371). Auf die an letzter Stelle rangierende Liste „B.“ dürfte eine Verurteilung der Beklagten deshalb nur dann gestützt werden, wenn feststünde, daß die Beklagte durch das Zurückbehalten der der Klage mit Vorrang zugrunde gelegten beiden anderen Listen, die zusammen 461 Anschriften enthalten, die Vertragsstrafe für jedenfalls nicht mehr als 203 Kundenanschriften verwirkt hat. Das ist in Ermangelung hinreichender tatrichterlicher Feststellungen nicht der Fall.

B. Unterlassungsausspruch

Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsausspruch des landgerichtlichen Urteils auf Stammkunden der Klägerin beschränkt, von deren Anschriften die Beklagte sich Aufzeichnungen zurückbehalten hat. Hierzu rügt die Revision mit Erfolg, daß es an tatrichterlichen Feststellungen zum (Fort-) Bestand der Begehungs- oder Wiederholungsgefahr fehlt. Diese wird zwar durch die Erstbegehung indiziert. Eine Erstbegehung in bezug auf Stammkunden der Klägerin, von deren Anschriften die Beklagte sich Aufzeichnungen zurückbehalten hat, hat das Berufungsgericht indessen nicht festgestellt.

III. Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Da es zur abschließenden Sachentscheidung weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Für das weitere Verfahren gibt der Senat vorsorglich folgende Hinweise:

1. Sollte es bei der erneuten Entscheidung des Rechtsstreits auf die 47 Kundenanschriften der Liste „B.“ ankommen, so wird die Beklagte dem Vertragsstrafebegehren nicht entgegenhalten können, daß sie diese Liste lediglich zu Kontrollzwecken angelegt habe. Nach der Regelung in Nr. 7 Abs. 4 des Handelsvertretervertrages, die die Revision nicht angreift, ist der Handelsvertreter verpflichtet, Aufzeichnungen von Kundendaten, die er zur Kontrolle noch nicht verprovisionierter Aufträge oder aus sonstigen triftigen Gründen benötigt, zur Verwahrung bei der Klägerin abzugeben. Soweit der Handelsvertreter hierdurch gehindert ist, in seinen Kontrollaufzeichnungen Kundenanschriften festzuhalten, begegnet die Regelung angesichts der vertraglich nicht beschränkbaren Auskunfts- und Einsichtsrechte des Handelsvertreters nach § 87 c HGB keinen Bedenken.

2. Unbedenklich ist auch die Bemessung der Vertragsstrafe nach der Anzahl der zurückbehaltenen Kundenanschriften. Entgegen der Auffassung der Revision liegt darin keine unangemessene (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) Zerlegung eines einheitlichen natürlichen Verhaltens in einzelne strafbewehrte Handlungen. Daß die Höhe der Strafe von der Anzahl der zurückbehaltenen Kundenanschriften abhängt, findet seine Rechtfertigung darin, daß die Vertragsstrafe hier auch zur erleichterten Durchsetzung pauschalierten Schadensersatzes dient und die Klägerin infolgedessen ein besonderes Interesse daran hat, für jeden Einzelfall einen angemessenen Ausgleich zu erhalten (BGH, Urteil vom 28. Januar 1993 a.a.O. unter III 3). Auch die Revision bezweifelt dieses besondere Interesse der Klägerin nur im Hinblick auf die Anschriften „inaktiver“ Kunden, deren Zurückbehaltung nach dem oben Ausgeführten indessen keine Vertragsstrafe auslöst.

3. Die Strafhöhe von 250,– DM je zurückbehaltener Kundenanschrift hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 28. Januar 1993 a.a.O. unter III 3) für den Weinhandel mit der Erwägung gebilligt, es sei nicht erfahrungswidrig, daß bei Zurückbehaltung einer Kundenanschrift ein Schaden von 250,– DM je Einzelfall entstehen könne. Diese Auffassung teilt der erkennende Senat. Auch die Revision zieht sie nicht grundsätzlich in Zweifel, sondern hält die Strafe von 62.500,– DM allein deshalb für unangemessen und sittenwidrig überhöht, weil sie sich auf mehr als das Doppelte des damaligen Jahreseinkommens der Beklagten belaufe und für das Zurückbehalten der Anschriften „inaktiver“ Kunden gefordert werde, mit denen ein entsprechend hoher Umsatz weder von der Beklagten erzielt worden sei noch aus der Sicht der Klägerin erwartet werden könne.

Soweit die Revision wiederum mit der „Inaktivität“ der Kunden argumentiert, kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Im übrigen ist gegen die Höhe auch der kumulierten Strafe nichts einzuwenden. Sie ist insbesondere nicht an der Höhe der Provisionen zu messen, die der Handelsvertreter vor der Vertragsbeendigung erzielt hat. Ihre Angemessenheit hängt vielmehr von der Höhe des Schadens ab, der dem Unternehmer im Falle der Zurückbehaltung von Kundenanschriften droht. Daß dieser erfahrungsgemäß geringer als im Einzelfall durchschnittlich 250,– DM sei, zeigt die Revision nicht auf.

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