Kein Ausschluss des Handelsvertreterausgleichsanspruchs bei Insolvenz des Handelsvertreters

VIII ZR 209/07 Urteil verkündet am 6. Oktober 2010 BGH Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers analog § 89 b HGB

Bundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2010 durch […] für Recht erkannt:

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Auto G. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Diese war mehr als 30 Jahre lang als V.-Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis wurde von der Beklagten ordentlich mit Wirkung zum 31. Januar 2000 gekündigt. Am 1. November 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet.

Mit der Klage hat der Kläger einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB analog in Höhe von 138.777,67 € nebst Zinsen geltend gemacht.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 66.826,95 € nebst Zinsen verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. Juli 2007 – 5 U 63/06, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der geltend gemachte Ausgleichsanspruch analog § 89b Abs. 1 HGB scheitere nicht an § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB. Die Regelvermutung, dass der Verlust des Handelsvertreters dem Vorteil des Prinzipals entspreche, sei nicht widerlegt. Es sei nicht fernliegend, dass die Beklagte aus dem von der Klägerin geworbenen Kundenstamm auch dann erhebliche Vorteile ziehe, wenn sie ihn einem anderen Vertragshändler überlasse.

Der Ausgleichsanspruch entfalle auch nicht deshalb, weil die Insolvenzschuldnerin nicht in Folge der Beendigung des Vertragsverhältnisses, sondern wegen Insolvenz Ansprüche auf Provision verliere. Hiergegen spreche, dass die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages und die gleich bleibende Tätigkeit des Handelsvertreters zu unterstellen seien, sodass es nicht darauf ankomme, ob der Handelsvertreter überhaupt noch weitere provisionspflichtige Geschäfte hätte vermitteln können. Anderenfalls müsste auch einem alten oder kranken Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch vorenthalten werden, wenn er in Folge seines Alters oder seiner geschädigten Gesundheit absehbar nicht mehr in der Lage wäre, seine Arbeit für den Unternehmer fortzusetzen. Das stünde aber nicht damit in Einklang, dass mit dem Ausgleichsanspruch Vorteile abgegolten werden sollten, die dem Unternehmer durch die bisher geleistete Tätigkeit des Handelsvertreters zugekommen seien, nicht aber eine Vergütung für eine Tätigkeit gewährt werde, die der Handelsvertreter zukünftig hätte erbringen können.

Für das letzte Vertragsjahr seien 16 Neuwagenverkäufe an Mehrfachkunden berücksichtigungsfähig. Aus diesen Mehrfachkundengeschäften errechne sich für das letzte Verkaufsjahr als Stammprovision (individueller Rohertrag ohne Boni) ein Betrag von 50.543,94 DM (785.049,15 DM [Summe der Verkaufspreise, in denen die Preisnachlässe enthalten sind] abzüglich 734.505,21 DM [Summe der Einkaufspreise]).

Der individuelle Rohertrag entspreche im Idealfall der Summe der Rabatte und Boni, die der Hersteller dem Händler auf den empfohlenen Verkaufspreis gewähre, und bleibe im Einzelfall nur insoweit hinter dieser Summe zurück, als der Händler Fahrzeuge unter Gewährung von Preisnachlässen und Skonti unter dem Listenpreis verkauft habe. Es sei nicht maßgebend, ob ein vertraglicher Anspruch auf die Zahlung der Zuschüsse (Boni) bestehe. Einzubeziehen seien alle Zusatzzahlungen ungeachtet des Umstands, ob sie bei Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses bereits für den Prognosezeitraum versprochen gewesen seien und ob auf die in der Vergangenheit geleisteten Zusatzzahlungen ein Anspruch bestanden habe, es sei denn, dass sie händlertypisch seien, wie dies etwa für Zuschüsse für Vorführwagen angenommen werden müsse.

Zu berücksichtigen seien damit Großabnehmerzuschüsse in Höhe von 12.318,– DM. Es handele sich insoweit nicht um Verkaufshilfen, die zum Ausgleich des Absatzrisikos gezahlt würden und deshalb als handelsvertreteruntypische Leistungen unberücksichtigt bleiben müssten. Gegenleistungen für das Absatzrisiko sowie der Gegenwert für die sonstigen Kosten des Absatzes wären zwar als händlertypisch nicht ausgleichspflichtig. Um solche Leistungen handele es sich jedoch nicht. Die Großabnehmerzuschüsse seien zu berücksichtigen, weil der Rabatt, den der Händler dem Kunden gewähre, den Rohertrag des Händlers schmälere und der Ausgleich des Rabatts durch die Beklagte dazu führe, dass der Rohertrag des Händlers wieder steige. Zu berücksichtigen seien ferner Leasingzuschüsse in Höhe von 8.500,– DM, weil auch insoweit der vom Händler dem Kunden gewährte Rabatt den Rohertrag des Händlers schmälere und der Ausgleich des Rabatts durch die Beklagte dazu führe, dass der Rohertrag des Händlers wieder steige. Dies sei auch dann der Fall, wenn der Zuschuss von der Beklagten über die Leasinggesellschaft an den Vertragshändler weiter geleitet werde. Auch die „Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug“ in Höhe von 2.000,– DM sei zu berücksichtigen. Hierbei handele es sich um eine Zusatzvergütung, die den mit der Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens verbundenen versteckten Rabatt des Händlers ausgleiche. Die Zahlung sei daher ebenso zu behandeln wie ein Großabnehmerzuschuss. Die zu berücksichtigenden Zusatzleistungen für das letzte Verkaufsjahr – einschließlich einer Prämie von 800,– DM (Prämienaktion X 40 „Start“) – betrügen somit 23.618,– DM. Für das letzte Verkaufsjahr ergebe sich damit für Mehrfachkundengeschäfte ein individueller Rohertrag einschließlich Boni von 74.161,94 DM.

Aus diesem Betrag seien die Rabattbestandteile herauszurechnen, die der Händler als Gegenleistung für händlertypische Tätigkeiten und Risiken erhalte. Denn für den Anspruch nach § 89b HGB analog sei nur der Anteil an den Neuwagenverkaufserlösen maßgebend, der der Provision eines Handelsvertreters für seine handelsvertretertypische, werbende Tätigkeit entspreche. Vorliegend betrage der Grundrabatt laut Händlervertrag 12,5 %. Für Vorführwagen (2 %), Werbung (1 %), Ausstellungsraum (1 %) und Verkaufspersonal (1 %) erhalte der Händler Zusatzrabatte von insgesamt 5 %. Der gebotene Abzug des Zusatzrabatts habe durch eine dem Verhältnis von Gesamtrabatt und Zusatzrabatt (5/17,5 x 100 = 29 %) entsprechende Reduzierung des Roherlöses des Händlers zu erfolgen. Davon sei der gesamte Rohertrag einschließlich Zusatzleistungen betroffen. Dies führe zu einer Reduzierung um 21.506,96 DM (= 29 % von 74.161,94 DM).

Weiter sei ein Abschlag für die verwaltende, vermittlungsfremde Tätigkeit des Händlers vorzunehmen. Dieser sei mit 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den Mehrfachkunden-Geschäften (890.309,35 DM), hier also mit 22.257,73 DM, anzusetzen. Soweit die Beklagte einen höheren Abzug von 3,16 % erstrebe, habe sie einen entsprechenden Verwaltungskostenanteil nicht hinreichend schlüssig vorgetragen. Danach verbleibe nach Abzug der Anteile für händlertypische und verwaltende Tätigkeiten ein Betrag von 30.397,24 DM (= 74.161,94 DM – 21.506,96 DM – 22.257,73 DM).

Das Landgericht habe das letzte Vertragsjahr als typisch angesehen und deshalb für einen Prognosezeitraum von fünf Jahren die in dem letzten Vertragsjahr erzielten Roherlöse hochgerechnet. Die Typizität des letzten Vertragsjahres sei keine Tatsache, sondern ein Wertungsergebnis, das vom Berufungsgericht nach §§ 513, 546 ZPO nicht hingenommen werden müsse, wenn die Wertung auf unzutreffender Tatsachengrundlage erfolgt sei. Denn unter Berücksichtigung des vom Berufungsgericht errechneten Stammkundenumsatzes ergebe sich für das letzte Vertragsjahr eine andere Stammkundenquote, als sie das Landgericht in seine Überlegungen einbezogen habe. Im vorliegenden Fall sei es gerechtfertigt, auf den gesamten Fünfjahreszeitraum abzustellen, weil der Umsatz mit Mehrfachkunden in den Jahren 1995 bis 1999 stark geschwankt habe. Unterstelle man die von der Beklagten gegen das Zahlenwerk des Klägers für die Jahre 1995 bis 1998 vorgebrachten Angriffe als berechtigt, errechnete sich für den Fünfjahreszeitraum ein Betrag von 186.279,20 DM (= 281.045,87 DM [individueller Rohertrag] + 120.752,71 DM [Boni] = 401.798,58 DM – 116.521,59 DM [händlertypische Anteile: 29 % von 401.798,58 DM] – 98.997,79 DM [verwaltende Anteile: 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den Mehrfachkunden-Geschäften von 3.959.911,58 DM]).

Der so ermittelte voraussichtliche Provisionsverlust sei im Rahmen der Billigkeitsbetrachtung um den Anteil zu kürzen, um den der Umsatz nicht durch eigene Bemühungen bestimmt sei, sondern an den Verkaufsaktivitäten des Herstellers partizipiere. Der deshalb im Rahmen der Billigkeitsabwägung vorzunehmende Abschlag wegen der „Sogwirkung der Marke“ sei mit 25 % zu bemessen. Ein Abschlag für das von der Insolvenzschuldnerin nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten übernommene Nachfolgefabrikat S. sei nicht gerechtfertigt, weil es an der Vergleichbarkeit der Marken fehle.

Danach ergebe sich unter Berücksichtigung eines Billigkeitsabschlags von 25 % sowie einer Abzinsung nach Gillardon und der Hinzurechnung von 16 % Umsatzsteuer ein Ausgleichsbetrag von insgesamt 143.130,45 DM (= 73.181,44 €). Dieser Betrag sei nicht nach § 89b Abs. 2 HGB herabzusetzen, weil die dort geregelte Kappungsgrenze nicht überschritten sei.

Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen aus Materiallieferungen in Höhe von insgesamt 5.181,49 € sei erfolgreich. Der Ausgleichsanspruch in Höhe von 73.181,44 € mindere sich daher um 5.181,49 € auf 67.999,95 €. Dieser Betrag übersteige aber den Betrag von 66.826,95 €, den das Landgericht zugesprochen habe, so dass die Berufung in der Hauptsache ohne Erfolg bleibe.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zwar mit Recht dem Grunde nach einen Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zuerkannt. Die Berechnung der Höhe dieses Anspruchs ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern. Auch die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Gegenforderungen, mit denen die Beklagte hilfsweise aufgerechnet hat, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89b HGB erfüllt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, und der Händler zum anderen verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (vgl. nur Senatsurteile vom 22. Oktober 2003 – VIII ZR 6/03, WM 2004, 991 unter II, und vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, juris Rn. 15, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Insolvenzschuldnerin nach den rechtsfehlerfreien, weder in der Berufungsinstanz noch im Revisionsverfahren angegriffenen Feststellungen des Landgerichts vor. Dass der Ausgleichsanspruch fristgerecht geltend gemacht wurde (§ 89b Abs. 4 HGB), wird ebenfalls von keiner Partei in Zweifel gezogen.

2. Frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten flössen aus der Geschäftsverbindung mit von der Insolvenzschuldnerin neu geworbenen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile zu (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB).

a) Die Insolvenzschuldnerin hat unstreitig in den Jahren ihrer Tätigkeit als Vertragshändlerin der Beklagten eine größere Anzahl neuer Stammkunden geworben (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 HGB). An diese Stammkunden sind nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im letzten Vertragsjahr 16 Neuwagen verkauft worden. Hieraus hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei geschlossen, dass die Beklagte aus dem von der Klägerin geworbenen Kundenstamm auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB gezogen hat. Dem liegt die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. März 1990 – I ZR 2/89, WM 1990, 1496 unter 3 c) nach § 287 Abs. 2 ZPO zulässige Schätzung (vom Berufungsgericht missverständlich als „Vermutung“ bezeichnet) zugrunde, dass die der Beklagten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die die Klägerin geworben hat (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB), der Höhe nach identisch sind mit den Provisionsverlusten, die die Klägerin infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F. bzw. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB in der seit 5. August 2009 geltenden Neufassung). Dass die der Beklagten verbleibenden Vorteile höher zu bewerten wären als die Provisionsverluste der Klägerin, macht keine Partei geltend, so dass die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2009 (BB 2009, 1607 – Turgay Semen/Deutsche Tamoil GmbH) und die hierauf erfolgte Neufassung des § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB für den Streitfall ohne Auswirkungen bleiben.

b) Anders als die Revision meint, lässt sich der Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe aus der beendeten Geschäftsverbindung mit der Insolvenzschuldnerin erhebliche Vorteile gezogen, nicht entgegenhalten, ihr seien aus der Werbetätigkeit der Insolvenzschuldnerin schon deswegen keine Vorteile zugeflossen, weil ihr ein Direktvertrieb von Fahrzeugen rechtlich nicht möglich sei und sie im Hinblick auf die Notwendigkeit der Gleichbehandlung aller Vertragshändler verpflichtet sei, dem an die Stelle der Insolvenzschuldnerin getretenen Vertragshändler bei zukünftigen Neuwagenverkäufen an – bereits von dieser geworbene – Stammkunden in gleicher Weise Händlerrabatte zu gewähren.

Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB soll dem ausgeschiedenen Handelsvertreter einen Ausgleich dafür gewähren, dass die bislang von ihm verdienten Provisionen seine erbrachten Leistungen – Schaffung eines Kundenstamms – nicht vollständig abdecken (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 29. April 2009 – VIII ZR 226/07, VersR 2009, 1116 Rn. 24 m.w.N.). Sein Nachfolger kann dagegen Provisionen für die künftig von ihm vermittelten Geschäfte verlangen. Beide Ansprüche bestehen nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 87, 87a, 89b HGB nebeneinander (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 19). Dass ein Unternehmer „doppelt belastet“ wird, wenn er für die Umsätze mit Stammkunden nicht nur dem Handelsvertreter einen Ausgleich, sondern auch dessen Nachfolgern Provisionen zahlen muss, ist zwangsläufige Folge dieses Anspruchssystems. Dieser Umstand kann daher nicht zum Wegfall eines Ausgleichsanspruchs führen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1964 – VII ZR 150/62, BGHZ 42, 244, 248; Senatsurteil vom 12. September 2007 – VIII ZR 194/06, BB 2007, 2475 Rn. 48; jeweils zu Ansprüchen ausgeschiedener Tankstellenhalter). Für Ausgleichsansprüche eines Vertragshändlers in entsprechender Anwendung des § 89b HGB gilt nichts anderes, denn bei diesem nehmen die Rabatte, die er vom Hersteller auf dessen Listenpreis erhält, die Stelle der Provisionen eines Handelsvertreters ein (Senatsbeschluss vom 29. April 2009 – VIII ZR 226/07, a.a.O. m.w.N.; Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 20).

3. Die Revision meint, die Anwendbarkeit des § 89b HGB scheitere im vorliegenden Fall daran, dass die Insolvenzschuldnerin nicht infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses, sondern wegen der am 1. November 2000 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ansprüche auf Provision verloren habe. Das trifft nicht zu.

Nach der Regelung in § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F., die inzwischen mit dem Ziel der Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2009 (a.a.O.) aufgehoben wurde (Art. 6a des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli 2009, BGBl. I S. 2512; vgl. dazu BT-Drucks. 16/13672, S. 22), kann der Handelsvertreter einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit er infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte. Bei der Auslegung dieser Vorschrift hat der Bundesgerichtshof aus der Zweckbestimmung des Ausgleichsanspruchs den Grundsatz abgeleitet, dass bei der Feststellung der dem Handelsvertreter entstehenden Nachteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu fingieren ist und es auf die Gründe für dessen Beendigung ebenso wenig ankommt wie darauf, ob der Handelsvertreter bei der gedachten Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses überhaupt noch zur Vermittlung weiterer provisionspflichtiger Geschäfte imstande gewesen wäre. Ein Ausgleichsanspruch wurde daher unter anderem bei einer Auflösung des Handelsvertreterverhältnisses durch Tod (auch bei Selbsttötung) des Handelsvertreters und bei einer auf Initiative des Handelsvertreters erfolgten einverständlichen Vertragsaufhebung gewährt (vgl. nur Senatsurteil vom 10. Dezember 1997 – VIII ZR 329/96, NJW 1998, 1070 unter II 1 m.w.N.).

Der Ausgleichsanspruch ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Handelsvertreter nach der Beendigung des Vertrages seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hat (Senatsurteil vom 10. Dezember 1997 – VIII ZR 329/96, a.a.O.; BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 – I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II A 4). Das gilt gleichermaßen, wenn die Betriebseinstellung – wie im vorliegenden Fall – auf die Insolvenz des Handelsvertreters (hier: Vertragshändlers) zurückzuführen ist (a.A. Stumpf/Ströbl, MDR 2004, 1209, 1211 f.; Wendel/Ströbl, WRP 2005, 999 ff.; dagegen Wolff, ZVI 2008, 1, 8). Denn der Regelungszweck des § 89b HGB besteht darin, dem Handelsvertreter für einen auf seiner Tätigkeit beruhenden, ihm aber infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr vergüteten Vorteil des Unternehmers, wie er in der Schaffung des Kundenstamms liegt, eine Gegenleistung zu gewähren (vgl. BT-Drucks. 1/3856, S. 35; BGH, Urteil vom 13. Mai 1957 – II ZR 318/56, BGHZ 24, 214, 222). Unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks, der auf die Vergütung in der Vergangenheit erbrachter Leistungen gerichtet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Handelsvertreter bei gedachter Fortsetzung des Vertrages auch in Zukunft tatsächlich noch Provisionen hätte erzielen können.

4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB nicht durch Multiplikation der Mehrfachkundenumsätze im letzten Vertragsjahr, sondern anhand der in den letzten fünf Vertragsjahren erzielten Mehrfachkundenumsätze errechnet hat.

Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Senats der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers grundsätzlich die innerhalb des letzten Jahres auf den Listenpreis gewährten Rabatte zu Grunde zu legen; davon ist nur der Teil zu berücksichtigen, den der Vertragshändler für Umsätze mit von ihm neu geworbenen Stammkunden erhalten hat, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne von § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB besteht (Senatsurteil vom 12. Januar 2000 – VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter II 2). Der für den Ausgleichsanspruch maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prognosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (Senatsurteil vom 26. Februar 1997 – VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vgl. auch BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 – I ZR 188/85, a.a.O. unter II B 1 b).

Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Anders als die Revision meint, war das Gericht nicht an die übereinstimmende Berechnungsweise der Parteien, die nur die Mehrfachkundenumsätze des letzten Vertragsjahres zugrunde gelegt hat, gebunden. Das Berufungsgericht hat die in den Jahren 1995 bis 1999 erzielten Mehrfachkundenumsätze ermittelt; dagegen wendet die Revision sich nicht. Angesichts der auf dieser Grundlage für den gesamten Zeitraum festgestellten Schwankungen hat das Berufungsgericht sodann in tatrichterlicher Würdigung einen atypischen Verlauf des letzten Vertragsjahres angenommen und die Mehrfachkundenumsätze der letzten fünf Vertragsjahre seiner Berechnung zugrunde gelegt. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

5. Frei von Rechtsfehlern sind auch die grundsätzlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zu den bei der analogen Anwendung des § 89b HGB berücksichtigungsfähigen Vergütungsbestandteilen.

a) Wenn ein Vertragshändler für seine Verkaufsbemühungen Rabatte auf den Listenpreis des Herstellers erhält, nehmen die Rabattzahlungen wirtschaftlich betrachtet die Stelle der Provisionen eines Handelsvertreters ein. Um eine Vergleichbarkeit zwischen Händlerrabatt und Vertreterprovision zu erzielen, ist es allerdings notwendig, diejenigen Teile des Rabatts bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs herauszurechnen, die der Vertragshändler aufgrund seiner vom Handelsvertreter abweichenden Stellung für Leistungen erhält, die der Handelsvertreter üblicherweise nicht zu erbringen hat. Der Ausgleich nach § 89b HGB stellt eine Vergütung für die Überlassung des vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamms an den Unternehmer dar, so dass bei der Ermittlung der Provisionsverluste (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F.) andere Provisionen oder Provisionsanteile als solche für vertretertypische Tätigkeiten grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben. Diese Grundsätze sind auch bei einer entsprechenden Anwendung des § 89b HGB zu beachten mit der Folge, dass Vergütungen für händlertypische Tätigkeiten nicht berücksichtigungsfähig sind (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 28 m.w.N.).

b) Für die Herstellung einer Vergleichsbasis zwischen Händlerrabatt und Vertreterprovision stehen dem Tatrichter verschiedene Wege offen. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht der Berechnung des Ausgleichsanspruchs den individuellen Rohertrag des Vertragshändlers zugrunde gelegt. Der individuelle Rohertrag stellt dabei die Differenz zwischen dem Verkaufspreis (vom Hersteller unverbindlich empfohlener Listenpreis abzüglich vom Händler gewährter Preisnachlässe an die Kunden) und dem Einkaufspreis des Händlers dar. Im Idealfall entspricht der individuelle Rohertrag des Händlers daher der Summe der Rabatte und Boni, die ihm der Hersteller auf den empfohlenen Verkaufspreis gewährt; er bleibt im Einzelfall nur insoweit hinter dieser Summe zurück, als der Händler selbst Fahrzeuge unter Gewährung von Preisnachlässen und Skonti unter dem Listenpreis verkauft hat. Aus dem individuellen Rohertrag sind dann diejenigen Vergütungsbestandteile herauszurechnen, die nicht handelsvertretertypisch, sondern händlertypisch sind. Außerdem ist der Händlerrabatt in einem weiteren Schritt um diejenigen Anteile zu reduzieren, die der Vertragshändler für solche Leistungen erhält, die ihm – wäre er Handelsvertreter – nicht als Entgelt für seine werbende (vermittelnde) Tätigkeit, sondern für „verwaltende“ (vermittlungsfremde) Tätigkeiten gezahlt würden (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 29 m.w.N.).

aa) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Der Kläger hat die konkreten Neuwagenverkaufsgeschäfte und die hierbei fallbezogen gewährten Zusatzleistungen für den Zeitraum von 1995 bis 1999 gesondert aufgeführt. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht den individuellen Rohertrag ermittelt und diesen dann um die von der Beklagten fallbezogen gewährten Zusatzleistungen erhöht.

bb) Wie das Berufungsgericht weiter mit Recht angenommen hat, kommt es – auch unter Berücksichtigung des Wortlauts von § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F. – für die Einbeziehung von zusätzlichen Vergünstigungen in die Ausgleichsberechnung nicht darauf an, ob dem Vertragshändler ein vertraglicher Anspruch auf die gewährten Zusatzleistungen zusteht. Denn für den Bestand und die Nachhaltigkeit der dem Unternehmer/Hersteller nach Beendigung der Geschäftsbeziehung verbleibenden Vorteile (gewonnene Stammkunden) ist es ohne Belang, ob diese aufgrund freiwilliger oder vertraglich geschuldeter Zusatzleistungen des Unternehmers/Herstellers geschaffen wurden. Umgekehrt macht es auch für den Handelsvertreter/Händler, der nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung nicht mehr mit Zusatzvergütungen für handelsvertretertypische Tätigkeiten rechnen kann, wirtschaftlich betrachtet keinen Unterschied, ob diese vom Unternehmer/Hersteller aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung oder nur auf freiwilliger Basis gewährt wurden, der Handelsvertreter/Händler aber – beispielsweise aufgrund jahrelanger Übung – berechtigterweise erwarten konnte, auch in Zukunft vergleichbare Leistungen zu erhalten. Denn in beiden Fällen sind diese Zusatzleistungen in die Preiskalkulation des Handelsvertreters/Händlers eingeflossen und damit zum festen Bestandteil seines individuellen Rohertrags geworden (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 32 m.w.N.). So liegen die Dinge hier. Die Insolvenzschuldnerin konnte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts, die das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, erwarten, in Zukunft vergleichbare Zusatzleistungen zu erhalten.

6. Aufgrund dieser grundsätzlichen Erwägungen hat das Berufungsgericht für den gesamten Fünfjahreszeitraum vor Vertragsbeendigung Prämien in Höhe von insgesamt 15.160,87 DM, Großabnehmerzuschüsse in Höhe von insgesamt 53.631,– DM und Leasingzuschüsse in Höhe von insgesamt 51.960,84 DM berücksichtigt; für die Jahre 1995 bis 1998 sind dabei insgesamt 13 vom Kläger vorgetragene Geschäfte nicht einbezogen worden, bei denen die Beklagte die Stammkundeneigenschaft in Abrede genommen hatte.

a) Auf das letzte Vertragsjahr entfallen von diesen Beträgen bei den Großabnehmerzuschüssen 12.318,– DM, bei den Leasingzuschüssen 8.500,– DM und bei den Prämien 2.800,– DM (eine im Rahmen der „Prämienaktion X 40 Start“ gezahlte Prämie von 800,– DM sowie eine „Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug“ von 2.000,– DM). Dies hält hinsichtlich der „Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug“ in Höhe von 2.000,– DM den Angriffen der Revision nicht stand.

aa) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings die Großabnehmerzuschüsse in die Ausgleichsberechnung einbezogen. Entgegen der Auffassung der Revision sind solche zum Ausgleich für vom Händler gewährte Großabnehmernachlässe gezahlte Zuschüsse nicht als Entgelte für händlertypische Aufgaben einzuordnen. Sie stellen sich vielmehr bei lebensnaher Betrachtung als verkaufsfördernde Preisnachlässe des Herstellers an den Kunden dar. Mit ihnen wird der Vertragshändler darin bestärkt, die vom Hersteller bereits eingeleiteten, an bestimmte Konditionen gebundenen Absatzbemühungen zu Ende zu führen. In Höhe des vom Hersteller übernommenen Großabnehmerzuschusses wird letztlich das Absatzrisiko auf diesen verlagert. Der vom Hersteller getragene Teil des dem Kunden eingeräumten Preisnachlasses stellt damit kein Entgelt für eine händlertypische Leistung dar, sondern eine finanzielle Verkaufshilfe, die im Hinblick auf die Aufteilung des Absatzrisikos dazu führt, dass der Rohertrag des Händlers nicht in Höhe des vollen Preisnachlasses geschmälert wird (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 35-37 m.w.N.).

bb) Auch die Berücksichtigung der Leasingzuschüsse ist unbedenklich. Dadurch, dass die Leasinggesellschaft die Zuschüsse an die Insolvenzschuldnerin weitergeleitet hat, wurde in dieser Höhe nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts der von der Insolvenzschuldnerin gewährte Rabatt und die hiermit verbundene Schmälerung des Händlerrohertrags teilweise ausgeglichen. Damit wurde auch in diesem Fall das Absatzrisiko auf verschiedene Unternehmen verteilt, so dass auch hier die weitergeleiteten und von der Insolvenzschuldnerin einkalkulierten Zuschüsse nicht als Entgelt für händlertypische Aufgaben anzusehen sind (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 38).

cc) Auch die Berücksichtigung der im Rahmen der „Prämienaktion X 40 Start“ gezahlten Prämie lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch insofern handelt es sich um eine finanzielle Verkaufshilfe, die im Hinblick auf die Aufteilung des Absatzrisikos dazu führt, dass der Rohertrag des Händlers nicht in Höhe des vollen, von ihm gegenüber dem Kunden gewährten Preisnachlasses geschmälert wird. Die Revision macht in diesem Zusammenhang lediglich geltend, dass es an einer vertraglichen Grundlage für die Zahlung der Prämie gefehlt habe. Es kommt jedoch – wie bereits oben unter 5 b bb dargelegt – nicht darauf an, ob die Zusatzleistungen aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung oder auf freiwilliger Basis gewährt wurden, wenn der Vertragshändler berechtigterweise erwarten konnte, auch in Zukunft vergleichbare Leistungen zu erhalten. Das ist hier der Fall (vgl. oben unter 5 b bb).

dd) Mit Recht beanstandet die Revision jedoch die Berücksichtigung der „Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug“ in Höhe von 2.000,– DM. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, es handele sich um eine Zusatzvergütung, die den mit der Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens verbundenen „versteckten“ Rabatt des Händlers ausgleiche.

Die Revision wendet dagegen zutreffend ein, dass das Berufungsgericht bei einer Einbeziehung der Sondervergütung in die Ausgleichsberechnung folgerichtig den von der Insolvenzschuldnerin dem Kunden gewährten Preisnach-lass („versteckten Rabatt“) hätte in Abzug bringen müssen. Denn Rabatte, die ein Händler seinen Kunden gewährt, schmälern in voller Höhe den individuellen Rohertrag (vgl. etwa Senatsurteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 7/95, WM 1996, 1558 unter B I 1 b cc m.w.N.). Sofern der Hersteller aber – wie hier – einen Teil des Absatzrisikos übernimmt, indem er dem Händler verkaufsfördernde Zuschüsse gewährt und dadurch erreicht, dass dessen Rohertrag nicht in Höhe des vollen Preisnachlasses geschmälert wird, sind diese Zuschüsse im Gegenzug dem Rohertrag hinzuzurechnen. Diesen Mechanismus hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Es hat zwar die Zuschusszahlung der Beklagten in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs einfließen lassen, jedoch versäumt, den von der Insolvenzschuldnerin den Kunden eingeräumten Preisnachlass („versteckten Rabatt“) abzuziehen. Ermittelte man aber nicht – gegebenenfalls im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) – die Höhe dieses Rabatts und brächte diesen nicht in Abzug, führte dies zu einem verfälschten Ergebnis. Denn dann würden zwar die zum Ausgleich des Rabatts gewährte Zusatzleistung, nicht aber der – zu Lasten des Händlers gehende – Rabatt selbst bei der Berechnung des Anspruchs nach § 89b HGB analog berücksichtigt (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 41). Zur Höhe des mit der Inzahlungnahme verbundenen „versteckten“ Rabatts hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.

b) Soweit das Berufungsgericht Prämien, Großabnehmerzuschüsse und Leasingzuschüsse auch für Mehrfachkundengeschäfte im Zeitraum vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1999 – also im fünft- bis zweitletzten Vertragsjahr – in seine Gesamtberechnung eingestellt hat, fehlt es an ausreichenden Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang diese berücksichtigungsfähig sind.

Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der in diesem Zeitraum angefallenen Zusatzleistungen nicht näher begründet, warum diese berücksichtigungsfähig sind. Auch hat das Berufungsgericht bisher nicht festgestellt, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe weitere „Sondervergütungen Gebrauchtfahrzeug“ oder vergleichbare Leistungen der Beklagten in dem Betrag von 12.360,87 DM enthalten sind, den das Berufungsgericht für den Zeitraum vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1999 als „Prämien“ berücksichtigt hat.

7. Die Annahme des Berufungsgerichts, der gesamte Rohertrag einschließlich der berücksichtigungsfähigen Zuschüsse sei um händlertypische Bestandteile in Höhe von 29 % zu kürzen, lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten erkennen.
Das Berufungsgericht hat die Quote von 29 % – entgegen der Auffassung der Revision – zutreffend bemessen. Es hat die in Abzug gebrachte Quote von 29 % dadurch errechnet, dass es die von der Klägerin nach dem Händlervertrag zu beanspruchenden Zusatzrabatte von 5 % [Vorführwagenbestand 2 %; Werbung 1 %; Ausstellungsraum 1 %; Beschäftigung geschulter Käufer 1 %]) mit dem Gesamtrabatt von 17,5 % (12,5 % Grundrabatt zuzüglich 5 % Zusatzrabatte) ins Verhältnis gesetzt hat (5/17,5 x 100 = aufgerundet 29 %). Diese Vorgehensweise steht entgegen der Auffassung der Revision nicht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 5. Juni 1996 (VIII ZR 141/95, WM 1996, 1962 unter B I 2 a aa). Danach kann bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nur der Grundrabatt in Höhe von 12,5 % der Händler-Netto-Preise zugrunde gelegt werden. Hieraus ergibt sich aber, anders als die Revision meint, keine Festlegung, auf welchem rechnerischen Weg die Bereinigung um händlertypische Zusatzrabatte zu erfolgen hat. Vom Tatrichter ist nur zu verlangen, dass er eine Berechnung wählt, die sicherstellt, dass die händlertypischen Zusatzrabatte von 5 % herausgerechnet werden. Dem wird die Berechnung des Berufungsgerichts gerecht.

Allerdings hat das Berufungsgericht die rechtsfehlerfrei ermittelte Quote von 29 % zu Unrecht von dem Rohertrag der Klägerin einschließlich der Großabnehmer- und Leasingzuschüsse sowie der von ihm für das letzte Vertragsjahr berücksichtigten Prämien in Abzug gebracht (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 49). Dies wirkt sich jedoch nicht zum Nachteil der Beklagten aus und kann daher auf deren Revision nicht berücksichtigt werden.

8. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist der nach Herausrechnung der händlertypischen Vergütungsbestandteile verbleibende Händlerrabatt in einem weiteren Schritt um den Anteil zu reduzieren, den der Händler für solche Leistungen erhält, die ihm, wäre er Handelsvertreter, nicht als Entgelt für seine werbende (vermittelnde) Tätigkeit, sondern für „verwaltende“ (vermittlungsfremde) Tätigkeiten gezahlt würden. Diesen Anteil hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision, die mindestens 3,16 % in Abzug bringen will, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach § 287 Abs. 2 ZPO auf 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den Mehrfachkunden-Geschäften geschätzt (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 50 m.w.N.).

9. Auch die Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs um 25 % aus Billigkeitsgründen lässt keine Rechtsfehler erkennen.
Die Würdigung der im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB a.F. (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB n.F.) zu berücksichtigenden Umstände obliegt dem Tatrichter, wobei er einen entsprechenden Abzug im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO vornehmen kann. Dass das Berufungsgericht einen Billigkeitsabschlag für die Sogwirkung der Marke V. in Höhe von nicht mehr als 25 % für angemessen erachtet hat, hält sich innerhalb des ihm eingeräumten weiten tatrichterlichen Ermessensspielraums (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 53). Das gilt auch, soweit das Berufungsgericht einen über 25 % hinausgehenden Abzug im Hinblick auf die später übernommene Vertretung der Marke S. mangels Vergleichbarkeit der Marken abgelehnt hat (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 25/08, a.a.O. Rn. 54).

Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht den Ausgleichsanspruch nicht (auch) wegen der Insolvenz gemäß § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB a.F. herabgesetzt habe. Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die Insolvenz unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 1990 (I ZR 2/89, a.a.O. unter II 3 b) zutreffend ausgeführt, dass ein Rückgang des Gesamtumsatzes gegebenenfalls im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein kann. Eine entsprechende Reduzierung hat es jedoch in rechtsfehlerfreier Ausübung seines tatrichterlichen Schätzungsermessens nicht vorgenommen.

10. Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Gegenforderungen aus Materiallieferungen in Höhe von insgesamt 5.181,49 €, mit denen die Beklagte hilfsweise aufgerechnet hat. Das Berufungsgericht hat diese Forderungen als begründet angesehen und ausgeführt, der errechnete Ausgleichsanspruch in Höhe von 73.181,44 € mindere sich somit um 5.181,49 € auf 67.999,95 €. Dieser Betrag übersteige aber noch die Summe von 66.826,95 €, die das Landgericht zugesprochen habe, so dass die Berufung in der Hauptsache ohne Erfolg bleibe.

a) Darin liegt, wie die Revision zutreffend geltend macht, ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot gemäß § 528 Satz 2 ZPO. Hat das erstinstanzliche Gericht den Beklagten unter Verneinung der Gegenforderung teilweise verurteilt, im Übrigen die Klage abgewiesen und hält auf die Berufung des Beklagten das Berufungsgericht die Gegenforderung für begründet, aber auch die Klageforderung (mindestens) um den Betrag der Gegenforderung für höher gegeben als das Erstgericht, dann muss die Berufung in Höhe der Gegenforderung Erfolg haben. Denn den in erster Instanz aberkannten Teil der Klageforderung darf das Rechtsmittelgericht nicht mehr als bestehend betrachten (RGZ 161, 167, 171; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 528 Rn. 39; Zöller/ Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 528 Rn. 26). So verhält es sich hier.

Das Landgericht, das den Vortrag der Beklagten zu den Gegenforderungen als nicht hinreichend substantiiert angesehen hat, hat den vom Kläger geltend gemachten Ausgleichsanspruch lediglich in Höhe von 66.826,95 € für begründet gehalten und die darüber hinaus gehende Klage abgewiesen. Dagegen hat sich nur die Beklagte mit der Berufung gewandt. Deshalb war das Berufungsgericht gehindert, von einer höheren Ausgleichsforderung auszugehen und mit dieser Begründung eine Reduzierung der Verurteilung wegen der – vom Berufungsgericht abweichend vom Landgericht als begründet erachteten – Hilfsaufrechnung mit den Gegenforderungen abzulehnen.

b) Die Revisionserwiderung macht in diesem Zusammenhang allerdings geltend, die Aufrechnung sei gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässig gewesen. Dies lässt sich mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht ohne weiteres verneinen.

Nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat. Nach Verfahrenseröffnung erworben ist auch eine Gegenforderung, die vor Verfahrenseröffnung in aufrechenbarer Weise bestand, noch vor Verfahrenseröffnung an einen Dritten abgetreten und nach Verfahrenseröffnung zurück erworben wurde. Das gilt auch, wenn der Abtretung ein – echtes oder unechtes – Factoring-Geschäft zugrunde liegt (MünchKommInsO/Brandes, 2. Aufl., § 96 Rn. 21; Jaeger/Windel, InsO, § 96 Rn. 38, 41; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 96 Rn. 38, 43; Wienberg in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 96 Rn. 56; FK-InsO/Bernsau, 5. Aufl., § 96 Rn. 14; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl., § 96 Rn. 28; ders., WM 2008, 1525, 1533; vgl. auch Ganter in Festschrift für Kirchhof, 2003, S. 105, 119).

Im Streitfall waren die von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen jedenfalls vor Verfahrenseröffnung an einen Dritten abgetreten worden, denn ausweislich der Rechnungen vom 11. Dezember 1999 und 20. Januar 2000 – diese Daten liegen jeweils vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. November 2000 – waren die Forderungen an die V. GmbH verkauft.

Zum Rückerwerb der Forderungen hat die Beklagte vorgetragen, die Forderungen seien im Rahmen eines unechten Factoring an die genannte Schwestergesellschaft verkauft worden. Könnten die Forderungen – zum Beispiel infolge Zahlungsunfähigkeit des Schuldners – nicht eingezogen werden, fielen sie aufgrund der Factoring-Abrede automatisch an die Beklagte zurück, die diese dann selbst auf eigenes Risiko geltend zu machen habe. Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht ersichtlich seiner Beurteilung zugrunde gelegt und ausgeführt, dass § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Aufrechnung nicht entgegen stehe, auch wenn der Rückerwerb der abgetretenen Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sein sollte.

Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es darauf an, ob der Rückerwerb der Forderungen vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist, denn nur im ersten Fall bestand bei Verfahrenseröffnung eine Aufrechnungslage, die gemäß § 94 InsO erhalten bleibt. Hingegen ist im zweiten Fall, also beim Rückerwerb von aufgrund eines unechten Factoring-Geschäfts abgetretenen Forderungen nach Verfahrenseröffnung, die Aufrechnung – wie vorstehend dargelegt – gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässig. Zum Zeitpunkt des Rückerwerbs der Forderungen, insbesondere zum Inhalt der von der Beklagten vorgetragenen Factoring-Abrede, hat das Berufungsgericht indessen keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein.

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen weiteren Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Besprechung(en) zur Rechtsprechung
Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, wenn nach Beendigung des Vertragsverhältnisses das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wird.
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