Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters gemäß § 90 a HGB
Rechtstipp Handelsvertreterrecht, Wettbewerbsverbot und KonkurrenzverbotDas nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist eine gesetzlich geregelte Vereinbarung, die es dem Unternehmer ermöglicht, Handelsvertreter nach Vertragsende für einen begrenzten Zeitraum daran zu hindern, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden. Geregelt ist dies in § 90a Handelsgesetzbuch (HGB). Ziel ist es, sensible Kundenbeziehungen und Geschäftsgeheimnisse zu schützen – jedoch unter klar definierten rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen.
Wann ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam?
Damit ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot überhaupt rechtlich durchsetzbar ist, müssen bestimmte formale Voraussetzungen erfüllt sein (§ 90a Abs. 1 HGB):
- Die Vereinbarung muss schriftlich getroffen und vom Unternehmer unterzeichnet sein.
- Sie muss dem Handelsvertreter vor Vertragsbeendigung ausgehändigt worden sein.
- Die Wettbewerbsvereinbarung ist in der Praxis meist Bestandteil des Handelsvertretervertrags.
Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist das Wettbewerbsverbot unwirksam – auch wenn die Parteien es inhaltlich eigentlich gewollt haben.
Welche inhaltlichen Grenzen gelten für das Wettbewerbsverbot?
Das Wettbewerbsverbot ist nur dann zulässig, wenn es sich in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Hinsicht im gesetzlich zulässigen Rahmen bewegt:
- Zeitlich: Höchstens zwei Jahre ab dem Ende des Vertrags.
- Räumlich: Es darf sich nur auf den tatsächlich bearbeiteten Bezirk oder Kundenkreis beziehen – nicht auf vertraglich zugewiesene Gebiete, die nie aktiv betreut wurden.
- Sachlich: Nur für die Produkte oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Handelsvertretervertrages waren.
Wichtig: Werden diese Grenzen überschritten, ist das Wettbewerbsverbot unwirksam. Eine automatische Reduzierung auf das gesetzlich zulässige Maß („geltungserhaltende Reduktion“) ist rechtlich umstritten.
Wie lange darf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot dauern?
Gemäß § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB ist die Höchstdauer eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots strikt auf zwei Jahre begrenzt. Diese Frist beginnt ab dem Tag der Vertragsbeendigung zu laufen und ist nicht verlängerbar – auch nicht durch bestimmte vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten oder besondere Umstände.
Was passiert, wenn die zulässige Höchstdauer überschritten wird?
Wird die Dauer des Wettbewerbsverbots über zwei Jahre hinaus vereinbart, ist die Regelung unwirksam (§ 90a Abs. 4 HGB):
- Bei Individualvereinbarungen gilt die gesetzliche Frist von zwei Jahren automatisch anstelle der überlangen Regelung.
- Bei AGB-Klauseln ist die gesamte Wettbewerbsabrede unwirksam – eine sogenannte geltungserhaltende Reduktion findet hier nicht statt.
Auch der Versuch, durch mehrfache Anschlussvereinbarungen eine Verlängerung zu konstruieren, wird rechtlich regelmäßig als Umgehung gewertet und ist unzulässig, solange noch ein enger Zusammenhang zum Handelsvertretervertrag besteht.
Steht dem Handelsvertreter eine Entschädigung zu?
Ja. Sobald ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart wurde, entsteht automatisch ein Anspruch auf Karenzentschädigung (§ 90a Abs. 1 Satz 3 HGB). Diese Zahlung ist gesetzlich vorgeschrieben und dient dem Ausgleich dafür, dass der Handelsvertreter seine berufliche Freiheit nur eingeschränkt ausüben kann.
Wie hoch ist die Karenzentschädigung?
Die Höhe ist gesetzlich nicht konkret festgelegt, muss aber angemessen sein. Maßgebliche Kriterien sind:
- wirtschaftliche Lage und Sicherung des Handelsvertreters,
- Möglichkeit alternativer, nicht konkurrierender Tätigkeiten,
- wirtschaftlicher Nutzen des Verbots für den Unternehmer,
- konkrete Einkommenseinbußen durch das Verbot.
In der Praxis liegt die Entschädigung meist zwischen 50 % und 100 % der bisherigen vertraglichen Vergütung.
Muss die Entschädigung im Vertrag geregelt sein?
Nein. Die gesetzliche Entschädigungspflicht besteht unabhängig davon, ob sie ausdrücklich im Vertrag geregelt ist. Eine entsprechende Klausel ist nicht erforderlich, um den Anspruch auszulösen.
Auch individuell ausgehandelte Wettbewerbsvereinbarungen sind wirksam, selbst wenn sie keine Regelung zur Entschädigung enthalten. In diesem Fall greift der gesetzliche Anspruch.
Auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist es nicht erforderlich, die gesetzlich bestehende Entschädigungspflicht ausdrücklich zu erwähnen. Der BGH hat diese Frage zwar offengelassen, die herrschende Meinung bejaht aber die Wirksamkeit auch ohne ausdrückliche Nennung.
Kann der Unternehmer auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verzichten?
Ja – bis spätestens zum letzten Tag des Vertragsverhältnisses kann der Unternehmer einseitig verzichten (§ 90a Abs. 2 HGB). Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt:
- mindestens 6 Monate vor Vertragsende: keine Entschädigungspflicht.
- weniger als 6 Monate vor Vertragsende: Entschädigung für 6 Monate ab Erklärung – auch wenn das Verbot entfällt.
Wann kann man sich vom Wettbewerbsverbot lossagen?
Bei einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund kann sich der kündigende Teil schriftlich und innerhalb eines Monats vom Wettbewerbsverbot lossagen (§ 90a Abs. 3 HGB). Dies betrifft Fälle, in denen ein Vertragsbruch durch die Gegenseite vorliegt. Die Lossagung muss rechtzeitig und formwirksam erfolgen.
Fazit: Was sollten Unternehmer und Handelsvertreter beachten?
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann ein sinnvolles Mittel zum Schutz unternehmerischer Interessen sein. Es muss jedoch strengen gesetzlichen Anforderungen genügen, um wirksam zu sein. Insbesondere ist die Karenzentschädigung verpflichtend, selbst wenn sie nicht ausdrücklich geregelt wurde. Unternehmer sollten ihre Klauseln sauber formulieren – Handelsvertreter wiederum sollten ihre Rechte auf Entschädigung kennen und notfalls durchsetzen.