Handelsvertreterverträge und Kartellrecht: Auswirkungen und rechtliche Fallstricke
Rechtstipp Handelsvertretervertrag, Pflichten des UnternehmersKartellrechtliche Bestimmungen spielen eine nicht unerhebliche Rolle bei Handelsvertreterverträgen. Viele Unternehmen übersehen, dass das Kartellrecht bestimmte Vertragsklauseln beeinflussen kann. Hier ein Überblick über die wichtigsten Aspekte und Risiken:
Grundlagen: Handelsvertreterverträge und Kartellrecht
Im Kartellrecht spielen die europäischen Vorschriften eine maßgebliche Rolle. Das deutsche Kartellrecht ist an das europäische angepasst. Gemäß § 1 GWB gilt ein allgemeines Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, das sich auch auf vertikale Wettbewerbsbeschränkungen und damit auf Vertriebsverträge erstreckt.
Relevante kartellrechtliche Einschränkungen
- Wettbewerbsbeschränkungen wie Preisvorgaben, Gebietsabsprachen oder Wettbewerbsverbote sind kartellrechtlich problematisch.
- Zu unterscheiden ist zwischen „echten“ Handelsvertretern, die vom Kartellrecht ausgenommen sind, und „unechten“ Handelsvertretern, für die das Kartellrecht uneingeschränkt gilt.
Deutsches und europäisches Kartellrecht: Integration und Auswirkungen
Mit der Reform des GWB im Jahr 2005 wurden die Mechanismen des europäischen Kartellrechts übernommen. Die §§ 1 und 2 GWB erklären horizontale und vertikale Wettbewerbsbeschränkungen für unwirksam, sofern sie nicht durch Gruppenfreistellungsverordnungen (oder eine Einzelfreistellung) erlaubt sind. Dies entspricht den Regelungen in Art. 101 AEUV. Die Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) und die zugehörigen Leitlinien erlässt die Europäische Kommission als zuständige Kartellbehörde.
Was bedeutet das für Handelsvertreterverträge?
- Echte Handelsvertreter sind privilegiert und unterliegen nicht den kartellrechtlichen Einschränkungen.
- Unechte Handelsvertreter hingegen müssen sich an kartellrechtliche Vorgaben halten. Unwirksame Klauseln können den gesamten Vertrag gefährden (§ 139 BGB) und mit Bußgeldern sanktioniert werden.
Echte vs. unechte Handelsvertreter: Abgrenzung und Risiken
Die zentrale Frage ist: Trägt der Handelsvertreter mehr als nur unbedeutende finanzielle oder kommerzielle Risiken im Hinblick auf den Absatz der Vertragsprodukte? Die Europäische Kommission unterscheidet in ihren Leitlinien zur Vertikal-GVO nach folgenden Kriterien:
- Echter Handelsvertreter: Der Handelsvertreter trägt kein wesentliches wirtschaftliches Risiko im Hinblick auf die vermittelten Verträge und die geschäftsspezifischen Investitionen. Er tritt als verlängerter Arm des Auftraggebers auf.
- Unechter Handelsvertreter: Übernimmt der Handelsvertreter Kosten oder Risiken, die typischerweise beim Unternehmer (oder einem Händler) liegen, kann er als unechter Handelsvertreter eingestuft werden.
Kritische Punkte aus Sicht der Kommission:
- Transportkosten: Unproblematisch, wenn der Auftraggeber zahlt. Kritisch, wenn der Handelsvertreter die Kosten selbst trägt.
- Werbekosten: Eine Beteiligung an Marketingmaßnahmen kann problematisch sein.
- Lagerkosten: Das Lagern von Waren auf eigene Rechnung kann zur Umqualifizierung führen.
- Investitionen: Spezifische Investitionen für das Vertriebssystem des Unternehmers können als Risikoübernahme gewertet werden.
- Haftungsrisiken: Die Übernahme von Produkthaftung oder Delkredererisiken kann problematisch sein.
Konsequenzen für die Praxis
Unternehmen müssen sicherstellen, dass Handelsvertreterverträge kartellrechtskonform gestaltet sind.
Besonders wichtig ist:
- Abgrenzung zwischen echtem und unechtem Handelsvertreter.
- Vermeidung von kartellrechtlich bedenklichen Klauseln wie Preisbindungen, Gebietsabsprachen oder (nachvertraglichen) Wettbewerbsverboten.
- Prüfung der Spürbarkeitsgrenze, um festzustellen, ob eine Vereinbarung eine spürbare und damit „relevante“ Wettbewerbsbeschränkung darstellt.
Kartellrechtliche Folgen bei Verstößen
- Vertragsunwirksamkeit: Nicht rechtskonforme Vereinbarungen sind unwirksam (§ 139 BGB).
- Bußgelder: Verstöße gegen das Kartellrecht können empfindliche Strafen nach sich ziehen.
- Schadensersatzforderungen: Wettbewerber oder Kunden können klagen, wenn kartellrechtliche Vorgaben missachtet wurden.
Fazit: Rechtssichere Gestaltung von Handelsvertreterverträgen
Um rechtliche Risiken zu minimieren, sollten Unternehmen folgende Schritte beachten:
- Prüfung des Handelsvertreterstatus: Ist der Vertreter „echt“ oder „unecht“?
- Vermeidung unzulässiger Klauseln: Keine unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen.
- Kartellrechtskonforme Vertragsgestaltung: Abstimmung mit der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen (Vertikal-GVO).
- Regelmäßige Überprüfung: Da sich die Rechtslage weiterentwickelt, sollten Handelsvertreterverträge regelmäßig geprüft werden.
Ein Handelsvertretervertrag muss nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch kartellrechtlich einwandfrei sein. Unternehmen sollten daher rechtzeitig juristischen Rat einholen.