Delkredere-Vereinbarung des Handelsvertreters: Chancen und Risiken für Unternehmer und Handelsvertreter
Rechtstipp HandelsvertretervertragIn der Praxis kommt es häufig vor, dass Unternehmer und Handelsvertreter unterschiedliche Auffassungen darüber haben, ob säumige Kunden weiterhin beliefert werden sollten. Unternehmer lehnen dies oft ab oder machen die weitere Belieferung davon abhängig, dass der Handelsvertreter die Delkredere-Haftung übernimmt, also für die Zahlung des Kunden einsteht.
Was ist eine Delkredere-Vereinbarung?
Die Delkredere-Vereinbarung ist eine vertragliche Regelung, bei der sich der Handelsvertreter verpflichtet, für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen eines vermittelten Kunden einzustehen. Dies geschieht häufig, wenn ein Unternehmer einen Kunden als kreditunwürdig einstuft, die Geschäftsbeziehung aber dennoch fortführen möchte. In diesem Fall kann der Handelsvertreter als Bürge oder Garant für die Zahlungsausfälle des Kunden eintreten.
Diese Vereinbarung bringt sowohl Chancen als auch erhebliche Risiken mit sich. Unternehmer profitieren von einer besseren Absicherung, während Handelsvertreter zusätzliche Vergütung erhalten, aber auch ein hohes finanzielles Risiko eingehen.
Rechtliche Grundlagen der Delkredere-Haftung
Gemäß § 86b Abs. 1 HGB kann die Delkredere-Haftung nur für ein bestimmtes Geschäft oder für Geschäfte mit bestimmten Kunden übernommen werden. Eine wirksame Delkredere-Vereinbarung setzt voraus:
- Eindeutige Benennung des Kunden oder Geschäfts
- Klare Festlegung des Haftungszeitpunkts
- Schriftform (Originaldokument erforderlich, keine E-Mail oder Fax)
Da diese Haftung dem Bürgschaftsrecht unterliegt, kann eine formunwirksame Vereinbarung geheilt werden, wenn der Handelsvertreter bereits gezahlt hat (§ 766 Satz 3 BGB).
Vorteile und Risiken für Unternehmer
Vorteile:
- Höhere Sicherheit bei riskanten Kunden
- Reduziertes Kreditrisiko
- Möglichkeit, Umsätze trotz schlechter Bonität des Kunden zu sichern
Risiken:
- Möglicher Interessenkonflikt mit dem Handelsvertreter
- Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Handelsvertreters
- Erhöhter Aufwand bei Vertragsgestaltung und Durchsetzung
Vorteile und Risiken für Handelsvertreter
Vorteile:
- Zusätzliche Einnahmequelle durch die Delkredere-Provision (§ 86b Abs. 1 HGB)
- Stärkung der eigenen Verhandlungsposition
- Potenzielle langfristige Geschäftsbeziehungen
Risiken:
- Gefahr hoher finanzieller Verluste, wenn der Kunde nicht zahlt
- Schwierige Durchsetzung eigener Ansprüche gegenüber dem Unternehmer
- Gefahr der Umgehung des Handelsvertreterprivilegs nach Art. 101 AEUV, was zu kartellrechtlichen Problemen führen kann
Anspruch auf Delkredere-Provision
Für die Übernahme der Delkredere-Haftung hat der Handelsvertreter einen gesetzlichen Anspruch auf eine besondere Vergütung (Delkredere-Provision), deren Höhe sich nach vertraglichen Vereinbarungen richtet. Dieser Anspruch:
- Darf im Voraus nicht ausgeschlossen werden
- Entsteht mit Abschluss des Geschäfts und ist sofort fällig (§ 271 BGB)
- Gilt nicht für laufende Provisionen nach §§ 87 Abs. 4, 87c Abs. 1 HGB
- Kann vom Unternehmer gerichtlich überprüft werden
Fehlt eine konkrete Vereinbarung zur Höhe, gilt der übliche Satz (§ 87b Abs. 1 HGB). Falls kein solcher existiert, kann der Handelsvertreter die Provision nach billigem Ermessen bestimmen (§ 316 BGB).
Haftungszeitpunkt und Umfang
Der Zeitpunkt des Haftungseintritts kann vertraglich vereinbart werden. Unternehmer bevorzugen oft eine frühzeitige Haftung, z. B. nach der zweiten Mahnung, um Beitreibungskosten zu sparen. Ohne konkrete Vereinbarung kann der Handelsvertreter jedoch verlangen, dass der Unternehmer zunächst rechtliche Schritte gegen den Kunden einleitet.
Die Haftung kann sich nicht nur auf den ursprünglichen Kaufpreis, sondern auch auf Folgeschäden, Mahngebühren und Verzugszinsen erstrecken. Daher ist eine sorgfältige vertragliche Begrenzung der Haftung essenziell.
Rechtsfolgen der Inanspruchnahme
Falls der Handelsvertreter im Rahmen der Delkredere-Vereinbarung zahlen muss, geht die ursprüngliche Forderung gemäß § 774 BGB auf ihn über. Er muss dann selbst versuchen, den offenen Betrag beim Kunden einzutreiben. Dies kann erhebliche Kosten und Prozessrisiken mit sich bringen.
Wann ist eine Delkredere-Vereinbarung sinnvoll?
Eine Delkredere-Vereinbarung kann für beide Seiten vorteilhaft sein, wenn:
- Der Unternehmer hohes Interesse an der Kundenbeziehung hat
- Der Handelsvertreter eine angemessene Delkredere-Provision erhält
- Die Haftungsgrenzen klar definiert sind
- Der Handelsvertreter wirtschaftlich in der Lage ist, die Risiken zu tragen
Fazit
Die Delkredere-Haftung kann für Handelsvertreter eine attraktive Zusatzvergütung darstellen, birgt aber erhebliche Risiken. Daher sollten sowohl Unternehmer als auch Handelsvertreter ihre Rechte und Pflichten genau prüfen. Eine klare vertragliche Regelung zur Höhe der Provision und zu den Haftungsgrenzen ist unerlässlich. Im Zweifel ist eine rechtliche Beratung empfehlenswert, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.