Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters – Was gilt rechtlich und praktisch?
Rechtstipp Pflichten des Handelsvertreters, Wettbewerbsverbot und KonkurrenzverbotWas bedeutet das Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter nach dem HGB?
Nach § 86 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) ist der Handelsvertreter verpflichtet, die Interessen des von ihm vertretenen Unternehmens mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. Diese Pflicht beinhaltet nicht nur eine loyale Betreuung, sondern auch die strikte Unterlassung konkurrierender Tätigkeiten, die die Interessen des Unternehmers gefährden könnten.
Das Wettbewerbsverbot umfasst jede Form von direkter oder indirekter Konkurrenz, sei es durch eigene Tätigkeit oder durch die Zusammenarbeit mit einem konkurrierenden Unternehmen – unabhängig davon, ob hierfür eine gesonderte vertragliche Regelung existiert.
Gilt das Wettbewerbsverbot auch ohne eine ausdrückliche vertragliche Klausel?
Ja. Das Wettbewerbsverbot ist gesetzlich zwingend und entsteht automatisch mit der Aufnahme der Tätigkeit des Handelsvertreters – es bedarf keiner ausdrücklichen Vereinbarung im Handelsvertretervertrag. Seine Grundlage ist die gesetzlich normierte Pflicht zur Interessenwahrung.
Kann das Wettbewerbsverbot durch Vertrag angepasst werden?
Absolut. Die gesetzliche Regelung bildet den Mindeststandard, kann aber durch eine vertragliche Vereinbarung konkretisiert, erweitert oder eingeschränkt werden. Sinnvoll ist das insbesondere, um Rechtsklarheit zu schaffen und Konflikte zu vermeiden.
- Erweiterung: Die Parteien können vereinbaren, dass der Handelsvertreter auch keine Produkte vertreten darf, die nur entfernt mit dem Angebot des Unternehmers verwandt sind, z. B. Zubehör, Ergänzungsprodukte oder Alternativlösungen.
Beispiel: Der Vertrieb von E-Bike-Zubehör kann als wettbewerbsrelevant gelten, wenn der Unternehmer E-Bikes vertreibt. - Einschränkung: Es kann auch vereinbart werden, dass bestimmte Randbereiche ausdrücklich nicht als Wettbewerb gelten.
Beispiel: Der Vertrieb von Outdoor-Bekleidung darf erlaubt sein, obwohl der Unternehmer Freizeitmode vertreibt – sofern keine wirtschaftlich relevante Überschneidung besteht.
Was genau gilt als unzulässiger Wettbewerb?
Diese Frage ist in der Praxis besonders problematisch – denn das Gesetz liefert keine abschließende Definition, was konkret als „Konkurrenz“ zu verstehen ist.
Beispiele zur Veranschaulichung:
- Zwei Fahrzeuge, etwa ein Lada und ein BMW, mögen derselben Produktkategorie „PKW“ angehören, stehen jedoch objektiv nicht in einem wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis, wobei es auch hier zu Überschneidungen kommen kann.
- Bei gleichartigen Produkten (z. B. T-Shirts, Jacken, Hosen) kann die Abgrenzung schwierig sein, insbesondere wenn Zielgruppen, Einsatzbereiche oder Preissegmente überlappen.
- Mode- und Nutzungstrends können Produktgrenzen verwischen: Ein Laufschuh wird im Alltag getragen, eine Wanderhose als Freizeitbekleidung – daraus ergibt sich faktisch ein Wettbewerb.
Auch Preisdifferenzen reichen für eine klare Abgrenzung oft nicht aus: Solange Qualität und Preis vergleichbar bleiben, spricht vieles für ein fortbestehendes Konkurrenzverhältnis.
Wie sollten Handelsvertreter bei neuen Vertretungen vorgehen?
Praxistipp:
Vor der Aufnahme einer weiteren Vertretung sollte der Handelsvertreter:
- Alle bereits vertretenen Unternehmen vollständig informieren – inklusive einer detaillierten Produktbeschreibung der neuen Vertretung.
- Eine schriftliche Unbedenklichkeitserklärung einholen – damit sich der Unternehmer später nicht auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot berufen kann.
Diese Vorsichtsmaßnahme dient dem beiderseitigen Schutz und schafft Klarheit – vor allem in rechtlichen Grauzonen.
Welche Risiken drohen bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot?
Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot kann schwerwiegende Konsequenzen haben:
- Fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrags durch das vertretene Unternehmen
- Verlust des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB – selbst bei langjähriger, erfolgreicher Zusammenarbeit
Der Unternehmer muss hierfür nicht einmal einen konkreten Schaden nachweisen – der bloße Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot reicht bereits aus.
Vorsicht:
Selbst wenn die neue Vertretung nur potenziell wettbewerbsrelevant sein könnte, sollte der Handelsvertreter vorher Rücksprache halten – das schützt vor späteren Kündigungen oder Schadensersatzforderungen.
Was passiert, wenn Konkurrenz erst später entsteht?
In der Praxis häufig: Unternehmen entwickeln sich weiter, Produktpaletten verändern sich – und plötzlich entsteht ein Wettbewerb, der bei Vertragsbeginn nicht existierte.
Beispiele:
- Ein ehemals unbedeutendes Randprodukt wird zum Hauptumsatzträger.
- Die neue Vertretung erweitert ihr Sortiment – plötzlich überschneidet sich das Angebot mit dem des bisherigen Unternehmers.
- Marktentwicklungen führen dazu, dass sich vormals getrennte Zielgruppen annähern.
In solchen Fällen kann sich der Unternehmer trotz ursprünglicher Zustimmung auf § 86 Abs. 1 HGB berufen und die Aufgabe der Wettbewerbsvertretung verlangen. Der Handelsvertreter kann sich dann nicht mehr auf die alte Vereinbarung berufen, da diese durch die veränderten Umstände überholt ist.
Hat der Handelsvertreter ein Kündigungsrecht bei neu entstandener Konkurrenz?
Ja. Wenn der Unternehmer durch eigene Maßnahmen (z. B. Produkterweiterung) eine neue Wettbewerbslage schafft, kann der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis ausgleichserhaltend kündigen. Die Rechtsgrundlage hierfür ist die analoge Anwendung von § 89b Abs. 3 HGB: Die Veränderung stellt einen begründeten Anlass zur Beendigung dar.
Fazit für Handelsvertreter:
- Neue Vertretungen nur mit schriftlicher Zustimmung aufnehmen
- Produktüberschneidungen regelmäßig prüfen
- Veränderungen im Portfolio des Unternehmers stets im Auge behalten
- Im Zweifel: Rechtsberatung einholen