Fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages und Ausgleichsanspruch
Rechtstipp Ausgleichsanspruch, Kündigung des Handelsvertretervertrags„Die berechtigte fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages durch den Unternehmer schließt den Ausgleichsanspruch aus.“ Dieser Satz ist oft zu hören, stimmt aber nicht immer: Eine fristlose Kündigung kann zwar wirksam sein, muss aber nicht dazu führen, dass auch der Ausgleichsanspruch entfällt.
Ein anschauliches Beispiel für diese Differenzierung liefert ein Fall, der dem Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt a. M. vom 09.02.2004 zugrunde lag. Der Handelsvertreter erlitt einen schweren Autounfall und war danach auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig. Nachdem das Unternehmen seit dem Unfall gut 4 Monate abgewartet hatte, ob sich der Gesundheitszustand des Handelsvertreters bessere, kündigte es den Handelsvertretervertrag fristlos.
Fristlose Kündigung, § 89 a Abs. 1 HGB
Das OLG Frankfurt a. M. hielt die fristlose Kündigung durch das Unternehmen für wirksam. Nach § 89 a Abs. 1 HGB kann der Handelsvertretervertrag von beiden Parteien aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn es dem Kündigenden unter Abwägung aller konkreten Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.
Diese Voraussetzungen bejahte das Oberlandesgericht. Es habe im konkreten Einzelfall keine konkreten Anhaltspunkte für eine baldige Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Handelsvertreters gegeben. Eine günstige Gesundheitsprognose sei demzufolge nicht möglich. Drohende bzw. bereits eingetretene Umsatzrückgänge hätten dem Unternehmen ein weiteres Aufschieben der Kündigung nicht mehr ermöglicht.
WICHTIG: Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes war das Recht zur fristlosen Kündigung durch das Unternehmen nicht dadurch verwirkt, dass das Unternehmen mit der Kündigung 4 Monate gewartet hatte. Eine Verwirkung des Kündigungsrechts sei zwar grundsätzlich möglich. In diesem speziellen Fall habe das Unternehmen aber im Interesse des Handelsvertreters zunächst abgewartet, ob sich der Gesundheitszustand des Handelsvertreters bessere. Dieses Abwarten könne nicht dadurch „bestraft“ werden, dass das Kündigungsrecht nunmehr verwirkt sei. Würde man die Unternehmen zwingen, sehr rasch zu kündigen, sei mit einer solchen Entscheidung kranken Handelsvertretern nicht gedient.
Ausschluss des Ausgleichsanspruchs, § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB
Von der Frage der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung ist allerdings die Frage zu unterscheiden, ob der Ausgleichsanspruch ausgeschlossen ist.
Für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung braucht das Unternehmen einen „wichtigen Grund“.
Der Ausgleichsanspruch ist aber nur dann ausgeschlossen, wenn der Kündigung ein „wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters“ zugrunde liegt (§ 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB).
Dieser kleine Unterschied im Wortlaut der Vorschriften wirkt sich im Fall des OLG Frankfurt a. M. aus: Obwohl die fristlose Kündigung wirksam ist, bleibt der Ausgleichsanspruch dem Grunde nach erhalten. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit kann dem Handelsvertreter nämlich regelmäßig nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet werden.
WICHTIG: Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs wird man den Zeitraum der Krankheit nach der Rechtsprechung als „atypischen Zeitraum“ – der die normale Zusammenarbeit der Vertragsparteien nicht charakterisiert – außer Betracht zu lassen haben.
TIPP: Der Ausgleichsanspruch ist binnen eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen, ansonsten verfällt er! Die Geltendmachung sollte aus Nachweisgründen in jedem Fall schriftlich erfolgen.