Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
9 U 129/02 Urteil verkündet am 9. Mai 2003 OLG Hamburg AusgleichsanspruchOberlandesgericht Hamburg
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 9. Zivilsenat, durch […] nach der am 17.04.2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, vom 3. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Entscheidungsgründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung eines Handelsvertreterausgleichsanspruchs gemäß § 89 b HGB in Höhe von DM 115.331,– € 58.967,80.
Der Kläger war seit Januar 1995 Gebietsvertreter der Beklagten für Baden Württemberg.
Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 14.08.1997 das Handelsvertreterverhältnis fristlos mit der Begründung, der Kläger habe gegen das Wettbewerbsverbot für Konkurrenzprodukte verstoßen, indem er Produkte der Firma D. vertrieben habe, wie ihre Verkaufsleiterin, die Zeugin P., anlässlich eines am 08.08.1997 durchgeführten Besuches in seinem Showroom festgestellt habe (Anlage K 2).
Der Kläger seinerseits kündigte daraufhin mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.08.1997 fristlos und zwar einerseits wegen der vorhergegangenen (unberechtigten) fristlosen Kündigung der Beklagten und andererseits wegen einer gegen seinen Willen erfolgten Entfernung der Muster-Kollektionsware der Beklagten durch die Zeugin P. am 14.08.1997.
Der Kläger behauptet, mit von ihm geworbenen Neukunden einen Umsatz von DM 1.078.241,– erzielt und den Umsatz mit Altkunden um DM 196.606,– gesteigert zu haben. Daraus ergebe sich eine Nettoprovision von jährlich DM 114.736,–. Bei einer geschätzten Abwanderungsquote von 20 % jährlich ergebe sich für drei Jahre ein Provisionsverlust in Höhe von DM 223.963,–. Nach Abzinsung verbleibe ein Betrag von DM 190.368,– netto, der durch die Kappungsgrenze auf DM 115.331,– beschränkt werde.
Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme durch Urteil vom 03.06.2002, auf das Bezug genommen wird, zur Zahlung von € 58.967,80 nebst 5 % Zinsen seit dem 22.08.1997 an den Kläger verurteilt (Bl. 167-177 d.A.). Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Anspruch sei nicht nach § 89 b Abs. 3 HGB ausgeschlossen. Es könne nicht festgestellt werden, dass ein wichtiger Grund für die Kündigung der Beklagten vorgelegen habe. Die Eigenkündigung des Klägers sei durch das Verhalten der Beklagten veranlasst worden. Eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs aus Billigkeitsgründen sei nicht geboten.
Gegen das ihr am 05.06.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.07.2002 Berufung eingelegt und sie am 05.08.2002 begründet.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der Ausgleichsanspruch sei nach § 89 b HGB ausgeschlossen, weil der Kläger gegen das ihm obliegende Wettbewerbsverbot verstoßen habe und ihm deshalb aus wichtigem Grund gekündigt worden sei. Hilfsweise habe ein Ausgleichsanspruch jedenfalls nicht in der vom Landgericht zugesprochenen Höhe bestanden, weil sie nach Beendigung des Vertragsverhältnisses aus der Geschäftsverbindung mit den vom Kläger geworbenen neuen Kunden nur ganz unerhebliche Vorteile erlangt habe. Die Umsätze seien nach Ausscheiden des Klägers drastisch zurückgegangen. Die Abwanderung der angeblich durch den Kläger geworbenen Neukunden erkläre sich vermutlich allein vor dem Hintergrund, dass der Kläger die durch ihn angeblich geworbenen Kunden, mit denen anschließend kein Umsatz mehr habe gemachte werden können, zur Konkurrenz mitgenommen habe. Vor diesem Hintergrund wären von der dem Ausgleichsanspruch zugrunde liegenden Provisionen aus vergangenen Jahren besonders hohe Abschläge vorzunehmen. Ein Schwund von jährlich 20 % trage dem keinesfalls Rechnung (Beweis: Sachverständigengutachten).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, Az.: 419 O 86/00 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg vom 03.06.02 – 419 O 86/00 – zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft ebenfalls sein erstinstanzliches Vorbringen. Der erst in zweiter Instanz aufgenommene Versuch, die Höhe der Ausgleichsforderung zu bekämpfen, müsse scheitern. Der Vortrag sei unsubstantiiert, verspätet und im Übrigen nicht relevant, da für die anzustellende Prognose der künftigen Unternehmervorteile bzw. Provisionsverluste allein auf den Zeitpunkt der Beendigung des Vertretungsverhältnisses abzustellen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.
II. Die form und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung eines Handelsvertreterausgleichsanspruchs in Höhe von 158.967,80 verurteilt.
1. Der Anspruch ist nicht ausgeschlossen gemäß § 89 b Abs. 3 HGB. Die Beklagte hat insoweit der ihr obliegenden Darlegungs und Beweislast nicht genügt.
a) Der Ausschlussgrund des Abs. 3 Nr. 2 liegt nicht vor.
Die am 14.08.1997 ausgesprochene fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages war unberechtigt.
Der Umstand, dass der Kläger seit dem 01.07.1996 auch Ware der Fa. D. vertrieb, war der Beklagten eigenen Angaben zufolge bereits seit Ende 1996 bekannt, ohne dass sie ihn zum Anlass genommen hätte, dem Kläger am 24.01.1997 bei dem Gespräch in Hamburg fristlos zu kündigen. Sie kann diesen behaupteten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot durch Vertrieb der Konkurrenzprodukte der Fa. D. daher nicht einer fristlosen Kündigung im August 1997 zugrunde legen, abgesehen davon, dass der Vertrag zwischen dem Kläger und der Fa. D. bereits durch Kündigung der Fa. D. vom 25.04.1997 zum 30.06.1997 beendet worden war (Anlage K 6).
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass am 24.01.1997 eine Vereinbarung getroffen worden sei, wonach sich der Kläger zur sofortigen Aufgabe des Vertriebs D. verpflichtet habe und sie ihre Kündigung auf eine Verletzung dieser Vereinbarung stützt, ist sie beweisfällig geblieben, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, worauf Bezug genommen wird. Auch für das Berufungsgericht ist die Aussage der Zeugin P. für sich allein genommen nicht ausschlaggebend, da die Darstellung des Klägers, wonach vereinbart worden sei, die Vertretung der Fa. D. auslaufen zu lassen, eher plausibel erscheint und mit dem vom Kläger anschließend gezeigten Verhalten, wie es auch vom Zeugen R. bestätigt worden ist, in Übereinklang zu bringen ist. Insoweit ist es auch von Bedeutung, dass die Beklagte im Kündigungsschreiben darauf Bezug nimmt, dass der Kläger am 24.01.1997 zugesichert habe, „unverzüglich“ den Vertrieb der D. Kollektion zu unterlassen. Diese Wortwahl kann ebenfalls mit einer Beendigung des Vertriebs der Konkurrenzprodukte im Rahmen des rechtlich Zulässigen bzw. Zumutbaren erklärt werden. Ein Anlass, die Zeugin P. erneut zu vernehmen, war insoweit nicht gegeben.
Auch das Verhalten des Klägers am 08.08.1997 rechtfertigt keine fristlose Kündigung durch die Beklagte. Der Umstand, dass nach ihrer Behauptung sich (alte) Teile der D.-Kollektion in einem Kollektionssack unter einem Tisch im Showroom zusammen mit aktuellen Teilen der Kollektion der Beklagten befunden haben sollen, ist für sich genommen unerheblich. Ein aktueller Verstoß des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot wird hiermit nicht zwingend indiziert, wobei wiederum darauf abzustellen ist, dass der eigentliche Vertrag des Klägers mit der Fa. D. bereits zum 30.06.1997 beendet worden war. Einer Zeugenvernehmung der von der Beklagten angebotenen Kinder der Zeugin P. bedurfte es daher nicht.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Aussage des Zeugen R. ihm von der Beklagten bereits vor dem 08.08.1997 erklärt worden war, dass man sich kurzfristig vom Kläger trennen werde und ihm, dem Zeugen, die Gesamtkollektion übertragen werde. Diese Aussage stützt in der Tat den vom Kläger geäußerten Verdacht, dass die Beklagte nach Gründen für eine Kündigung gegenüber dem Kläger gesucht hat.
b) Der Ausgleichsanspruch entfällt auch nicht gemäß Abs. 3 Nr. 1 aufgrund der eigenen Kündigung des Klägers vom 21.08.1997. Die Beklagte hat insoweit zumindest durch die am 14.08.1997 von der Zeugin P. verübte eigenmächtige Entfernung der Kollektionsware dem Kläger begründeten Anlass hierfür gegeben.
2. Die vom Landgericht errechnete Höhe des Ausgleichsanspruchs ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Soweit die Beklagte behauptet, durch die vom Kläger gewonnenen neuen Kunden bzw. durch die erheblichen Umsatzsteigerungen mit Altkunden keine Vorteile erlangt zu haben, da die Umsätze nach Ausscheiden des Klägers drastisch zurückgegangen seien, ist dies unerheblich. Die tatsächliche Entwicklung der Verhältnisse während des Prognosezeitraums ist nur insoweit zu berücksichtigen, als sie bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses bereits abzusehen war (vgl. BGH NJW RR 00, 109 m.w.N.). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat auch nichts substantiiert vorgetragen, dass der Kläger nach Vertragsende eine unerlaubte Abwerbung von Kunden der Beklagten vorgenommen hat.
Soweit die Beklagte behauptet, von den dem Ausgleichsanspruch zugrunde liegenden Provisionen aus vergangenen Jahren wären besonders hohe Abschläge vorzunehmen, ein Schwund von jährlich gerade einmal 20 % sei unzureichend, ist dies unsubstantiiert und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich. Im übrigen berücksichtigt die Beklagte nicht hinreichend, dass der Anspruch des Klägers der Höhe nach durch die Kappungsgrenze bereits erheblich eingeschränkt worden ist und eine Abwanderungsquote von jährlich 30 % zu einem Abfindungsbetrag von DM 149,506,73 und von 40 % jährlich immer noch zu einem Ausgleichsanspruch von DM 114.690,10 führen würde, wobei insoweit lediglich entsprechend den Angaben des Klägers mit Nettoprovisionen statt der berechtigten Bruttoprovisionen gerechnet worden ist, Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass in der Strickwarenbranche gleichwohl grundsätzlich von höheren Abwanderungsquoten auszugehen ist, hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen und sind nicht ersichtlich.
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor.