Ausgleichsanspruch eines Franchisenehmers
6 O 106/2001 Urteil verkündet am 28. Mai 2002 LG Hanau Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers analog § 89 b HGBLandgericht Hanau
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
hat das Landgericht Hanau, 2. Kammer für Handelssachen durch […] im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 07.05.2002 für Recht erkannt:
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.897,– € (17.401,?? DM) nebst 5 % Zinsen seit dem 01.01.2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 40 % und die Beklagte 60 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 28.860,– DM in Anspruch.
Die Beklagte hat ein Kfz-Aufbereitungs- und Reinigungssystem entwickelt und beabsichtigt, in der Bundesrepublik Deutschland flächendeckend tätig zu werden. Zu diesem Zweck hat sie Gebietseinheiten aufgebaut.
Mit Vertrag vom 19. September 1997 übertrug sie dem Kläger das Recht zur Durchführung der Dienstleistungsaufträge nach dem „[…]-Know-how“ im Postleitzahlengebiet 22000 bis 22999. Ein Kundenstamm existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Beklagte übermittelte dem Kläger allerdings eine Liste aller in dem Vertragsgebiet bekannten Autohäuser und sie selbst nahm mit den Autohäusern Kontakt auf, um die ihr Produkt vorzustellen und zu bewerben. Aufgabe des Klägers war es, als Vertreter der Beklagten, Verträge mit den Betreibern der Autohäuser über die Reinigung und die Aufbereitung der Kraftfahrzeuge abzuschließen und die Reinigung dann vorzunehmen. Als Vergütung sollte der Kläger 90 % der von den Autohäusern an die Beklagte zu zahlenden Vergütung (vgl. § 7 des Vertrags) erhalten.
Außerdem musste der Kläger für die Überlassung des Vertragsgebietes, das eingeräumte Nutzungsrecht und die Überlassung des Know-hows einen Betrag in Höhe von 30.000,?? DM zuzüglich Mehrwertsteuer bei Vertragsunterzeichnung zahlen (§ 7 des Vertrags).
Nach § 15 wurde der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen mit der beiderseitigen Möglichkeit, diesen mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres oder Kalenderhalbjahres zu kündigen. Nach Kündigung durch die Beklagte sollte der Kläger einen Ausgleich verlangen können, der unabhängig von der Dauer des Vertrages und der Frage, wer den Kundenstamm der […]?GmbH akquiriert hat, 5 % des Umsatzes der auf die Vertragsbeendigung folgenden sechs Monate betragen sollte, mindestens jedoch die gesetzlich geschuldete Summe. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 19. September 1997 (Bl. 12?33 d.A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 25.04.2000 (Bl. 151 d.A.) kündigte die Beklagte den Lizenzvertrag ordentlich zum 31.12.2000.
Während der Vertragszeit erhielt der Kläger von der Beklagten insgesamt Provisionszahlungen in Höhe von 519.455,39 DM. Wegen der Zusammensetzung der einzelnen Kunden, Umsätze und Zahlungen (überschrieben mit Nettoprovision) wird auf BI. 4 und 5 der Klageschrift Bezug genommen.
Im wesentlichen handelte es sich dabei um Umsätze mit drei Kunden, der […].
Die Firma […] wird heute noch von der Beklagten betreut.
Die Firma […] ist von der Beklagten durch den Lizenznehmer […] bis Mitte 2001 weiter betreut worden.
Die Geschäftsbeziehung zur Firma […] ist seit September 2000 beendet.
Vorgerichtlich hat sich der Kläger auf den Standpunkt gestellt, die Beklagte sei nach § 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB ausgleichspflichtig und schulde Zahlung eines Betrages in Höhe von 159.832,29 DM. Hilfsweise hat der Kläger diesen Betrag auch deshalb für gerechtfertigt erachtet, weil die von ihm entrichtete Lizenzgebühr in Höhe von 30.000,?? DM für eine langfristige Vertragsbeziehung verabredet gewesen sei und wegen der vorzeitigen Kündigung sich nicht habe amortisieren können. Das gleiche gelte für einen angeschafften Hochdruckreiniger (1.934,20 DM wegen der Weiterbelastung von 50 % der Anschaffungskosten für den Hochdruckreiniger vgl. Rechnung und Belastungsschreiben Anlage K 6 und 7 Bl. 42 und 43 d.A.).
Nachdem dem Kläger Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB nur in Höhe von 28.860,?? DM gewährt worden ist (PKH-Beschluss Bl. 62?64 d.A.), verfolgt er den Anspruch nur dieser Höhe weiter.
Er ist der Ansicht, dass zumindest der Rechtsgedanke des § 89 b HGB auf den vorliegenden Vertrag Anwendung finde und die Beklagte deshalb ausgleichspflichtig sei. Er habe auch keinen Grund zur fristlosen Kündigung geliefert, da er nie unentschuldigt bei Vertretertagungen gefehlt habe. Zum Teil hätten ihn die Einladungen nicht erreicht, zu weiteren Treffen habe er sich durch seinen Sublizenznehmer vertreten lassen oder er habe sich schriftlich entschuldigt, weil er infolge starker Arbeitsbelastung unabkömmlich gewesen sei (Wegen der genauen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 06.05.2002, Bl. 145 bis 148 d.A., verwiesen.) Der Schwerpunkt der Tagungen habe auch nicht im Schulungsbereich gelegen, sondern in der Diskussion des Problems der Scheinselbständigkeit. Sogenannte Montagsberichte habe er mündlich/telefonisch erstattet.
Außerdem? so meint er ? habe die Beklagte ihm nicht fristlos gekündigt, so dass sie nunmehr nicht damit argumentieren könne. Eine fristlose Kündigung wäre auch schon deshalb nicht erfolgreich gewesen, weil er niemals abgemahnt worden sei.
Dass das Autohaus […] abgewandert sei, habe die Beklagte zu vertreten, da sie höhere Preise habe durchsetzen wollen. Die Firma […] sei trotz seiner guter Leistungen abgewandert, weil die Beklagte in einer anderen Filiale eine nicht zufriedenstellende Probereinigung vorgenommen habe und daraufhin die Firma […] insgesamt die Geschäftsbeziehung zu der Beklagten abgebrochen habe.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.755,88 € (28.860,– DM) nebst 5 % Zinsen seit dem 01. Januar 2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, Handelsvertreterrecht könne auf den vorliegenden Vertrag nicht angewandt werden; die Elemente des Werkvertrages würden bei weitem überwiegen. Außerdem habe der Kläger keinerlei Kunden geworben, sondern die ganzen Akquisitionsbemühungen seien von ihr aus gegangen. Dass der Kläger sich bereit gehalten habe, Aufträge auszuführen, genüge nicht, weil es sich dabei nicht um eine werbende Tätigkeit handele.
Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses habe sie dauerhaft auch nur den Kunden übernehmen können.
Dem Kläger stehe ein Ausgleich nicht zu, weil sie berechtigt gewesen sei, das Vertragsverhältnis fristlos zu kündigen. Der Kläger habe durch Verletzung seiner Berichts- und Mitwirkungspflichten bei Lizenznehmerschulungen und der Weigerung das AIR-Brush-Reparatursystem in seinem Gebiet einzuführen, die Zerrüttung des Verhältnisses herbei geführt.
Der Kläger habe – so behauptet die Beklagte – von acht Vertretertreffen im Zeitraum 01.03.1999 bis 24.10.2000 nur an einem teilgenommen (Einzelheiten Bl. 100-113 d.A.).
Obwohl er mit der Fertigung von sogenannten Montagsberichten einverstanden gewesen sei, habe er keinen einzigen der Beklagten übersandt.
Zudem habe der Kläger nach Vertragsbeendigung Gelegenheit gehabt, das Gebiet für 45.000,–DM an einen neuen Lizenznehmer zu verkaufen, dieses Angebot habe der Kläger abgelehnt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in Höhe von DM 17.401,– (8.897,– €) nach § 89 b HGB i. V. m. § 15 Nr. 5 des Lizenzvertrages vom 19.09.97 begründet.
§ 89 b HGB findet auf den vorliegenden Vertrag entsprechende Anwendung. Der hier zur Diskussion stehende Vertrag enthält Elemente des Lizenz?, Franchise? Dienst? und Werkvertrags. Der Schwerpunkt bzw. die Klammer, die die anderen Elemente überspannt, liegt auf der Franchiseebene. Es handelt sich um ein Absatzsystem nicht für Waren sondern für eine standardisierte Dienstleistung, um ein sogenanntes Dienstleistungsfranchising. Inwieweit eine Anwendung des § 89 b HGB auf Franchiseverträge geboten ist, wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet, allerdings mit einer klaren Tendenz zur Anwendung. Ausgehend von der gefestigten Rechtsprechung, die den Ausgleichsanspruch auch einem Vertragshändler (Eigenhändler) (zuletzt BGH 98, 66 ff.) zubilligt, ist eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB auf den Franchisevertrag zu bejahen.
Wie beim Vertragshändler ist zentrale Voraussetzung für die entsprechende Anwendung des § 89 b HGB, die Einbindung des Franchisenehmer in die Absatzorganisation des Unternehmens: Der Franchisenehmer muss so eingebunden sein, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat. Der wirtschaftliche Erfolg von Franchisesystemen gründet sich darauf, das Verbraucher ihre in einem Geschäftslokal gemachte Konsumentenerfahrung ohne Gefahr der Enttäuschung auf andere Lokale übertragen können.
Die Gleichmäßigkeit der Qualität der angebotenen Waren oder Dienstleistungen muss somit sichergestellt sein. In der Regel darf deshalb das zur Verfügung gestellte Know-How und die zum System gehörenden gewerblichen Schutzrechte nicht nur benutzt werden, sondern es besteht Benutzungs- und Überprüfungszwang.
Diese Kriterien sind bei dem hier vorliegenden Vertrag erfüllt. Der ganze Vertrag steht unter dem Verdikt des einheitlichen Auftretens nach außen (Systemanwendungspflicht) und unter qualitätssichernden Maßnahmen der Beklagten. Der Lizenznehmer muss die seitens der Beklagten entwickelten Richtlinien anwenden, er muss an Fortbildungen teilnehmen, er muss Kontrollen durch die Beklagte dulden.
Es gibt Vertriebsschutz für die zugewiesenen Gebiete und ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Der Unterschied zu den sonst unter dem Stichwort Franchisevertrag aufgeführten Vertragsgestaltungen liegt mehr darin begründet, dass der Lizenznehmer nicht im eigenen Namen Verträge mit Kunden abschließt, sondern diese Verträge mit der Beklagten, der Franchisegeberin, selbst zustande kommen und diese auch das Zahlungsrisiko trägt. Das spricht hier aber nicht gegen eine Anwendung des § 89 b HGB, sondern damit ist der vorliegende Vertragstyp sogar angenähert an den Handelsvertretervertrag, bei dem die Beziehungen in der Regel auch zwischen Unternehmer und Kunde zustande kommen.
Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass es sich bei der KFZ-Reinigung/Aufbereitung um reine Werkverträge handele, die der Kläger zu erfüllen habe, beleuchtet das nur einen Ausschnitt des gesamten Vertragsgefüges. Was der Franchise/Lizenznehmer zu erbringen hat, spielt nicht die entscheidende Rolle. Wichtig ist vielmehr, ob er sich an die Vorgaben des Unternehmers halten muss, so etwa an Qualitätsrichtlinien und Lieferantenlisten und ob die Ware „Dienstleistung“ oder das Werk „Systemprodukt“ verkauft wird. Der Kunde ordnet die Dienstleistung/das Werk oder das Produkt vornehmlich dem System zu und betrachtet sich auch oder vornehmlich als Kunde des Systems. Von daher wird ein Kundenstamm für das System begründet und nur das ist für die Analogie entscheidend. Gewiss vertreibt der Kläger hier keine fremde Dienstleistungen, sondern er erstellt sie in eigener Verantwortung. Indessen kann er die Dienstleistung in ihre spezifischen, standardisierten und darum ? werbewirksamen Gestalt nur aufgrund der Vorgaben und Hilfestellung des Lizenzgebers erbringen. Die Dienstleistung / das Werk ist eine Gemeinschaftsproduktion von Franchisegeber und Franchisenehmer: Der eine liefert das Wissen und die Erfahrung, der andere leistet die Realisierung.
Zweite wesentliche Voraussetzung ist, dass der Franchisenehmer dem Unternehmer gegenüber vertraglich verpflichtet ist, diesem (spätestens) bei Beendigung des Vertragsverhältnisses seinen Kundenstamm zu überlassen, so dass dieser sich den Kundenstamm sofort ohne weiteres nutzbar machen kann.
Das ist hier der Fall. Diese Verpflichtung bestand hier nicht erst bei Beendigung des Vertragsverhältnisses, sondern schon während Laufs des Vertrags. Weil alle Verträge zwischen den Kunden und der Beklagten unmittelbar geschlossen wurden, war der Kläger gehalten, der Beklagten alle Kundendaten unverzüglich zu ermitteln. Rein formal gesehen, mussten Kunden des Klägers, nicht der Beklagten überlassen werden, weil es von Anfang an nur Vertragsbeziehungen zwischen der Beklagten und den Kunden gab. Das ist aber bei einem Handelsvertretervertrag nach § 84 HGB nicht anders; es kommt nur darauf an, dass das Kundenpotenzial dem Unternehmer zu übertragen ist.
Weiterhin muss der Kläger selbständiger Unternehmer sein, denn ein Ausgleichsanspruch steht nur dem Handelsvertreter zu, der selbständiger Gewerbetreibender ist und nicht bloß Angestellter (§ 84 HGB). Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Maßgebend ist aber das Gesamtbild. Hier kann der Kläger seine Geschäftsöffnungszeiten und damit seine Arbeitszeiten selbst festlegen. Gleiches gilt für die Festlegung der Urlaubszeiten. Befugnisse zu Einzelanweisungen hinsichtlich der Tätigkeit hat die Beklagte nicht. Zudem haben die Parteien diesen Punkt nicht problematisiert und die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, schon mehrfach von Sozialversicherungsträgern geprüft worden zu sein, ohne dass diese die Lizenznehmer als Arbeitnehmer betrachtet hätten.
§ 89 b HGB findet damit entsprechende Anwendung. Diese Vorschrift kann nach § 89 b Abs. 4 HGB nicht im Voraus ausgeschlossen werden. Dem trägt § 15 Ziff. 5 des Vertrages der Parteien Rechnung. Dort ist festgehalten, dass der gesetzlich geschuldete Betrag als Ausgleich mindestens zu zahlen ist, ein höherer Ausgleich dann, wenn 5 % des Umsatzes, der 6 Monate nach Vertragsbeendigung im Vertragsgebiet erzielt wird, höher wäre. Letzteres haben die Parteien nicht behauptet.
§ 89 b HGB setzt voraus, dass dem Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile verbleiben und der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande gekommenen Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte. Unstreitig ist, dass bei Übergabe des Vertragsgebiets an den Kläger dort Tätigkeiten im System der Beklagten noch nicht ausgeführt wurden. Unstreitig ist auch, dass die Beklagte, die möglicherweise in Betracht kommenden Vertragspartner in dem Gebiet aufgelistet und mit den einzelnen Autohäusern in Kontakt getreten ist, um ihr System und den Kläger bekannt zu machen. Trotz dessen war die Tätigkeit des Klägers für die Werbung von Neukunden mitursächlich und das genügt. Wie in den Tankstellenurteilen ausgeführt (BGH NJW 98, 66 ff. m.w.N.) genügt es, wenn die Tätigkeit des Tankstellenhalters für das Zustandekommen der Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Mineralölunternehmen mitursächlich geworden ist. Dafür reicht es aus, dass die Tankstelle offen gehalten und betrieben wird. Mag daher die Sogwirkung eines Systems als Hauptursache für die Gewinnung von Kunden anzusehen seien, so ist daneben die Leistung des Lizenznehmers nicht zu vernachlässigen: Er ist es, der die konkrete Leistung am Markt anbietet und den unmittelbaren Kundenkontakt herstellt. Erbringt er sie schlecht, wird auch ein noch so freundlicher akquirierter Kunde die Dienstleistung nicht lange oder häufiger entgegennehmen. Von daher sind alle in der Klageschrift aufgeführten Kunden Neukunden i. S. d. § 89 b HGB. Angesichts der geringen Anzahl der Kunden, des hohen Auftragsvolumens und der Dauer der Kundenbeziehung ist offensichtlich, dass sie sich bei […], […] und […] um Stammkunden handelt.
Der Beklagten verbleiben auch Vorteile aus der Geschäftsverbindung nach Vertragsbeendigung. Da die aufgeführten Kunden Stammkunden sind, ist zu erwarten, dass nach Beendigung des Vertrags mit dem Kläger weitere Bestellungen erfolgen; dafür spricht schon eine tatsächliche Vermutung. Hinsichtlich der Kunden […] und […] war das ja auch unstreitig der Fall. Da die Firma […] bereits im September 2000 die Geschäftsverbindung beendet hatte, muss dieser außer Betracht bleiben. Insoweit spielt auch keine Rolle, warum die Firma […] die Vertragsbeziehung beendet hatte. Diese Kundin wurde jedenfalls nicht an die Beklagte übergeben. Außer Betracht bleiben auch die Kunden außerhalb des Postleitzählengebietes 22. Hier wurden nur Umsätze im Jahr 1997 und 1998 getätigt. Gleiches gilt für die Firma […] mit der ebenfalls nur im Jahr 1999 Umsätze getätigt wurden. Unter Zugrundelegung der Kunden […] und […] erwirtschaftete der Kläger im Jahr 2000 einen Nettoumsatz von 207.135,– DM. Der in letzten 12 Monaten vor Vertragsbeendigung erzielte Umsatz ist Ausgangsbasis für die Errechnung des Ausgleichsanspruchs. Es ist zu ermitteln, in welcher Höhe der Lizenznehmer aufgrund der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche verliert, die er bei dessen Fortsetzung aus Geschäften mit von ihm geworbenen Kunden gehabt hätte. Für den in ähnlicher Lage befindlichen Vertragshändler hat der BGH beider Berechnung des Anspruchs nicht auf die Handelsspanne bzw. den Händlerrabatt abgestellt, sondern näherungsweise auf den Betrag, der einem Handelsvertreter in gleicher Lage zugestanden hätte (z.B. BGH BB 77, 511 f., BGH BB 96, 2265 ff., Köhler, Ausgleichsanspruchs des Franchisenehmers, Bestehen, Bemessung, Abwälzung in NJW 90, 1689 ff.; Bodewig, Der Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in BB 97, 637 ff.). Um einen Anhaltspunkt dafür zu bekommen, muss man nicht auf die Erstellung, sondern auf den Vertrieb der Dienstleistung abstellen, d. h. die Kosten der Erstellung (Lohnkosten) müssen heraus gerechnet werden Dies kann vorliegend nicht sicher abgeschätzt werden, weil sich die Parteien dazu nicht geäußert haben. Anhand der Erfahrungen in sonstigen Handelsvertreterausgleichsprozessen und der vorliegenden konkreten Vertragsgestaltung ist das Gericht im Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss davon ausgegangen, dass 10 % bis 15 % des Umsatzes als Handelsvertreterprovision bei einer derartigen Ausgestaltung in Betracht kämen. Die Parteien haben das hingenommen. Trotz gewisser Bedenken erscheint es vorliegend richtig, den in Betracht zu ziehenden Prozentsatz nach § 287 ZPO zu schätzen und nicht ein Gutachten einzuholen. Dies deshalb, weil es zum Einen es keine richtig vergleichbaren Handelsvertreterverhältnisse geben wird und zum Anderen im Rahmen von § 89 b HGB soviel Billigkeitserwägungen eine Rolle spielen, dass ein Verschätzen bei den Prozentwerten durch andere Erwägungen relativiert wird.
In Modifikation der Erwägung im Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss ist allerdings nur eine Provisionshöhe von 10 % anzusetzen. Im Rahmen der Prozesskostenhilfegewährung wurde von 15 % ausgegangen, weil dort eine großzügige Betrachtungsweise geboten ist und davon auszugehen war, dass dieser Punkt von den Parteien im nachfolgenden Verfahren noch vertieft wird.
Nach den Erfahrungen des Gerichts in anderen Handelsvertreterausgleichsstreitigkeiten stellt eine 10 %ige Umsatzprovision die Obergrenze dar.
Ausgehend von der kalkulatorischen Prämisse, dass bei der vorliegenden Vertragsgestaltung der Kläger jedenfalls nicht weniger als die Beklagte am Gewinn beteiligt werden sollte, kann Orientierungspunkt auch die der Beklagten verbleibende Franchisegebühr sein. Nach dem Vertrag sind das 10 %. Da die Beklagte aber das gesamte Insolvenzrisiko der Kunden trägt, sie auch alle Rechnungen und Schreiben erstellen und verwalten muss, sie für Marketing zuständig ist und die Schulungen ausführen muss, verbleibt keine Gewinnspanne von 10 %, sondern deutlich weniger. Zum; Teil werden die aufgeführten Kosten aber auch durch die Eintrittsgebühren abgedeckt. Von daher und weil dem Kläger wegen des größeren Risikos wohl mehr verbleiben sollte als der Beklagten, erscheint ein Ansatz von 10 % nicht zu wenig. Wie oben ausgeführt, ist Ausgangsbasis für die Errechnung der Ausgleichsanspruchs der in letzten 12 Monaten vor Vertragsbeendigung erzielte Umsatz (Kunden […] und […] in Höhe von 207.135,– DM netto. Unter Berücksichtigung einer üblicherweise anzusetzenden Abwanderungsquote von 20 %, eines Prognosezeitraums von 4 Jahren und einer Abzinsung von 8 % würde sich bei 10%igen Provisionshöhe ein Provisionsanspruch von um die 45.000,– DM ergeben. Würde man, weil es hier nur um 2 Kunden geht und der Verlauf der Beziehung feststeht (Abwanderung […], eine konkrete Betrachtung anstellen, so wäre allein auf den Umsatz des Kunden […] abzustellen DM 117.395,??). Unter Ansatz eines 4?jährigen Prognosezeitraums, einer 10 %igen Provision und einer 8 %igen Abzinsung würde sich ohne Abwanderung ein Anspruch von rund 42.000,–DM, bei Abwanderung von 20 % ein solcher von um die 25.000,– DM errechnen.
Wie vorzugehen ist, braucht im Ergebnis nicht vertieft zu werden, da der Ausgleichsanspruch der Höhe nach begrenzt ist auf eine durchschnittliche Jahresprovision und dieser Wert deutlich geringer ist, als die oben ermittelten Ansprüche.
Der Höchstprovisionsanspruch (§ 89 b Abs. 2 Satz 1 HGB) errechnet sich nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechneten Jahresprovision. Auch hier gelten die oben angestellten Erwägungen. Bei Berechnung der durchschnittlichen Jahresprovision ist beim Dienstleistungsfranchising der Wert der Dienstleistung heraus zu rechnen, es ist auf das abzustellen, was ein vergleichbarer Handelsvertreter erzielen würde, also 10 % des Umsatzes.
Ausgehend von dem Vortrag Bl. 6 der Klageschrift hat der Kläger in der Vertragszeit Provisionen in Höhe von 463.340,?? DM und 45.644,?? DM erwirtschaftet. Das sind insgesamt 508.985,– DM an Provisionen.
Da sein Provisionsanspruch bei 90 % lag, ergibt sich ein Umsatz von 565.538,– DM. Dividiert man diesen durch die Vertragslaufzeit von 39 Monaten, so ergibt sich bezogen auf das Jahr ein Umsatz von 174.012,– DM. Unter Ansatz einer gerechtfertigten Provision von 10 ermittelt sich damit eine Jahreshöchstprovision in Höhe von 17.401,– DM. Wenn man betrachtet, dass die abgezinste verlorene Provision sich je nach Berechnungsvariante auf 25.000 bis 25.000 beläuft und insoweit noch ein Abschlag für die Sogwirkung der Marke zu machen ist, so zeigt sich aber doch im Ergebnis, dass ein Wert unter 17.000,– DM nicht in Betracht kommt. Wegen der Sogwirkung ist hier ein großer Abschlag auch nicht gerechtfertigt. Da der Kläger eine „Eintrittsgebühr“ in Höhe von 30.000,– DM bezahlen musste, ist jedenfalls zum Teil die von ihm während der Vertragszeit geschaffene und aufrechterhaltene Sogwirkung abgegolten ist (vgl. Bodewig, Der Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, BB 97, 637 ff., insbesondere 643).
Der Ausgleichsanspruch gerät auch nicht deshalb in Wegfall, weil die Beklagte das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag. (§ 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB). Soweit ist erst einmal ohne Bedeutung, ob das Vertragsverhältnis ordentlich oder außerordentlich gekündigt wurde (vgl. Baumbach/Hopt, 30. Aufl., Rdnr. 64 zu § 89 b HGB). Entscheidend ist nur, dass gekündigt wurde und ein wichtiger Grund vorlag, der in einem schuldhaften Verhalten des Handelsvertreters bestand.
Daran fehlt es hier.
Es ist gut nachvollziehbar, dass die Beklagte ein großes Interesse daran hat, dass die einzelnen Lizenznehmer an den Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen, damit die Informationen für die Aufrechterhaltung und die Förderung des Know-how übermittelt werden können. Es ist auch unstreitig, dass der Kläger mehrmals nicht da war, ob er mündlich entschuldigt war oder die Einladung nicht erhalten hat, ist umstritten. Im Ergebnis kann es aber auch dahinstehen, denn allein das unentschuldigte Fehlen genügt nicht. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, dass die Beklagte den Kläger unmissverständlich und schriftlich abmahnt. Bei Dauerschuldverhältnissen, die nicht immer so praktiziert werden, wie es die schriftlichen Vertragstexte vorsehen und bei denen sich im Lauf der Zeit bestimmte, entweder abweichende oder überhaupt nicht geregelte, Vorgehensweisen heraus bilden, ist es erforderlich, dass der Vertragspartner, der die Nichteinhaltung von (insb. Neben?)pflichten zum Anlass für weitreichende Konsequenzen nehmen will, vorab entschieden deutlich macht, dass er auf deren Einhaltung besteht. Das ist hier nicht geschehen.
Im Ergebnis das gleiche gilt für die Monatsberichte, bei denen es umstritten ist, ob der Kläger sie mündlich abgeleistet hat.
Dass der Kläger das AIR-Brush-Reparatursystem nicht in seinem Gebiet eingeführt hat, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Nach dem Vertrag war er dazu nicht verpflichtet. Bei dem Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB geht es auch nicht um eine Strafe oder um einen Schadensersatzanspruch. Vielmehr soll der Lizenznehmer für das, was er getan hat und was nunmehr nach Beendigung des Vertrages für den Lizenzgeber weiter wirkt, entlohnt werden. Arbeitet ein Teil des Systems ordnungsgemäß, profitiert das gesamte System davon.
Im Übrigen möge die Beklagte, die den Ausgleichsanspruch höchst unbillig findet, bedenken, dass der Kläger immerhin eine Eintrittsgebühr in Höhe von 30.000,– DM gezahlt hat und in den ersten drei Monaten nur Zahlungen in Höhe von 50 % der getätigten Umsätze erhielt. Bei einem durchschnittlichen Jahresumsatz von 174.000,– DM sind das weitere 17.400,– DM (174.000,– DM: 12 x 3 = 43.500,– DM; Differenz zwischen 90 % (39.150,– DM) und 50 % (21.750,– DM), die die Beklagte erhalten oder eingespart hat. Damit sind die Schulungskosten bei weitem abgedeckt.
Über eine anteilige Rückzahlung der 30.000,– DM bzw. der Kosten für den Hochdruckreiniger ist nicht zu entscheiden, da insoweit keine Prozesskostenhilfe gewährt wurde.
Die zugesprochenen Zinsen sind aus dem Gesichtspunkt des Verzugs gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt entsprechend § 92 ZPO dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Verlierens.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.