Beratungs- und Aufklärungspflichten des Versicherungsmaklers, Beweislast
I ZR 147/14 Urteil verkündet am 10. März 2016 BGH VersicherungsmaklerrechtBundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2016 durch […]
Tenor
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Juni 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1 Die Klägerin ist eine französische Tochtergesellschaft der M. Markenprodukte GmbH & Co. KG (im Folgenden „M.“). Sie stellt Aerosole für die kosmetische Industrie her. Die Beklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Versicherungsmaklergesellschaft E. & M. GmbH & Co. KG Assekuranzmakler (im Folgenden „E & M“).
2 M. schloss am 20. November 2006 mit E & M einen Versicherungsmaklervertrag mit dem Ziel, den bestehenden Versicherungsschutz von insgesamt 15 Gesellschaften der M.-Firmengruppe, darunter denjenigen der Klägerin, zu überprüfen und hinsichtlich der Risikoabdeckung und der Prämienhöhe zu verbessern. Nach mehreren Gesprächen zwischen dem für M. handelnden Directeur general der Klägerin Dr. G. (im Folgenden: Geschäftsführer der Klägerin) und seiner Mitarbeiterin F. und dem Mitarbeiter H. von E & M kam es bei der Klägerin zu einem Wechsel der Sachversicherung und der Betriebsunterbrechungsversicherung. Ab dem 1. Januar 2007 umfasste die Sachversicherung insgesamt 13 Risikokategorien und die Betriebsunterbrechungsversicherung die Schäden aufgrund von Feuer, Sturm und Hagel. Nicht versichert waren zahlreiche weitere Risiken in der Betriebsunterbrechungsversicherung, zu denen das Risiko einer Leckage der Sprinkleranlage gehörte.
3 Die Klägerin hat vorgetragen, am 26. September 2007 sei es zu einem Fehlalarm in ihrem Betrieb gekommen. Dieser habe dazu geführt, dass die Sprinkleranlage der Lagerhalle in Betrieb gesetzt worden sei. Die Halle habe sich mit Lösch-Schaum gefüllt, dadurch seien von der Betriebsunterbrechungsversicherung nicht gedeckte Schäden von mehr als 10 Mio. € entstanden.
4 Die Klägerin hat beantragt festzustellen,
dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist oder noch entsteht, dass sie für das Schadensereignis vom 26. September 2007 (Sprinkler-Leckage) keinen Versicherungsschutz im Rahmen der Betriebsunterbrechungsversicherung hatte.
5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
6 I. Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage für zulässig und unbegründet gehalten. Dazu hat es ausgeführt:
7 Die Klägerin sei zwar als Vertragspartnerin des Versicherungsmaklervertrages aktivlegitimiert. Es bestehe aber kein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB, da nicht bewiesen sei, dass E & M Pflichten aus dem Versicherungsmaklervertrag verletzt habe. Nach der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme sei nicht bewiesen, dass der Geschäftsführer der Klägerin dem Mitarbeiter der Beklagten H. zu verstehen gegeben habe, die Klägerin wünsche bei der Betriebsunterbrechungsversicherung einen umfassenden, alle Risiken abdeckenden Versicherungsschutz. Nicht bewiesen habe die Klägerin zudem, dass E & M ihre Pflicht verletzt habe, darauf hinzuwirken, dass der Versicherungsschutz bei Betriebsunterbrechungen alle Risiken erfasse. Nach den Bekundungen des Zeugen H. habe dieser nachdrücklich zu einer Ausweitung des Versicherungsschutzes bei der Betriebsunterbrechungsversicherung auf die Risiken, die auch von der Sachversicherung abgedeckt seien, geraten. Diese Darstellung habe die Klägerin nicht widerlegt. Es lägen auch keine anderen Pflichtverletzungen von E & M vor.
8 II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9 1. Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht als zulässig angesehen. Es hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen, die Klägerin habe bei Klageerhebung den ihr entstandenen Schaden teilweise noch nicht beziffern können und die Schadensentwicklung sei noch nicht abgeschlossen gewesen. Bei einer solchen Sachlage ist das Feststellungs- und Rechtsschutzinteresse für den geltend gemachten Feststellungsantrag gegeben. Einwendungen dagegen hat die Revision nicht erhoben, Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
10 2. Die Klage kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht abgewiesen werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin aktivlegitimiert (dazu II 2 a) und die Beklagte passivlegitimiert ist (dazu II 2 b). Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann aber ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB nicht verneint werden (dazu II 2 c).
11 a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin aus dem von M. mit E & M geschlossenen Versicherungsmaklervertrag vom 20. November 2006 Ansprüche geltend machen kann. Die Klägerin gehört zu den in der Anlage zu diesem Vertrag aufgeführten Auftraggebern der E & M. Der Vertrag ist zwar allein von M. unterzeichnet. M. hat ihn jedoch erkennbar im Namen aller im Einzelnen aufgeführten Unternehmen der M.-Firmengruppe als deren Vertreter geschlossen.
12 Soweit die Vertragsparteien am 30. November 2007 einen Ergänzungsvertrag zum Versicherungsmaklervertrag vom 20. November 2006 abgeschlossen haben, nach dem die Klägerin von dem Vertrag nicht mehr erfasst sein sollte, galt diese Änderung nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vereinbarung nur für die Zukunft. Im Streitfall geht es um Vorgänge im Zusammenhang mit dem Neuabschluss der Betriebsunterbrechungsversicherung zum 1. Januar 2007, die zeitlich vor der Vertragsänderung liegen.
13 b) Die Klägerin kann vertragliche Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Beklagte die persönlich haftende Gesellschafterin der E & M, einer Kommanditgesellschaft. Als solche haftet sie für Vertragsverletzungen der Gesellschaft gemäß den § 161 Abs. 2, § 128 HGB.
14 c) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB bestehe nicht, da nicht bewiesen sei, dass die E & M Pflichten aus dem Versicherungsmaklervertrag verletzt habe. Nach den bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann eine solche Pflichtverletzung nicht verneint werden.
15 aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht wegen einer Haftung der Beklagten auf Schadensersatz § 280 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage herangezogen.
16 (1) Zwar gelten seit dem 22. Mai 2007 für die Haftung der Versicherungsvermittler (Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler) wegen der Verletzung von Pflichten in der Phase bis zum Abschluss des Versicherungsvertrags vorrangig die speziellen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes. Das waren zunächst die Vorschriften der §§ 42a ff., 42e VVG a.F. und seit dem 1. Januar 2008 – inhaltlich unverändert – die Bestimmungen der §§ 59 ff., 63 VVG (BGH, Urteil vom 13. November 2014 – III ZR 544/13, BGHZ 203, 174 Rn. 9).
17 (2) Der streitgegenständliche Versicherungsmaklervertrag vom 20. November 2006 wurde jedoch noch vor Inkrafttreten der §§ 42a ff., 42e VVG a.F. am 22. Mai 2007 abgeschlossen, so dass für die von der Klägerin geltend gemachten Vertragspflichtverletzungen die allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs maßgeblich sind.
18 bb) Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz oft kurzfristig zu besorgen. Deshalb ist er anders als sonst der Handels- oder Zivilmakler dem ihm durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen Versicherungsnehmer gegenüber üblicherweise sogar zur Tätigkeit, meist zum Abschluss des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet. Dem entspricht, dass der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den Versicherungsnehmer als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu plazieren, unterrichten muss. Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden. Das gilt trotz der in vielen Ländern gleichförmig bestehenden Übung des Versicherungsvertragsrechts, wonach die Provision der Versicherungsmakler vom Versicherer getragen wird (BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 – IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, 359 f.; Urteil vom 16. Juli 2009 – III ZR 21/09, NJW-RR 2009, 1688 Rn. 8 = VersR 2009, 1495; Urteil vom 26. März 2014 – IV ZR 422/12, NJW 2014, 2038 Rn. 25 = VersR 2014, 625). Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht ausgegangen.
19 cc) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass sie von der Beklagten die Vermittlung eines umfassenden, alle Risiken abdeckenden Versicherungsschutzes bei der Betriebsunterbrechungsversicherung verlangt habe und die Beklagte deshalb ihre Vertragspflichten verletzt habe, weil sie diesen Wünschen nicht entsprochen habe.
20 (1) Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, dies ergebe sich aus dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme. Der Geschäftsführer der Klägerin und die Zeugin F. hätten bekundet, es sei ausdrücklich darüber gesprochen worden, dass ein umfassender Versicherungsschutz gegen alle Risiken gewünscht sei. Demgegenüber habe der Zeuge H. der Beklagten ausgesagt, er habe einen Gleichlauf von Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherung empfohlen, der Geschäftsführer der Klägerin habe sich aber aus Kostengründen gegen eine Ausweitung der Betriebsunterbrechungsversicherung auf alle Risiken entschieden. Die Aussagen des Geschäftsführers der Klägerin und der Zeugin F. seien nicht als glaubhafter anzusehen als diejenige des Zeugen H. Auf Seiten der E & M habe kein Grund bestanden, den Versicherungsschutz bei der Betriebsunterbrechungsversicherung nicht auf alle Risiken zu erweitern, weil sie daran in Form von Provisionen verdient hätte. Unstreitig habe der Zeuge H. darauf hingewiesen, dass bei der bisherigen Betriebsunterbrechungsversicherung nur das Feuerrisiko abgedeckt sei und insoweit Handlungsbedarf bestehe. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
21 (2) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Das Revisionsgericht kann lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 Abs. 1 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – I ZR 109/13, TranspR 2015, 33 Rn. 15 = VersR 2015, 341 m.w.N.). Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts entspricht diesen Anforderungen.
22 dd) Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bestehe nicht, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Empfehlung eines umfassenden Versicherungsschutzes in der Betriebsunterbrechungsversicherung verletzt habe. Das Berufungsgericht hat damit zu geringe Anforderungen an die den Versicherungsmakler treffenden Pflichten und die in diesem Zusammenhang bestehende sekundäre Darlegungslast der Beklagten gestellt.
23 (1) Das Berufungsgericht hat angenommen, es habe der Beklagten oblegen, der Klägerin einen Versicherungsschutz in der Betriebsunterbrechungsversicherung nahe zu legen, der alle Risiken abdeckt, weil dieser Versicherungsschutz für die Klägerin sinnvoll gewesen wäre. Die Klägerin habe jedoch nicht bewiesen, dass die E & M diese Pflicht verletzt habe. Der Klägerin sei in ausreichender Weise das Bestehen einer Deckungslücke und die damit verbundenen Risiken vermittelt worden. Dies ergebe sich aus den einander nicht widersprechenden Aussagen der Beteiligten. Danach habe der Mitarbeiter der Beklagten H. auf die Lücke bei der bestehenden Betriebsunterbrechungsversicherung hingewiesen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe bestätigt, ihm sei bewusst gewesen, wie wichtig eine umfassende Betriebsunterbrechungsversicherung gewesen sei. Habe er sich gleichwohl gegen eine Ausweitung des Versicherungsschutzes auf alle Risiken entschieden, habe für E & M keine Veranlassung bestanden, eigens noch das Risiko einer Sprinklerleckage anzusprechen, da offenkundig bei jedem der von der Klägerin nicht mitversicherten Risiken große Schäden als Folge einer Betriebsunterbrechung entstehen könnten. Die E & M habe auch nicht gegen die Pflicht verstoßen, die Risikosituation zu untersuchen und den Versicherungsbedarf der Klägerin zu ermitteln. Der Bedarf der Klägerin an einer alle Risiken umfassenden Betriebsunterbrechungsversicherung sei allen Beteiligten bekannt gewesen.
24 (2) Das Berufungsgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass grundsätzlich der den Schadensersatz begehrende Versicherungsnehmer darlegen und beweisen muss, dass der Versicherungsvermittler seine Beratungspflicht verletzt hat, wobei den Versicherungsvermittler in dieser Hinsicht eine sekundäre Darlegungslast trifft (BGH, Urteil vom 25. September 2014 – III ZR 440/13, VersR 2014, 1328 Rn. 34; BGHZ 203, 174 Rn. 15; Dörner in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 63 Rn. 12).
25 (3) Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, E & M sei lediglich verpflichtet gewesen, auf eine Ausweitung des Versicherungsschutzes in der Betriebsunterbrechungsversicherung auf alle Risiken hinzuwirken. Den Versicherungsmakler treffen bei seiner Tätigkeit für seinen Auftraggeber generelle Pflichten, vor allem die Interessenwahrnehmungspflicht sowie die Aufklärungs- und Beratungspflicht (BGHZ 94, 356, 359). Der Umfang der Beratungspflicht ist abhängig vom Beratungsbedarf des Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 5. Mai 1971 – IV ZR 40/70, VersR 1971, 714). Aufklärung und Beratung umfassen vor allem die Fragen, welche Risiken der Versicherungsnehmer absichern sollte, wie die effektivste Deckung erreicht werden kann, bei welchem Risikoträger die Absicherung vorgenommen werden kann und zu welcher Prämienhöhe welche Risikoabdeckung erhältlich ist (Matusche-Beckmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 5 Rn. 277). Diesen Anforderungen wird die von der Beklagten behauptete Tätigkeit von E & M nicht gerecht.
26 (4) Zwar hat die Beklagte konkret vorgetragen, dass E & M die Klägerin auf Versicherungslücken in der Betriebsunterbrechungsversicherung und das dadurch begründete Schadensrisiko hingewiesen hat. Sie hat außerdem ausreichend dargelegt, dass sie eine alle Risiken umfassende Versicherung empfohlen hat. Der Geschäftsführer der Klägerin wusste aufgrund des Hinweises des Zeugen H., dass nur einzelne Risiken in der Betriebsunterbrechungsversicherung versichert waren. Er wusste auch, welche wirtschaftliche Bedeutung eine Unterversicherung für ein Unternehmen hat. So hat er bekundet, ein Wettbewerber der Klägerin habe einen Betriebsunterbrechungsschaden wegen eines Brandes erlitten, dieser habe aus der Betriebsunterbrechungsversicherung Versicherungsleistungen in Millionenhöhe erhalten.
27 (5) Ein Versicherungsmakler erfüllt seine Aufklärungs- und Beratungspflichten jedoch nicht allein dadurch, dass er ohne Prüfung und Erörterung im konkreten Fall den Versicherungsnehmer auf Lücken einer bestehenden Versicherung sowie die dadurch hervorgerufenen wirtschaftlichen Risiken hinweist und einen Versicherungsschutz gegen alle Risiken empfiehlt. Vielmehr besteht eine pflichtgemäße Beratung in einem am konkreten Bedarf des Versicherungsnehmers orientierten Hinweis auf eine sach- und interessengerechte Versicherung und in einer Information über die dafür aufzuwendenden Kosten. Dass E & M die Klägerin in dieser Weise vor dem Wechsel in der Betriebsunterbrechungsversicherung über die Möglichkeit unterrichtet hätte, die bestehende Versicherungslücke zu schließen, hat die Beklagte nicht vorgetragen. E & M traf im Streitfall eine Beratungspflicht im Hinblick auf insgesamt 15 Gesellschaften der M.-Unternehmensgruppe. In der Betriebsunterbrechungsversicherung ist zudem eine Vielzahl von Risiken entweder einzeln oder insgesamt versicherbar. Bei einer solchen Sachlage lässt eine Empfehlung, alle Unternehmen gegen alle Risiken zu versichern, eine am konkreten Bedarf orientierte Prüfung und Beratung nicht erkennen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass E & M eine am Bedarf der M.-Firmengruppe orientierte Risikoanalyse erstellt hätte und hierauf die Empfehlung beruhte, in der Betriebsunterbrechungsversicherung für alle betroffenen Unternehmen alle Risiken zu versichern. Das Berufungsgericht hat weiter nicht festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin geraten hat, zumindest bestimmte Einzelrisiken oder sämtliche Risiken in der Betriebsunterbrechungsversicherung für einzelne Gesellschaften abzudecken, nachdem der Geschäftsführer der Klägerin eine umfassende Abdeckung aller Risiken für die Unternehmensgruppe abgelehnt hatte. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte trotz der Ablehnung einer umfassenden Risikoabsicherung zu einer entsprechenden Beratung verpflichtet war und dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist.
28 III. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:
29 1. Hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast zu einer pflichtgemäßen Beratung der Klägerin nicht genügt, führt dies grundsätzlich zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten. Das Berufungsgericht wird der Beklagten im wiedereröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit geben müssen, hierzu ergänzend vorzutragen.
30 2. Der Versicherungsmakler kann sich vom Vorwurf der Verletzung einer Aufklärungs- und Beratungspflicht entlasten, wenn der Versicherungsnehmer auf eine weitergehende Beratung verzichtet und ausdrücklich die Beschaffung eines unzureichenden Versicherungsschutzes gewünscht hat. Hierzu hat das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen.
31 a) Nach dem Vortrag der Beklagten entsprach der vermittelte Versicherungsschutz den Vorgaben des Geschäftsführers der Klägerin. Der Umfang des Versicherungsschutzes sei ihm vorab schriftlich bestätigt worden. Dagegen habe er keine Einwände erhoben. Eine Ausweitung des Versicherungsschutzes sei vom Zeugen H. ausdrücklich angeregt, dies sei jedoch zugunsten einer Prämieneinsparung abgelehnt worden.
32 b) Die Beklagte hat damit eine Weisung des Geschäftsführers der Klägerin behauptet, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sach- und interessenwidrig war. Die Frage, ob es den Versicherungsmakler entlasten kann, wenn er vom Versicherungsnehmer sachwidrige und unvernünftige Weisungen erhält, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
33 aa) Hat der Versicherungsmakler seine Prüfungs- und Beratungspflichten umfassend erfüllt und entscheidet sich der Versicherungsnehmer gegen die ihm vorgeschlagene, sach- und interessengerechte Vorgehensweise, kann der Versicherungsmakler für einen unzureichenden Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers nicht verantwortlich gemacht werden. Der Versicherungsmakler ist in diesem Fall nicht verpflichtet, seine Empfehlung zu wiederholen und den Versicherungsnehmer gegen dessen erklärten Willen erneut zu beraten.
34 bb) Ist dagegen der Versicherungsnehmer noch nicht oder nicht ausreichend beraten worden, darf der Versicherungsmakler keine sachwidrigen Weisungen akzeptieren und hat zunächst dafür zu sorgen, dass der Versicherungsnehmer eine für eine sach- und interessengerechte Entscheidung geeignete Entscheidungsgrundlage erhält (vgl. OLG Stuttgart, r+s 2016, 107; Beckmann/Matusche-Beckmann a.a.O. § 5 Rn. 277 f. m.w.N.; MünchKomm-VVG/Reiff, § 60 VVG Rn. 27).
35 cc) Sollte M., wie von der Beklagten behauptet, aus Kostengründen keine umfassende Betriebsunterbrechungsversicherung für alle Unternehmen der M.-Firmengruppe gewünscht haben, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob E & M gehalten war, M. eine weitere Abdeckung bestimmter Einzelrisiken oder eine weitergehende Versicherung einzelner Unternehmen der Gruppe im Bereich der Betriebsunterbrechungsversicherung vorzuschlagen. Spätestens nach einer interessenwidrigen Weisung der Klägerin war die Beklagte gehalten, sich mit den Risiken bei den einzelnen Unternehmen der M.-Gruppe zu beschäftigen und zu prüfen, ob die weitergehende Versicherung einzelner Risiken oder die umfassende Versicherung einzelner Unternehmen der M.-Gruppe unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses sinnvoll war. Dabei hatte sie zu ermitteln, bei welchem Unternehmen der M.-Gruppe im Falle einer Betriebsunterbrechung der größte Schaden drohte. Das Berufungsgericht wird dabei der Behauptung der Klägerin nachgehen müssen, ihr Unternehmen habe in der M.-Firmengruppe eine Sonderrolle eingenommen. Nach dem Vortrag der Klägerin wäre bei einer Betriebsunterbrechung in anderen Produktionsstätten eine kurzfristige Produktionsverlagerung von einer Betriebsstätte auf die andere möglich gewesen. Anders sei die Situation bei der Klägerin. Sie sei das einzige Unternehmen innerhalb der Unternehmensgruppe, das auf die Herstellung von Aerosolen ausgerichtet gewesen sei, eine kurzfristige Verlagerung auf andere Produktionsstätten sei nicht möglich gewesen, weshalb mit einer Betriebsunterbrechung in diesem Unternehmen ein besonders hohes Schadensrisiko verbunden gewesen sei.
36 dd) Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschäftsführer der Klägerin zum Ausdruck gebracht hätte, dass er aus Kostengründen nicht nur eine alle Risiken abdeckende Betriebsunterbrechungsversicherung aller Unternehmen der M.-Gruppe ablehne, sondern auch eine Versicherungseindeckung zwischen der umfassenden Versicherung und der auf die Risiken von Feuer, Sturm und Hagel beschränkten Betriebsunterbrechungsversicherung. Der Versicherungsmakler darf von der Beratung eines nicht ausreichend informierten Versicherungsnehmers nur dann absehen, wenn der Versicherungsnehmer ihm unmissverständlich erklärt, dass er auf eine weitergehende Beratung keinen Wert legt und hierauf verzichtet.
37 c) Der Versicherungsmakler, der seiner sekundären Darlegungslast zur Erfüllung seiner Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht genügt hat, ist für seine Behauptung einer sach- und interessenwidrigen Weisung des Versicherungsnehmers und dessen Verzicht auf eine weitergehende Beratung darlegungs- und beweisbelastet. Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht gegebenenfalls nachzuholen und in die Beurteilung den zwischen E & M und der M.-Gruppe geführten Schriftverkehr im Zusammenhang mit dem Wechsel der Betriebsunterbrechungsversicherung zum 1. Januar 2007 umfassend zu berücksichtigen haben.
38 3. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu der Beurteilung gelangen, der Geschäftsführer der Klägerin habe keine weitergehende Beratung durch die E & M gewünscht und habe sich für den von dieser beschafften Versicherungsschutz entschieden, entfällt eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten. Für diesen Fall kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte habe der Klägerin nach dem Versicherungswechsel zum 1. Januar 2007 eine Einbeziehung der Sprinklerleckage in die Betriebsunterbrechungsversicherung empfehlen müssen, weil nach einem Brandschaden bei der Klägerin am 24. Januar 2007 eine Besichtigung durch den Versicherer stattgefunden und sich aus dem darüber gefertigten Bericht sowohl das hohe Gefährdungspotential aufgrund der Aerosol-Abfüllung als auch das Vorhandensein einer Schaumlöschanlage ergebe habe.
39 a) Das Hauptgeschäft des Versicherungsmaklers besteht in der Vermittlung und dem Abschluss von Versicherungsverträgen. Mit deren Abschluss ist es zwar noch nicht beendet, da es auch die versicherungstechnische Betreuung der Verträge umfasst und daher als Dauerschuldverhältnis fortbesteht (BGH, Urteil vom 5. April 1967 – Ib ZR 56/65, VersR 1967, 686). So ist der Makler zur Erteilung von Hinweisen für die risikogerechte Anpassung des vermittelten Versicherungsvertrags verpflichtet (Reimer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 98 Rn. 34). Im Rahmen der laufenden Betreuung des Versicherungsverhältnisses hat der Versicherungsmakler daher das versicherte Risiko zu überwachen, bei Risikoveränderungen den Versicherungsnehmer hierauf ungefragt hinzuweisen und auf eine Anpassung hinzuwirken. Insgesamt ist der Versicherungsmakler zur fortlaufenden und ständigen Betreuung des Versicherungsnehmers verpflichtet. Er muss umgehend und unaufgefordert prüfen, ob der bestehende Vertrag den Bedürfnissen des Kunden noch entspricht. Etwaigen Veränderungen des versicherten Risikos muss er durch entsprechende Beratung Rechnung tragen (OLG Düsseldorf, VersR 2000, 54).
40 b) Ein entsprechender nachvertraglicher Pflichtenverstoß der Beklagten liegt nicht vor. Der Bericht über die Brandschutzbesichtigung am 24. Januar 2007, an der ein Mitarbeiter der Beklagten teilgenommen hat, hat keine relevanten Veränderungen der Umstände und des Risikos im Betrieb der Klägerin ergeben. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die Risikosituation im Zeitpunkt der Brandschutzuntersuchung eine andere war als im Zeitpunkt der vor der Vermittlung erfolgten Beratung der Beklagten. Insbesondere war das erhöhte Brandrisiko infolge des Geschäftsfelds der Klägerin (Abfüllung von Aerosolen) dasselbe. Die in dem Bericht über die Brandschutzbesichtigung erwähnte Sprinkleranlage war bei dem Wechsel in der Betriebsunterbrechungsversicherung Ende des Jahres 2006 bereits vorhanden. Hatte der Geschäftsführer der Klägerin auf einen umfassenderen Versicherungsschutz und eine weitergehende Beratung durch E & M verzichtet, war diese nicht gehalten, bei unveränderter Sachlage auf die damit verbundenen Risiken erneut hinzuweisen.