Buchauszug; Vollstreckung und Erfüllung des titulierten Anspruchs

I ZB 82/06 Beschluss verkündet am 26. April 2007 BGH Provisionsabrechnung, Buchauszug und Bucheinsicht

Bundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Beschluss

in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
[..]

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2007 durch [..]

Tenor

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 4. September 2006 aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Gläubigerin entschieden worden ist.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 4.000,– €.

Gründe

A. Die Schuldnerin wurde mit rechtskräftigem Teilurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17. September 2004 wie folgt verurteilt, der Gläubigerin als ihrer Handelsvertreterin einen Buchauszug zu erteilen:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Buchauszug über alle Geschäfte ihres Gebietes zu erteilen, nämlich solchen, die im Gebiet S. und in L.-Stadt sowie mit den Unternehmen P., ansässig in F., PG, ansässig in F. und B., R.+F., ansässig in F. und Borna, in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juli 2004 zustande gekommen sind, wobei dieser Auszug folgende Angaben zu enthalten hat:

– Auftragsdatum,
– Auftragsnummer,
– Warenart laut Auftrag,
– Warenmenge laut Auftrag,
– Warenwert laut Auftrag,
– Rechnungsdatum,
– Rechnungsnummer,
– Rechnungsbetrag,
– Kunde mit genauer Anschrift,
– Stadium der Ausführung des Geschäfts sowie
– Annullierungen und Retouren sowie Gründe hierfür.

Nach einem Buchauszug für die Jahre 1999 bis 2001 übersandte die Schuldnerin einen Buchauszug für die Jahre 2002 bis 2004 und am 19. Dezember 2005 einen Buchauszug als EDV-Ausdruck für den gesamten Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 27. Juli 2004.

Die Gläubigerin hat vorgetragen, die Schuldnerin habe den titulierten Anspruch nicht erfüllt. Die Schuldnerin habe in ihrem Buchauszug die in den Vertreterkonten Fe. 02, Fe. 44 und St. 01 gebuchten Geschäfte nicht aufgeführt. Diese Buchungen seien auch nicht rückgängig gemacht worden. Weiter hat die Gläubigerin vorgebracht, die Angaben zu den im Buchauszug enthaltenen Geschäften seien unvollständig (u.a. hinsichtlich der Annullierungen und Retouren).

Die Gläubigerin hat beantragt,

sie zu ermächtigen, auf Kosten der Schuldnerin den Buchauszug gemäß Teilurteil vom 17. September 2004 erstellen zu lassen und die Schuldnerin gemäß § 887 Abs. 2 ZPO zu verurteilen, 10.000,– € an die Gläubigerin als Vorauszahlung der Kosten für die Erstellung des Buchauszugs durch einen Wirtschaftsprüfer zu zahlen.

Die Schuldnerin hat geltend gemacht, sie habe den Anspruch der Gläubigerin auf Erteilung eines Buchauszugs erfüllt. Sie habe der Gläubigerin geordnete Aufstellungen übersandt mit sämtlichen in ihren Büchern enthaltenen Informationen zu den Geschäftsfällen, die für Berechnung, Höhe und Fälligkeit der Provisionen relevant seien. Die Vertreterkonten Fe. 02 und St. 01 beträfen keine provisionspflichtigen Geschäfte. Frühere Buchungen von Barverkäufen auf dem Konto Fe. 02 seien korrigiert worden. Soweit diese die Gläubigerin beträfen, seien sie im Buchauszug enthalten. Das Konto Fe. 44 sei ein Untervertreterkonto für die Gläubigerin. Die darauf gebuchten Geschäfte seien in den Buchauszug aufgenommen worden.

Das Landgericht hat die Gläubigerin ermächtigt, auf Kosten der Schuldnerin

1. einen Buchauszug gemäß dem Teilurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17. September 2004 hinsichtlich der in den Vertreterkonten Fe. 02, Fe. 44 und St. 01 sowie hinsichtlich der Geschäfte mit den Unternehmen Betonwerke Pl. & Co., D K. und Betonwerke Sc. erstellen zu lassen;

2. einen Buchauszug gemäß dem Teilurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17. September 2004 hinsichtlich der Annullierungen und Retouren sowie der Gründe hierfür erstellen zu lassen.

Das Landgericht hat die Schuldnerin zudem verurteilt, an die Gläubigerin einen Vorschuss von insgesamt 5.000,– € zur Erstellung des Buchauszugs gemäß Ziffer 1 und 2 des Beschlusses zu zahlen.

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht Ziffer 1 des Beschlusses des Landgerichts aufgehoben und den entsprechenden Antrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Im Übrigen hat das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, und die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vollumfänglich zurückzuweisen.

Die Schuldnerin war im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vertreten.

B. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit darin zum Nachteil der Gläubigerin erkannt worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

I. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Schuldnerin habe nach den Feststellungen des Landgerichts den titulierten Anspruch hinsichtlich des Buchauszugs mit Ausnahme der Annullierungen und Retouren weitgehend erfüllt. Die als Buchauszug übersandten EDV-Ausdrucke enthielten alle Angaben, die nach dem Teilurteil vom 17. September 2004 von der Schuldnerin zu erbringen seien. Die Feststellungen des Landgerichts habe die Gläubigerin auch nicht ernsthaft bestritten; sie habe lediglich die Unvollständigkeit bezüglich einiger Unterkonten und Unternehmen gerügt. Dieser Umstand berechtige die Gläubigerin jedoch nicht, eine Vervollständigung im Wege der Ersatzvornahme durchzusetzen.

Der Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs werde mit dessen Erstellung erfüllt. Ob der Buchauszug richtig oder vollständig sei, sei keine Frage der Erfüllung. Ein Anspruch auf Erstellung eines neuen Buchauszugs bestehe nur, wenn der erteilte Buchauszug völlig unbrauchbar sei. Welche Rechte der Handelsvertreter habe, wenn ihm der Buchauszug unvollständig erscheine, sei umstritten. Es müsse jedoch eine Vollstreckungsmöglichkeit geben, wenn der Buchauszug nicht das abdecke, was sich aus dem Urteilstenor ergebe. Bestehe dagegen nur der Verdacht einer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit, habe der Handelsvertreter das Einsichtsrecht gemäß § 87c Abs. 4 HGB und den Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Dies bedeute, dass eine Ersatzvornahme zur Ergänzung des Buchauszugs betreffend bestimmte Vertreterkonten und Unternehmen nicht bestehe.

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der angefochtene Beschluss kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil er nicht zweifelsfrei erkennen lässt, von welchem Sachverhalt das Beschwerdegericht ausgegangen ist (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 06.06.2003 – V ZR 392/02, NJW-RR 03, 1290, 1291 m.w.N.). Auch die Rechtsausführungen des Beschwerdegerichts sind nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine auf der Grundlage des § 87c Abs. 2 HGB ergangene Verurteilung zur Erstellung eines Buchauszugs grundsätzlich nach § 887 ZPO zu vollstrecken ist (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 887 Rdn. 10; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 887 Rdn. 3 „Buchauszug“; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 887 Rdn. 23, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch im vorliegenden Fall, weil der Buchauszug aufgrund der vorhandenen Unterlagen nicht nur von der Schuldnerin, sondern auch von einem Dritten erstellt werden kann.

2. Im Verfahren zur Vollstreckung einer Verurteilung, einen Buchauszug zu erteilen, ist der Einwand des Schuldners zu prüfen, er habe den titulierten Anspruch bereits erfüllt (vgl. BGHZ 161, 67, 68 ff.; BGH, Beschl. v. 22.09.2005 – I ZB 4/05, GuT 05, 256, 257; vgl. auch Beschl. v. 07.04.2005 – I ZB 2/05, NJW-RR 06, 202, 203; Zöller/Stöber a.a.O. § 887 Rdn. 7; a.A. Musielak/Lackmann a.a.O. § 887 Rdn. 19; Kannowski/Distler, NJW 05, 865 ff.; vgl. auch Schuschke, BGH-Rep 05, 197, 198). Davon ist auch das Beschwerdegericht zutreffend ausgegangen. Seine Beurteilung, die Schuldnerin habe den zuerkannten Anspruch der Gläubigerin erfüllt, ist jedoch rechtsfehlerhaft.

a) Für die Entscheidung, ob der titulierte Anspruch erfüllt ist, ist der Vollstreckungstitel maßgeblich, nicht die materiell-rechtliche Rechtslage. Nach dem Teilurteil vom 17. September 2004 hat die Schuldnerin der Gläubigerin einen „Buchauszug über alle Geschäfte ihres Gebietes zu erteilen“. Dieser Anspruch ist jedenfalls dann erfüllt, wenn der erteilte Buchauszug formal den Anforderungen des Urteilsausspruchs entspricht, insbesondere wenn er sämtliche in den Büchern verzeichneten Geschäfte, die unter den Urteilsausspruch fallen, mit den in den Büchern enthaltenen Angaben erfasst. Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Buchauszugs ändern daran nichts (vgl. dazu auch OLG Stuttgart Die Justiz 94, 241, 242; OLG Hamm OLG-Rep 01, 55, 56; vgl. weiter OLG Hamburg HVR Nr. 956). Ist ein Buchauszug hinsichtlich der darin erfassten Geschäfte formal vollständig erteilt worden, kann der Gläubiger die Ergänzung des Buchauszugs verlangen, wenn Angaben über bestimmte Teilbezirke oder Zeiträume fehlen (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.1964 – VII ZR 147/62, LM HGB § 87c Nr. 4a; vgl. weiter OLG Hamm OLG-Rep 01, 55, 56).

b) Das Beschwerdegericht hat selbst keine Feststellungen dazu getroffen, welche Mängel der erteilte Buchauszug aufweist. Es hat sich lediglich auf die Feststellung des Landgerichts bezogen, wonach die Schuldnerin den titulierten Anspruch „hinsichtlich des Buchauszugs weitgehend erfüllt“ habe. Aus dem Zusammenhang der Gründe des landgerichtlichen Beschlusses ergibt sich aber, dass sich diese Feststellung nur auf die Vollständigkeit der Angaben bezieht, die in dem mit Schreiben vom 19. Dezember 2005 übersandten Buchauszug zu den darin erfassten Geschäften gemacht worden sind. Die Gläubigerin hat jedoch, wie das Beschwerdegericht selbst ausführt, darüber hinaus gerügt, der Buchauszug sei auch insofern unvollständig, als er einige Unterkonten und die Umsätze mit bestimmten Unternehmen nicht erfasse. Zu diesem – vom Landgericht als begründet angesehenen – Vorbringen hat das Beschwerdegericht nichts festgestellt. Es ist insoweit bereits unklar, ob das Beschwerdegericht angenommen hat, die Gläubigerin habe gerügt, der erteilte Buchauszug sei lückenhaft, weil er sich nicht auf bestimmte Unterkonten und die Geschäfte mit bestimmten Unternehmen erstrecke, oder ob das Beschwerdegericht davon ausgegangen ist, die Gläubigerin behaupte lediglich, der Buchauszug sei hinsichtlich der bezeichneten Unterkonten und Geschäfte unrichtig.

c) Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, die Schuldnerin habe den titulierten Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs erfüllt, beruht zudem – wenn auch unausgesprochen – auf der Annahme, die Gläubigerin sei dafür beweispflichtig, dass der erteilte Buchauszug Lücken aufweist, bei denen die Schuldnerin zur Ergänzung des Buchauszugs verpflichtet ist. Eine solche Beweislastverteilung ist unzutreffend. Die Beweislast für den Einwand, der titulierte Anspruch sei erfüllt, trägt nach allgemeinen Regeln der Schuldner (vgl. dazu auch BGHZ 161, 67, 72; vgl. weiter Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O. § 887 Rdn. 5; Kannowski/Distler, NJW 05, 865, 868; a.A. Schuschke, InVo 05, 396, 397). Der Schuldner hat deshalb auch zu beweisen, dass es keine weiteren Geschäfte gegeben hat, auf die sich der Buchauszug beziehen muss. Wegen der Schwierigkeiten eines solchen Negativbeweises kann jedoch vom Gläubiger das substantiierte Bestreiten der negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positive sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (vgl. BGH, Urt. v. 19.04.2005 – X ZR 15/04, NJW 05, 2766, 2768 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kann sich die Schuldnerin dementsprechend zunächst damit begnügen zu behaupten, dass es keine weiteren Fälle gebe, auf die sich ihre Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs erstrecke. Es ist dann Sache der Gläubigerin, dieses Vorbringen qualifiziert zu bestreiten und die Umstände vorzutragen, auf die sie ihre Forderung stützt, der Buchauszug sei zu ergänzen.

d) Der titulierte Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs kann unabhängig davon vollstreckt werden, ob der Gläubiger bereits auf Bucheinsicht nach § 87c Abs. 4 HGB klagen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.1978 – I ZR 7/77, NJW 79, 764; OLG Koblenz NJW-RR 94, 358, 359; OLG Köln OLG-Rep 02, 61, 62 m.w.N.).

C. Die Sache ist danach zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

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