Dauerhafte Erkrankung des Handelsvertreters und fristlose Kündigung des Unternehmers
5 U 284/03 Hinweisbeschluss verkündet am 9. Februar 2004 OLG Frankfurt/Main Kündigung des HandelsvertretervertragsOberlandesgericht Frankfurt/Main
Im Namen des Volkes
Hinweisbeschluss
Tatbestand
Die Parteien streiten unter anderem um die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung eines Handelsvertretervertrags. Der Kläger ist seit neun bis zehn Jahren als Handelsvertreter für die Beklagte im Bezirk Nordrhein-Westfalen tätig. Am 14.02.2003 erlitt der Kläger einen schweren Autounfall, auf Grund dessen er sich wegen eines Schädelhirntraumas in einer Reha-Maßnahme befand und arbeitsunfähig war. Am 23.04.2003 kam es zu einem Gespräch zwischen der Ehefrau des Klägers und dem Geschäftsführer der Beklagten. In diesem schlug die Ehefrau des Klägers einen Ersatzvertreter vor, der den Kläger für die Dauer seiner Erkrankung vertreten sollte. Die Geschäftsführung lehnte diesen Ersatzvertreter aber ab und ließ die Kundenbetreuung im betreffenden Bezirk stattdessen durch ihren Mitarbeiter M durchführen. Am 25.06.2003 kündigte die Beklagte den Handelsvertretervertrag wegen des Gesundheitszustands des Klägers aus wichtigem Grund mit Wirkung zum 30.06.2003.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das OLG hat gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung mangels Erfolgsaussicht zurückzuweisen.
Gründe
In diesem Hinweisbeschluss wird ausgeführt: Zwar wird man durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung im Ergebnis nicht daraus herzuleiten haben, dass die Berufung ein geändertes Klageziel zum Gegenstand hat: denn der Kläger erstrebt mit dem Berufungsantrag zumindest auch eine „teilweise Abänderung“ der erstinstanzlichen Entscheidung (vgl. hierzu BGH, NJW 99, 2118, 2119 st. Rspr.) – das heißt hier: der Kläger bekämpft die durch Teilurteil erfolgte Klageabweisung insofern, als er die außerordentliche Kündigung vom 25.06.2003 für unwirksam hält, um zugleich – nach Umdeutung der vermeintlich unwirksamen fristlosen Kündigung vom 25.06.2003 in eine ordentliche Kündigung – die Feststellung zu begehren, dass der Handelsvertretervertrag durch die bezeichnete Kündigung (erst) zum 31.12.2003 beendet worden sei.
Selbst wenn der Senat hier die Sachdienlichkeit der Klageänderung zu bejahen hätte (§ 533 Nr. 1 ZPO – die Einwilligung des Gegners ist bisher nicht erklärt), führt die Berufung nicht zum Erfolg, denn das LG hat den erstinstanzlichen Feststellungsantrag zu Recht abgewiesen, weil die – zum 30.06.2003 – aus wichtigem Grund erklärte außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.06.2003 wirksam ist.
Das LG, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat zutreffend ausgeführt, dass der Gesundheitszustand des Klägers, bei dem es sich um einen Bezirksvertreter handelt, und die hieraus folgende Unmöglichkeit der geschuldeten Leistungserbringung einen wichtigen Grund i. S. des § 89 a HGB darstellten (vgl. hierzu auch Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 89a Rdnr. 20); unter Abwägung aller Gesamtumstände sei der Beklagten eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen; insbesondere sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigungserklärung am 25.06.2003 eine Perspektive hinsichtlich einer baldigen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers (der am 14.02.2003 einen schweren Autounfall erlitten hatte) noch ungewiss gewesen. Immerhin (so das LG) habe die Beklagte bereits über vier Monate erfolglos auf konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers gewartet. Wirtschaftliche Umstände – das heißt drohende bzw. eingetretene Umsatzrückgänge hätten der Beklagten ein weiteres Aufschieben der Kündigung nicht mehr ermöglicht. Einer besonderen Abmahnung – wie in Fällen einer verhaltensbedingten Kündigung – habe es nicht mehr bedurft, weil zum Zeitpunkt der Kündigung ein Klärungsbedarf im Sinne einer baldigen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht gegeben gewesen sei. Ob bzw. seit wann die Arbeitsfähigkeit des Klägers wieder hergestellt ist (seit Anfang 2004 oder später), ist seitens des Klägers auch nicht mehr vorgetragen worden.
Dass die Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB auf die Kündigung des Handelsvertretervertrags nicht anwendbar ist (z.B. BGH, NJW 82, 2432, 2433; NJW 87, 57), wird mit der Berufung auch nicht beanstandet. Soweit der Kündigungsberechtigte (hier: die Beklagte) allerdings in angemessener Frist seit Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund kündigen muss, ist der Beklagten im vorliegenden Fall eine Fristversäumnis dennoch nicht anzulasten, weil ein Unternehmer die Frist nicht schon deshalb durch Unterlassen der Kündigung versäumt, weil er – wie hier – im Interesse des Dienstverpflichteten – in Hoffnung auf Besserung (des Gesundheitszustands) – mit der Kündigung zuwartet; denn in diesem Fall entsteht nach zutreffender Auffassung, die der Senat teilt, das außerordentliche Kündigungsrecht mit der unternehmerischen Entscheidung, deren Zeitpunkt der Unternehmer selbst bestimmt; ihn zu früherer Kündigung zu zwingen, würde dem Handelsvertreter nicht dienen (Baumbach/Hopt, § 89a Rdnr. 30 m. Nachw.).
Die vom Kläger zitierte Entscheidung des BGH (BB 92, 1162) steht der hiesigen Beurteilung nicht entgegen, weil dieser Entscheidung feststehende zurückliegende Kündigungsumstände zu Grunde lagen (dort: nicht erreichte Umsätze zum Jahresende), die eine fristlose Kündigung nach mehr als vier Monaten nicht mehr zuließen. Ebenso ging es in der Entscheidung des BGH (NJW-RR 99, 1481 = ZIP 99, 1307) um eine – mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare – verspätete Kündigung des Unternehmers, der es längere Zeit unterlassen hatte, konkreten Hinweisen auf eine verbotswidrige Konkurrenztätigkeit des Handelsvertreters nachzugehen. Da die fristlose Kündigung vom 25.06.2003 wegen ungewiss gebliebener Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Handelsvertreters wirksam geworden ist, scheidet schon deswegen eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung zum Ablauf des 31.12.2003 aus, abgesehen davon, dass auch der Kläger – ausweislich der Klageschrift – die Kündigung vom 25.06.2003 nicht für umdeutbar gehalten hat.