Haftung eines Finanzdienstleisters für Falschberatung des von ihm beauftragten Handelsvertreters

11 U 311/05 Urteil verkündet am 1. Juni 2006 OLG Celle Pflichten des Handelsvertreters, Pflichten des Unternehmers

Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2006 durch […] für Recht erkannt:

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 24. Oktober 2005 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen falscher Anlageberatung.

Unter dem 23. Januar 1999 zeichnete die Klägerin eine Beteiligung am Unternehmenssegment VII der S. AG in G. Vorgesehen war eine Beteiligungsdauer von 10 Jahren und eine anzusparende Einlagesumme von 37.800,– DM. Es sollte dann zur Auszahlung der erworbenen Beteiligung in monatlichen Beträgen, der sogenannten „S.“, kommen (Bl. 1 ff. AnlH). Die Klägerin leistete eine Einmaleinlage von 2.000,– DM (+ 100,– DM Agio) sowie anschließend monatliche Zahlungen von 300,– DM (+ 15,– DM Agio).
Die Klägerin hat behauptet, sie habe mit dem Beklagten, dieser vertreten durch seine Mitarbeiterin, die Zeugin O., einen Beratervertrag geschlossen. Der Beratungstermin am 23. Januar 1999 sei vom Beklagten vereinbart worden (Bl. 18 d.A.). Es sei dann aber nur die Zeugin O. gekommen, weil der Beklagte verhindert gewesen sei.

In der mündlichen vor dem Landgericht hat die Klägerin – persönlich angehört – angegeben, sie habe selber nie Kontakt zu dem Beklagten gehabt. Der Termin am 23. Januar sei mit der Zeugin O., die sie und ihr Ehemann als Landsmännin schon seit längerer Zeit gekannt hätten, abgesprochen gewesen (Bl. 72 d.A.).

Der Beklagte hat bestritten, dass die Zeugin O. seine Mitarbeiterin sei und ihn im Zusammenhang mit der streitigen Anlage rechtsgeschäftlich vertreten habe. Sowohl die Zeugin O. als auch er selbst seien freie Mitarbeiter im Strukturvertrieb der sog. G. Gruppe, zu der die S. AG gehört. Soweit er bei vorangegangenen Beratungsgesprächen der Zeugin O. dabei gewesen sei, so nur um ihr zu helfen, wenn sie nicht mehr weiter gewusst habe (Bl. 71).

Wegen der Feststellungen im übrigen wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen (Bl. 91 ff. d.A.).

Das Landgericht hat das Zustandekommen eines Beratungsvertrages mit dem Beklagten nach Beweisaufnahme bejaht, ebenso eine positive Verletzung dieses Vertrages durch eine mangelhafte Beratung durch die Zeugin O. als Mitarbeiterin des Beklagten. Es hat der Klage auf Rückzahlung geleisteter Beträge sowie Freistellung von den weiteren Verpflichtungen aus der Beteiligung, Zug um Zug gegen Abtretung der Beteilungsrechte an den Beklagten, stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seine Passivlegitimation weiterhin bestreitet.

Die Klägerin hat den Rechtsstreit im Hinblick auf einen inzwischen abgeschlossen Prozessvergleich mit der Anlagegesellschaft hinsichtlich Ziffer 1. b) und 2. des Tenors des landgerichtlichen Urteils (Freistellung von weiteren Ratenzahlungen sowie sonstigen weiteren Zahlungsverpflichtungen) für erledigt erklärt; dem hat sich der Beklagte angeschlossen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen

und

beantragt weiter hilfsweise, dass die Verurteilung des Beklagten zu Ziffer 1 a) Zug um Zug gegen schriftliche Abtretungserklärung der Klägerin für die Ansprüche aus dem Vergleich des OLG Celle zu Az. 9 U 190/05 erfolgen solle,

weiter hilfsweise, dass für diesen Fall festgestellt wird, dass sich der Beklagte mit der Annahme auch dieser Gegenleistung im Verzug befindet.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und meint, Anlagevermittler könne auch eine Vertriebsgesellschaft sein, die sich ihrerseits zur Erfüllung ihrer Pflichten freier Mitarbeiter bediene.

II. Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen die Annahme des Zustandekommens eines Beratungsvertrages zwischen der Klägerin und dem Beklagten, vertreten durch die Zeugin O., nicht.
Das Landgericht hat angenommen, der Beklagte sei von der Zeugin O. vertreten worden, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch Vertretungsmacht gehabt habe. Offen gelassen hat das Landgericht jedoch, inwiefern überhaupt ein Handeln im Namen des Beklagten vorliegen soll, ohne welches eine rechtsgeschäftliche Vertretung nicht in Betracht kommen kann. Zur Annahme, ein Handeln im Namen des Beklagten sei entweder ausdrücklich erfolgt oder habe sich aus den Umständen ergeben (§ 164 Abs. 1 Satz 2 ZPO), fehlt es an ausreichenden Feststellungen.

Zwar war in erster Instanz behauptet worden, der Beklagte persönlich habe den Termin des Beratungsgespräches am 23. Januar 1999 vereinbart (Bl. 18 d.A.), die Zeugin O. habe im übrigen gegenüber der Klägerin stets darauf verwiesen, sie sei noch in der Ausbildung und habe den Beklagten als ihren Vorgesetzten vorgestellt. Dies würde auf ein Handeln im Namen des Beklagten hinauslaufen. Demgegenüber hat der Beklagte aber eine Tätigkeit der Zeugin O. für ihn bestritten. Er habe ihr lediglich bei vorangegangenen Beratungsgesprächen mit anderen Anlegern Hilfestellung geleistet, wobei sie aber beide selbständige Handelsvertreter der G. Gruppe gewesen seien.

Dies ist durch die Bekundung der Zeugin O. nicht mit der nötigen Klarheit widerlegt worden. Zwar hat danach der Beklagte die von der Zeugin aufgenommene Vermögensanalyse am Computer bearbeitet und den Vermögensplan erstellt. Jedoch hat die Zeugin auf die konkrete Frage nach ihrem Verhältnis zu dem Beklagten ausdrücklich erklärt, sie sei eine durch entsprechende Kurse der G. Gruppe ausgebildete Beraterin gewesen, ob sie mit der G. Gruppe einen Vertrag gehabt und von dieser ihre Provisionen erhalten habe, wisse sie nicht mehr. Die Grundlage für die erfolgte Zusammenarbeit mit dem Beklagten konnte sie zudem nicht angeben (Bl. 73 f. d.A.).

Auch hat die persönlich angehörte Klägerin selber angegeben, sämtliche Beratungsgespräche seien nur über die Zeugin O. gelaufen, die ihr und ihrem Ehemann als Landsmännin bekannt gewesen sei. Mit Frau O. (und nicht mit dem Beklagten) sei auch der Termin Ende Januar 1999 abgesprochen worden (Bl. 72 d.A.). Hinsichtlich der Rolle des Beklagten heißt es lediglich, dieser habe an dem Beratungsgespräch eigentlich auch teilnehmen wollen, sei jedoch verhindert gewesen, nicht aber, dieser sei als Chef oder Vorgesetzter bezeichnet worden. Auch der Zeichnungsschein – mag auch der Name „W.“ als Vermittler später nachgetragen und objektiv unzutreffend sein – gibt für eine Vermittlungstätigkeit oder Beratungstätigkeit des Beklagten nichts her.

Die danach jedenfalls verbleibenden Unklarheiten gehen zu Lasten der Klägerin, die beweisen muss, einen Beratungs- oder Vermittlungsvertrag mit dem Beklagten abgeschlossen zu haben. Damit fehlt es im Ergebnis an der erforderlichen Passivlegitimation des Beklagten. Der Beklagte ist, mit anderen Worten, nicht derjenige, gegen den sich eventuelle Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung richten würden.

Dem steht auch nicht entgegen, dass ein Finanzdienstleister, der im Wege des Strukturvertriebs Handelsvertreter für sich tätig werden lässt, grundsätzlich wegen positiver Vertragsverletzung eines durch den Handelsvertreter zu ihm begründeten Beratungsvertrages selbst einzustehen hat, weil für den Anleger allein die vertragliche Bindung zu dem Großunternehmen mit seiner entsprechenden Erfahrung von Interesse ist, während er die Kenntnisse und Fähigkeiten des Handelsvertreters regelmäßig nicht beurteilen kann (OLGR Celle 02, 277 = DB 02, 2211). Denn es fehlt hier an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, um den Sachverhalt entsprechend einordnen zu können. So ist schon nicht ersichtlich, dass der Beklagte als Finanzdienstleister mit eigenem Strukturvertrieb und nicht nur als Handelsvertreter im Strukturvertrieb der G. Gruppe tätig war. Dies lässt sich auch nicht allein daraus herleiten, dass der Beklagte seinerseits Provisionen für Geschäfte erhielt, die von Frau O. vermittelt wurden. Denn dies ist auch dann möglich, wenn, wie vom Beklagten behauptet, beide Handelsvertreter und damit selbständige Unternehmer im Strukturvertreib der S. AG waren.

Im letztgenannten Fall würde der Beklagte übrigens, selbst wenn er in Person gehandelt hätte, grundsätzlich ohnehin nicht selbständig haften, sondern nur die von ihm vertretene G. Gruppe bzw. S. AG (vgl. d. zit. Senatsurt.).

Hilfsweise ist auszuführen, dass selbst dann, wenn das Handeln der Zeugin O. dem Beklagten zuzurechnen wäre, eine Haftung letztlich ausschiede, weil es an der Kausalität der fehlerhaften Beratung für den durch die Zeichnung der Beteiligung an der S. AG ausgelösten Schaden fehlen würde. Vielmehr hat die Klägerin auf ihr eigenes Risiko gehandelt, indem sie sich trotz erkannter offener Fragen zum Vertragsabschluss entschieden und auch danach von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. So hat die Klägerin vor dem Landgericht ausdrücklich eingeräumt, ihr Ehemann, der sich insoweit besser auskenne, habe noch Fragen gehabt, die Frau O. nicht habe beantworten können. Sie hätten den Vertrag trotz dieser noch offenen Fragen unterzeichnet und darauf vertraut, der Beklagte, der zu dem Beratungsgespräch nicht erschienen war, würde sich noch mit ihnen in Verbindung setzen, damit sie diese Fragen noch mit ihm „durchsprechen“ könnten. Sie hätten auch unterschrieben, weil sie ja eine Widerrufsmöglichkeit gehabt hätten. Allerdings sei es zu einem weiteren Termin mit dem Beklagten entgegen ihrer ursprünglichen Vorstellung nicht gekommen (Bl. 72 d.A.).

Weiterhin hilfsweise würde, wenn man den Anspruch nicht schon an der fehlenden Kausalität scheitern lassen wollte, aus demselben Gesichtspunkt heraus von Amts wegen ein ganz überwiegendes Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen sein, welches die Haftung des Beklagten zurücktreten ließe. Denn die Klägerin hat trotz offener Fragen, die die Zeugin O. nicht beantworten konnte, die „S.“ gezeichnet und auch nach Ausbleiben der von ihr erwarteten Rücksprache des Beklagten zwecks nachträglicher Erläuterung von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 i. V. m. § 91 a Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich des erledigten Teils trifft die Klägerin nach billigem Ermessen die Kostenlast, weil sie insoweit ohne Eintritt des erledigten Ereignisses mit ihrer Klage ebenfalls unterlegen wäre.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und § 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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