Kein Ausgleichsanspruch bei Insolvenz des Händlers

3/9 O 3/05 Urteil verkündet am 23. März 2005 LG Frankfurt/Main Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers analog § 89 b HGB

Landgericht Frankfurt/Main
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]
hat das Landgericht Frankfurt am Main – 9. Kammer für Handelssachen – durch […] aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 23.03.2005 für Recht erkannt:

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% vorläufig voll streckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Firma […] in […] die seit 01.09.1985 Vertragshändlerin der Beklagten war, und über deren Vermögen das Amtsgericht Düsseldorf am 01.10.2003 das am 08.08.2003 beantragte Insolvenzverfahren eröffnete. Der Kläger begehrt von der Beklagten Handelsvertreterausgleichsanspruch in Höhe von € 445.553,79.

Die Beklagte kündigte das Vertragsverhältnis mit 18 monatiger Kündigungsfrist fristgerecht zum 30.09.2003.

Mit Schreiben vom 16.10.2003 teilte der Kläger die Masseunzulänglichkeit des Insolvenzverfahrens mit.

Mit Schreiben vom 23.04.2004 machte der Kläger einen Handelsvertreterausgleichsanspruch der Insolvenzschuldnerin gegenüber der Beklagten geltend.

Er errechnet auf Basis der sog. Münchener Formel einen Rohertrag in den letzten 5 Jahren in Höhe von € 2.743.557,84, also einen durchschnittlichen Jahresrohertrag, in Höhe von € 548.711,56. Diesen kürzt er um einen Verwaltungskostenabschlag in Höhe von 30%. Abzüglich der Sogwirkung in Höhe von 10% komme er auf einen Betrag in Höhe von € 1.102.745,60.

Da dieses Ergebnis gem. § 89b Abs. 2 HGB durch den durchschnittlichen Ertrag der letzten 5 Jahre abzüglich Verwaltungskosten begrenzt sei, stehe der Insolvenzschuldnerin ein Betrag in Höhe von € 384.098,10 zzgl. 16% MWSt. mithin € 445.553,79 zu.

Der Kläger behauptet, der Betrieb der Insolvenzschuldnerin sei bis zum 31.03.2004 fortgeführt worden.

I. Bei dem Rohertrag handele es sich ausschließlich um Umsätze mit Mehrfachkunden. Grundsätzlich komme es auf den mit Mehrfachkunden erzielten Umsatz in den letzten 5 Vertragsjahre an.

II. Der Mehrfachkundenanteil in Höhe von 55 % sei bereits zugunsten der Beklagten errechnet worden. Der Neuwagenumsatzanteil habe in den Jahren 2000 bis 2002 zwischen 47% und 54% gelegen.

a) Bei dem Kunden […] handele es sich um den der Beklagten bekannten Großabnehmer.

b) Die […]-Geschäfte seien ausgleichspflichtig, weil es sich um Verkäufe an eine von der Insolvenzschuldnerin gegründete Verleih-Firma gehandelt habe, die den Kunden im Rahmen mit der Abwicklung von Verkehrsunfällen Fahrzeuge zur Verfügung gestellt habe es von ihr organisiert werde.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 200 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers, weil die Insolvenzschuldnerin alle ihre Ansprüche – unstreitig – an die Bremer Landesbank abgetreten habe.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Insolvenzschuldnerin stehe schon deshalb der geltend gemachte Handelsvertreterausgleichsanspruch nicht zu, weil am 01.10.2003 wegen der eingetretenen Insolvenz ersichtlich gewesen sei, dass die Insolvenzschuldnerin keine weiteren Geschäftsabschlüsse mit vormals geworbenen Stammkunden würde tätigen können, zumal der Geschäftsbetrieb ohnehin habe nur bis zum 31.03.2004 habe weitergeführt werden können. Angesichts des am 08.08.2003 gestellten Insolvenzantrages die Geschäftseinstellung bereits absehbar gewesen. Da die Insolvenzschuldnerin in den letzten Jahren erhebliche Umsatzeinbußen beim Neuwagengeschäft erlitten habe, habe sie keine erheblichen Unternehmensvorteile erlangt.

Darüber hinaus sei die Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs mangelhaft.

Es komme nur auf den mit Mehrfachkunden erzielten Umsatz im letzten Vertragsjahr an. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass ein untypisches letztes Vertragsjahr vorgelegen habe, so dass es auf durchschnittlichen Mehrfachkundenumsätze des letzten Vertragsjahrs ankomme.

Darüber hinaus habe der Kläger den Mehrfachkundenanteil in den letzten Vertragsjahren nicht im Einzelnen dargetan. Außerdem seien die […] Geschäfte seien nicht ausgleichspflichtig, weil sie von ihr organisiert würden.

Der Kläger habe auch die Abwanderungsquote nicht berücksichtigt.

Es reiche auch nicht, lediglich eine Sogwirkung in Höhe von 10% zu berücksichtigen. Vielmehr sei aufgrund der Bekanntheit der Marke […] hierfür ein Abzug mindestens in Höhe von 60% vorzunehmen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Es kann dahinstehen, ob das Landgericht Frankfurt am Main bereits aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag örtlich für den Rechtsstreit zuständig ist, weil sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main jedenfalls aus dem Umstand ergibt, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung rügelos zur Hauptsache verhandelt hat (§ 39 ZPO).
Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger ist, unabhängig von der unstreitigen Abtretung der Ansprüche der Insolvenzschuldnerin an die Bremer Landesbank, aus § 166 Abs. 2 InsO aktivlegitimiert.
Der Insolvenzschuldnerin steht aber ein Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB nicht zu.

Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ergibt sich daraus, dass wenn der Handelsvertreter weiter tätig gewesen wäre und Geschäfte mit den geworbenen Stammkunden gemacht hätte, eine Vermutung dafür spricht, dass sich anhand eines längeren Zeitraums vor Vertragsende feststellen lässt, dass der Umsatz eines Händlers mit Mehrfachkunden einen annähernd gleichbleibenden Anteil am gesamten Neuwagenumsatz ausmacht, dass dieser Anteil, wäre der Händlervertrag nicht beendet worden, auch innerhalb des oben genannten durchschnittlichen Nachbestellintervalls von fünf Jahren konstant geblieben wäre (BGH in NJW 97, 1504).

Dies ist bei der Insolvenzschuldnerin gerade nicht der Fall. Denn im Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses war infolge der beantragten Insolvenz absehbar, dass die Insolvenzschuldnerin ihr Geschäft einstellen werde. Daher sind für die Provisionsverluste alleine die Insolvenz und die Einstellung des Geschäftes und nicht die Vertragsbeendigung ursächlich. Denn es fehlt die Kausalität für die Provisionsverluste, weil diese ohnehin nicht mehr erwirtschaftet würden. Ein insolventer Betrieb ist auf Vollbeendigung gerichtet und nicht auf Fortführung, wie sich auch aus dem – bestrittenen – Vortrag der Beendigung des Geschäftsbetriebs am 31.03.2004 ergibt. Zum maßgeblichen Bewertungszeitpunkt, nämlich dem 01.10.2003, war offensichtlich, dass die Insolvenzschuldnerin aufgrund der schwerwiegenden Finanzkrise bei unterstellten Fortführung des Händlervertrages nicht mehr in der Lage war, weitere Geschäftsabschlüsse mit ihren vormaligen Stammkunden zu tätigen. Denn am Tage der Vertragsbeendigung wurde durch das Amtsgericht Bremen das bereits am 08.08.2003 beantragte Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet.

Hinzu kommt, dass der Kläger bereits am 16.10.2003 die Masseunzulänglichkeit der Insolvenzschuldnerin angezeigt hat, so dass auch aus diesem Grund eine Fortführung des Geschäftsbetriebes ausgeschlossen war. Grundsätzlich sind zwar Umstände, die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses entstehen, für das Bestehen des Handelsvertreterausgleichsanspruches unerheblich. Allerdings betrifft dies nur unvorhergesehene Ereignisse. Wenn, wie im vorliegenden Fall, jedoch die zu prognostizierenden Provisions- bzw. Rabattverluste gem. § 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB der Insolvenzschuldnerin nicht entstehen können, weil bereits vor Beendigung des Vertragsverhältnisses absehbar war, dass die Insolvenzschuldnerin keine weiteren Geschäfte mehr hätte tätigen können (Stumpf/Ströbl in MDR 04, 1209, 1211).

Darüber hinaus hat der Kläger aber auch die Voraussetzungen für den geltend gemachten Handelsvertreterausgleichsanspruch gem. § 89b HGB für die Insolvenzschuldnerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.

Der Kläger hat zwar die durchschnittliche Handelsspanne in den letzten 5 Jahren aus Neufahrzeugen für die Insolvenzschuldnerin vorgetragen.

Allerdings hat der Kläger den berücksichtigungsfähigen Stammkundenanteil nicht substantiiert vorgetragen. Er hat diesen für die Insolvenzschuldnerin zwar mit 55% beziffert. Allerdings ist insbesondere im Hinblick auf das substantiierte Bestreiten der Beklagten nicht hinreichend dargetan, wie der Kläger diese Zahlen ermittelt hat. Soweit er im Schriftsatz vom 09.03.2005 anhand des Gesamt- und des Neuwagenumsatzes, der maximal 54% im Jahre 2001 ausmacht, für die Jahre 2000 bis 2002 auf einen Mehrfachkundenanteil in Höhe von 55% kommt, ist nicht nachvollziehbar und wird auch nicht ansatzweise erläutert, weshalb und wie sich aus einem maximalen Neuwagenkundenanteil in Höhe von 54% ein Mehrfachkundenanteil am Gesamtumsatz in Höhe von 55% errechnet. Dies konnte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2005 nicht erläutern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Schlagwörter
Münchener Formel (2) Ausgleichsanspruch (86)