Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

6 Ca 673/02 Urteil verkündet am 25. März 2003 ArbG Kassel Ansprüche bei und nach Vertragsende

Arbeitsgericht Kassel
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Ziffer 1 der Wettbewerbsvereinbarung vom 17.09.1998 insoweit unwirksam ist, als darin das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des Klägers räumlich über das von ihm als Gebietsverkaufsleiter zu betreuende Verkaufsgebiet (vgl. Gebietskarte Anlage B 4) ausgedehnt wird.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.521,53 € festgesetzt.

Tatbestand

Die klagende Arbeitgeberin ist ein Großhandels Unternehmen mit dem Geschäftsgegenstand der Herstellung und des Vertriebs technischer Produkte, und zwar im wesentlichen von Werkzeugen sowie von Produkten der Schweißtechnik, der Kfz Pflege und der Reinigungsmittel. Sie ist im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich mit ca. 180 Außendienstmitarbeitern präsent. Darüber hinaus ist sie in verschiedenen Ländern des europäischen Auslands über ihre deutsche Schwestergesellschaft, die […] GmbH, tätig, z.B. in den Niederlanden, Frankreich, Österreich und Italien.

Der beklagte Arbeitnehmer war bei ihr vom 01.07.1997 bis 31.12.2000 beschäftigt, und zwar zunächst als technischer Verkäufer im Außendienst, und seit 01.09.1998 als Gebietsverkaufsleiter zu einem Bruttomonatsgehalt i. H. v. DM 3.000,00 zzgl. Provision. Wegen Einzelheiten des geographischen Zuschnitts dieses Verkaufsgebiets, das Teile von Ostwestfalen, Südniedersachsen und Nordhessen umfasst, wird auf Bl. 79 d.A. Bezug genommen.

Wegen Einzelheiten des Gebietsverkaufsleiter Vertrages vom 17.09.1998 wird auf Bl. 75 – 78 d.A. Bezug genommen.

Unter dem Datum vom 17.09.1998 schlossen die Parteien eine Wettbewerbsvereinbarung (Bl. 66 – 68 d.A.), die folgenden Wortlaut hat:

„Wettbewerbsvereinbarung
Zwischen
[…]
im folgenden Arbeitnehmer genannt, und der Firma
[…]
wird als Ergänzung und Bestandteil des zum 01.07.1997 geschlossenen Arbeitsvertrages folgende Wettbewerbsvereinbarung getroffen:

1. Geltungsbereich
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für ein Unternehmen nicht tätig zu sein, das folgende Erzeugnisse herstellt oder vertreibt:
Produkte der Schweiß und Schleiftechnik, sowie technische Sprays aller Art, Befestigungsmaterialien, KFZ-Pflege und -Wartungsmittel, Reinigungsmittel und Chemieprodukte sowie Werkzeuge und andere Artikel, die sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Verkaufsprogramm der Firma befanden.
Dem Arbeitnehmer ist es danach insbesondere verboten,
a) ein festes Arbeitsverhältnis oder ein freies Beratungs- oder Vertreterverhältnis zu einem solchen Unternehmen einzugehen;
b) ein solches Unternehmen selbst zu errichten oder zu erwerben;
c) sich an einem solchen Unternehmen, ganz gleich welcher Rechtsform, finanziell oder personell zu beteiligen.
Der örtliche Geltungsbereich dieser Wettbewerbsvereinbarung erstreckt sich auf das Gebiet Deutschland und der neuen Bundesländer.

2. Entschädigung
Die Firma […] zahlt dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen. Die Entschädigung wird jeweils zum Schluss eines Monats gezahlt.
Auf die Karenzentschädigung wird alles angerechnet, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, sofern der Verdienst und die Entschädigung zusammengerechnet mehr als 1/10, bei Verlegung des Wohnsitzes an einen anderen Ort 1/4, der bisherigen Bezüge übersteigen.
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer des Wettbewerbsverbots unaufgefordert jeweils zum Schluss eines Monats Auskunft über die Höhe seiner Bezüge zu geben und die Anschrift des jeweiligen Arbeitgebers mitzuteilen. Am Schluss eines Kalenderjahres ist er verpflichtet, seine Lohnsteuerkarte vorzulegen. Während der gleichen Zeit verpflichtet sich der Arbeitnehmer von jeden Wechsel seines Wohnsitzes Mitteilung zu machen.

3. Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Für den Fall, dass die Firma das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dass ein erheblicher Anlass in der Person des Arbeitnehmers gegeben ist, wird das Wettbewerbsverbot unwirksam, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung schriftlich erklärt, dass er sich an die Wettbewerbsvereinbarung nicht gebunden halte. Das Wettbewerbsverbot bleibt jedoch wirksam, wenn sich die Firma bei der Kündigung bereit erklärt, die vollen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen an den Arbeitnehmer für die Dauer der Wettbewerbsvereinbarung zu zahlen.

4. Verzicht
Die Firma kann vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, dass sie zum Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung einer Entscheidung frei wird.

5. Vertragsstrafe
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für jeden Fall einer Vertragsverletzung des Wettbewerbsverbots an die Firma […] eine Vertragsstrafe DM 25.000,00 (i.W.: Fünfundzwanzigtausend) zu zahlen. Der Anspruch auf die Vertragsstrafe besteht auch ohne Nachweis eines Schadens. Bei nachweisbar höherem Schaden behält sich ausschließlich […] einen höheren Schadensanspruch vor.

6. Ergänzungen
Im übrigen gelten die Vorschriften des HGB über das Wettbewerbsverbot.
Gerichtsstand ist das für Fulda zuständige Arbeitsgericht.
Der Arbeitnehmer bestätigt ausdrücklich, ein von der Firma […] rechtsverbindliches, unterzeichnetes Exemplar dieser Vereinbarung erhalten zu haben.
Fulda, 17.09.1998″

Mit der vorliegenden Klage, die beim Arbeitsgericht Kassel am 17.12.2002 eingegangen ist, macht die Klägerin gegen den Beklagten ihr angeblich zustehende Ansprüche im Hinblick auf dessen angebliche Verletzung der Wettbewerbsvereinbarung vom 17.09.1998 geltend.
Die Klägerin behauptet, sie habe ein berechtigtes Interesse an der nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gehabt. Dieses Interesse ergebe sich insbesondere daraus, dass mit der Person des Beklagten ein erheblicher Umsatzanteil verbunden gewesen sei. Des weiteren besitze er Kenntnisse über ihre gesamten Kunden sowie die Produkt und Preislisten. Aufgrund seiner mehrjährigen Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter habe er Kenntnis von allen relevanten Daten und Vorgängen. Es sei für sie von grundsätzlicher Bedeutung, dass ihr Vertriebskonzept zumindest für die Zeit von einem Jahr nach Ausscheiden der Mitarbeiter, die in Kenntnis dieses Sachverhaltes seien, nicht an andere Wettbewerbsunternehmer weitergegeben werde.

Die Klägerin behauptet weiter, der Beklagte habe gegen die Wettbewerbsvereinbarung verstoßen. Denn ausweislich der […] Reporte der Firma […] für die Zeiträume Oktober 2000 bis August 2001 sei der Beklagte ab 01.01.2001 Verkaufsaußendienst Mitarbeiter jener Firma. Die Firma […] vertreibe ebenfalls Werkzeuge sowie Produkte der Schweißtechnik.

Die Klägerin meint aufgrund dieser Behauptungen, dass der Beklagte eine Vertragsstrafe gem. Ziffer 5 der Wettbewerbsvereinbarung vom 17.09.1998 (Bl. 66 – 68 d.A.) in Höhe von DM 50.000,00 (2 x DM 25.000,00) verwirkt habe.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 25.564,59 € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz der […] seit Klagezustellung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er meint, es sei kein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer Erstreckung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu erkennen. Des weiteren führe das Wettbewerbsverbot – gerade auch unter Berücksichtigung seiner geografischen Ausprägung – zu einer unbilligen Erschwernis seines beruflichen Fortkommens. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich in der Wettbewerbsvereinbarung vom 17.09.1998 nur verpflichtet habe, die in § 74 Abs. 2 HGB festgelegte Mindestentschädigung an ihn, den Beklagten, zu zahlen. Bei einem Vergleich der Größe des von ihm tatsächlich betreuten Gebietes mit dem Gebiet der gesamten Bundesrepublik werde deutlich, dass die Entschädigung in keinem Verhältnis zu den mit dem Wettbewerbsverbot verbundenen Wirkungen stehe.

Hilfsweise behauptet der Beklagte, dass er gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot auch gar nicht verstoßen habe. Den von der Klägerin in Bezug genommenen […] der Firma […] für den Zeitraum Oktober 2000 bis August 2001 lasse sich nicht entnehmen, dass er, der Beklagte, in dem Jahr nach Vertragsbeendigung eine Wettbewerbstätigkeit für die Firma […] auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt habe, zumal die Firma […] international tätig sei.

Davon abgesehen, meint der Beklagte, dass die Vertragsstrafen Vereinbarung in Ziffer 5 der Wettbewerbsvereinbarung vom 17.09.1998 wegen „Verstoßes gegen § 9 AGBG“ unwirksam sei. Dies folge insbesondere daraus, dass die Vertragsstrafen Klausel nicht nach der objektiven Schwere des Verstoßes und dem Grad des Verschuldens differenziere.

Darüber hinaus behauptet er, die Klägerin könne nicht einen einzigen Fall nachweisen, in dem er innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Produkte eines Mitbewerbers der Klägerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertrieben habe.

Entscheidungsgründe

Zwischen den Parteien ist der Zwischenstreit entscheidungsreif, ob das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in Ziffer 1 der Wettbewerbsvereinbarung vom 17.09.1998 verbindlich ist, so dass insoweit gem. § 303 ZPO ein Zwischenurteil zu ergehen hat.
Insoweit ist die teilweise Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots festzustellen, und zwar insoweit, als es sich geografisch über das Zuständigkeitsgebiet des Beklagten bei der Klägerin (vgl. Gebietskarte Anlage B 4) erstreckt.

Gem. § 74 a Abs. 1, Satz 2 HGB ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält.
Bei der Beurteilung der unbilligen Fortkommenserschwerung ist einerseits auf einen wirksamen Schutz der Interessen des Arbeitgebers abzustellen. Anderseits sind auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Dieser darf nicht unbillig beschwert werden; seine Nachteile müssen noch durch die Karenzentschädigung ausgeglichen werden. Es hat eine Abwägung der wechselseitigen Interessen stattzufinden (vgl. BAG, Urteil vom 18.02.1967 = AP Nr. 19 zu § 133 GewO). In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalles mit einzubeziehen.

Wegen der örtlichen Ausdehnung des Wettbewerbsverbots ist eine Begrenzung auf die tatsächlichen Interessengebiete des Arbeitgebers vorzunehmen. Im allgemeinen muss dem Arbeitnehmer noch möglich sein, eine Tätigkeit im deutschen Sprachraum aufzunehmen. Deshalb wird nur für wenige hervorragende Mitarbeiter eine Sperrung für die ganze Bundesrepublik in Betracht kommen, wenn sie bei bundesweit tätigen Spezial Unternehmen arbeiten (vgl. Erfurter Kommentar Schaub, 1. Auflage 1998, Rz. 6 zu § 74 a HGB).

Angesichts dieser Grundsätze folgt die teilweise Unverbindlichkeit des vorliegenden Wettbewerbsverbots bereits daraus, dass keine Rede davon sein kann, dass der Beklagte im Betrieb der Klägerin eine besonders herausragende Stellung gehabt hätte, da er lediglich ein Gebietsverkaufsleiter unter vielen gewesen ist; dies folgt im übrigen auch aus der keinesfalls überdurchschnittlichen Vergütung des Klägers (Fixgehalt DM 3.000,00 pro Monat zzgl. Provision).

Als weiterer, ganz entscheidender Faktor kommt des weiteren hinzu, dass sich die zugunsten des Beklagten vereinbarte Karenzentschädigung strikt am Minimum des § 74 Abs. 2 HGB (ein halbes Gehalt pro Monat) orientiert. Wenn die Klägerin nur bereit ist, das gesetzliche Minimum an Karenzentschädigung zu zahlen, hat sie kein berechtigtes Interesse daran, dem Kläger ein Maximum hinsichtlich des diesem obliegenden nachvertraglichen Wettbewerbsverbots abzuverlangen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das vorliegende Zwischenurteil ist mit 1/3 des eingeklagten Betrages zu bemessen.

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