Neukundenwerbung nach Übernahme von Kundenlisten durch den Unternehmer aus einer Insolvenzmasse; Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

15 U 56/07 Urteil verkündet am 22. August 2007 OLG Karlsruhe Ausgleichsanspruch

Oberlandesgericht Karlsruhe
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[..]

wegen Ausgleichsanspruch

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe im schriftlichen Verfahren nach dem Sach- und Streitstand vom 08. August 2007 unter Mitwirkung von [..]

Tenor

für Recht erkannt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 10. Januar 2007 (4 O 106/04 KfH) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

1. Der Kläger macht einen Ausgleichsanspruch als Handelsvertreter geltend. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beklagte aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Kläger geworben habe, noch erhebliche Vorteile habe. Zugrunde zu legen sei der Zeitraum, in dem der Kläger für den Beklagten tätig war, also seit 1999. Die Tätigkeit des Klägers für die 0. GmbH könne bei der Prüfung, inwieweit der Kläger neue Kunden geworben habe, keine Berücksichtigung finden. In der Zeit seit 1999 habe der Kläger keine neuen Kunden für den Beklagten geworben und auch keine Geschäftsverbindung mit einem Altkunden so wesentlich erweitert, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspreche.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag in Höhe von 11.211,11 € reduziert hat auf 10.268,24 €. Der Kläger wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Vortrag. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte neben dem Anlagevermögen auch den Kundenstamm vom Insolvenzverwalter erworben habe. Jedenfalls stehe fest, dass der Beklagte vor der Tätigkeit des Klägers als Handelsvertreter für ihn keine Geschäftsverbindungen zu Kunden habe aufweisen können. Diese hätten vielmehr mit der GmbH bestanden. Damit sei der Kläger als Handelsvertreter der ersten Stunde anzusehen.

Der Kläger beantragt nach „Berichtigung“:

Unter Abänderung des am 10.01.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Baden-Baden wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 10.268,24 € zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Zum Parteivortrag im Einzelnen wird auf den Inhalt der bei Gericht eingegangenen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Hinsichtlich der Zulässigkeit des nunmehr reduzierten Antrags kann offen bleiben, ob darin eine teilweise Rücknahme der Berufung liegt (zulässig nach § 516 Abs. 1 ZPO) oder eine teilweise Klagerücknahme (vgl. dazu Zöller/Greger, 26. Aufl., § 263 ZPO Rn. 11 b).

Der Kläger hat keinen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB, da er nicht schlüssig vorgetragen hat, dass er neue Kunden für den Beklagten geworben oder die Geschäftsbeziehung mit Kunden wesentlich erweitert hat.

Nach dem eigenen Vortrag des Klägers sind die bei seinem Ausscheiden vorhandenen Kunden des Beklagten sämtlich auch bereits Kunden der O. GmbH gewesen. Es kommt daher entscheidend darauf an, ob die Insolvenz der O. GmbH und nachfolgende Veräußerung von Betriebsvermögen der O. GmbH an den Beklagten dazu führt, dass die bereits bei der GmbH vorhandenen Kunden als neue Kunden im Sinne des § 89 b HGB gelten. In Übereinstimmung mit der dazu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall ein Ausgleichsanspruch für die vom Kläger betreuten, allerdings bereits bei der GmbH vorhandenen Geschäftsverbindungen zu verneinen.

1. Der Handelsvertretervertrag des Klägers mit der O. GmbH hatte mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der O. GmbH gem. § 23 KO geendet, ohne dass es einer Kündigung bedurfte. Ein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB wäre in der damaligen Situation dann in Betracht gekommen, wenn der Konkursverwalter durch Geschäfte mit vom Handelsvertreter geworbenen Kunden erhebliche Vorteile gewonnen oder beim Verkauf des Geschäfts wegen des Kundenstammes ein erhöhtes Entgelt erzielt hätte (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 97, 353, 354 m.w.N.). Einen solchen Anspruch hat der Kläger gegenüber dem Konkursverwalter der GmbH nicht geltend gemacht.

2. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Konkursverwalter mit Vereinbarung vom 03.03.1999 (Anlage B 1) den Kundenstamm auf den Beklagten übertragen hat. In dem schriftlichen Vertrag ist zwar nur von dem „Anlagevermögen“ die Rede. Der Beklagte hat aber mit dem neuen Unternehmen nicht nur dieses Anlagevermögen genutzt, sondern auch den bestehenden Firmennamen „O.“. Vor dem Hintergrund, dass im vorliegenden Fall aufgrund der besonderen Marktsituation für die Produkte des Beklagten von einer sehr hohen Kundenbindung auszugehen ist, ergibt sich, dass es dem Beklagten bei dem Erwerb des Anlagevermögens nicht nur um den reinen Materialwert ging, sondern gerade um die Möglichkeit, mit diesem Anlagevermögen einen Ertrag zu erwirtschaften. Daher war der „good will“ des übertragenen Unternehmens von besonderem Interesse. In einem solchen Fall ist aber davon auszugehen, dass auch der „good will“ des Unternehmens und damit der feste Kundenstamm übertragen wird, auch wenn dies in dem Übergabevertrag nicht ausdrücklich enthalten ist. Wie der Konkursverwalter einerseits und der Beklagte andererseits den Übernahmepreis kalkuliert haben, wird sich in der Regel kaum feststellen lassen, zumal die dabei relevanten Überlegungen nicht notwendig übereinstimmen müssen und jedenfalls nicht zwingend in die Vertragsverhandlungen mit einfließen. Deshalb ist es für eine Übernahme des Kundenstamms ausreichend, wenn der Übernehmer die Firma unter ihrem bisherigen Namen weiterführt und dabei auch dasselbe Vertriebsnetz benutzt (vgl. OLG Karlsruhe, WM 85, 235, 236).

3. Hatten jedoch wie hier – die zum Zeitpunkt des Übergangs bereits bestehenden Kundenbeziehungen ihren Niederschlag im Kaufpreis für den Unternehmenserwerb gefunden, lösen die Kundenbeziehungen keine Haftung des Übernehmers nach § 89 b HGB aus. Für früher begründete Ansprüche haftet grundsätzlich der Veräußerer. Daran ändert sich auch nichts, wenn es dem Erwerber des Unternehmens gelingt, den Handelsvertreter nunmehr für das erworbene Unternehmen als Handelsvertreter zu gewinnen (BGH, Urteil vom 18. April 1985 – I ZR 30/83 – zitiert nach juris, Rn. 10). Dies gilt auch für den Fall eines Erwerbes vom Konkursverwalter (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 97, 353, 354).

Entgegen der Ansicht des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsbeziehungen, die nach 1999 vom Beklagten aufgenommen wurden, in jedem Fall für ihn neu gewesen seien, weil es das von ihm betriebene Unternehmen vorher ja nicht gegeben habe, vielmehr die Geschäftsbeziehungen nur mit der GmbH bestanden hätten (ebenso Landgericht Bielefeld, HVR Nr. 608; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2, 7. Auflage, Rn. 461). Diese rein formale Betrachtung wird den Problemen, die sich in der vorliegenden Konstellation stellen, nicht gerecht. Entscheidend für einen Ausgleichsanspruch ist, dass die Kundenbeziehungen vom Handelsvertreter „mitgebracht“ oder neu geschaffen werden und nicht aus dem Unternehmenserwerb herrühren, also auch ohne eine besondere Leistung eines Handelsvertreters mit der neuen Rechtsperson des Erwerbers fortgeführt werden. Ansonsten würde der Handelsvertreter unter Umständen einen doppelten Ausgleichsanspruch haben, nämlich sowohl gegen den Veräußerer als auch gegen den Erwerber. Außerdem müsste der Erwerber möglicherweise für die Kundenbeziehungen doppelt bezahlen, nämlich sowohl an den Veräußerer als auch an den Handelsvertreter.

4. Ein Ausgleich ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben geschuldet, weil der Ansprechpartner des Klägers sowohl in der GmbH als auch nach 1999 jeweils der Beklagte war. Selbst ein maßgeblicher Einfluss in beiden Firmen würde dafür nicht ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1985 – I ZR 30/83 – zitiert nach juris, Rn. 11 f.).

5. In der vorliegenden Konstellation kommt ein unmittelbarer Ausgleichsanspruch gegen den Unternehmenserwerber nur in Betracht, wenn er als Rechtsnachfolger des Veräußerers in das Vertragsverhältnis mit dem Handelsvertreter eintritt. Dann setzt sich die vertragliche Beziehung bruchlos fort. In einem solchen Fall muss sich der Unternehmer die von dem Handelsvertreter für den früheren Betriebsinhaber geschaffenen Geschäftsverbindungen zurechnen lassen. Voraussetzung hierfür ist aber entweder eine vereinbarte Vertragsübernahme oder eine Firmenfortführung kraft Gesetzes nach § 25 HGB (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 97, 353, 354). Erwerb im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ist jedoch nicht der Erwerb vom Konkurs- oder Insolvenzverwalter (vgl. Baumbach/Hopt, 32. Aufl., § 25 HGB Rn. 4). Auch zu einer vereinbarten Vertragsübernahme ist es hier nicht gekommen. Die Parteien konnten sich über den Abschluss eines Übernahmevertrages nicht einigen. Anhaltspunkte für eine Übernahme des Vertragsverhältnisses bestehen nicht. Der bloße Umstand, dass der Kläger für den Beklagten als Handelsvertreter tätig geworden ist, reicht hierfür nicht aus.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Da die vorliegende Rechtsfrage durch obergerichtliche Rechtsprechung geklärt ist, ist eine Zulassung der Revision nicht veranlasst.

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