Zur steuerlichen Aktivierung eines Einstandsbetrages
X R 2/04 Urteil verkündet am 22. August 2007 BFH Einstands-, Abwälzungs- und NachfolgevereinbarungenBundesfinanzhof
Im Namen des Volkes
Urteil
[..]
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer des Streitjahres 1998 zusammenveranlagt werden. Die Klägerin erzielte unter anderem Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einer Anzeigenvertretung. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich. Im Rahmen ihres Jahresabschlusses für das Streitjahr minderte die Klägerin ihren Gewinn um Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 46.323,– DM auf ein „Vertreterrecht“, dessen Anschaffungskosten sie mit 138.984,– DM bezifferte.
Am 5. September 1997 hatte die Klägerin mit der X-GmbH einen Handelsvertretervertrag über die Anzeigenvertretung einschließlich der Vermittlung von Beilagen geschlossen. Nach § 2 Nr. 1 c des Vertrages erstreckte sich die Vertretung auf den in einer Anlage zum Vertrag näher beschriebenen Kundenkreis sowie auf entsprechend gekennzeichnete Verlagskunden. In § 7 Nr. 4 des Vertrages heißt es:
„Die X-GmbH übergibt dem Vertreter einen Kundenstamm. Dieser Kundenstamm, der mit DM 138.984,00, zuzgl. Mwst. bewertet ist, wird als zinsloses Darlehen übergeben. Dieses Darlehen ist bei Beendigung des Vertragsverhältnisses mit einer ggf. anfallenden Ausgleichszahlung zu verrechnen. Liegt die Höhe der Ausgleichszahlung unterhalb des Darlehensbetrages, so verzichtet die X-GmbH auf den Ausgleich der Differenz.“
Das seinerzeit für die Veranlagung der Kläger zuständige Finanzamt FA F würdigte die vertragliche Regelung zunächst dahin, dass die Klägerin kein zu aktivierendes immaterielles Wirtschaftsgut erworben habe. Es erließ daher einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in welchem eine AfA auf das „Vertreterrecht“ nicht berücksichtigt wurde. Dem dagegen von den Klägern erhobenen Einspruch half das FA F mit Entscheidung vom 14. August 2001 – zur Post gegeben am 27. August 2001 – teilweise ab, indem es nunmehr doch von einem zu aktivierenden „Vertreterrecht“ ausging, das allerdings – abweichend vom Ansatz im eingereichten Jahresabschluss – auf acht Jahre abzuschreiben sei.
Mit der gegen das FA F gerichteten Klage begehrten die Kläger weiterhin, von einer dreijährigen Nutzungsdauer auszugehen. Sie trugen vor, dass von den von der X-GmbH übernommenen Kunden ausweislich der Kundenliste für das Jahr 2000 nur noch vier Kunden übrig geblieben seien. Mehr als 95 % des „Vertreterrechts“ hätten sich demnach verflüchtigt.
Während des Klageverfahrens änderte das FA F seinen Rechtsstandpunkt erneut. Es vertrat nunmehr die Auffassung, dass nach einer zwischenzeitlich bei der X-GmbH durchgeführten Außenprüfung und aufgrund weiterer Sachverhaltsfeststellungen die bisherige rechtliche Beurteilung nicht weiter aufrechterhalten werden könne. Der wirtschaftliche Gehalt des § 7 Nr. 4 des Handelsvertretervertrages vom 5. September 1997 sei ein anderer als der schriftlich niedergelegte. Die Regelung habe tatsächlich lediglich den Wert des Kundenstammes festgehalten und so festlegen sollen, dass den Handelsvertretern der X-GmbH bei Beendigung der jeweiligen Vertragsverhältnisse Ausgleichsansprüche nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB) nur zustünden, soweit der vertraglich fixierte Wert des übergebenen Kundenstammes überschritten werde. Dadurch sei von Anfang an der Anspruch nach § 89b HGB „ausgehebelt“ worden. Die X-GmbH habe deshalb auch keine Rechnungen erteilt und bei sich keine bilanziellen Konsequenzen gezogen. Danach stehe fest, dass eine Übertragung eines Kundenstammes auf den Handelsvertreter wirtschaftlich nicht gewollt gewesen sei. Dementsprechend erließ das FA F am 12. November 2002 einen auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten Einkommensteueränderungsbescheid, in dem nunmehr keine AfA auf ein „Vertreterrecht“ mehr berücksichtigt wurde.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG 04, 883). Es hielt die Klage insoweit für begründet, als die Voraussetzungen für den Erlass des im Klageverfahren ergangenen Änderungsbescheides vom 12. November 2002 nicht gegeben gewesen seien, weil weder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen noch Beweismittel i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorgelegen hätten. Im Übrigen sei die Klage jedoch unbegründet. Die Klägerin habe im Streitjahr keine AfA auf ein „Vertreterrecht“ vornehmen können. Denn durch die in § 7 Nr. 4 des Handelsvertretervertrages gewählte Vertragsgestaltung sei lediglich eine aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtung begründet worden, die erst dann zu Anschaffungskosten führe, wenn die Bedingung – hier: das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB mit Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses – eingetreten sei.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Hierzu tragen sie im Wesentlichen vor:
Im Streitfall gehe es um Aufwendungen zur Erlangung des Wirtschaftsguts „Vertreterrecht“, die aufgrund des Prinzips der Erfolgsneutralität zwingend zu aktivieren gewesen seien. Verneine man mit der Vorinstanz wegen der im Vertrag vorgesehenen aufschiebend bedingten Zahlungsvereinbarung das Vorliegen von Anschaffungskosten, so werde verkannt, dass Aufwendungen bilanzrechtlich nicht erst dann vorlägen, wenn sie rechtlich entstanden seien. Zum Bilanzstichtag habe eine ungewisse Verbindlichkeit bestanden, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 249 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 HGB als Rückstellung zu passivieren sei und deshalb zu Aufwendungen führe, welche nur durch die Aktivierung von Anschaffungskosten erfolgsneutral belassen werden könnten. Ungewisse Verbindlichkeiten seien in der Handelsbilanz mit dem Wert anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig sei (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Im Streitfall sei nach den Verhältnissen am Abschlussstichtag wahrscheinlich gewesen, dass die Klägerin während ihrer Tätigkeit als Handelsvertreterin einen Wertzuwachs ihres Kundenstammes erzeugen werde, der sodann nach den vertraglichen Vereinbarungen zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens führen werde. Damit hätten Aufwendungen zur Erlangung des „Vertreterrechts“ in Höhe des wahrscheinlichen Erfüllungsbetrages von 138.984,– DM vorgelegen.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es die Klage abgewiesen hat, und die Sache zur Feststellung der Nutzungsdauer an das FG zurückzuverweisen.
Der im Laufe des Revisionsverfahrens anstelle des zunächst beklagten und revisionsbeklagten FA F für die Besteuerung der Kläger zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA -) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
1. Aufgrund von § 2 Nr. 16 der Verordnung über die Zuständigkeiten der hessischen Finanzämter (ZustVOFÄ HE) vom 11. Dezember 2003 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen – GVBl. HE – I 2003, 335) ist die Zuständigkeit für die Besteuerung der Kläger ab dem 1. Januar 2004 auf das FA übergegangen und dort nach § 2 Nr. 11 der ZustVOFÄ HE vom 14. April 2004 (GVBl. HE I 2004, 180) auch verblieben. Dieser während des Revisionsverfahrens eingetretene Zuständigkeitswechsel führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 1. August 1979 – VII R 115/76, BFHE 128, 251, BStBl. II 79, 714, und vom 12. Januar 2001 – VI R 102/98, BFHE 194, 372, BStBl. II, 03, 151).
2. Im Grundsatz zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Klägerin durch die mit der X-GmbH getroffene Vereinbarung vom 5. September 1997 ein dem Anlagevermögen zuzurechnendes immaterielles Wirtschaftsgut „Vertreterrecht“ erworben hat, für das – da der Erwerb entgeltlich erfolgte – in Höhe der Anschaffungskosten ein Aktivposten in der Steuerbilanz anzusetzen war (§ 5 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG).
In seinem Urteil vom 18. Januar 1989 – X R 10/86 (BFHE 156, 110, BStBl. II, 89, 549) hat der erkennende Senat ausgeführt, dass ein Handelsvertreter, der einen eingeführten und regelmäßig bearbeiteten Vertreterbezirk übernimmt, dadurch einen greifbaren wirtschaftlichen Vorteil erlangt. Ist die Übernahme der Vertretung mit einer „Einstandszahlung“ verbunden, so liegt darin die Gegenleistung des Handelsvertreters für die ihm von dem Geschäftsherrn verschaffte – rechtlich verfestigte – wirtschaftliche Chance, Provisionseinnahmen zu erzielen. Bei dem neu in die bestehenden Kundenbeziehungen des Geschäftsherrn eintretenden Handelsvertreter wird dadurch ein als „Vertreterrecht“ umschriebenes und abgeleitet (derivativ) erworbenes immaterielles Wirtschaftsgut begründet (vgl. Senatsurteile in BFHE 156, 110, BStBl. II 1989, 549, unter 1.b; vom 25. Juli 1990 – X R 111/88, BFHE 162, 38, BStBl. II 1991, 218, unter 3.a; vom 12. Juli 2007 – X R 5/05, Der Betrieb – DB 07, 2231, Deutsches Steuerrecht – DStR 07, 1809, zur Veröffentlichung bestimmt; H 5.5 „Vertreterrecht“ der Einkommensteuer-Richtlinien).
Der entgeltliche Erwerb eines solchen Vertreterrechts setzt nicht voraus, dass die als Gegenleistung vereinbarte „Einstandszahlung“ von dem Handelsvertreter sogleich bei Übernahme des Vertreterbezirks entrichtet werden muss. In seinen Urteilen in BFHE 156, 110, BStBl. II 1989, 549 (unter 1.b, a.E.) und in DB 07, 2231, DStR 07, 1809 hat der Senat für den Fall künftiger Provisionsansprüche entschieden, dass das Vertreterrecht auch dann entgeltlich erworben wird, wenn das Entgelt erst zu einem späteren Zeitpunkt durch Verrechnung mit zukünftig zur Entstehung gelangenden Gegenansprüchen des Handelsvertreters gegen den Geschäftsherrn zu erbringen ist. Für die mit der Darlehensvereinbarung wirtschaftlich bezweckte Aufrechnung des Übernahmepreises gegen den mit Beendigung des Vertretungsverhältnisses entstehenden Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB kann nichts anderes gelten (so auch Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl., § 5 Rz 192).
3. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Auffassung des FG, aufgrund der Besonderheiten des Streitfalles sei das Wirtschaftsgut „Vertreterrecht“ im Streitjahr nicht zu aktivieren, weil die Klägerin lediglich eine aufschiebend bedingte Verbindlichkeit eingegangen sei, welche erst bei Bedingungseintritt zu Anschaffungskosten führe.
a) Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugerechnet werden können (§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB). Bei Anwendung dieser auf die Steuerrechtspraxis zurückgehenden handelsrechtlichen Begriffsbestimmung (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 1995 – IV R 27/94, BFHE 178, 359, BStBl. II 1995, 895, unter 2.a) sind der Klägerin Aufwendungen für den Erwerb des Vertreterrechts im Umfang der mit der Übernahme des Kundenstammes eingegangenen Darlehensverpflichtung entstanden. Denn es stand bereits seit Vertragsabschluss fest, dass der der Klägerin bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zustehende Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB in einer der Darlehensforderung entsprechenden Höhe von 138.984,– DM nicht zur Auszahlung gelangen würde. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass der Gegenanspruch erst zukünftig fällig wird, da es – wie auch die Handhabung von Anschaffungsvorgängen auf (Zahlungs-)Ziel zeigt – für den Bilanzansatz eines erworbenen Wirtschaftsguts mit den Anschaffungskosten generell unerheblich ist, ob die Anschaffungskosten im jeweiligen Wirtschaftsjahr bereits bezahlt sind (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2002 – IX R 53/98, BFH/NV 02, 1152, unter II.4.a, m.w.N.; Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Rz 140 Stichwort „Eingegangene Ware“).
b) Zwar kommt im Streitfall noch der Umstand hinzu, dass die X-GmbH gegenüber der Klägerin bereits bei Begründung des Vertreterrechts den teilweisen Erlass ihrer Darlehensforderung für den Fall ausgesprochen hat, dass der künftige Gegenanspruch der Klägerin auf angemessenen Ausgleich nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses der Höhe nach hinter demjenigen auf Darlehensrückzahlung zurückbleibt. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, abweichend von den dargelegten Grundsätzen von einer Aktivierung des Vertreterrechts abzusehen.
Aus der gewählten Vertragsgestaltung hat das FG den Schluss gezogen, dem Grunde und der Höhe nach seien Anschaffungskosten bis zum Entstehen des Gegenanspruchs noch nicht zu bestimmen gewesen. Ziehe man in Betracht, dass die Klägerin mit einem künftigen Ausgleichsanspruch sogar vollständig ausfallen könne und die X-GmbH für diesen Fall auf eine Rückzahlung des Darlehens in voller Höhe verzichten müsse, so seien für die Anschaffungskosten sämtliche Beträge in einer Größenordnung zwischen 0,– DM und 138.984,– DM denkbar gewesen. Die Zahlungsverpflichtung der Klägerin stehe daher insgesamt unter der aufschiebenden Bedingung, ob und in welcher Höhe der Ausgleichsanspruch überhaupt zur Entstehung gelangen werde.
Dieser Betrachtungsweise kann sich der erkennende Senat nicht anschließen.
aa) Wie das FG zutreffend dargelegt hat, sind aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtungen i. S. des § 1 Abs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) nach der Rechtsprechung des BFH erst nach Eintritt der Bedingung bei den Anschaffungskosten zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 6. Februar 1987 – III R 203/83, BFHE 149, 163, BStBl. II 1987, 423, unter II.3.; vom 10. April 1991 – XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl. II 1991, 791; vom 6. November 1991 – XI R 2/90, BFH/NV 92, 297; vom 15. Juli 1992 – X R 165/90, BFHE 168, 561, BStBl. II 1992, 1020, unter 3.a; gl.A.: Fischer in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 6 Rz 37; Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Rz 83; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rz B 56). Im Schrifttum wird dazu die Auffassung vertreten, die Auswirkungen dieser Rechtsprechung müssten auf Wirtschaftgüter des steuerlichen Privatvermögens beschränkt bleiben, weil die allgemeinen Bewertungsvorschriften des BewG auf Betriebsschulden nicht anwendbar seien (so Korn/Strahl in Korn, § 6 EStG Rz 80). Unbeschadet der Frage, ob dem zuzustimmen wäre, sind die dort entwickelten Maßstäbe auf den Streitfall nach Ansicht des Senats bereits im Ausgangspunkt nicht übertragbar.
Gegenstand der BFH-Entscheidungen in BFHE 149, 163, BStBl. II 1987, 423, in BFHE 164, 343, BStBl. II 1991, 791 und in BFH/NV 92, 297 waren Fallgestaltungen, in denen es im Zeitpunkt des Erwerbs selbst dem Grunde nach völlig offen war, ob der zu (weiteren) Anschaffungskosten auf das erworbene Wirtschaftsgut führende Zahlungsanspruch gegen den Erwerber jemals zur Entstehung gelangen würde. Es ging dort um in der Zukunft liegende, zunächst völlig ungewisse Ereignisse wie eine künftige Zusatzvereinbarung mit dem Ziel, endgültig alle Ansprüche aus einem mit Anpassungsklauseln versehenen Erbauseinandersetzungsvertrag abzugelten (BFH-Urteil in BFHE 149, 163, BStBl. II 1987, 423), den künftigen Übertritt des Zahlungsberechtigten aus dem Ledigen- in den Verheiratetenstand (BFH-Urteil in BFHE 164, 343, BStBl. II 1991, 791) oder das künftige Entstehen einer „Kaufpreis“-Zahlungspflicht zwischen nahen Angehörigen nur für den Fall, dass der Erwerber das erworbene Wirtschaftsgut weiterveräußert oder in Vermögensverfall gerät (BFH-Urteil in BFH/NV 92, 297).
Eine mit solchen Fallgestaltungen vergleichbare Ungewissheit, ob der Klägerin zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt ein Gegenanspruch gegen die X-GmbH nach § 89b HGB überhaupt zustehen würde, bestand vorliegend nicht. Von bestimmten, in § 89b Abs. 3 HGB geregelten Ausnahmefällen abgesehen ist der Ausgleichsanspruch mit der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses kraft Gesetzes unabdingbar verbunden (§ 89b Abs. 4 HGB). Die bloß entfernte, theoretische Möglichkeit, dass der Anspruch später der Höhe nach mit Null bewertet werden könnte, rechtfertigt es nicht, den Streitfall so zu behandeln, als sei das Entstehen der Zahlungsverpflichtung insgesamt in ähnlicher Weise offen wie in den genannten Fällen, die der Rechtsprechung des BFH zugrunde gelegen haben.
Insoweit liegt die Sache im Übrigen nicht anders als in dem Sachverhalt, über den der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 168, 561, BStBl. II 1992, 1020 (unter 3.a, a.E.) zu entscheiden hatte. Dort hat der Senat für den Fall einer Zahlungsverpflichtung im Zeitpunkt des Todes des letztversterbenden Elternteils die Erwägung in den Raum gestellt, ob die Verpflichtung nicht zumindest dann nicht aufschiebend bedingt, sondern unbedingt ist, wenn weder Zahlungsberechtigter noch Zahlungsverpflichteter den Eintritt des maßgeblichen Ereignisses in eigener Person erleben müssen.
bb) Zudem wird die Überlegung, die Klägerin habe das Vertreterrecht gerade gegen Übernahme einer aufschiebend bedingten Zahlungsverpflichtung erworben, dem wirtschaftlichen Gehalt der zwischen ihr und der X-GmbH getroffenen Vereinbarung nicht gerecht.
Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gegen eine Aufrechnungsregelung, wonach ein vereinbarter Übernahmepreis für die Handelsvertretung zunächst bis zur Vertragsbeendigung gestundet und sodann gegen den Ausgleichsanspruch aufgerechnet werden soll, in zivilrechtlicher Hinsicht keine Bedenken bestehen, es sei denn, die Vertragspartner vereinbaren einen so unangemessen hohen Übernahmepreis, dass dies auf eine Umgehung des unabdingbaren gesetzlichen Ausgleichsanspruchs (§ 89b Abs. 4 HGB) hinauslaufen würde (BGH-Urteil vom 24. Februar 1983 – I ZR 14/81, Neue Juristische Wochenschrift 83, 1727, DB 83, 1590, unter II.2.; a.A.: Küstner, in Graf von Westphalen/Sandrock, Festschrift für Reinhold Trinkner – 1995, 193, 211; kritisch auch Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2, 7. Aufl. 2003, Rz 220 ff.).
Die im Streitfall getroffene Darlehensabrede ist einer solchen Stundung des Übernahmepreises für das Vertreterrecht wirtschaftlich vergleichbar. Diese Abrede haben die Vertragsparteien um eine Erlassregelung ergänzt, derzufolge die Klägerin von der Entrichtung eines über dem eigenen Ausgleichsanspruch liegenden Übernahmepreises freigestellt werden sollte. Dadurch haben sie jedoch keine durch das Entstehen eines entsprechenden Ausgleichanspruchs aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtung der Klägerin i. S. von § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs begründet, sondern einen aufschiebend bedingten Erlass. Die Erlassvereinbarung wirkt sich zwar auf die Verpflichtung zur Zahlung des erst mit Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses in Gestalt der Darlehensrückzahlung fälligen Übernahmepreises aus, jedoch nur insofern, als die Zahlungsverpflichtung zunächst in voller Höhe entstanden ist und erst später in demjenigen Umfang wieder entfallen soll, in dem der Ausgleichsanspruch der Höhe nach hinter dem Übernahmepreis für das Vertreterrecht zurückbleibt.
c) Der Klägerin sind daher bereits bei Übernahme der Vertretung Anschaffungskosten für das von der X-GmbH erworbene Vertreterrecht entstanden. Eine Abzinsung der Aufwendungen der Klägerin kommt im Hinblick auf die Besonderheiten des Streitfalles (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 – VIII R 41/82, BFHE 141, 121, BStBl. II 1984, 550) nicht in Betracht. Im Gegenzug wird die von der Klägerin realisierte Ausgleichszahlung auch insoweit, als sie zur Tilgung des Darlehens eingesetzt werden muss, im Jahr der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses als Teil des laufenden Gewinns (vgl. Senatsurteil in BFHE 162, 38, BStBl. II 1991, 218, unter 1.) zu erfassen sein. Kommt es in diesem Zusammenhang zum vollständigen oder teilweisen Erlass der Darlehensforderung, so wird auch dieser Vorgang im Wege eines außerordentlichen Ertrags gewinnwirksam zu berücksichtigen sein.
4. Die Vorentscheidung war aufzuheben, da sie von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO).
a) Indem das FG den Änderungsbescheid vom 12. November 2002 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen hat, ist die zuvor bestehende, durch die Einspruchsentscheidung des FA F vom 14./27. August 2001 geschaffene Rechtslage wiederhergestellt worden. Darin war der Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung einer AfA auf das Vertreterrecht in Höhe von 12,5 % von 138.984,– DM zugrunde gelegt und demgemäß von einer achtjährigen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts ausgegangen worden.
Bei dieser Steuerfestsetzung könnte es ohne weiteres nur dann verbleiben, wenn auf das Vertreterrecht die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG anzuwenden wäre, wonach ein kürzerer als ein fünfzehnjähriger Zeitraum für die Vornahme von AfA ohnehin nicht zuzulassen ist. Durch Urteil in DB 07, 2231, DStR 07, 1809 hat der erkennende Senat indessen in Fortführung seines Urteils in BFHE 156, 110, BStBl. II 1989, 549 entschieden, dass auf das von einem Handelsvertreter entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgut „Vertreterrecht“ (Ablösung des dem Vorgänger-Vertreter zustehenden Ausgleichsanspruchs durch Vereinbarung mit dem Geschäftsherrn) die zwingende typisierende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts keine Anwendung findet. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die achtjährige Nutzungsdauer vom FA F aus anderen Gründen zutreffend angesetzt worden wäre, bietet die angefochtene Entscheidung nicht.
b) Die Sache ist daher nicht spruchreif. Zur Frage der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des von der Klägerin entgeltlich erworbenen Vertreterrechts (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG) hat das FG – von seinem Standpunkt betrachtet zu Recht – keine Feststellungen getroffen. Dies wird im zweiten Rechtsgang im Wege der Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO) und unter Berücksichtigung der im Senatsurteil in BFHE 156, 110, BStBl. II 1989, 549 (unter 2.) genannten Schätzungsmaßstäbe noch nachzuholen sein.