Rückzahlung der Provisionsvorschüsse? u. U. Unzulässige mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters

VII ZR 787/21 Urteil verkündet am 19. Januar 2023 BGH Handelsvertreterrecht, Kündigung des Handelsvertretervertrags

Bundesgerichtshof
Im Namen des Volkes
Urteil

1. Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Handelsvertreters im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB kann nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen.

2. Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbeendigung vertraglich geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls (Bestätigung von BGH, Urteil vom 5. November 2015 – VII ZR 59/14, ZVertriebsR 2016, 19).

3. Erweist sich eine vereinbarte Vorschusszahlung auf zu erwartende Provisionseinnahmen als unzulässige Kündigungsbeschränkung nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB, kann der Unternehmer die gewährten Vorauszahlungen nicht nach Bereicherungsrecht gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückfordern.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Juli 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin fordert vom Beklagten nach Beendigung eines zwischen ihnen bestehenden Handelsvertretervertrags die Rückzahlung eines Darlehens.

Die Klägerin produziert und vertreibt Möbel. Der Beklagte war aufgrund Vertrags vom 26. Juli 2013 seit dem 1. September 2013 als selbständiger Handelsvertreter für die Klägerin tätig. Die Provisionen des Beklagten wurden monatlich abgerechnet und auf ein Provisionskonto verbucht. In der Zeit von Oktober 2013 bis Mai 2014 erhielt der Beklagte vereinbarungsgemäß Vorauszahlungen auf die Provision zwischen 6.500 € und 8.763,78 €. Die vom Beklagten zu beanspruchenden Provisionen lagen allerdings unter den Vorauszahlungen, so dass sich am 31. Mai 2014 ein Saldo zu Lasten des Beklagten in Höhe von 8.637,58 € ergab.

Die Parteien schlossen daraufhin am 3. Juni 2014 einen Vertrag, mit dem die Klägerin dem Beklagten ein Darlehen in Höhe dieses Saldos gewährte. Weiter wurde vereinbart, dass die Klägerin dem Beklagten ab dem 1. Juni 2014 eine monatliche Mindestzahlung in Höhe von 7.100 € gewähren sollte, die mit Provisionsforderungen des Beklagten verrechnet werden sollte. Der sich daraus zu Lasten des Beklagten ergebende monatliche Saldo sollte als Darlehen gewährt und mit 3,5 % p.a. verzinst werden. Der Vertrag enthielt außerdem folgende Regelung:

„Im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages vom 26. Juli 2013 sind die Restschuld des Darlehens und die zum Stichtag der Vertragsbeendigung aufgelaufenen Zinsen in einer Summe sofort fällig. Hierbei ist es unerheblich, durch wen und aus welchem Grund der Vertrag beendet wurde.“

Die Klägerin leistete in der Zeit von Juni 2014 bis Dezember 2014 die vereinbarte Mindestzahlung in Höhe von monatlich 7.100 € an den Beklagten. Ab Januar 2015 wurde der Betrag einvernehmlich auf 6.900 € monatlich reduziert. Zum 31. Dezember 2016 betrug der rechnerische Saldo zu Lasten des Beklagten auf dem Provisionskonto 54.937,47 €. Nachdem die Klägerin den Beklagten zum Ausgleich dieses Betrags zuzüglich der angefallenen Zinsen aufgefordert hatte, der Beklagte lediglich den Zinsbetrag gezahlt hatte, kündigte die Klägerin den Handelsvertretervertrag fristlos. Beide Parteien gehen übereinstimmend von einer Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 30. September 2018 aus.

Die Klägerin hat mit der Klage die Zahlung eines Betrags in Höhe von 54.937,47 € geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

In einem Parallelverfahren vor dem Landgericht P.       umgekehrten Rubrums hat der Beklagte die Klägerin im Wege einer Stufenklage auf der ersten Stufe auf Erteilung eines Buchauszugs in Anspruch genommen. Mit Berufungsurteil des Oberlandesgerichts H.     vom 10. Juni 2021 ist die Klägerin zur Erteilung eines Buchauszugs für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 30. September 2018 nach näherer Maßgabe verurteilt worden.

Im vorliegenden Verfahren hat das Berufungsgericht mit Urteil vom 15. Juli 2021 den Beklagten in Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung in Höhe von 54.937,47 € verurteilt Zug um Zug gegen Erteilung eines Buchauszugs nach näherer Maßgabe.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.

Gründe

Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Klägerin stehe gegen den Beklagten der geltend gemachte Darlehensrückzahlungsanspruch gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB in Höhe von 54.937,47 € zu. Die Parteien hätten einen Darlehensvertrag geschlossen. Soweit die monatlichen Zahlungen der Klägerin die tatsächlich angefallenen Provisionen überstiegen, hätten diese dem Beklagten als zu verzinsendes Darlehen zufließen sollen. Nach dem Inhalt des Handelsvertretervertrags vom 26. Juli 2013 unterliege es keinem Zweifel, dass dem Beklagten weder eine Mindest- oder Garantieprovision noch ein Fixum habe zustehen sollen.

Der Darlehensvertrag sei nicht wegen eines Gesetzesverstoßes gemäß § 134 BGB unwirksam. Nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB könne das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Es handele sich um eine Schutzvorschrift zugunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters. Sie solle verhindern, dass dieser in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werde. Erforderlich für die Annahme einer Kündigungserschwernis sei jedoch die Anknüpfung einer Rückzahlungsverpflichtung des Handelsvertreters gerade an die Kündigung oder jedenfalls das Ausscheiden des Handelsvertreters, die sich nicht als bloßer „Reflex“ darstellen dürfe. Nach dieser Maßgabe sei aufgrund der Darlehensgewährung der Klägerin an den Beklagten keine Kündigungserschwernis anzunehmen, weil die bereits vertraglich vor Beendigung des Handelsvertretervertrags bestehende – wenn auch variable – Rückzahlungspflicht im Falle der Vertragsbeendigung fällig werde. Diese Fälligkeit der Restschuld sei Folge des Wegfalls von Provisionseinnahmen, die der Tilgung des Darlehens gedient hätten, und stelle nur einen Reflex auf die Beendigung des Handelsvertretervertrags dar.

Aber selbst wenn eine Kündigungserschwernis anzunehmen und insoweit ein Verstoß gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB zu bejahen wäre, beschränke sich die Unwirksamkeit auf die nachteilige Folge – hier die automatische Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs bei Vertragsbeendigung – und führe nicht zur Gesamtnichtigkeit des Darlehensvertrags. Die Nichtigkeit der Abrede zur Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs lasse die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen des Darlehensvertrags unberührt. Eine rechtliche Einheit im Sinne des § 139 BGB sei nicht anzunehmen.

Die Klägerin habe die Kündigung des Darlehens konkludent durch die vorliegende Klage erklärt. Die Kündigungserklärung sei dem Beklagten am 26. Juni 2019 zugegangen. Unter Berücksichtigung einer dreimonatigen Kündigungsfrist gemäß § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB sei die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs mit Ablauf des 30. September 2019 eingetreten. Damit sei die Klägerin berechtigt, vom Beklagten die Rückzahlung des Darlehens zu verlangen.

Der Darlehensvertrag sei auch nicht gemäß § 138 BGB nichtig. Selbst wenn das Darlehen insgesamt gemäß § 134 BGB nichtig wäre, folge daraus nicht, dass der Beklagte die Zahlungen als Provision behalten dürfte. Die gegenseitigen Leistungen seien vielmehr nach Bereicherungsrecht zurück zu gewähren.

Dem Beklagten stehe gegen die Klägerin allerdings ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs gemäß § 87c Abs. 2 HGB zu, den er dem Zahlungsanspruch der Klägerin als Einrede entgegenhalten könne, so dass nur eine Verurteilung Zug um Zug auszusprechen sei. Der Buchauszug sei nur für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 30. September 2018 geschuldet. Für den davorliegenden Zeitraum sei der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs verjährt.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der dem Beklagten als Darlehen gewährten Zahlungen nicht zuerkannt werden.

1. Die Klage ist allerdings entgegen der Auffassung der Revision im Ergebnis nicht schon deswegen abzuweisen, weil das Berufungsgericht angenommen hat, der Klägerin stehe ein Zahlungsanspruch aufgrund des zum 31. Dezember 2016 bestehenden Zwischensaldos im Umfang von 54.937,47 € zu.

Ein selbständig klagbarer Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des zum 31. Dezember 2016 bestehenden Zwischensaldos besteht zwar nicht. Denn die fortlaufend dem Beklagten gewährten Vorauszahlungen sind bis zur Beendigung des Handelsvertretervertrags mit den von ihm verdienten Provisionsforderungen jeweils monatlich verrechnet worden. Der zum 31. Dezember 2016 bestehende Zwischensaldo ist damit letztlich in dem zum Zeitpunkt der Beendigung des Handelsvertretervertrags bestehenden Abschlusssaldo aufgegangen. Das vom Beklagten nach Auffassung des Berufungsgerichts erklärte Anerkenntnis in Bezug auf den am 31. Dezember 2016 bestehenden Saldo ist infolge der fortlaufenden monatlichen Aufrechnung von Vorauszahlungen und Provisionsforderungen und der monatlich fortlaufenden Saldobildung gegenstandslos geworden.

Zugunsten der Klägerin ist in der Revision aber davon auszugehen, dass der Zahlungsanspruch jedenfalls auch auf den bei Beendigung des Handelsvertretervertrags bestehenden Abschlusssaldo gestützt worden ist. Auf die von der Klägerin erhobene Gegenrüge ist zu ihren Gunsten für die Revisionsinstanz davon auszugehen, dass sie den Zahlungsanspruch in Höhe des Betrags von 54.937,47 €, der sich aus dem Saldo zum 31. Dezember 2016 ergab, auch auf den bei Beendigung des Handelsvertretervertrags zu ihren Gunsten bestehenden, diesen Betrag übersteigenden Abschlusssaldo gestützt hat. Nach dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Vorbringen der Klägerin in erster Instanz hat zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses am 30. September 2018 ein Saldo zu Lasten des Beklagten mindestens in dieser Höhe bestanden. Die Klägerin hat mit der Klage einen erstrangigen Teilbetrag in Höhe von 54.937,47 € des Abschlusssaldos geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat hierzu keine abweichenden Feststellungen getroffen.

2. Zu Unrecht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die an die Beendigung des Handelsvertretervertrags anknüpfende Vereinbarung der Parteien keine wegen Verstoßes gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. § 134 BGB unwirksame mittelbare Kündigungserschwernis darstellen kann.

a) Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar. Dieses Recht darf gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Diese zwingende gesetzliche Regelung stellt eine Schutzvorschrift zu Gunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dar, die verhindern soll, dass der schwächere Vertragsteil einseitig in seiner Entscheidungsfreiheit zur Vertragsbeendigung beschnitten wird. Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann dabei nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen. Eine solche Erschwernis ist anzunehmen, wenn an die Kündigung des Handelsvertretervertrags wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft werden, wie etwa die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Gleiches gilt für Vertragsklauseln, die eine sofortige Rückzahlung langfristiger Vorschusszahlungen bei einer Kündigung des Handelsvertreters vorsehen (vgl. OLG München, Urteil vom 9. März 2017 – 23 U 2601/16 Rn. 33, ZVertriebsR 2017, 177; OLG Köln, Urteil vom 13. Mai 2016 – 19 U 156/15 Rn. 23, juris; OLG Oldenburg, Urteil vom 30. März 2015 – 13 U 71/14 Rn. 20, ZVertriebsR 2015, 247; Urteil vom 24. Juli 2012 – 13 U 118/11 Rn. 20, IHR 2013, 79; OLG Frankfurt, Urteil vom 1. Juni 2012 – 14 U 15/12 Rn. 83, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Februar 2010 – 1 U 113/09 Rn. 39, VersR 2011, 526; OLG Hamburg, Urteil vom 17. März 2000 – 14 U 77/99, juris Rn. 28). Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbeendigung vertraglich geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2015 – VII ZR 59/14 Rn. 27, ZVertriebsR 2016, 19 = IHR 2016, 75). Ihre Beantwortung hängt insbesondere von der Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen und dem Zeitraum, für den sie zu erstatten sind, ab (vgl. OLG München, Urteil vom 9. März 2017 – 23 U 2601/16 Rn. 33, ZVertriebsR 2017, 177; OLG Oldenburg, Urteil vom 30. März 2015 – 13 U 71/14 Rn. 21, ZVertriebsR 2015, 247; Urteil vom 26. November 2013 – 13 U 30/13 Rn. 30, ZVertriebsR 2014, 174).

b) Danach können auch mittelbare Folgen einer Kündigung oder Vertragsbeendigung vom Verbot des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB erfasst werden. Eine solche mittelbare Kündigungserschwernis kann auch vorliegen, wenn aufgrund der Gestaltung des Vertrags die Vertragsbeendigung für den Handelsvertreter mit erheblichen Nachteilen verknüpft ist, die seine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Frage, ob er das Vertragsverhältnis auflöst, einschränken können. Solche mittelbaren Auswirkungen der Vertragsgestaltung sind stets am Maßstab des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB zu prüfen und können nicht unter Hinweis darauf, es handele sich um einen bloßen „Reflex“, von vornherein von dieser Prüfung ausgenommen werden.

3. Eine Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung wegen Verstoßes gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. § 134 BGB beschränkte sich darüber hinaus nicht auf die vertragliche Vereinbarung der Parteien zur Fälligkeit des Darlehensanspruchs, sondern umfasste den Rückzahlungsanspruch insgesamt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Verpflichtung des Beklagten, das Darlehen nach Beendigung des Handelsvertretervertrags zurückzuzahlen, beziehe sich lediglich auf die vereinbarte Fälligkeit, die Darlehensvaluta sei nach Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist gemäß § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB zur Rückzahlung fällig, ist ebenfalls von Rechtsfehlern beeinflusst. Die Vereinbarung eines Darlehens stellt sich im vorliegenden Fall als Umgehungsgeschäft dar, durch das die Anwendbarkeit von § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB nicht ausgeschlossen wird.

a) Die Vertragsfreiheit erlaubt den Parteien grundsätzlich, ihre Vertragsbeziehungen so zu gestalten, dass sie ihre wirtschaftlichen Ziele erreichen können, es sei denn, die getroffene Vereinbarung verstößt gegen ein gesetzliches Verbot. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet die Gesetzesumgehung dann einen Nichtigkeitsgrund nach § 134 BGB, wenn durch die gewählte rechtliche Gestaltung der Zweck einer Rechtsnorm vereitelt wird. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass ein vom Gesetz missbilligter Erfolg nicht durch die Umgehung des Gesetzes erreicht werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2004 – IX ZR 224/03, BGHZ 160, 107, juris Rn. 10; Urteil vom 6. Dezember 1990 – IX ZR 44/90, NJW 1991, 1060, juris Rn. 25 m.w.N.).

b) Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Gewährung eines variablen Darlehens an den Beklagten, welches monatlich mit Provisionsforderungen verrechnet werden sollte, ist, sofern dieses nicht zur Deckung eines besonderen Kreditbedarfs des Handelsvertreters dient, der Gewährung eines monatlichen Provisionsvorschusses mit entsprechender Verrechnungsabrede gleichzustellen.

Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Gewährung eines der Höhe nach begrenzten Darlehens an den Handelsvertreter zur Finanzierung eines bestimmten Bedarfs ergangenen Entscheidungen, wonach sich die Unwirksamkeit der Abrede nur auf die vereinbarte Fälligkeit, nicht jedoch auf den auf Rückzahlung der Darlehensvaluta gerichteten Anspruch bezieht (vgl. hierzu OLG Köln, Beschluss vom 25. August 2017 – 19 U 19/17, juris [Neuerwerb von Möbeln für die Agentur]; OLG Frankfurt, Urteil vom 1. Juni 2012 – 14 U 15/12 Rn. 86 f., juris [Anschubfinanzierung]; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Februar 2010 – 1 U 113/09, VersR 2011, 526 [zweckgebundenes Darlehen] und OLG Hamm, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 U 111/09, VersR 2010, 609 [Erwerb von Unternehmensbeteiligung zum Aufbau einer Vertriebsstruktur]), sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Denn mit der als Darlehensvertrag bezeichneten Vereinbarung der Parteien wird kein besonderer Kreditbedarf des Handelsvertreters gedeckt. Die „Darlehensgewährung“ dient im vorliegenden Fall vielmehr wie auch die Vereinbarung einer monatlichen Vorschusszahlung der dauerhaften Vorfinanzierung der vom Handelsvertreter zu erwirtschaftenden Provisionen (vgl. zur Abgrenzung von Provisionsvorschuss und Darlehen: OLG Hamburg, Urteil vom 17. März 2000 – 14 U 77/99, juris Rn. 28 ff.; LG Freiburg, Urteil vom 15. Februar 2019 – 11 O 244/17, ZVertriebsR 2019, 251).

Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung handelt es sich bei der vertragsgemäßen Darlehensgewährung im Streitfall wie bei vereinbarten Vorschusszahlungen auf künftige Provisionsforderungen des Handelsvertreters um eine Vorauszahlung auf eine zu erwartende Vergütung. Durch die monatliche Darlehensaufstockung in bestimmter Höhe, die mit Provisionsforderungen des Handelsvertreters verrechnet und zum Ende des Vertragsverhältnisses sofort zur Zahlung fällig wird, wird der Handelsvertreter vergleichbar wie bei einer entsprechenden Abrede über eine Vorschusszahlung auf die Provision in bestimmter Höhe, die bei Vertragsende zur Rückzahlung fällig wird, in seiner Entscheidungsfreiheit, das Vertragsverhältnis zum Unternehmer aufzulösen, beschränkt. Ob sich diese Beschränkung als unzulässig darstellt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls am Maßstab des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB zu prüfen.

4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO. Die Klägerin kann die gewährten Vorauszahlungen auf vom Beklagten zu beanspruchende Provisionen nicht nach Bereicherungsrecht gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückfordern, wenn sich die vereinbarte Vorschusszahlung als unzulässige Kündigungsbeschränkung nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB erweisen sollte. Die an den Beklagten geleisteten Zahlungen sind nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.

a) Die durch § 134 BGB angeordnete Nichtigkeit des gegen ein gesetzliches Verbot verstoßenden Rechtsgeschäfts betrifft im vorliegenden Fall nur die Vereinbarung, dass bei Beendigung des Handelsvertretervertrags ein Unterverdienst vom Handelsvertreter auszugleichen ist. Der Vertrag im Übrigen bleibt dagegen wirksam und bildet den Rechtsgrund für die erfolgten monatlichen Zahlungen, die dem Beklagten – wie eine monatliche Festvergütung oder Garantieprovision – verbleiben (vgl. OLG München, Urteil vom 9. März 2017 – 23 U 2601/16, ZVertriebsR 2017, 177; OLG Köln, Urteil vom 13. Mai 2016 – 19 U 156/15 Rn. 26, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Februar 2010 – 1 U 113/09 Rn. 46, VersR 2011, 526). Die Eigenschaft dieser Zahlungen als Provisionsvorschüsse bleibt unberührt mit der Folge, dass der Handelsvertreter keine Provision nachfordern kann, soweit ihm die Vorschüsse verbleiben. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus § 139 BGB. Danach ist, wenn ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig ist, das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Im Falle eines Verstoßes gegen § 134 BGB erstreckt sich zwar in der Regel die Nichtigkeit auf das Rechtsgeschäft im Ganzen. Jedoch kann sich aus dem Zweck der Verbotsnorm ergeben, dass nur die verbotene Regelung nichtig ist (vgl. Ellenberger in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 139 Rn. 18; MünchKommBGB/Busche, 9. Aufl., § 139 Rn. 8).

b) So liegt der Fall hier. Wäre, wie das Berufungsgericht meint, die Vereinbarung über die Provisionsvorauszahlungen insgesamt unwirksam und ergäbe sich dann die Rückforderbarkeit aus § 812 Abs. 1 BGB, liefe dies der Wertung von § 134 BGB i.V.m. § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB zuwider. Denn dieses Verbot dient gerade dem Schutz des Handelsvertreters (vgl. OLG München, Urteil vom 9. März 2017 – 23 U 2601/16, ZVertriebsR 2017, 177).

5. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine unzulässige Kündigungsbeschränkung im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB vorliegt, die gemäß § 134 BGB die Rückzahlungspflicht des Beklagten miterfasst. Der Senat kann in der Sache nicht selbst gemäß § 563 Abs. 3 ZPO entscheiden, weil der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist.

III.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin bezüglich der dem Beklagten gewährten und nicht mit Provisionsforderungen des Beklagten verrechneten Zahlungen besteht, wäre die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen, sofern der Buchauszug noch nicht erteilt sein sollte.

Dem Unternehmer steht hinsichtlich eines vom Handelsvertreter geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs kein Zurückbehaltungsrecht etwa wegen Ansprüchen gegen den Handelsvertreter auf Rückzahlung geleisteter Vorschusszahlungen oder Schadensersatzansprüchen zu; der Unternehmer ist vielmehr vorleistungspflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1978 – I ZR 116/76, MDR 1978, 467, juris Rn. 55; OLG München, Urteil vom 31. Juli 2019 – 7 U 4012/17 Rn. 90, ZVertriebsR 2019, 372 = IHR 2020, 23; Urteil vom 17. April 2019 – 7 U 2711/18 Rn. 48, ZVertriebsR 2019, 254 = IHR 2020, 70; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Januar 2013 – 16 U 89/11 Rn. 93, juris; OLG Naumburg, Urteil vom 22. November 1995 – 8 U 16/95, NJW-RR 1996, 993, juris Rn. 8; Riemer in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, 5. Aufl., Kap. VI Rn. 109; Staub/Emde, Großkommentar zum HGB, 6. Aufl., § 87c Rn. 103; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 87c Rn. 47; Hopt/Hopt, HGB, 42. Aufl., § 87c Rn. 29). Die Verrechnungsklausel im Vertrag vom 3. Juni 2014 würde inhaltlich entwertet, wenn der Beklagte als Handelsvertreter ohne Rücksicht auf die Höhe des sich aus dem Buchauszug möglicherweise noch ergebenden Provisionsanspruchs zur Rückzahlung der erhaltenen Beträge verpflichtet wäre.

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