Vorvertragliche Pflichten des Franchisegebers

1 W 27/07 Beschluss verkündet am 22. Januar 2008 OLG Schleswig Vorvertragliche Aufklärungspflichten

Oberlandesgericht Schleswig
Im Namen des Volkes
Beschluss

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts vom 23. April 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist indes unbegründet.

Zu Recht hat das Landgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgewiesen, denn die beabsichtigte Klage hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

1. Der Antragsteller hat – wie das Landgericht zutreffend ausführt – die Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht durch die Antragsgegnerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Grundsätzlich trägt bei einem Franchisevertrag – ebenso wie bei jedem anderen Vertrag – jede Partei ihr Vertragsrisiko. Es obliegt den Vertragsparteien selbst, sich über die Risiken und Chancen einer geschäftlichen Verbindung zu informieren und sich ein eigenes Bild von den Marktchancen zu verschaffen (vgl. Böhner, BB 01, 1749, 1750, OLG Hamburg, DB 03, 1054, 1055; OLG Brandenburg, NJW-RR 06, 51). Der Franchisegeber hat als Vertragspartei nicht die Aufgaben eines Existenzgründungsberaters; ihm obliegt es insbesondere nicht, den Franchisenehmer über die allgemeinen Risiken einer beruflichen Selbständigkeit aufzuklären oder für ihn umfassende Kalkulationen zu erstellen, die ein mit betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen vertrauter Franchisenehmer selbst erstellen kann. Den Franchisegeber treffen bei den Vertragsverhandlungen vor allem zwei Arten von Pflichten (zur Differenzierung zwischen Aufklärungspflichten und dem Täuschungsverbot Giesler/Nauschütt, BB 03, 435 f.): Es ist dem Franchisegeber zum einen verboten, den (potentiellen) Franchisenehmer über vertragswesentliche Umstände zu täuschen oder in die Irre zu führen. Zum anderen ist der Franchisegeber verpflichtet, den (potentiellen) Franchisenehmer über solche Umstände aufzuklären, die alleine ihm bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muss, dass die Entscheidung der anderen Partei durch deren Kenntnis beeinflusst wird (OLG München, BB 01, 1759). Diese Aufklärungspflicht betrifft insbesondere diejenigen für den geschäftlichen Erfolg des Franchisenehmers relevanten Umstände, mit denen der Franchisegeber aufgrund seiner Kenntnis des Systems und dessen Wirkungsweise am Markt besser vertraut ist (OLG Hamburg a.a.O). Die Reichweite dieser Aufklärungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ab (OLG Brandenburg, a.a.O.). Allgemeinverbindliche Vorgaben dafür, was der Franchisegeber dem Franchisenehmer im Vorfeld des Vertragsschlusses konkret mitzuteilen und vorzulegen hat, lassen sich deshalb nicht aufstellen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann daher nicht bereits daraus, dass ein bestimmtes Dokument – wie hier eine Standortanalyse – nicht vorgelegt wurde, auf eine Verletzung einer Aufklärungspflicht geschlossen werden.

Der Antragsteller hat weder eine Täuschung oder Irreführung durch die Antragsgegnerin (a) noch eine Verletzung einer Aufklärungspflicht (b) substantiiert vorgetragen.

a) Eine Täuschung der Antragsgegnerin über vertragswesentliche Umstände hat der Antragsteller nicht schlüssig dargelegt. Die pauschale Behauptung des Antragstellers, die von der Antragsgegnerin in der „Ertragsvorschau K.“ vorgelegten Zahlen seien „geschönt“, ist nicht hinreichend substantiiert und steht teilweise sogar im Widerspruch zum weiteren Vortrag des Antragstellers. Diese Behauptung ist insbesondere nicht geeignet, eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Antragsgegnerin zu rechtfertigen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass jedenfalls zwei der von der Antragsgegnerin prognostizierten Kennziffern – nämlich der Umsatz und der Rohertrag – auf den Getränkemarkt in K. zutrafen. Dies sind zugleich die beiden Kennziffern, für die die Antragsgegnerin als Vorbetreiberin des Marktes eine besondere Aufklärungspflicht traf, da diese Werte die Eckdaten für den betriebswirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens darstellen und für einen außenstehenden Betriebsübernehmer nicht selbst zu ermitteln sind. Auch die übrigen Prognosewerte, die die Antragsgegnerin in ihre Ertragsvorschau eingestellt hatte, stimmten unstreitig weitgehend mit den Betriebsergebnissen überein, die der Antragsteller erzielen konnte. Dies ergibt sich aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung (Bl. 75 ff. d.A.). Gravierende Differenzen zeigen sich nur bei den Raumkosten, den Kfz-Kosten, dem Werbeaufwand und dem Posten „Provisionen/Fremdarbeiten“, bei denen der Aufwand des Antragstellers die Prognosewerte der Antragsgegnerin zum Teil deutlich überschritt. Aus diesen Differenzen ergeben sich jedoch ohne weiteren substantiierten Vortrag des Antragstellers keine Anhaltspunkte dafür, dass die von der Antragsgegnerin vorgelegten Zahlen manipuliert, falsch oder irreführend waren. Da die Aufwendungen in diesen Punkten in hohem Maße der Disposition des jeweiligen Betriebsinhabers unterliegen, erscheint es ebenso möglich, dass die abweichenden Ziffern das Ergebnis einer unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung von Antragsteller und Antragsgegnerin sind.

Ohne weiteren substantiierten Vortrag ergibt sich auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Prognosewerte in diesen Punkten irreführend waren, weil sie auf wirtschaftlichen Vorteilen der Antragsgegnerin beruhten und daher für den Antragsteller nicht zu erzielen waren. Die Prognosewerte erscheinen nämlich ausweislich der betriebswirtschaftlichen Auswertung und der vorgelegten Vertragsunterlagen durchaus plausibel. Zwischen den Parteien bestanden vertragliche Vereinbarungen über die Raummiete, die Inventarmiete und für die anteilige Beteiligung des Antragstellers an der von der Antragsgegnerin durchzuführenden Werbung. Die dafür von dem Antragsteller zu erbringenden Aufwendungen entsprachen in etwa den in der Prognose zugrunde gelegten Werten. Um die Behauptung, dass die Ertragsvorschau auf „geschönten“ Zahlen beruhe, zu substantiieren, hätte der Antragsteller daher in jedem Falle vortragen müssen, welche konkreten Werte der Prognosevorschau falsch oder nicht aufgeführt gewesen sein sollen. Ohne einen solchen Vortrag ist die Klage nicht schlüssig, da sich nicht beurteilen lässt, ob etwa die höheren Aufwendungen für das Kfz oder die Inanspruchnahme von Fremdleistungen eine Notwendigkeit waren oder auf betriebswirtschaftlichen Fehlentscheidungen des Antragstellers beruhten. Eine gerichtliche Überprüfung sämtlicher Zahlen auf die pauschale Behauptung hin, dass diese falsch seien, liefe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus.

Insbesondere ergibt sich auch daraus, dass das Betriebsergebnis des Antragstellers trotz der weitgehenden Übereinstimmung mit den Prognosezahlen im Ergebnis negativ war, kein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Zahlen der Antragsgegnerin falsch waren. Die Abweichung als solche hat keinerlei Indizwirkung für ein Fehlverhalten der Antragsgegnerin, da sie auch auf unglücklicher Betriebsführung des Antragstellers beruhen kann.

b) Auch eine Verletzung von Aufklärungspflichten ergibt sich aus dem Vortrag des Antragstellers nicht schlüssig. Die Antragsgegnerin traf keine Pflicht, den Antragsteller umfassend über die Risiken einer Existenzgründung und damit allgemein verbundene wirtschaftliche Fallstricke, wie die Existenz einer „Durststrecke“ in der Aufbauphase, zu unterrichten. Ihrer Aufklärungspflicht über diejenigen Umstände und Verhältnisse aus ihrer Sphäre, die für die Übernahmeentscheidung des Antragstellers wesentlich waren, hat sie mit der Übersendung der Ertragsvorschau genügt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers war die Antragsgegnerin weder verpflichtet, umfassend von sich aus Detailinformationen über die in dem Klageentwurf angeführten Punkte (S. 7) an den Antragsteller zu geben oder eine Standortanalyse zu erstellen.

aa) Die vom Antragsteller geforderten Informationen lassen sich weitgehend aus der Ertragsvorschau entnehmen. So ist das „eingesetzte Fremdkapital“, das der Berechnung zugrunde liegt, aus der Zinsprognose in der Ertragsvorschau ersichtlich, und die Rückvergütungen und Einkaufsvorteile sind im Rohertrag enthalten. Das einzusetzende Eigenkapital und die Anfangsinvestitionen konnte die Antragsgegnerin nicht prognostizieren, da diese Faktoren maßgeblich von der Bonität und finanziellen Leistungskraft des Antragstellers abhingen. Dass der zu erbringende Arbeitseinsatz der volle Einsatz der Arbeitskraft war, bedurfte keiner gesonderten Erwähnung durch die Antragsgegnerin. Die örtliche Konkurrenzsituation unter den Getränkemärkten war für den Antragsteller ohne weiteres durch Ortsbesichtigung abschätzbar und in ihren Wirkungen bereits in den Umsatz- und Ertragszahlen enthalten. Eine Pflicht der Antragsgegnerin, unaufgefordert im Verhandlungsstadium die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse und Fluktuationen im Franchisesystem offen zu legen, bestand nicht. Es ist grundsätzlich Sache des Franchisenehmers, auf der Grundlage des Angebotes des Franchisegebers zu beurteilen, ob er sich von einer Geschäftsbeziehung Erfolg verspricht oder nicht. Eine Täuschung über die Erfolgsquoten im Franchisesystem, die eine Pflichtverletzung darstellen könnte, hat der Antragsteller nicht behauptet.

bb) Auch zu einer Standortanalyse war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet. Eine allgemeine Regel, dass bei einem Franchisevertrag der Franchisegeber im Vorfeld stets eine Standortanalyse zu erstellen habe, gibt es nicht. Eine Pflicht zur Erstellung einer Standortanalyse kann sich ergeben, wenn eine solche Analyse erforderlich ist, um den Franchisenehmer in die Lage zu versetzen, die Chancen und Risiken einer Franchisebeziehung einzuschätzen. Eine solche Erforderlichkeit kann etwa dann bestehen, wenn der Franchisenehmer ein komplexes Franchisekonzept auf „neues Terrain“ ausdehnen will und die dabei zu beachtenden wirtschaftlichen Parameter wesentlich schlechter einschätzen kann als der mit der Systemausdehnung bereits erfahrene Franchisegeber. Bei der Abgabe eines bereits als Eigenbetrieb geführten Getränkemarktes macht jedoch die Vorlage der wichtigsten Geschäftszahlen eine solche Standortanalyse verzichtbar. Eine Standortanalyse dient regelmäßig als Schätzgrundlage für die Erstellung einer Ertragsprognose. Eine solche Ertragsprognose lässt sich aber aus den Echtzahlen eines bereits eingeführten Betriebes wesentlich sicherer errechnen als aus abstrakten Schätzungen. Die daneben noch relevanten Faktoren für die Erfolgsabschätzung (wie etwa die Konkurrenzsituation) liegen bei einem Einzelhandelsbetrieb mit beschränktem Einzugsgebiet auf der Hand und können vom Franchisenehmer ohne großen Aufwand selbst ermittelt werden.

2. Der Antragsteller hat auch den Franchisevertrag nicht wirksam widerrufen, da ihm kein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB mehr zustand. Das Widerrufsrecht war zum Zeitpunkt des Widerrufs jedenfalls gem. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB erloschen. Die Voraussetzungen für ein Nichterlöschen trotz Ablaufs der Sechsmonatsfrist gem. § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB liegen nicht vor, da der Antragsteller korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt worden war. Zwar erfüllte die Belehrung in der Anlage 2 zum Vertrag nicht sämtliche Anforderungen des Musters gem. § 14 BGB-Informationsverordnung, da die dort vorgesehene Belehrung über die Widerrufsfolgen fehlt. Die Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB wahrt die Belehrung dennoch. Die Belehrung ist deutlich gestaltet, weist klar auf das Widerrufsrecht ohne Begründungserfordernis in Textform hin, nennt die Anschrift des Widerrufsempfängers, benennt die Zwei-Wochen-Frist für den Widerruf ebenso deutlich wie § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB und weist darauf hin, dass die rechtzeitige Absendung zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt. Dies ist für eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht ausreichend. Über die Folgen einer unzureichenden Belehrung musste die Antragsgegnerin nicht belehren, da – wie das Landgericht zutreffend ausführt – das Gesetz dies nicht verlangt. Eine Widerrufsbelehrung, die zu ihrer Richtigkeit die Aufklärung über die Folgen ihrer Unrichtigkeit verlangt, wäre zudem wenig sinnvoll.

Die Regelung in § 14 Nr. 6 des Vertrages ändert daran nichts. Es ist offensichtlich, dass dieses „Anerkenntnis“ nicht selbst die Belehrung darstellt, sondern nur auf diese verweist. Diese Regelung ist daher für die Richtigkeit der Belehrung unerheblich.

Die Belehrung ist auch nicht deswegen unrichtig, weil sie auf eine Zwei-Wochen-Frist hinweist. Dieser Fristhinweis ist zutreffend, da kein Fall des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB vorliegt. Selbst wenn das unterzeichnete Exemplar der Widerrufsbelehrung zunächst mit den Vertragsunterlagen zur Unterzeichnung an die Systemzentrale der Antragsgegnerin geschickt worden war und erst danach mit den Vertragsunterlagen dem Antragsteller übermittelt wurde, liegt eine Belehrung bei Vertragsschluss und nicht nach Vertragsschluss vor. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kam der Vertrag nämlich nicht bereits mit der Unterschrift der Antragsgegnerin zustande, sondern erst mit dem Zugang des unterzeichneten Vertragsexemplars beim Antragsteller (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieser Zugang fand nach dem Vortrag des Antragstellers zeitgleich mit der Übermittlung der Widerrufsbelehrung zum Verbleib beim Antragsteller statt.

3. Die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur Formwirksamkeit des Vertrages greift die Beschwerde nicht an.

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 127 Abs. 4 ZPO).

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