Widerrechtliche Drohung als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung

19 W 1/13 Beschluss verkündet am 17. Januar 2013 OLG Köln Kündigung des Handelsvertretervertrags

Oberlandesgericht Köln
Im Namen des Volkes
Beschluss

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 20.12.2012 in seiner Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 02.01.2013 – 89 O 70/12 – wird zurückgewiesen.

Gründe

2 Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 i. V. m. 567, 569 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 20.12.2012 in seiner Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 02.01.2013 – 89 O 70/12 – ist unbegründet.

3 Das Landgericht hat dem Antragsteller zu Recht die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO, weil der geltend gemachte Feststellungsanspruch nicht begründet sei. An dieser Beurteilung hält auch der Senat fest. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Beschlusses des Landgerichts vom 20.12.2012 Bezug. Eine abweichende Sichtweise ist nicht veranlasst. Die beabsichtigte Klage des Antragstellers dürfte zwar zulässig sein, sie ist aber unbegründet.

4 Die vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin ausgesprochene fristlose Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertriebspartnervertrages vom 21.07.2011 war berechtigt. Es lag ein wichtiger Grund i. S. v. § 89 a Abs. 1 HGB vor. Ein wichtiger Grund liegt entsprechend der Legaldefinition von § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die in diesem Zusammenhang vorzunehmende umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen der Vertragspartner ist vom Landgericht frei von Rechtsfehlern vorgenommen worden. Regelmäßig begründen schwere Vertragspflichtverletzungen einen wichtigen Kündigungsgrund. Auch die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, insbesondere durch Beleidigung und Drohungen, kann einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Dabei ist allerdings der allgemeine Kontext zu berücksichtigen, in dem derartige Äußerungen und Erklärungen (wie beispielsweise in einem Erregungszustand) abgegeben worden sind (OLG Stuttgart, Urt. v. 29.04.2008 – 10 U 233/07 BeckRS 2008, 17318). Auch ist die Dauer des Vertragsverhältnisses im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Bei nur noch kurzer Vertragsdauer mag eine größere Zumutbarkeit zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses geboten sein. Nur bei gravierenden Vertragspflichtverletzungen kommt insoweit eine fristlose Kündigung in Betracht (OLG Saarbrücken NJOZ 2006, 2181).

5 Von schweren Vertragsverletzungen des Antragstellers ist hier auszugehen.

6 Derartige Pflichtverletzungen werden in der vom Landgericht zitierten E-Mail des Antragstellers vom 28.09.2012 von 17:15:54 Uhr angekündigt. Es wird die Zusammenarbeit trotz vertraglicher Verpflichtung für die Zukunft verweigert, indem es heißt, dass eine Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin derzeit nicht in Frage kommt. Es wird weiterhin angekündigt, Gesprächsinhalte und Briefe des Geschäftsführers der Antragsgegnerin dessen Mitarbeitern mitzuteilen. Der Versuch der gezielten Abwerbung von Mitarbeitern wird mit der Aussicht doppelter Vergütung angekündigt. Damit wird jedenfalls gegen die Pflichten in § 2 Abs. 1 des Vertrages verstoßen. Eine fortlaufende Bemühung um die Geschäftsverbindungen zugunsten der Antragsgegnerin zu erweitern und neue aufzubauen wird damit erkennbar abgelehnt. Auch die in der späteren E-Mail vom 28.09.2012 von 17:27:25 Uhr angekündigte Drohung mit „Juri Jungs aus Nürnberg“ widerspricht insoweit den Vertragspflichten und lässt – unabhängig vom möglicherweise doppeldeutigen Wortlaut – erkennen, dass eine Zusammenarbeit in Zukunft nicht mehr erfolgen wird. Allein diese eindeutige Verweigerung dem Vertrag entsprechend weiter tätig zu werden bzw. die Verknüpfung der Einhaltung der Vertragspflichten in Abhängigkeit von einer Zahlung in Höhe von 60.000,– € stellt einen massiven Pflichtenverstoß dar, demzufolge auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers und der Antragsgegnerin die Fortführung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar war. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Anlass der Gespräche zwischen den Parteien das Interesse des Antragstellers an einer weiteren Handelsvertretertätigkeit war, es aber nicht erkennbar ist, dass eine insoweit ablehnende Kooperationsbereitschaft der Antragsgegnerin vertraglich unberechtigt war. Das Ansinnen des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Hinblick auf eine weitere Zusammenarbeit unter Druck zu setzen und anzukündigen, von einer Zusammenarbeit ansonsten nur gegen Zahlung von 60.000,– € Abstand zu nehmen, war rechtlich nicht gerechtfertigt. Es ist vielmehr Ausdruck eines vertragswidrigen Verhaltens. Der Umstand, dass gleichzeitig angekündigt wird, Mitarbeiter für das eigene Unternehmen abwerben zu wollen, ist als schwerwiegender Pflichtenverstoß zu werten. Auch wenn zu berücksichtigten ist, dass die E-Mails des Antragstellers Reaktionen auf die E-Mail des Geschäftsführers der Antragsgegnerin vom 28.09.2012 waren und unter Umständen im Erregungszustand geschrieben wurden, rechtfertigt dies nicht die Ankündigung eines derart massiven Vertragsverstoßes. Wenn man die Erklärungen des Antragstellers auch noch nicht als eigene fristlose Kündigung bewerten kann (der Antragsteller spricht von einer Aufkündigung der Zusammenarbeit „vorerst“), was zu einer zulässigen fristlosen Kündigung der Antragsgegnerin ohne Abmahnung berechtigen würde, so kommt sein Verhalten doch in der Sache annähernd einer unberechtigten eigenen fristlosen Kündigung gleich. Allein daraus rechtfertigt sich die Wertung, dass hier die Antragsgegnerin fristlos kündigen durfte. Im Übrigen wird ergänzend auf die Begründung des Landgerichts Bezug genommen.

7 Auch unter Berücksichtigung der Restlaufzeit des Vertrages bis 01.08.2013 ist von einem wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung auszugehen. Im Zeitpunkt der Kündigung am 29.09.2012 lief der Vertrag nicht nur wenige Wochen, sondern noch Monate. Dieser Zeitraum reicht nicht aus, hier im Interesse des Antragstellers eine fristlose Kündigung für unangemessen zu erachten (vgl. OLG Saarbrücken NJOZ 2006, 2181, 2185 – hier nur noch Laufzeit von fünf Wochen). Die relativ kurze Dauer des gesamten Vertragsverhältnisses – der Antragsteller war seit dem 02.08.2011 für die Antragsgegnerin als Handelsvertreter tätig – spricht zudem nicht gegen den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Dies gilt auch, wenn die Tätigkeit des Antragstellers – aufgrund anderer rechtlicher Grundlage – schon seit 2006 besteht.

8 Einer Begründung der fristlosen Kündigung bedurfte es nicht.

9 Auch die fehlende Abmahnung steht der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nicht entgegen. Grundsätzlich ist eine Abmahnung vor Ausspruch der fristlosen Kündigung geboten. Es kann dahingestellt bleiben, ob man der Ansicht folgt, dass im Bereich der Störung des Vertrauensverhältnisses (im Gegensatz zu Störungen im Bereich des Leistungsverhältnisses) eine vorherige Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich ist oder ob man bei Störungen im Vertrauensbereich eine Abmahnung nur dann nicht für erforderlich hält, wenn die Störung so gravierend ist, dass eine Billigung des Verhaltens offensichtlich ausgeschlossen ist bzw. die Vertrauensbasis so erschüttert ist, dass sie auch durch eine Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann (vgl. BGH DB 1981, 987 ff., vgl. im Übrigen Senat NJW-RR 2001, 820 m.w.N. und zum Streitstand Baumbach/Hopt, HGB, Aufl. 34, 2010, § 89a, Rn. 10 m.w.N.). Eine Abmahnung ist sinnlos und mithin nicht erforderlich, wenn das Fehlverhalten eines Vertragspartners die Vertrauensgrundlage in so schwerwiegender Weise erschüttert hat, dass sie auch durch eine erfolgreiche Abmahnung nicht wiederhergestellt werden könnte (vgl. BGH NJW-RR 2001, 677). Dabei ist zu prüfen, ob nach einer Abmahnung mit einer Verhaltensänderung in Zukunft gerechnet werden kann. Maßstab für die Erforderlichkeit einer Abmahnung ist auch insoweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

10 Gemessen an diesem Maßstab war eine Abmahnung hier verzichtbar. Dabei stellt der Senat – neben den vom Landgericht genannten Gründen – in entscheidender Weise darauf ab, dass aus dem Verhalten des Antragstellers eine verwerfliche Gesinnung folgt, die jede Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin zerstört. Das beabsichtigte gezielte Abwerben von Mitarbeitern für das eigene Unternehmen, die Mitteilungen an Mitarbeiter und Kunden sowie die Verweigerung der Erfüllung der vertraglichen Pflichten diente allein dem Zweck, die Antragsgegnerin zu einer weiteren Zusammenarbeit unter Druck zu setzen oder eine angebotene Vertragsaufhebung von der Zahlung von 60.000,– € abhängig zu machen. Ein derartiges Ansinnen widerspricht nicht nur den vertraglichen Pflichten, sie belegt auch eine verwerfliche Gesinnung, die einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in Zukunft entgegensteht. Dabei hat der Senat insbesondere auch berücksichtigt, dass die Erklärungen des Antragstellers unter Umständen unbedacht und als Reaktion auf eine ablehnende Haltung des Geschäftsführers der Antragsgegnerin ergangen sein können. Eine derartig massive, drohende Reaktion war aber unter keinem Gesichtspunkt angemessen. Sie steht in keinem Verhältnis zu Inhalt und Form der ablehnenden Haltung des Geschäftsführers der Antragsgegnerin in der E-Mail vom 28.09.2012 (vgl. auch Senat, Urt. v. 04.07.2001 – 19 U 16/01, BeckRS 2002, 05904 = VersR 2002, 482).

11 Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

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fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung (3) Drohung (1)