Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Berater für den Vertrieb von Software
L 8 R 423/14 Urteil verkündet am 13. Juli 2016 LSG Nordrhein-Westfalen Arbeitsrecht im AußendienstLandessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Im Namen des Volkes
Urteil
Tenor
Die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.04.2014 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 5), die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.802,24 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Berater für den Vertrieb und die Vermarktung von Software für die Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 01.11.2010 bis zum 31.01.2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat.
2 Der Kläger ist Vertriebsberater im Bereich Software. Er meldete am 01.03.2010 ein Gewerbe unter seiner Wohnanschrift an (Tätigkeit: Kundenakquise), welches zum 09.03.2010 auf die Tätigkeiten Vertrieb von Software, IT-Dienstleistungen und Onlinemarketing erweitert wurde.
3 Er war zunächst – noch als Student – auf Honorarbasis in der Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.10.2010 für die F GmbH als Consultant tätig, welche sich auf e-Business-Lösungen spezialisiert hatte. Dazu gehörten die Konzeption und die Umsetzung von Websites verschiedener Art. Im Rahmen dessen wurde die Software „P“ zur effizienten Nutzungsanalyse von Websites entwickelt.
4 Bei der Beigeladenen zu 1) handelt es sich um eine Aktiengesellschaft (HRB 000, Amtsgericht [AG] Köln), deren Unternehmensgegenstand die Entwicklung und der Vertrieb von Software, insbesondere in den Bereichen Daten-Analyse und Daten-Technologie sowie die diesbezügliche Beratung ist. Sie wurde zum 01.11.2011 „aus der“ F GmbH als Herstellerin von Software zur Analyse und Visualisierung hochdimensionaler Daten gegründet. Hauptprodukt ist die Software „P“.
5 Der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt sein Studium nicht mehr weiterführte (Exmatrikulation am 23.06.2010), und die Beigeladene zu 1) schlossen am 01.11.2010 folgenden Beratervertrag (BV), indem es auszugsweise wie folgt heißt und auf den im Übrigen Bezug genommen wird:
6 „§ 1 Tätigkeit
7 (1) Der Berater verpflichtet sich, die Gesellschaft im Bereich des Vertriebs und der Vermarktung der Software „P“ und anderer Produkte und Dienstleistungen der Gesellschaft zu beraten. Dazu gehören insbesondere die Fertigstellung von Schreiben und Gutachten, die Kontaktaufnahme mit Bestandskunden und Neukunden, die Akquise und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit Neukunden und die Pflege des CRM-Systems der Gesellschaft. Zum Abschluss von Verträgen nach eigenem Ermessen ist der Berater weder verpflichtet noch aus diesem Vertrag berechtigt.
8 (2) Die Gesellschaft kann dem Berater Abschlussvollmacht erteilen. In keinem Fall ist der Berater berechtigt, in Verhandlungen Preise oder sonstige Leistungskonditionen selbst zu bestimmen.
9 (3) Der Berater verpflichtet sich, der Gesellschaft über seine Tätigkeit monatlich Bericht zu erstatten. Der Bericht soll auch Ausführungen über angefallene und noch anfallende Honorare enthalten.
10 (4) Der Berater ist in der Bestimmung seines Arbeitsortes und seiner Arbeitszeit frei, soweit dies nicht den wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft widerspricht. Lässt sich eine Aufgabe nicht innerhalb einer im Einzelfall maßgeblichen Frist erledigen, hat der Berater diesen Umstand frühzeitig der Gesellschaft mitzuteilen.
11 (5) […].
12 (6) Der Berater ist befugt, zur Erfüllung seines Beratungsauftrages versicherungspflichtige Arbeitnehmer zu beschäftigen.
13 § 2 Loyalitätspflichten […].
14 § 3 Geheimhaltungspflichten […].
15 (4) Gegenüber Kunden und Lieferanten wird der Berater nur im Namen der Gesellschaft auftreten und für die Kommunikation mittels elektronischer Post (Email) mit dem Kunden nur eine von der Gesellschaft zur Verfügung gestellte E-Mail-Adresse verwenden. […].
16 § 4 Vertragsstrafe bei Verletzung der Verschwiegenheit […].
17 § 5 Honorar
18 (1) Der Berater erhält für seine Tätigkeit ein monatliches Honorar in Höhe von 800,00 Euro. Das Honorar ist nicht fällig, wenn der Berater seinen Pflichten gemäß § 1 dieses Vertrages nicht nachgekommen ist. […]. Steuern hat der Berater selbst anzumelden und abzuführen.
19 (2) Zusätzlich erhält der Berater, wenn er bei Abschluss des Lizenzvertrages mit dem Kunden mitwirkt, eine variable Vergütung. Diese beträgt für die Dauer des Vertrages
20 a. 15% des Umsatzes, den die Gesellschaft aus der Einräumung von Nutzungsrechten an der Software P mit dem Kunden im ersten Jahr erzielt (Lizenzumsatz), wenn die Gewinnung des Kunden allein durch den Berater zustande gekommen ist;
21 b. 10% des Umsatzes, den die Gesellschaft aus der Einräumung von Nutzungsrechten an der Software P mit dem Kunden im ersten Jahr erzielt, wenn die Gewinnung des Kunden durch den Berater zustande gekommen ist, der Berater hierfür jedoch fachliche oder vertriebliche Hilfe der Gesellschaft oder Dritter in Anspruch genommen hat;
22 c. 5% des Umsatzes, den die Gesellschaft aus der Einräumung von Nutzungsrechten an der Software P mit dem Kunden im ersten Jahr erzielt, wenn die Gewinnung des Kunden unter maßgeblicher Beteiligung des Beraters zustande gekommen ist. […]
23 (7) Dem Berater steht ein Honoraranspruch nach Abs. 1 nicht zu, wenn er infolge Krankheit oder aus sonstigen Gründen an der Leistung der Dienste verhindert ist. Er hat keinen Anspruch auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.
24 § 6 Aufwendungsersatz […]
25 § 7 Vertragsdauer […]
26 § 8 Wettbewerbsverbot und Vertragsstrafe bei Verletzung des Wettbewerbsverbotes […]
27 § 9 Schutzrechte […]
28 § 10 Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften
29 Von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages ist in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht worden. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher oder arbeitsgesetzlicher Schutzvorschriften ist nicht beabsichtigt. Dem Berater soll vielmehr die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden. Eine über den Umfang dieser Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit wird nicht begründet.
30 § 11 Statusfeststellungsverfahren
31 (1) Der Berater verpflichtet sich, der Gesellschaft Kenntnis von sämtlichen anderweitigen Beschäftigungen und Aufträgen zu verschaffen und hierüber im Falle der Durchführung eines Prüfverfahrens durch die Träger der Kranken- und Rentenversicherung Unterlagen und Belege zur Verfügung zu stellen. Änderungen in den Verhältnissen des Mitarbeiters sind der Gesellschaft unverzüglich und unaufgefordert schriftlich anzuzeigen.
32 (2) Der Berater verpflichtet sich nach Abschluss dieses Vertrages, ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 2 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) zu beantragen. Die Gesellschaft kann nach ihrer Wahl statt des Beraters das Statusfeststellungsverfahren beantragen. Der Berater willigt für diesen Fall ein, dass die Gesellschaft diesen Antrag beim Rentenversicherungsträger stellt, um feststellen zu lassen, dass von dem Berater keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt wird.
33 (3) Sollte in einem solchen Verfahren festgestellt werden, dass die Gesellschaft für den Berater zur Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung irgendwelcher Art verpflichtet ist, so hat die Gesellschaft das Recht, binnen vier Wochen, nachdem ihr dies bekannt geworden ist, vom Vertrag zurückzutreten.
34 (4) […]
35 (5) Verstößt der Mitarbeiter gegen seine Verpflichtung, gemäß den Absätzen 1 und 2, kann die Gesellschaft, auch wenn sie das Rücktrittsrecht nach Abs. 3 nicht ausgeübt hat, die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung rückerstatten und künftig erstattet verlangen, falls ein Träger der Kranken- oder Rentenversicherung ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis feststellt.
36 (6) Die Ansprüche der Gesellschaft aus Abs. 3 verjähren frühestens mit dem Ende des 5. Jahres, das auf das Jahr der Entstehung der Abgabenpflicht entfällt […],
37 § 12 Nebenabreden, Gerichtsstand, Schlichtungsklausel und sonstige Bestimmungen
38 (1) Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Gleiches gilt für die Aufhebung des Schriftformerfordernisses. […]“
39 Mit Vereinbarung vom 10.08.2011 trafen die Beigeladene zu 1) und der Kläger zur variablen Vergütung des Klägers in Bezug auf die klägerische Beteiligung an dem Abschluss eines sog. OEM-Vertrags mit der Firma F-Systems folgende Regelung, auf die im Übrigen Bezug genommen wird:
40 „[…]. Bis zur exakten Feststellung der Umsätze, die aus dem OEM-Vertrag entstanden sind, kann Herr C ebenfalls Abschläge auf seine variable Vergütung in Rechnung stellen. Diese werden abschließend in Anrechnung gestellt.
41 Für die Monate August 2011 bis Dezember 2011 soll dieser Abschlag 400,00 Euro betragen.“
42 Unter dem 05.09.2011 stellte die Beigeladene zu 1) zusammen mit der F dem Kläger ein sog. „Zwischenzeugnis“ aus, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
43 Ferner wurde unter dem 10.01.2012 eine weitere Vereinbarung zwischen den Beteiligten – betreffend den vermittelten OEM-Vertrag an F-System – getroffen. Diese lautete im Wesentlichen identisch mit der vorangegangenen Vereinbarung. Eine Änderung findet sich allerdings insoweit:
44 „Für den Monat Januar 2012 soll dieser Abschlag 700,00 Euro betragen. Für die Monate Februar 2012 bis Juni 2012 soll dieser Abschlag 1.200,00 Euro betragen.“
45 Abgerechnet wurde der gesamte Zeitraum zwischen den Vertragsparteien wie folgt:
2010
46 Rechnungs-Nr. – Rechnungsdatum – Beschreibung – Mtl. Vergütung in EUR – Insg. in EUR
47 201011 – 22.11.2010 – Beratung Vertrieb – 800 – 800
48 201012 – 27.12.2010 – Beratung Vertrieb – 800 – 800
49 Mtl. Vergütung in EUR = 1.600,–
50 Insg. in EUR = 1.600,–
2011
51 Rechnungs-Nr. – Rechnungsdatum – Beschreibung – Mtl. Vergütung in EUR – Provision in EUR – Aufwendungen in EUR – Insg. in EUR
52 201013 – 31.01.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 0 – 0 – 800
53 201014 – 28.02.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 0 – 0 – 800
54 201015 – 31.03.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 0 – 0 – 800
55 201016 – 30.04.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 0 – 0 – 800
56 201017 – 31.05.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 0 – 0 – 800
57 201018 – 30.06.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 0 – 0 – 800
58 201019 – 31.07.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 0 – 0 – 800
59 201020 – 31.08.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 0 – 0 – 1.200
60 201021 – 30.09.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 0 – 0 – 1.200
61 201022 – 31.10.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 700 – 0 – 1.500
62 201023 – 30.11.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 400 – 0 – 1.200
63 201024 – 31.12.2011 – Beratung Vertrieb – 800 – 400 – 5,6 – 1.205,60
64 Mtl. Vergütung in EUR = 9.600,–
65 Provision in EUR = 1.500,–
66 Insg. in EUR = 11.905,60
2012
67 Rechnungs-Nr. – Rechnungsdatum – Beschreibung – Mtl. Vergütung in EUR – Provision in EUR – Insg. in EUR
68 201025 – 31.01.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 700 – 1.500
69 201026 – 29.02.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
70 201027 – 31.03.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
71 201028 – 30.04.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
72 201029 – 31.05.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
73 201030 – 30.06.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
74 201031 – 31.07.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
75 201032 – 31.08.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
76 201033 – 30.09.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
77 201034 – 31.10.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
78 201035 – 30.11.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.700 – 2.500
79 201036 – 31.12.2012 – Beratung Vertrieb – 800 – 1.200 – 2.000
80 Mtl. Vergütung in EUR = 9.600,–
81 Provision in EUR = 14.400,–
82 Insg. in EUR = 24.000,–
2013
83 Rechnungs-Nr. 201037
84 Beschreibung: Beratung Vertrieb
85 Mtl. Vergütung in EUR = 800
86 Provision in EUR = 1.200
87 Insg. in EUR = 2.000
88 Der Kläger und die Beigeladene zu 1) stellten am 22.08.2011 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Abs. 1 SGB IV. Sie begehrten darin die Feststellung, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorliege.
89 Der Kläger teilte dort mit, dass er den Vertrieb und die Vermarktung einer bestimmten Software der Beigeladenen zu 1) betreibe. Dazu gehöre es, dass er frei von Weisungen hinsichtlich der Durchführung tätig werde. Er sei insbesondere zeitlich und örtlich und in der Auswahl neuer Kunden nicht gebunden. Er sei allerdings nicht zum Abschluss von Verträgen berechtigt. Er erstatte monatlich Bericht über seine Tätigkeit und die anfallenden Honorare. Die Tätigkeit werde sowohl in den Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1) als auch – vorwiegend – in Kundengesprächen außer Haus ausgeübt. Es gebe keine Dienstkleidung bzw. Dienstpläne, keine planmäßige Teilnahme an Dienstbesprechungen oder Schulungsmaßnahmen. Gegenüber Kunden trete er im Namen der Beigeladenen zu 1) auf.
90 Auf schriftliche Befragung der Beklagten teilte der Kläger ergänzend mit, dass die Bestimmung des Arbeitsortes ihm überlassen sei. Er übe die Tätigkeit im Homeoffice, bei Kunden vor Ort oder in Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1) aus. Eigene Geschäftsräume bzw. deren Ausstattung unterhalte er nicht. Dauer, Beginn und Ende der Tätigkeit seien nicht vorgeschrieben. Die Auftragserteilung erfolge mündlich bzw. schriftlich. Regelmäßige Arbeitszeiten seien von montags bis freitags ca. sechs bis acht Stunden pro Tag. Im Falle eines Ausfalls informiere er die Vorstände. Um Vertretung müsse er sich nicht kümmern. Arbeitsmittel in Form eines PCs, Telefon und Schreibmaterialien würden gestellt. Im Übrigen setze er einen eigenen Laptop bei auswärtigen Terminen ein. Er arbeite mit Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1) telefonisch, per Mail und mündlich in Meetings zusammen. Er erstelle einen monatlichen Bericht und nehme wöchentlich an einem Jour-fixe-Meeting teil. Er dürfe Hilfskräfte einsetzen.
91 Mit Schreiben vom 24.11.2011 hörte die Beklagte den Kläger und die Beigeladene zu 1) zur beabsichtigten Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sowie von Versicherungspflicht in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung für die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 01.11.2010 an. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass der Kläger verpflichtet sei, einen monatlichen Bericht zu erstatten. Er nutze die Räume und technischen Einrichtungen der Beigeladenen zu 1). Arbeitsmaterialien würden gestellt. Gegenüber den Kunden der Beigeladenen zu 1) trete er in ihrem Namen auf. Reisekosten würden erstattet. Bei Verhinderung werde die Vertretung durch die Beigeladene zu 1) gestellt. Der Kläger arbeite mit Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1) zusammen. Für eine selbständige Tätigkeit spreche hingegen lediglich die freie Einteilung der Arbeitszeit. Ferner erhalte der Kläger neben dem festen Gehalt eine erfolgsabhängige Provision. Arbeitsmittel würden teilweise vom Auftragnehmer gestellt. Zudem sei es ihm möglich, Hilfskräfte einzusetzen. Diese Indizien würden im Rahmen der Gesamtabwägung allerdings zurücktreten.
92 Dem trat der Kläger im Rahmen seiner Stellungnahme vom 16.12.2011 entgegen: Es handele sich um eine selbständige Tätigkeit. Die Pflicht zur monatlichen Berichterstattung sei kein zwingendes Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Vielmehr handele es sich um eine Pflicht, die typischerweise auch selbständige Handelsvertreter treffe (§ 86 Handelsgesetzbuch [HGB]). Zudem sei der Bericht erforderlich für die Ermittlung der Honorare, die sich nach § 5 Abs. 2 BV nach dem Umsatz ermittelten, den die Gesellschaft durch alleinige Vermittlung, durch gemeinsame Vermittlung oder unter Mitwirkung des Beraters erziele. Gerade zur Abgrenzung dieser Merkmale sei es erforderlich, dass der Berater einen solchen Bericht fertige. Ein Zeichen für eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation sei dies indes nicht. Auch die Nutzung der Räume und technischen Einrichtungen des „Arbeitgebers“ sei kein Indiz für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Beraters. Er sei in der Bestimmung seines Arbeitsortes und seiner Arbeitszeit nicht gehalten gewesen, für den Auftraggeber Fristen einzuhalten, vorausgesetzt, er teile dies dem Auftraggeber rechtzeitig mit (§ 1 Abs. 4 Satz 1 BV). Das feste (geringfügige) Basishonorar sei lediglich zur grundsätzlichen Bereitstellung der Tätigkeit und zur Wahrung der vertraglichen Loyalitäts- und Geheimhaltungspflichten sowie des Wettbewerbsverbotes gedacht. Kern der Vergütung sei die erfolgsabhängige Provision gewesen. Diesbezüglich würden ihm Kontaktdaten von Kunden zur Verfügung gestellt. Welche Kunden er kontaktiere, stehe ihm frei. Er könne seine Tätigkeit auch soweit beschränken, dass er kaum noch erfolgsabhängige Vergütungen erziele. Er sei lediglich nach Treu und Glauben verpflichtet, wenigstens in einem gewissen Mindestumfang überhaupt Vertriebstätigkeiten zu erledigen. Auch das Auftreten im Namen des Auftraggebers gegenüber Kunden sei zwingender Bestandteil der im Grundsatz maklerischen Tätigkeit. Eine Vertretung bei Verhinderung werde durch die Beigeladene zu 1) nicht gestellt. Allerdings könne sie, wenn er ausfalle, dessen Aufgaben anderweitig vergeben bzw. durch den Vorstand besorgen lassen. Er müsse mit Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1) zusammenarbeiten. Dies geschehe aber nicht in einer Weise, dass er gegenüber irgendwelchen Mitarbeitern weisungsgebunden sei oder dabei in Betriebsabläufe oder Organisationszusammenhänge eingebunden wäre.
93 Sodann stellte die Beklagte mit Bescheid vom 15.02.2012 fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Berater für den Vertrieb und die Vermarktung von Software bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.11.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
94 Dagegen legte der Kläger am Montag, dem 19.03.2012 Widerspruch ein. Unter Wiederholung und Vertiefung seiner bisherigen Argumentation trug er ergänzend vor, dass die Vertragsbeziehung zwischen ihm und der Beigeladenen zu 1) für deren Kunden ohne Belang sei. Dass er gegenüber Kunden nur im Namen der Beigeladenen zu 1) auftrete, habe den Grund, dass die Kunden die Rechtsnatur der Vertragsbeziehungen nicht erfahren sollten, da dies den Eindruck erwecken würde, er werde etwa auch für Wettbewerber tätig, oder die Beigeladene zu 1) sei wirtschaftlich nicht in der Lage, ausreichend Angestellte für solche Tätigkeiten zu beschäftigen. Er betreibe unter der Internet-Adresse „www.analytics-consulting.weebly.com“ eine eigene Webpräsenz, auf der er seine Dienste als Berater und Projektmanager im Bereich Datenanalyse bewerbe. Angaben zur konkreten Höhe der tatsächlichen variablen Vergütung könne er nicht machen, da die F-Systems weiterhin keine exakte Abrechnung erstelle. Derzeit erhalte auch die Beigeladene zu 1) lediglich Abschlagszahlungen.
95 Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2012 den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
96 Dagegen hat der Kläger am 01.12.2012 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt hat. Er hat sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt. Vertiefend hat er darauf verwiesen, dass ihm durch den BV keine anderen Pflichten auferlegt worden seien, als sie auch § 86 HGB dem Handelsvertreter auferlege. Er habe nicht nur seinen eigenen Laptop genutzt, sondern auch sein eigenes Mobiltelefon. Dass er die Leistung persönlich erbracht habe, sei nicht ausschlaggebend. Erheblich sei vielmehr, dass er die Befugnis gehabt habe, Arbeiten zu delegieren. Dass er im Namen der Beigeladenen zu 1) aufgetreten sei, resultiere bereits aus der Regelung des § 164 Abs. 2 BGB. Die vertraglich vereinbarten Mitteilungspflichten hätten keine indizielle Wirkung. Die in § 2 BV genannten Loyalitätspflichten dienten dazu sicherzustellen, dass die Beigeladene zu 1) die von ihr benötigten Informationen über anderweitige Erwerbstätigkeiten bereits zur Prüfung einer Konkurrenzlage und von Interessenkonflikten gemäß § 2 Abs. 2 BV zur Verfügung stünden. Bestritten werde, dass die Beigeladene zu 1) ihr Direktionsrecht über ihn auf ihre Kunden übertragen habe. Bestritten werde weiterhin, dass konkrete Arbeitsinhalte telefonisch besprochen worden seien. Insgesamt habe er in diesem Zeitraum Provisionszahlungen i. H. v. 14.300,00 Euro und eine Festvergütung i. H. v. 10.400,00 Euro erhalten. Insofern sei ein Überwiegen der Provisionszahlungen gegenüber der Festvergütung festzustellen. Dass dieses nicht noch deutlicher ausgefallen sei, liege in dem hinter den Erwartungen der Vertragsparteien zurückgebliebenen Vermittlungserfolg begründet. Vor diesem Hintergrund sei der Vertrag dann aufgelöst worden.
97 Der Kläger hat beantragt,
98 den Bescheid der Beklagten vom 15.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Berater für den Vertrieb und die Vermarktung von Software bei der Beigeladenen zu 1) im Zeitraum vom 01.11.2010 bis 31.01.2013 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand und nicht der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
99 Die Beklagte hat beantragt,
100 die Klage abzuweisen.
101 Sie hat an ihren Bescheiden festgehalten. Zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) sei kein Handelsvertretervertrag geschlossen worden. Der Kläger habe bereits nach § 1 BV nicht ausschließlich eine vermittelnde Leistung geschuldet. Folgerichtig sei mit ihm die Zahlung eines monatlich gleichbleibenden Honorars für die Erfüllung der sich aus § 1 ergebenden Pflichten vereinbart worden, § 5 Abs. 1 BV. Zusätzlich erhalte er im Falle der erfolgreichen Vertriebstätigkeit eine variable Vergütung nach § 5 Abs. 2 bis 5 BV. Bereits die Ausführung der Vertriebstätigkeit des Klägers habe von der betrieblichen Organisation der Beigeladenen zu 1) abgehangen, denn zum Anspruch auf konkret 5% des Umsatzes genüge es bereits, dass der Kläger maßgeblich an der Gewinnung des Kunden beteiligt sei (§ 5 Abs. 2 Buchst. c BV). Zeitweilige Tätigkeiten des Klägers außerhalb der Räumlichkeiten sprächen nicht gegen dessen betriebliche Eingliederung. Viele Unternehmen setzten Außendienstmitarbeiter ein. Allein die Aufnahme vertraglicher Regelungen zur Statusfeststellung spreche dafür, dass bei Vertragsschluss mindestens ein Vertragspartner Anhaltspunkte für die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung gesehen habe. Im Gegensatz zur streitgegenständlichen Tätigkeit des Klägers sei bei einem selbständigen Handelsvertreter i. S. v. § 84 HGB die Erstellung von Gutachten bzw. sonstigen Schreiben nicht gesondert vergüteter Vertragsbestandteil, sondern Mittel zur Anbahnung der ausschließlich per Provision honorierten Vertragsvermittlung. Die Aufgabenhäufung des Klägers, seine überwiegend vom Betriebssitz der Beigeladenen zu 1) aus entfaltete Tätigkeit und die Mithilfe dieser bei der Kundengewinnung und -betreuung (bzw. die Aufspaltung der Begleitung des Kunden von der Erstansprache bis zum Vertragsschluss, monatliche Tätigkeitsberichte, Verwendung einer durch die Beigeladene zu 1) zur Verfügung gestellten E-Mail-Adresse, Reise- und Aufwendungsersatz) seien für den Handelsvertreter eher untypisch.
102 Die mit Beschluss des SG vom 01.07.2013 am Verfahren beteiligte Beigeladene zu 1) hat sich dem Antrag des Klägers angeschlossen. Die weiteren beteiligten Beigeladenen zu 2) bis 5) sind in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend gewesen.
103 Die Beigeladene zu 1) hat vorgetragen, dass der Kläger maklerisch für sie tätig geworden sei. Er habe sie bei der Akquise neuer Kunden unterstützt. Darüber hinaus habe er auch bei Vertragsanbahnungen mit Bestandskunden diese gezielt zur Expansion der Zusammenarbeit angesprochen. Dem Kläger hätte auch Abschlussvollmacht für die vollständige Abwicklung der Vertragsverhandlungen erteilt werden können. Da er nicht auf Weisung gearbeitet habe, könnten keine näheren Angaben über das genaue Vorgehen sowie dessen Arbeitszeiten gemacht werden. Abgesehen von seiner beratenden Tätigkeit bei Vertragsverhandlungen und Anbahnungen habe er auch Gutachten in ihrem Auftrag gefertigt. Als weiterer unabhängiger Bereich habe er ihr CRM-System (Customer-Relationship-Management) gepflegt.
104 Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das SG den Kläger und den Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 1) angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen. Sodann hat das SG mit Urteil vom 14.04.2014 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
105 Gegen das der Beigeladenen zu 1) am 30.04.2014 zugestellte Urteil hat sie am 26.05.2014 Berufung eingelegt. Sie sei durch das Urteil des SG beschwert. Das Kundenpflegesystem CRM sei dem Kläger aufgrund seiner früheren Tätigkeit bei der F GmbH bekannt gewesen, sodass es entsprechender Weisungen und Einarbeitungszeit nicht bedurft habe. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung bei dieser GmbH sei ihm auch eine selbständige Beratertätigkeit ohne weiteres möglich gewesen. Er habe auch nicht lediglich seine Arbeitskraft geschuldet. Es möge zwar sein, dass er an fünf Tagen in der Woche ca. sechs bis acht Stunden überwiegend am Betriebssitz der Beigeladenen zu 1) gearbeitet habe. Das habe er allerdings als selbständiger Berater getan. Bei diesem Ende der Arbeitstag nicht nach einer entsprechenden Stundenzahl, und auch Arbeit an Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen sei möglich. Der Kläger habe neben seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) erfolglos versucht, weitere Kunden zu akquirieren. Auch während der Anwesenheitszeiten in den Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1) sei er nicht nur seinen Akquisetätigkeiten, sondern auch seinem Studium nachgegangen. Es liege in der Natur der Sache, dass er sich im Rahmen einer der ständigen Fortentwicklung unterworfenen Software regelmäßig zu Besprechungen sowie Absprachen mit Technikern und Vorstand habe treffen müssen. Das SG hätte die Tätigkeit anders eingeordnet, wenn der Kläger für mehrere Kunden tätig gewesen wäre. Zudem habe das SG verkannt, dass es sich bei den bezahlten 800,00 Euro nicht um eine „Basisvergütung“ gehandelt habe. Sie habe dem Kläger damit lediglich eine Entschädigung dafür zahlen wollen, dass er jedenfalls im Bereich Software ausschließlich ihr Produkt vertreiben durfte. Allein darauf habe sich das Wettbewerbsverbot bezogen. Hinsichtlich der vermeintlich fehlenden Betriebsstätte sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger von zu Hause aus gearbeitet habe und sein Gewerbe an seiner Privatanschrift angemeldet sei. Eine Endabrechnung mit der F-Systems, aus der sich ergeben würde, wie viele Lizenzen letztlich im Rahmen des OEM-Vertrages verkauft worden seien, habe es nicht gegeben. Im September 2013 habe die Beigeladene zu 1) mit dieser erhebliche Differenzen gehabt, so dass man sich auf die vorzeitige Beendigung der Zusammenarbeit geeinigt habe.
106 Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die in den streitgegenständlichen Bescheiden festgestellte Versicherungspflicht auf die Zeit bis zum 31.01.2013 begrenzt. Die Beigeladene zu 1) beantragt nun,
107 das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.04.2014 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 15.02.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2012 festzustellen, dass der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Berater für den Vertrieb und die Vermarktung von Software in der Zeit vom 01.11.2010 bis zum 31.01.2013 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat.
108 Die Beklagte beantragt,
109 die Berufung zurückzuweisen.
110 Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
111 Der Kläger schließt sich gleichfalls der erstinstanzlichen Entscheidung an. Die Beigeladenen zu 2) bis 5) haben am Termin der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.
112 Der Senat hat am 05.09.2014 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten und Beweisaufnahme durchgeführt. In diesem hat er den Kläger angehört sowie die Zeugen C und Dr. T uneidlich vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
113 Im Nachgang zu diesem Termin hat der Kläger weitere Unterlagen eingereicht (Vertrag F, Vertrag F-Systems mit Tätigkeitsbeschreibung, Gewerbeanmeldung, Exmatrikulation, Rechnungen). Die Beigeladene zu 1) hat auf Anforderung erklärt, dass die gemäß § 1 Abs. 3 BV verfassten Berichte nicht mehr vorlägen. Eine schriftliche Verlängerung der Provisionsabschlagsabrede über den Juni 2012 hinaus habe es nicht gegeben. Die Adresslisten ergeben sich aus einer erworbenen CD-Rom. Sie hat exemplarische Ausdrucke aus dem CRM-System, den streitigen Zeitraum betreffende Betriebsprüfungsbescheide sowie einige Besprechungsprotokolle vorgelegt.
114 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
115 Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 5) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
116 A. Die Berufung der Beigeladenen zu 1) ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 1, 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig. Die vollständig abgefasste Entscheidung ist ihr am 30.04.2014 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen am 26.05.2014 eingegangen.
117 B. Die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des SG Köln ist jedoch unbegründet.
118 I. Die gegen den Bescheid vom 15.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2012 gerichtete Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 Altern. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG).
119 II. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die angefochtenen Bescheide in der nunmehr gültigen Fassung rechtmäßig sind und die Beigeladene zu 1) damit nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschweren. Denn die Beklagte hat im Rahmen des § 7a Abs. 1 SGB IV formell (hierzu 1.) und materiell (hierzu 2.) rechtmäßig festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) als Berater für den Vertrieb und die Vermarktung von Software vom 01.11.2010 bis zum 31.01.2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat.
120 1. Die Beklagte stützt sich als Ermächtigungsgrundlage auf § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Beklagte (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV).
121 Soweit die Beklagte im Bescheid vom 15.02.2012 erläutert hat, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) als abhängige Beschäftigung ausgeübt werde, sieht der Senat dies nicht als unzulässige isolierte Elementenfeststellung (vgl. dazu BSG, Urteil v. 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2; Urteil v. 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, USK 2009-72) sondern lediglich als unselbständiges Begründungselement an (Senat, Urteil v. 22.06.2016, L 8 R 529/15).
122 2. Die streitigen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend angenommen, dass der Kläger im Streitzeitraum der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen hat. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch).
123 Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.04.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
124 Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R; BSG, Urteil v. 19.08.2015, B 12 KR 9/14 R, jeweils juris).
125 Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.08.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine „Beschäftigung“ vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.09.2011, a.a.O., juris; Senat, Urteil v. 29.06.2011, L 8 (16) R 55/08; Senat, Urteil v. 24.09.2014, L 8 R 1104/13; Senat, Urteil v. 30.04.2014, L 8 R 376/12, jeweils juris).
126 Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme festgestellten abgrenzungsrelevanten Indizien und nach Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles entsprechend ihrem Gewicht sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der Kläger vom 01.11.2010 bis zum 31.01.2013 für die Beigeladene zu 1) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gegen Entgelt tätig geworden ist.
127 a) Es handelt sich bei der zu beurteilenden Rechtsbeziehung zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Kläger zunächst um ein Dauerschuldverhältnis, welches auf dem auf den 01.11.2010 datierenden Beratervertrag (BV) basiert.
128 aa) Davon abweichende, dem in § 12 Abs. 1 Satz 2 BV geregelten doppelten Schriftformerfordernis entsprechende Vereinbarungen sind – mit Ausnahme von § 5 Abs. 2 BV [dazu unter dd) (4) (a)] – nicht ersichtlich.
129 bb) Bei der Beurteilung der vertraglichen Regelungen bleibt allerdings § 11 Abs. 5 BV außer Betracht. Denn insoweit sind die vertraglichen Vereinbarungen unwirksam nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 28g Satz 2 bis 4 SGB IV. Mit dieser Regelung versucht die Beigeladene zu 1) die aus einer Fehlbeurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers sich für sie ergebenden wirtschaftlichen Risiken auf diesen abzuwälzen. Dies wird von § 28g Satz 2 bis 4 SGB IV jedoch ausdrücklich untersagt (zur Verbotsgesetzqualität von § 28g SGB IV insoweit auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28g Rdnr. 9 m.w.N.; Senat, Urteil v. 19.08.2015, L 8 R 726/11).
130 cc) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) handelt es sich bei dem Vertrag nicht um einen Handelsvertretervertrag i. S. d. §§ 84 ff. HGB. Zu dessen Abschluss fehlte den Vertragsparteien bereits nach eigenen Angaben der entsprechende Rechtsbindungswille. Denn wie der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, wollte diese insbesondere den aus einem Handelsvertretervertrag resultierenden Ausgleichanspruch bei Vertragsbeendigung nach § 89b HGB vermeiden, der nach § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB nicht abdingbar gewesen wäre.
131 Vor diesem Hintergrund kann sie sich nunmehr nicht darauf berufen, der BV sei typisierend als selbständiger Handelsvertretervertrag zu beurteilen. Denn es unterliegt nicht der Disposition der Vertragsparteien, die Wirkungen eines wirksamen Vertrages nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG, Urteil v. 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).
132 dd) Die Regelungen des Vertrags im Übrigen sprechen in der Gesamtschau für eine abhängige Beschäftigung und nicht für eine selbständige Tätigkeit.
133 (1) Der Kläger hat für die Beigeladene zu 1) sachbearbeitende Tätigkeiten ausgeführt, wobei als prägend diejenigen im Bereich Außendienst und Vertrieb anzusehen sind.
134 (a) Das folgt zunächst aus § 1 Abs. 1 Satz 1, 2 BV. Danach beinhaltete die Tätigkeit des Klägers die Fertigstellung von Schreiben und Gutachten, die Kontaktaufnahme mit Bestandskunden und Neukunden, die Akquise und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit Neukunden sowie die Pflege des CRM-Systems. In den „P Jour Fixe-Protokollen“ (Protokolle) konkretisiert sich die Bandbreite der durch den Kläger zu erfüllenden Aufgaben weiter. Sie reicht u. a. von der Anfertigung von Texten im Bereich Social Media, über Messenachbereitung, die Vereinbarung von (Präsentations-)Terminen, Layoutbearbeitungen und die Erstellung von Empfängerlisten für Werbegeschenke bis zur Fertigung von Angeboten.
135 (b) In der Art der Ausführung dieser Leistungen war der Kläger über § 3 Abs. 4 BV gebunden. Danach war er verpflichtet, gegenüber den Kunden und Lieferanten im Namen der Beigeladenen zu 1) aufzutreten und zu Kommunikationszwecken die ihm zur Verfügung gestellte E-Mail-Adresse zu verwenden. Welchen Wert die Beigeladene zu 1) auf die Einhaltung dieser – unter der Überschrift „Geheimhaltungspflichten“ verorteten – Klausel legte, zeigt sich bereits daran, dass sie vertragsstrafbewehrt wurde (vgl. § 4 Abs. 1, 2 BV). Ziel der Regelung war, dass die Beigeladene zu 1) gerade bei ihren Kunden den Eindruck der Selbständigkeit des Klägers vermeiden wollte. Diese sollten weder zu der Überlegung gelangen, der Kläger würde auch für Wettbewerber tätig noch, dass die Beigeladene zu 1) wirtschaftlich nicht in der Lage sei, mit angestellten Mitarbeitern zu arbeiten.
136 (c) Der Kläger unterlag ferner monatlichen Berichtspflichten, § 1 Abs. 3 Satz 1 BV. Diese dienten nach den vertraglichen Regelungen nicht lediglich zur Prüfung des Honoraranspruchs, denn nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 2 BV sollte der Bericht lediglich „auch“ und damit nicht ausschließlich Ausführungen zu anfallenden oder angefallenen Honoraren enthalten. Stattdessen hatte er über seine Tätigkeit, die in § 1 Abs. 1 BV wiederum definiert wurde, Bericht zu erstatten. Ob diese Regelung § 86 Abs. 2 HGB angelehnt ist, ist bereits aus den o.g. Gründen unerheblich.
137 (2) Zwar war der Kläger darüber hinaus nach § 1 Abs. 4 Satz 1 BV in der Bestimmung seines Arbeitsortes sowie der Arbeitszeit frei.
138 (a) Eingeschränkt wurde diese Freiheit allerdings bereits durch § 1 Abs. 4 Satz 1 a.E. BV. Danach galt dies nur, soweit nicht die wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen zu 1) mit der Ausübung dieser Freiheit kollidierte, wodurch sich die Beigeladene zu 1) ihre Einflussnahme auf die zeitliche und örtliche Anwesenheit des Klägers sicherte.
139 (b) In zeitlicher Hinsicht wurden dem Kläger zudem durch die Beigeladene zu 1) einseitige Bearbeitungsfristen gesetzt, was bereits aus § 1 Abs. 4 Satz 2 BV folgt und sich aus den vorgelegten Protokollen zweifellos bestätigt (z.B. Protokoll v. 05.09.2011: P Schulung mit T N KW36/37; Dmexco-RH vorstellen/Win-Win erläutern, Termin 21./22.09. oder Social Media Text erstellen/freigeben lassen bis 07.09.2011).
140 (3) Der Kläger unterlag nach §§ 2 Abs. 1, 8 Abs. 1 BV einem Wettbewerbsverbot im Geschäftsbereich der Beigeladenen zu 1). Dessen fehlende Ausdehnung auf Tätigkeiten auch außerhalb des Geschäftszweiges der Beigeladenen zu 1) wie sie beim unselbständigen Handlungsgehilfen nach § 60 Abs. 1 HGB zu finden ist, indiziert nicht die Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Denn auch im Rahmen des § 60 Abs. 1 HGB sind vertragliche Einschränkungen des Verbots möglich (Roth in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 60 Rdnr. 1).
141 Auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nach § 8 Abs. 1 BV, welches eine Karenzentschädigung nach § 8 Abs. 2 BV (entsprechend § 74 Abs. 2 HGB) ausgelöst hätte, hat die Beigeladene zu 1) offensichtlich verzichtet, nachdem der Kläger bei ihrem Kunden, der […] Systems GmbH, tätig geworden ist.
142 (4) Die weiteren vertraglichen Regelungen erlauben ebenfalls nicht mit hinreichender Eindeutigkeit die Zuordnung zum Typus der selbständigen Tätigkeit.
143 (a) Der Kläger erhielt ein tätigkeits- und damit nicht erfolgsabhängiges monatliches Honorar von 800,00 Euro, § 5 Abs. 1 Satz 1 BV. Dieses wurde ihm nicht als Entschädigung für das Wettbewerbsverbot gewährt, sondern für die Erfüllung der in § 1 BV geregelten Pflichten, § 5 Abs. 1 Satz 2 BV.
144 Darüber hinaus hatte der Kläger nach § 5 Abs. 2 BV Anspruch auf eine variable Vergütung in Höhe eines prozentualen Umsatzanteils abgestuft nach seiner Art der Beteiligung an der Gewinnung des Kunden. Dieser Regelung haben die Vertragsparteien, nachdem sie sich mangels entsprechender Mitwirkung des Kunden als nicht durchführbar erwies, durch die Vereinbarungen vom 10.08.2011 und 10.01.2012 modifiziert und (zunächst) durch Abschlagszahlungen ersetzt. Der Provisionsanspruch wurde erstmals im Oktober 2011 ausgezahlt. Derartige umsatzabhängige Provisionszahlungen kommen auch in Arbeitsverträgen vor. Unabhängig davon kommt es für die Abgrenzung weniger auf die Art der Vergütung und die Modalitäten der Entgeltzahlung als auf die Umstände der Dienstleistung an, da diese Auskünfte über die persönliche Abhängigkeit geben (BAG, Urteil v. 13.11.1991, 7 AZR 31/91, BAGE 69, 62).
145 (b) Für eine Selbständigkeit spricht auch nicht die Regelung des § 5 Abs. 7 BV. Danach sollte dem Kläger das Basishonorar nach § 5 Abs. 1 BV dann nicht zustehen, wenn er infolge Krankheit oder aus sonstigen Gründen an der Leistung seiner Dienste verhindert war. Gleichfalls waren Urlaubs- und Weihnachtsgeldansprüche ausgeschlossen. Allerdings beruht diese Regelung auf der fehlerhaften Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung. Zudem ist die Regelung des § 5 Abs. 1 BV tatsächlich nicht gänzlich umgesetzt worden. Denn obgleich der Kläger nach eigenen Angaben urlaubsbedingt abwesend gewesen ist, wurde sein Vergütungsanspruch nicht entsprechend gekürzt.
146 (c) Die Vereinbarung von Schadenersatzpflichten in § 4 BV ist gleichfalls kein maßgeblich in die Gewichtung einzustellendes Indiz für Selbständigkeit. Denn auch Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgebern – in den Grenzen der hierzu entwickelten Rechtsprechung (vgl. BAG GS, Beschluss v. 27.09.1994, GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, BAG, Urteil v. 25.09.1997, 8 AZR 288/96, AP Nr. 111 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers) – grundsätzlich den aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstandenen Schaden ersetzen (vgl. hierzu nur die Regelung des § 619a BGB).
147 (d) Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger nicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen ist, § 1 Abs. 6 BV.
148 Zwar haben nach der Rechtsprechung des BSG Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 19), so dass daraus grundsätzlich ein Indiz für ein Arbeitsverhältnis folgt. Da nach § 613 Satz 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste demgegenüber nur „im Zweifel“ in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen (BAG, Urteil v. 19.11.1997, 5 AZR 653/96, BAGE 87, 129). Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt aber nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl. BSG Urteil v. 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr. 4; BSG, Urteil v. 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, USK 2015-21). Der dadurch ggf. geschaffene Gestaltungsspielraum des Klägers hat vorliegend das Gesamtbild der Tätigkeit nicht geprägt (BAG, Urteil v. 19.11.1997, 5 AZR 653/96, BAGE 87, 129, Rdnr. 125). Denn das Recht Dritte einzusetzen, von dem er tatsächlich keinen Gebrauch gemacht hat, versuchte die Beigeladene zu 1) bereits in der Auswahl, die grundsätzlich dem Unternehmer obliegen würde, einzuschränken. Nach der gegenüber § 3 Abs. 9 BV spezielleren Regelung des § 1 Abs. 6 BV zum Drittpersonaleinsatz bei der Erfüllung des Beraterauftrags war der Kläger nämlich dazu gehalten, „versicherungspflichtige Arbeitnehmer zu beschäftigen“.
149 (e) Soweit die Vertragsparteien insbesondere in § 5 Abs. 1 Satz 3, 4 BV (Rechnungsstellung, Abführung von Steuern) und §§ 10, 11 Abs. 2 Satz 3 BV ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, eine selbständige Tätigkeit zu begründen, ist dies grundsätzlich kein maßgebendes Kriterium. Nur wenn der Abwägungsprozess kein Überwiegen von Gesichtspunkten für einen Status ergibt, gibt der Wille der Beteiligten den Ausschlag. Ansonsten unterliegt der sozialversicherungsrechtliche Status keiner uneingeschränkten Dispositionsfreiheit der Beteiligten (BVerfG, Beschluss v. 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Sozialversicherungsrecht ist öffentliches Recht und steht auch nicht mittelbar dadurch zur Disposition der am Geschäftsleben Beteiligten, dass diese durch die Bezeichnung ihrer vertraglichen Beziehungen über den Eintritt oder Nichteintritt sozialrechtlicher Rechtsfolgen verfügen können (Segebrecht in jurisPK, SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7 Rdnr. 93). Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG, Urteil v. 03.04.2014, B 5 RE 9/14 R, Rdnr. 47).
150 b) Die tatsächliche Vertragspraxis zeigt im Übrigen, dass der ausgelegte Vertrag im Wesentlichen vereinbarungsgemäß umgesetzt worden ist.
151 aa) Der Ort der Tätigkeit war gemäß der obigen Darstellung bereits in vertraglicher Hinsicht durch den Kläger nur eingeschränkt frei wählbar. Tatsächlich hat der Kläger – wie auch von den Zeugen Dr. T und C bestätigt worden ist – maßgeblich in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1) gearbeitet. Dafür dass er vor Ort bei der Beigeladenen zu 1) über keinen eigenen Arbeitsplatz verfügte, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Stattdessen hat der Zeuge Dr. T erklärt, er habe neben seinem Büro gesessen. Zudem fanden die Jour-fixe-Besprechungen offensichtlich in dem Büro des Klägers statt wie sich auf dem wiederkehrenden Vermerk („OFFICE-KB“, KB = Initialen des Klägers) auf der ersten Seite der jeweiligen Protokolle ergibt.
152 Dass der Kläger sich auch deshalb vorwiegend in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1) aufhielt, um den persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitern zu suchen, bedeutet nicht, dass es seiner Anwesenheit dort nicht auch bedurft hätte und dies im Rahmen der konkreten Betriebsabläufe notwendigen Einbindung des Klägers von der Beigeladenen zu 1) nicht erwartet worden ist. Die sich ihm stellenden Aufgaben machten in vielfacher Weise seine Anwesenheit vor Ort erforderlich, so z. B. um Kundenwünsche und deren Machbarkeit abzuklären oder um Aufträge zu erledigen, die in Interaktion mit anderen Mitarbeitern oder dem Vorstand der Beigeladenen zu 1) durchgeführt wurden (z.B. „Pakete in Version 3.0 sichten und anpassen; zuständige Person: TB/KB“ [Protokoll v. 05.09.2011]). Soweit der Kläger für die Beigeladene zu 1) Kunden besuchte, unterscheidet er sich diesbezüglich in seiner Freiheit nicht von einem abhängig beschäftigten Außendienstmitarbeiter. Darüber hinaus konnte auch den abhängig Beschäftigten bei der Beigeladenen zu 1) gestattet werden, im Home-Office tätig zu sein, wie sich aus der Vernehmung des Zeugen Dr. T erschließt.
153 bb) In zeitlicher Hinsicht gilt Vergleichbares. Den Erklärungen der Zeugen Dr. T und C nach gab es auch für festangestellte Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) nur rudimentäre Arbeitszeitregelungen. Die Kernarbeitszeit lag demnach zwischen 11.00 Uhr und 16.00 Uhr. Entsprechend war der Kläger regelmäßig an fünf Tagen in der Woche zwischen sechs bis acht Stunden für die Beigeladene zu 1) tätig. Im Rahmen dessen nahm er an laufenden Jour Fixe-Terminen teil. Auch sein Studium war kein Grund für eine weitgehend notwendig freie Zeiteinteilung, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum bereits exmatrikuliert.
154 cc) Soweit eingewandt wird, dass dem Kläger gegenüber – auch hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit – keine (konkreten) Weisungen ausgesprochen worden seien, ist dies vor dem Hintergrund der vorliegenden Besprechungsprotokolle bereits zweifelhaft. In den Protokollen finden sich konkrete Arbeitsaufträge, die innerhalb gesetzter Fristen abzuarbeiten waren. Indes würde auch bei Zugrundelegung dieses Vortrag nichts anderes folgen, denn der (Nicht-)Gebrauch bestehender Rechtsmacht ist unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung sonst wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht des Rechtsmachtinhabers beanstandungsfrei ausgeübt wurde (vgl. LSG NRW, Urteil V.25.03.2010, L 16 (5) KR 190/08, juris; Senat, Urteil v. 12.02.2014, L8 R 1108/12).
155 c) Der Kläger war dabei im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingegliedert, denn seine Dienste gingen in einer von ihr vorgegebenen Ordnung auf.
156 aa) Der Kläger wurde – integriert in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1) unter Nutzung ihrer Infrastruktur (Räumlichkeiten, Sachmittel, CRM-System, E-Mail-Account) – für diese zum Erreichen ihrer Ziele, maßgeblich im Bereich Vertrieb der Software P tätig. Dafür wurde er gegenüber Außenstehenden als Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) vorgestellt. Er nahm Aufgaben im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit angestellten Mitarbeitern wahr, wie sich aus den vorgelegten Protokollen ergibt. Zudem bedurfte es in vielfältiger Weise der Rückkopplung mit den technischen Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1) (z.B. Machbarkeitserwägung in Bezug auf Kundenwünsche) und den Vorständen der Beigeladenen zu 1) (z.B. generelle Weiterentwicklung des Produktes entsprechend der Marktnachfrage, Werbetextfreigaben).
157 bb) Der Kläger unterlag diversen Kontrollmechanismen der Beigeladenen zu 1). Neben den zu verfassenden Berichten boten die durch ihn vorgenommene Pflege des CRM-Systems, seine übliche Anwesenheit in ihren Räumlichkeiten, die ständige Rückkopplung seiner Tätigkeiten und der Kundenreaktionen gegenüber dem Vorstand der Beigeladenen zu 1) dieser ein genaues Bild über den Stand seiner aktuellen Aufgabenbewältigung.
158 d) Wesentliche Merkmale, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen und letztlich im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, sind demgegenüber nicht festzustellen.
159 aa) Weder verfügte der Kläger im Streitzeitraum über eine eigene Betriebsstätte, noch ist ein eigenes maßgebliches Unternehmerrisiko bei ihm zu erkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil v. 28.05.2008, a.a.O., BSG, Urteil v. 28.09.2011, a.a.O.; Senat, Urteil v. 30.04.2014, a.a.O.).
160 (1) Der Kläger erhielt ein festes Basishonorar von 800,00 Euro monatlich, womit er seine Arbeitskraft nicht maßgeblich mit der Gefahr des Verlustes einsetzte.
161 (2) Dazu bekam er ab Oktober 2011 eine erfolgsabhängige Vergütung. Provisionszahlungen kommen ebenso wie Tantiemezahlungen grundsätzlich nur Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, m.w.N., juris, Senat, Urteil v. 24.06.2015, L 8 R 1054/14, juris). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung dergleichen an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist deren Gewicht für die Abgrenzung der Beschäftigung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit nicht allein erheblich. Hinzu kommt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum die Höhe der Provisionen (insgesamt 17.100,00 Euro) gegenüber der Grundvergütung nach § 5 Abs. 1 BV (21.600,00 Euro) tatsächlich von untergeordneter Bedeutung gewesen ist. Der mangelnde Vermittlungserfolg des zu vertreibenden Produkts war schließlich auch der Grund für die Vertragsauflösung.
162 (3) Sächliche Mittel hat der Kläger nicht in ausschlaggebender Maße eingesetzt. Der Einsatz von in jedem Haushalt vorhandenen Gegenständen wie Laptop und Mobiltelefon sowie das auch bei Arbeitnehmern anzutreffende häusliche Arbeitszimmer spricht nicht für die Annahme eines unternehmerischen Risikos (BSG, Urteil v. 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R; SozR 4-2400 § 7 Nr. 25 m.w.N.).
163 (4) Mangelnde Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub sind nicht maßgeblich. Sie sind nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteil v. 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; BSG, Urteil v. 25.01.2001, B 12 KR 17/00 R, juris; Senat, Urteil v. 20.07.2011, L 8 R 534/10, jeweils juris). Hierfür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich.
164 bb) Der Umstand, dass der Kläger ein Gewerbe angemeldet hat, spricht gleichfalls nicht entscheidend für eine selbständige Tätigkeit, da dieses formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne wesentliche Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft (Senat, Urteil vom 17.12.2014, L 8 R 463/11; Senat, Urteil v. 11.05.2016, L 8 R 975/12, jeweils juris).
165 e) Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Insgesamt zeigt die Bewertung und Gewichtung der relevanten Abgrenzungsmerkmale unter Berücksichtigung der durch den Senat festgestellten tatsächlich praktizierten Rechtsbeziehung, dass diese im gesamten Streitzeitraum im Wesentlichen der einer anhängigen Beschäftigung entsprach, wogegen Aspekte, die für eine selbständige Tätigkeit stehen, nicht in einem im Rahmen der Gesamtabwägung überwiegenden Umfang vorhanden waren.
166 f) Anhaltspunkte für Versicherungsfreiheit bestehen nicht. Insbesondere ist mangels weiterer Auftraggeber des Klägers eine hauptberufliche Selbständigkeit nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht in Betracht zu ziehen.
167 g) Ein späterer Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV kommt mangels Zustimmung des Klägers und Einhaltung der Monatsfrist nicht in Betracht.
168 III. Die Kostenentscheidung beruht für das Berufungsverfahren auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1 u. 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
169 IV. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
170 V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren bestimmt sich gemäß § 197a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz.