Aufklärungspflicht des Franchisegebers bei Abschluss von Franchise-Verträgen

8 U 2207/87 Urteil verkündet am 13. Juli 1987 OLG München Vorvertragliche Aufklärungspflichten

Oberlandesgericht München
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

wegen Forderung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. November 1987 für Recht erkannt:

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 21. Januar 1987 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.670,– DM nebst Zinsen von jeweils 1 % über dem Bundesbankdiskontsatz ab 2. April 1985 zu zahlen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Wert der Beschwer der Beklagten wird auf unter 40.000,– DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt eine von ihr an die Beklagte bezahlte Franchisegebühr von 8.500,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer zurück.

Die Beklagte betreibt eine Art von Immobilienvermittlung mit Hilfe eines Computers, in den die Angebote und Kaufwünsche von Interessenten eingespeichert werden. Der Computer ermittelt dann die zusammenpassenden, sich deckenden Angebote und Nachfragen. Sie werden von der Beklagten den beiden Interessenten bekanntgegeben.

Mit Hilfe von Repräsentanten oder Franchisenehmern, die von der Beklagten für bestimmte Gebiete eingesetzt werden, werden Kunden geworben, die gegen Zahlung einer Gebühr ihre Immobilienwünsche für eine gewisse Zeit in den Computer der Beklagten einspeichern lassen.

Die Klägerin erwarb eine solche Gebietsvertretung mit einem von ihr eingerichteten sogenannten Informationszentrum für […] gegen Zahlung von 8.500,– DM an die Beklagte.

Die Klägerin wurde geworben durch die für die Beklagte handelnde Firma […], die ein Werbeschreiben vom 25. März 1985 an die Beklagte richtete. In diesem Schreiben und im „Franchisevertrag“ vom 2. April 1985 wird das System der Beklagten und die Verdienstmöglichkeiten der Franchisenehmer in besonderer Weise angepriesen. Es wird behauptet, es handle sich um ein bundesweit eingeführtes System. Diese Dienstleistung für den Verbraucher sei zu einem Begriff geworden und habe durch die Art seiner Verwendung besondere Kennzeichnungskraft erlangt (Präambel des Vertrages). Die […] arbeite zur Zeit mit ca. 200 freien HGB-Vertretern zusammen und stehe mit ca. 30 selbständigen Franchisenehmern in Verbindung (Werbeschreiben Seite 6). Wenn der Franchisenehmer täglich einen Kunden für den Speicher gewinne, könne er im Monat etwa 4.000,– DM verdienen.

Die Klägerin bezahlte die Gebühr an die Beklagte, richtete in ihrer Wohnung ein Büro ein und nahm mit Eifer die Werbetätigkeit auf. Sie konnte aber bis zum 5. Juli 1985 nur drei Speicherkunden gewinnen.

Mit Anwaltsschreiben vom 5. Juli 1985 focht daher die Klägerin den Franchisevertrag wegen arglistiger Täuschung an, weil die Angaben der Beklagten bei den Vertragsverhandlungen, im Werbeschreiben und im Werbetext nicht der Wahrheit entsprächen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 9.670,– DM nebst 1 % Zinsen über Bundesbankdiskont ab 2.4.1985 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe ihren Rat und ihre Hilfe bei der Werbung nicht in Anspruch genommen, sei ihren Schulungskursen ferngeblieben und habe die Werbung nicht richtig durchgeführt. Ihr, der Beklagten, System funktioniere. Im übrigen habe die Klägerin nicht substantiiert dargetan, welche Werbeaussagen der Beklagten nicht richtig gewesen seien.

Das Erstgericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines gerichtlichen Augenscheins.

Durch Endurteil vom 21. Januar 1987 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Verfahrenskosten der Klägerin auferlegt.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt sie
Zulassung der Revision.

Von der Darstellung des weiteren Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß, weil die Beklagte die ihr obliegende Aufklärungspflicht bei den Vertragsverhandlungen verletzt hat. Die Beklagte hätte die Klägerin über die wirkliche Situation des Betriebes und des Systems der Beklagten unterrichten müssen, weil davon die Verdienstmöglichkeiten und die Entscheidung der Klägerin zum Vertragsschluß abhingen.

Soweit die Verhandlungen mit der Klägerin für die Beklagte durch die Firma … geführt worden sind, hat diese als Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) gehandelt. Denn diese Firma war nach den tatsächlichen Gegebenheiten mit dem Willen der Beklagten als deren Hilfsperson bei der Erfüllung der der Beklagten obliegenden Aufklärungspflichten im Rahmen der Vertragsverhandlungen tätig (vgl. Palandt, BGB 47. Aufl., § 278, Anm. 3 a).

Die Klägerin behauptet, die Ausführungen der Beklagten bei den Vertragsverhandlungen könnten nicht richtig sein, weil sie, die Klägerin, ebenso wie z. B. 52 weitere Repräsentanten der Beklagten, die ausgeschieden seien, keinen Erfolg hätten erzielen können.

Bei der ganzen Sachlage oblag es der Beklagten darzulegen, warum ihre Aufgaben bei der Werbung der Klägerin als Franchisenehmerin im einzelnen richtig waren. Denn nach der Rechtsprechung des BGH muß sich bei Verletzung einer Auskunfts-, Beratungs- oder Hinweispflicht der in Anspruch genommene nach dem Grundgedanken des § 282 BGB entlasten, da nur er den Einblick in die Vorgänge hat, die zu der unrichtigen Information geführt haben (vgl. BGH NJW 78, 41, 42 = MDR 77, 735; Baumgärtel, „Handbuch der Beweislast im Privatrecht“, Bd. 1, § 276 Rdnr. 18).

Die Beklagte hätte darlegen müssen, auf welche Tatsachen sie ihre Behauptungen stützt, ihr Betrieb habe bundesweit Verkehrsgeltung erlangt. Sie hätte vortragen müssen, welche Repräsentanten in welcher Zeit wieviele Speicheraufträge eingebracht haben. Sie hätte schildern müssen, welche Werbemaßnahmen sie, die Beklagte, im einzelnen ergriffen hat. Die vorgelegten Zeitungsanzeigen reichen dafür nicht aus. Die Beklagte hätte auch im einzelnen darlegen müssen, wieviel Speicheraufträge im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in ihrem Computern tatsächlich vorhanden waren. Schließlich hätte die Beklagte erklären müssen, welche Repräsentanten die im Vertrag verlangten 50 Speicheraufträge vor Erhalt des Paßwortes für den Btx-Anschluß erbracht haben.

Die Klägerin konnte diese Tatsache nicht wissen. Es handelt sich um Vorgänge, die sich im Bereich der Beklagten abgespielt haben (vgl. BGH NJW 78, 42).

Da die Beklagte weder vorgetragen noch Beweis dafür angeboten hat, daß ihre Werbeangaben richtig waren, ist wegen der Beweislast davon auszugehen, daß sie unrichtig waren.

Die Beklagte hat ihre Auskunftspflicht zumindest fahrlässig verletzt. Sie ist daher zum Schadensersatz verpflichtet. Sie muß die Klägerin so stellen, wie diese stünde, wenn richtig aufgeklärt worden wäre. Dann hätte die Klägerin den Franchisevertrag nicht geschlossen und die Gebühr nicht bezahlt. Die Beklagte muß daher die Gebühr zurückzahlen.

Der Klage ist stattzugeben. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 546 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.

Wert der Beschwer: §§ 3, 546 Abs. 2 ZPO.

Schlagwörter
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