Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers

3/8 O 28/99 Urteil verkündet am 10. Dezember 1999 LG Frankfurt/Main Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers analog § 89 b HGB

Landgericht Frankfurt/Main
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

hat das Landgericht Frankfurt/Main 8. Kammer für Handelssachen durch […] im schriftlichen Verfahren nach dem Stand der Sache vom 19.11.1999

Tenor

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16,75 Prozent Zinsen aus DM 21.908,43 für die Zeit vom 08.04.1999 bis 02.06.1999 zu zahlen, Zug um Zug gegen Erfüllung der nachstehend ausgeurteilten Widerklageforderungen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin DM 36.876,69 nebst 5 % Zinsen seit 16.08.1999 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt,
1. der Beklagten den Jahresabschluss betreffend die Franchise Tätigkeit der Klägerin vom 01.02.1997 bis zum 31.12.1997 sowie eine Gewinn und Verlustrechnung für die Zeit vom 01.01.1998 bis 28.02.1998 vorzulegen;

2. der Beklagten Gelegenheit zu geben, alle Konten, Bücher, Aufzeichnungen und Steuerunterlagen durch eine zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtete Personen einsehen zu lassen; sowie

3. die Beklagte die in der Zeit vom 01.02.1997 bis zum 28.02.1998 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen sowie vorläufige bzw. rechtskräftige Umsatzsteuerbescheide durch eine zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtete Person einsehen zu lassen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 40 % und die Beklagte 60 % zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; die Sicherheitsleistung beträgt für die Klägerin DM 42.000,– und für die Beklagte DM 12.000,–.

Tatbestand

Die Beklagte betreibt eine Großbäckerei und vertreibt die dort hergestellte Ware unter dem Namen […] über Verkaufsstellen, die sie im Rahmen eines Franchisesystems hält. Die Klägerin war Franchisenehmerin der Beklagten und betrieb die Verkaufsstelle […] Straße in Frankfurt Höchst in der Zeit von Februar 1997 bis Februar 1998. Die Klägerin verkaufte im eigenen Namen von der Beklagten bezogene Backwaren und betrieb ein Cafe, wobei sie sämtliche benötigten Waren von der Beklagten bezog. Die Klägerin erhielt eine nach Warenart gestaffelte Provision. Wegen der weiteren Einzelheiten des Franchisevertrages wird auf Bl. 12 ff. d.A. Bezug genommen. Die Klägerin hatte der Beklagten gemäß § 11 des Vertrages eine Kaution in Form einer Bürgschaft über DM 15.000,– gestellt. Diese verlangte die Klägerin mit der Klage heraus. Außerdem verlangte die Klägerin von der Beklagten Zahlung restlicher DM 6.982,41 aus der Abrechnung für Februar 98. Sie forderte einen weiteren Betrag von DM 21.908,43 wegen eines unstrittigen Abrechnungsfehlers während der gesamten Vertragsdauer. Sodann verlangte die Klägerin DM 375,– als Erstattung der angefallenen Bürgschaftszinsen.

Im Rahmen der Vorkorrespondenz hatte die Beklagte mit Schreiben vom 10.03.1998 angekündigt, die Bürgschaftssumme erst freizugeben und die Restzahlung 2/98 erst dann vorzunehmen, wenn die Klägerin ihren Auskunftsverpflichtungen aus dem Vertrag nachgekommen sei. Nachdem die Klägerin ihre Ansprüche angemahnt hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 23.03.98 unter anderem: „was auch immer Sie aufgrund welchen Sachverhaltes dort aufarbeiten wollen, schon jetzt wollen wir anmerken, dass an Ihre Mandantin keinerlei Zahlungen geleistet werden und vermeintliche Ansprüche rechtshängig zu machen sind.“

Unter dem 19.02.99 machte die Klägerin dem Grunde nach einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB geltend. Auch diesen verfolgt sie mit der vorliegenden Klage in Höhe von DM 36.876,69. Im Rahmen einer Stufenklage begehrt die Klägerin Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie die von Dritten bezogenen Waren über die Beklagte einkaufen musste. Zur Vorbereitung ihres entsprechenden Zahlungsantrages möchte die Klägerin Auskunft darüber, zu welchem Betrag die Beklagte die Gegenstände, die sie für die Klägerin von Dritten bezogen hat, eingekauft hat. Die Klägerin vertritt hierzu die Ansicht, dass in dem Franchisevertrag eine unzulässige Preisbindung enthalten sei und dass auch die Bezugsbindung kartellrechtswidrig sei. Denn die Bezugsbindung für Drittwaren sei dem Franchise System nicht immanent. Zum Handelsvertreterausgleich behauptet die Klägerin zuletzt, dass die Beklagte den Franchisevertrag gekündigt habe. Nach der Eröffnung des Geschäftslokals im Februar 1997 habe die Klägerin einen Umsatz mit Stammkunden von 30 Prozent gemacht. Berechnet von dem letzten Jahresumsatz (DM 245.844,60) ergebe sich ein Provisionsausfall von DM 73.753,38, von dem die Klägerin die Hälfte geltend macht.

Die Klägerin hatte zuletzt folgende Anträge angekündigt:

1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Bürgschaft der Sparkasse […] vom 27.12.1996 über einen Höchstbetrag von DM 15.000,– , ausgestellt zugunsten der Beklagten, an die Klägerin herauszugeben;

2. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 375,– als Erstattung der angefallenen Avalzinsen zu bezahlen;

3. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 28.890,84 nebst
5 % Zinsen aus DM 6.982,41 seit dem 26.03.1998 und 16,75 % Zinsen aus DM 21.908,43 seit dem 08.04.1999 zu zahlen;

4. die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu geben, zu welchem Betrag die Beklagte die Gegenstände, die sie für die Klägerin von Dritten bezogenen hat, eingekauft hat;

5. die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie die von Dritten bezogenen Waren über die Beklagte einkaufen musste;

6. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 36.876,69 nebst
5 % Zinsen seit dem 16.08.1999 zu zahlen.

Nachdem die Beklagte die Bürgschaft am 06.05.1999 zurückgegeben, im Juni 1999 DM 28.890,84 und im Juli DM 375, an die Klägerin gezahlt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der Anträge zu 1) und 2) in vollem Umfange und bezüglich des Antrages zu 3) hinsichtlich der Hauptforderung übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nun noch, gemäß dem Zinsantrag zu 3) und den Anträgen zu 4) bis 6) zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie beruft bzw. berief sich gegenüber den Klageanträgen zu 1) bis 5) auf ein Zurückbehaltungsrecht, da die Klägerin während des Bestehens des Franchisevertrages die nach dessen § 7 IV bis VI geschuldeten Informationen (unstreitig) nicht erteilt habe. Ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB stehe der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil diese Vorschrift auf Franchiseverträge nicht analog anwendbar sei. Sodann bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, gegenüber der Klägerin gekündigt zu haben. Sollte sie jedoch eine Kündigung ausgesprochen haben, dann aus wichtigem Grund, weil die Klägerin ihre Informationspflicht nicht erfüllt habe.
Wegen dieser Nichterfüllung erhebt die Beklagte gegen die Klägerin Widerklage und beantragt, wie erkannt.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Informationsbedürfnis mehr habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet. Der Klägerin steht zunächst ein Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 89 b HGB in der geltend gemachten Höhe zu. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall eines Franchisevertrages gegeben und zwar aus den gleichen Gründen wie bei den Verhältnissen der Kfz Eigenhändler. Dort ist Voraussetzung für die analoge Anwendung des § 89 b HGB, dass der Eigenhändler in die Absatzorganisation des Lieferanten eingegliedert ist und bei Vertragsende seinen Kundenstamm übergeben muss (vgl. BGH ZIP 87, 1383, 1385). Im vorliegenden Fall besteht eine ungewöhnlich starke Einbindung des Franchisenehmers. Sie beginnt bei einer Alleinbezugsverpflichtung des Franchisenehmers, setzt sich fort in der vorgegebenen „corporate identity“, den gemäß § 4 des Franchisevertrages bis ins einzelne gehenden Vorgaben über die Betriebsführung und endet schließlich in der Verpflichtung des Franchisenehmers, täglich seine Kasseneinnahmen bei dem Franchisegeber abzuliefern, um im Rahmen der monatlichen Abrechnung seine Provision ausgezahlt zu bekommen. Allerdings enthält der Franchisevertrag keine Verpflichtung der Klägerin, bei Vertragsende ihren Kundenstamm auf die Beklagte zu übertragen. Darauf kommt es aber auch nicht an. Entscheidend ist, ob der Lieferant sich die Vorteile des Kundenstammes sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (BGH ZIP 87, 1383, 1385) Bei dem Betrieb einer Bäckereiverkaufsstelle gibt es aufgrund der herrschenden Anonymität keine Kundenlisten, die ausgehändigt werden könnten. Die Kunden kommen, weil und solange die Verkaufsstelle geöffnet ist. Weil die von der Klägerin betriebene Verkaufsstelle nach Vertragsende sofort anderweitig besetzt wurde, konnte die Beklagte mit dem bisherigen von der Klägerin geworbenen Kundenstamm weiterhin Geschäfte machen – sei es auch nur mittelbar über einen neuen Franchisenehmer. Dies reicht für eine analoge Anwendung des § 89 b HGB bei Franchisenehmern aus (vgl. Küstner/Thume Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3, Randnr. 1820). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Provisionszahlung an einen Nachfolger keinen Einfluss auf den Ausgleichsanspruch des Vorgängers hat (vgl. Küstner/ v. Manteuffel, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2, Randnr. 973).

Geworben hat die Klägerin neue Kunden schon dadurch, dass sie ihre Verkaufsstelle betrieb und offen hielt; insoweit reicht für das Zustandekommen der Geschäftsbeziehungen Mitursächlichkeit aus (BGH a.a.O.).

Nach dem letzten Vortrag der Klägerin ist davon auszugehen, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch Kündigung der Beklagten beendet wurde. Die Klägerin hat zu den Einzelheiten der Kündigung substantiiert vorgetragen, die Beklagte hat dies mit Nichtwissen bestritten. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen über eine eigene Handlung oder Erklärung jedoch unzulässig, so dass die von der Klägerin behauptete Kündigung als unstreitig anzusehen ist. Sollte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen haben, wäre diese unwirksam, weil kein wichtiger Grund vorliegt. Jedenfalls stellt die Nichterfüllung der mit der Widerklage verfolgten Auskunftsansprüche keine derart schwerwiegende Vertragsverletzung dar, als dass deswegen ohne Abmahnung fristlos gekündigt werden könnte.

Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist von der Provision des letzten Vertragsjahres aus Neukundengeschäften auszugehen, die auf das handelsvertreterübliche Maß zurückgeführt werden muss, da der (höhere) Rabatt etwa eines Eigenhändlers auch für einen Handelsvertreter atypische Risiken mitvergütet BGH NJW 98, 67 ff.).

Da die Klägerin die Verkaufsstelle erstmals eröffnet hat, ist sie für die Werbung sämtlicher Kunden mitursächlich geworden. Einen künftigen Vorteil zieht die Beklagte andererseits aber nur aus Neukunden, die Stammkunden wurden. Nachvollziehbare Angaben zum Stammkundenanteil machen die Parteien nicht Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, die der Kammer bekannt sind, spricht jedoch alles dafür, dass der Stammkundenanteil von der Klägerin mit 30 Prozent deutlich zu niedrig gegriffen wurde, weshalb er für das Begehren der Klägerin allerdings zugrunde gelegt werden kann. Die Verkaufsstelle befindet sich in einer Fußgängerzone im Stadtteil […] mit dichter städtischer Bebauung und zahlreichen Wohnungen und Geschäften im Umfeld. Bedenkt man, dass Produkte einer Bäckerei möglichst auf kurzen Wegen besorgt werden, dürfte ein ganz erheblicher Umsatz auf Anwohner oder Beschäftigte in der näheren Umgebung entfallen, bei denen es zu einer Fluktuation nur durch Wohnungs bzw. Arbeitsplatzwechsel kommt, in der Regel also nur selten. Das gleiche gilt für die Cafebesucher. Zu berücksichtigen ist allerdings eine Abwanderungsquote. Der Rechtsprechung geht beim Handelsvertreter von Abwanderungsquoten in Höhe von 10 % bis 25 % aus (vgl. Martinek, Handbuch des Vertriebsrechts § 11, Randnr. 18). Der BGH hat bei einem Tankstellenbetrieb einer Abwanderungsquote von 20 % gebilligt (vgl. NJW 98, 66). Die Kammer hält diesen Wert auf den vorliegenden Fall für übertragbar und geht zugunsten der Beklagten von 25 % aus. Da die Handelsspanne des Franchisenehmers auch Tätigkeiten vergütet, die für einen Handelsvertreter nicht typisch sind, der Ausgleich aber nur die werbende Tätigkeit belohnen soll, müssen aus der Handelsspanne Vergütungsanteile für verwaltende Tätigkeiten herausgerechnet werden. Da Warenpräsentation bzw. Lagerhaltung bei einem Bäckereibetrieb zur Kundengewinnung unabdingbar sind, bleibt als verwaltende Tätigkeiten lediglich das Inkasso, das die Kammer mit 10 % bewertet (so auch der BGH in dem Tankstellenfall NJW 98, 69). Einen höheren Verwaltungskostenanteil hat die insoweit darlegungs und beweispflichtige Beklagte nicht vorgetragen zur Beweislast: BGH NJW 96, 2298). Schließlich ist unter dem Aspekt der Billigkeit (§ 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB) der Umstand zu berücksichtigen, dass der Erfolg der Klägerin nicht nur auf deren Tätigkeit sondern auch auf der Verwendung der er im Rhein Main Gebiet bekannten Bezeichnung „[…]“ beruht sogenannte Sogwirkung der Marke. Die Kammer hält deswegen einen pauschalen Abzug von 25 % für angemessen (vgl. dazu BGH ZIP 87, 1383, 1386).

Ein Abzug für ersparte Kosten kam dagegen nicht in Betracht. Grundsätzlich können ersparte Kosten des Handelsvertreters unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit berücksichtigt werden, allerdings nur dann, wenn sie besonders hoch sind (BGH NJW 64, 915). Dabei kommt es auf die Betrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der betroffenen Branche an (vgl. Küstner/v. Manteuffel, Handbuch des gesamten Außendienst rechts, Band 2, Rdnr. 945), wozu die Beklagte jedoch nichts vorgetragen hat. Die Nettoprovision des letzten Vertragsjahres betrug DM 245.844,60. Dieser Betrag, den die Beklagte nur unsubstantiiert bestritten hat, ist der folgenden Abrechnung zugrunde zu legen:

Provisionen des letzten Vertragsjahres DM 245.844,60
30 % Stammkundenanteil DM 73.753,80
abzüglich 25 % Abwanderung (DM 18.438,45) DM 55.315,35
abzüglich 10 % Verwaltungskostenanteil
(DM 5.531,53) DM 49.783,82
abzüglich 25 % Sogwirkung (DM 12.445,95) DM 37.337,86

Eine Abzinsung hat nicht zu erfolgen, weil die Klägerin den Ausgleich erst nach Ablauf des Prognosezeitraumes begehrt. Berücksichtigt man weiterhin, dass die Klägerin von Nettoprovisionen ausgeht, während richtigerweise Bruttoprovisionen dem Ausgleichsanspruch zugrunde zu legen sind (vgl. BGH ZIP 87, 1383, 1387), und dass die Klägerin den Prognosezeitraum mit nur einem Jahr anstelle üblicher zwei bis drei Jahre (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 89b, Rdnr.16) bemisst, erscheint im Wege der Schätzung der eingeklagte Betrag von DM 36.876,69 als billiger und angemessener Ausgleich. 5 % Zinsen auf diesen Betrag schuldet die Beklagte gemäß §§ 291 BGB, 352 HGB. Die Beklagte schuldet der Klägerin ferner 16,75 % Zinsen aus DM 21.908,43. Denn die Beklagte befand sich mit der Zahlung dieses Betrages spätestens seit Klage Erhebung (08.04.1999) in Verzug. Die Klägerin hat auch durch Vorlage einer Bankbescheinigung belegt, dass sie einen Kredit über mehr als DM 22.000,– in Anspruch nimmt und zu 16,75 Prozent verzinsen muss. Der Verzug endete allerdings, als die Beklagte mit Schriftsatz vom 02.06.1999 wegen der mit der Widerklage verfolgten Ansprüche ein Zurückbehaltungsrecht geltend machte und ihre Leistung Zug um Zug anbot (vgl. dazu BGH NJW 71, 421). Deshalb konnten nur Zinsen bis zum 02.06.1999 zugesprochen werden. Im Hinblick auf das ausgeübte Zurückbehaltungsrecht kam gemäß § 274 BGB eine Verurteilung der Beklagten nur Zug um Zug in Betracht, während die weitergehende Klage abzuweisen war. Keinen Erfolg hat die Klage auch hinsichtlich des weitergehenden Zinsantrages zu 3), der die Franchise Abrechnung für den Monat Februar 1998 (DM 6.982,41) betraf. Denn mit der Zahlung dieses Betrages befand sich die Beklagte nicht in Verzug. Sie hatte sich nämlich bereits im Schreiben vom 10.03.1998, mithin vor dem Verzug auslösenden Mahnschreiben der Klägerin vom 18.03.1998, auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen und damit den Verzugseintritt verhindert.

Keinen Erfolg hat die Klage auch hinsichtlich des Antrages zu 5). Denn die Beklagte hat sich nicht dadurch schadensersatzpflichtig gemacht, dass sie mit der im Franchisevertrag enthaltenen Bezugsbindung auch für solche Waren, die sie nicht selbst herstellt, eine unwirksame Klausel aufgenommen hat, an die sich die Klägerin zu Unrecht gehalten hätte. Die Ausschließlichkeitsbindung steht hier im Zusammenhang mit einem Austauschvertrag und ist deshalb grundsätzlich wirksam und nur der Missbrauchsaufsicht der Kartellbehörden unterstellt (§ 18 GWB a.F.). Nach der neueren Rechtsprechung des BGH können aber auch Austauschverträge unter § 1 GWB fallen, wenn für eine darin enthaltene Wettbewerbsbeschränkung bei wertender Betrachtungsweise im Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbs kein anzuerkennendes Interesse besteht (so z.B. BGH WuW/E 3137). Im vorliegenden Fall besteht die Gefahr, dass der Franchisevertrag in den Anwendungsbereich des § 1 GWB gerät, weil sich die wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen nicht auf eine vertikale Ebene beschränken. Die Beklagte stellt nämlich nicht nur Backwaren her, um sie über ein Franchisesystem zu vertreiben, sondern unterhält auch eigene Vertriebsfilialen mit denen sie der Klägerin auf horizontaler Ebene im Wettbewerb begegnet. Gleichwohl ist ein konkretes Wettbewerbsverhältnis insoweit zu verneinen, da die Parteien auf räumlich unterschiedlichen Märkten tätig sind, ohne die Bezugsbindung für Drittwaren könnte die Klägerin diese wohl preisgünstiger einkaufen und im Ergebnis billiger verkaufen. Ein Wettbewerbsnachteil entstünde der Beklagten dadurch jedoch nicht, weil die Filialen der Beklagten als Kaufalternative, gegenüber der Verkaufsstelle der Klägerin nicht ernsthaft in Betracht kommen. Dies ergibt sich schon aus der räumlichen Verteilung innerhalb der Stadt Frankfurt. Ein Blick ins Telefonbuch […] zeigt, dass in den entfernteren westlichen Stadtteilen nur die von der Klägerin ehemals betriebene Verkaufsstelle existiert. Die übrigen Verkaufsstellen (unterstellt, es handelt sich überhaupt um Filialen und nicht um Franchisenehmer) konzentrieren sich im wesentlichen auf die Innenstadt. Kein Kunde, der ein belegtes Brötchen essen oder einen Kaffee trinken will, wird aber von der Innenstadt nach Höchst fahren, wenn er diese Produkte dort einige Pfennige billiger erhält. Wegen der alternativen Abdeckung des Stadtgebiets mit Filialen oder Franchisenehmern kann auch von einem potentiellen Wettbewerbsverhältnis mit ausreichender Bedrohlichkeit nicht gesprochen werden (vgl. Martinek, Handbuch des Vertriebsrecht, § 20, Randnr. 12).

Der Umstand, dass andere Klauseln des Franchisevertrages (insbesondere die Preisbindung) kartellrechtswidrig und damit unwirksam sein mögen, hat auf die Wirksamkeit der Bezugsbindung keinen Einfluss. Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages tritt dadurch nicht ein. Denn die Parteien haben in § 12 II des Franchisevertrages eine salvatorische Klausel vorgesehen, mit der in zulässiger Weise § 139 BGB abbedungen wurde (vgl. BGH WRP 94, 546, 549).

Keinen Erfolg hat auch der Klageantrag zu 4) und zwar unabhängig davon, dass er durch diesen Antrag vorzubereitende Schadensersatzantrag zu 5) bereits abgewiesen wurde. Denn die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Interesse an der begehrten Auskunft, da sie mit dadurch gewonnenen Informationen keinen eigenen Schadensersatzanspruch begründen kann. Es ist nämlich überhaupt nicht abzusehen und eher unwahrscheinlich, dass die Klägerin die gleichen Konditionen wie die Beklagte eingeräumt bekommen hätte, wenn sie unmittelbar bei den Lieferanten der Beklagten eingekauft hätte. Für die Darstellung eines Schadens kommt es vielmehr konkret auf die Preise an, die gerade die Klägerin anderweitig erzielt hätte. Dazu ist die Klägerin aber nicht auf Informationen der Beklagten angewiesen, sondern kann selbst Marktforschung betreiben.

Die Widerklage ist begründet. Die geltend gemachten Informationsansprüche finden ihre Grundlage in § 7 IV bis VI des Franchisevertrages. Auch nach Beendigung des Vertrages ist ein Interesse der Beklagten daran nicht zu verkennen über Ertragsstrukturen einer ihrer Franchisebetriebe informiert zu werden. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die Finanzverwaltung auf Grund der besonderen Ausgestaltung des Franchisevertrages die Beklagte steuerrechtlich als Unternehmerin der Verkaufsstelle ansieht und sich wegen möglicher Steuerausfälle an sie wendet. Auch dieser Umstand begründet ein ausreichendes Informationsinteresse der Beklagten.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren unter Berücksichtigung des bisherigen Sach und Streitstandes die Kosten zu 1/5 der Klägerin und zu 4/5 der Beklagten aufzuerlegen. Denn ohne Erledigungserklärung wäre die Beklagte zwar verurteilt worden, im Hinblick auf das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht aber nur Zug um Zug. Dabei ist anzumerken, dass die Beklagter auch gegenüber dem Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde ihr Zurückbehaltungsrecht erheben durfte, weil der Sicherungszweck der Bürgschaft sich nicht etwa auf Ansprüche wegen Beschädigung der Geschäftsräume beschränkte. Vielmehr ergibt der Wortlaut von § 11 des Franchisevertrages, dass die Kaution zur Absicherung aller Ansprüche aus dem Franchisevertrag dienen soll.

Im übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Der Schriftsatz vom 07.12.1999 gab aus den bei Baumbach/Lauterbach, § 156 ZPO, Rdnr. 8, genannten Gründen keine Veranlassung, die Verhandlung wieder zu eröffnen.

Schlagwörter
wichtiger Grund (12) Kundenstamm (2) Franchisenehmer (5) faktische Kontinuität (1) Auskunftsanspruch (14) Ausgleichsanspruch (86) Analogievoraussetzung 2 (1) Abmahnung (10)