Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters; steueroptimierte Kapitalanlagen; konkret nutzbares Stammkundenpotential; Mehrfachkundeneigenschaft beim Vertrieb von Kapitalanlageprodukten

I-16 U 217/06 Urteil verkündet am 19. September 2008 OLG Düsseldorf Ausgleichsanspruch

Oberlandesgericht Düsseldorf
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2008 durch […]

Tenor

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.09.2006 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 88.435,90 nebst 5 % Zinsen für die Zeit 13.03.2002 bis zum 18.08.2003 sowie 8 % Zinsen ab dem 19.08.2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 76 % und die Beklagte zu 24 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Partei bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 140 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbarem Betrags abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs.

Die Beklagte, die bis Anfang 2005 unter Investor- und Treuhand-Beratungsgesellschaft firmierte und in Düsseldorf geschäftsansässig war (Bl. 215, 222 ff. GA), befasste sich bis dahin mit der Vermittlung von steueroptimierten Kapitalanlagen, ohne dabei gegenüber den Initiatoren der Kapitalanlageprodukte eine Vertriebsverpflichtung zu übernehmen (Bl. 75 f., 234 GA). Bereits im Jahr 1995 wurde die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin für die Beklagte tätig. Später setzte der Geschäftsführer der Klägerin diese Tätigkeit fort, bis mit Vertrag vom 22.02.1999 (Anlage K1, Bl. 25 ff. GA) die Parteien vereinbarten, dass fortan die Klägerin der Beklagten als ihre „Repräsentantin“ im Rahmen ihrer Möglichkeiten (§ 5 des Vertrags) und ausschließlich (§ 11 des Vertrags) Verträge über den Erwerb von Beteiligungen, von Immobilien und ähnlichen Geschäften (§ 2 des Vertrags) vermittelt. Für die Vermittlung dieser Geschäfte vereinbarten die Parteien am selben Tage eine Provisionsstaffel (Bl. 33 GA). Die Klägerin vermittelte der Beklagten folgende Kapitalanlagengeschäfte:

– Eigentumswohnungen in den Bauträgerobjekten […], […] und […] in Berlin;

– Gesellschafterbeteiligungen an den geschlossenen Immobilienfonds […], […], […] und […] und […]

– Kommanditanteile an den Medienfonds […] I – IV.

Die von den Parteien vertriebenen Beteiligungen an den […]-Fonds I-IV waren ein Steuerstundungsmodell, das es dem Erwerber einer Beteiligung nach der anfänglichen Verwaltungspraxis der Finanzverwaltung ermöglichte, die gesamten Investitionskosten, die zu 80 % auf das erworbene Eigenkapital und zu 20 % auf die Erwerbsnebenkosten für Vermittlung, Treuhänder, Steuerberatung, Konzeption, Werbung und Prospekt entfielen, im Jahr der Anschaffung als Betriebsausgaben anzusetzen und damit einen mit anderen Einkunftsarten verrechenbaren steuerlichen Verlust zu erzielen (Bl. 403 f. GA). Die sofortige Absetzbarkeit der Beteiligung selbst setzte allerdings voraus, dass der Filmfonds als Hersteller des Films angesehen wurde. Mit Schreiben vom 23.02.2001 (Anlage BB4, Bl. 408 ff. GA) legte das Bundesministerium für Finanzen für die Verwaltungspraxis unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mit. Wirkung ab 2 Monaten nach Bekanntmachung fest, dass ein Filmfonds nur dann als Hersteller des Films anzuerkennen ist, wenn u. a. ihm alle Rechte an dem Film zustehen und alle wesentlichen Maßnahmen zu der Herstellung des Films seiner Entscheidung unterliegen. Auf diese Bedingungen wies der Verkaufsprospekt der […]-Fonds schon ab dem Jahr 2001 ausdrücklich hin (Anlage BB7, Bl. 421 GA sowie Bl. 404 GA). Mit Schreiben vom 24.10.2001 (Anlage BB5, Bl. 415 GA) verschärfte das Bundesministerium für Finanzen die Verwaltungspraxis noch insoweit, als ab dem 01.01.2003 die Erwerbsnebenkosten wie die Eigenkapitalvermittlungsprovision und die Treuhändervergütung nicht mehr als im Jahr der Anschaffung absetzbare Betriebsausgaben, sondern nur noch als über 50 Jahre hinweg abschreibbare – Anschaffungskosten behandelt werden sollten. Der Verkaufsprospekt der […] Fonds setzte jedoch ausdrücklich die Abzugsfähigkeit der Erwerbsnebenkosten voraus (Anlage BB7, Bl. 432 GA). Um sicherzustellen, dass in diesem Umfang jedem Beteiligungserwerber der Verlustabzug auch tatsächlich zustand, wurde dem letzt genanntem BMF-Schreiben dadurch Rechnung getragen, dass gemäß § 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der Erwerb einer neuen Beteiligung nur bis zum 31.12.2002 erfolgen durfte (vgl. Anlage BB 6, Bl. 405 und 416. GA), Da jedoch später der Bundesminister für Finanzen mit Schreiben vom 29.11.2002 (BStBl. I S. 1388) die Übergangsfrist bis zum 31.12.2003 verlängerte, wurde § 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags mit Beschluss im Umlaufverfahren am 01.12.2002 angepasst und die Schließung des Fonds zum 31.12.2003 statuiert (Bl. 405 und 416 GA).

Bei der Werbung der Kunden unterstützte die Beklagte die Klägerin unter anderem dadurch, dass sie gemeinsam sogenannte „Zeitgespräche“ durchführten, bei denen der damalige Geschäftsführer der Beklagten und Präsident des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft M. O. sowie andere prominente Redner vor potentiellen Kunden referierten (Bl. 14 GA). Anfang 2002 kam es zwischen den Parteien zum Streit darüber, ob die Klägerin ihre Exklusivitätsverpflichtung gemäß § 11 des Vertrags vom 22.02.1999 eingehalten hatte (Bl. 81 GA). Die Beklagte machte deshalb u. a. die Auszahlung einer Treueprämie für die Jahre von 1996 – 1999 von DM 60.000,–, welche die Parteien am 19.03.2000 für den 10.03.2002 vereinbart hatten (Bl. 4 – 7 der Beiakte des Landgerichts Düsseldorf 37 O 50/02) davon abhängig, dass der von ihr beauftragte Steuerberater K. anhand der Geschäftsbücher der Klägerin die Einhaltung der Exklusivitätsverpflichtung überprüfen durfte und ihr bestätigte (Bl. 81-83 GA). Mit selber Begründung verweigerte die Beklagte der Klägerin auch die Zahlung einer aufgrund der vorgenannten Vereinbarung vom 19.03.2000 außerdem geschuldete Provision für ein Geschäft mit dem Kunden H. bezüglich einer Eigentumswohnung in der F.-Straße in Berlin aus dem Jahre 1999 in Höhe von DM 12.952,93 (Bl. 4-6 sowie Bl. 249 ff. der Beiakte des Landgerichts Düsseldorf (37 O 54/02)). Hiermit erklärte sich die Klägerin nicht einverstanden. Mit Schreiben vom 06.03.2002 forderte sie die Beklagte letztmalig mit einer Frist bis zum 11.03.2002 auf, alle offenen Provisionen zu zahlen (Anlage K 7, Bl. 41 GA). Mit Schreiben vom 12.03.2002 kündigte sie dann den Vertrag fristlos. Mit Schreiben vom 17.02.2003 (Anlage K 14, Bl. 63 GA) forderte sie ferner die Beklagte auf, einen Handelsvertreterausgleichsanspruch von überschlägig € 300.000,– dem Grunde nach anzuerkennen. Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 19.02.2003, sie werde den Anspruch prüfen (Bl. 23 GA). Mit Schreiben vom 17.05.2005 zeigte die Beklagte ihren Kunden an, dass sie zukünftig durch die […] Holding AG betreut würden, welche der Sohn des (ehemaligen) Geschäftsführers M. O. der Beklagten gegründet habe (Anlage KB2, Bl. 374 GA).

Das Landgericht Düsseldorf hat die Beklagte in dem Verfahren 37 O 50/02 mit rechtskräftigem Urteil vom 22.10.2004 zur Zahlung der vorgenannten Treueprämie nebst Verzugszinsen seit dem 11.03.2002 verurteilt. Die Zurückbehaltung der Treueprämie sei unberechtigt gewesen (s. Bl. 267 ff. der Beiakte). Das Landgericht Düsseldorf hat ferner die Beklagte in dem Verfahren 37 O 54/02 zur Zahlung der Provision für das Geschäft mit dem Kunden H. in Höhe von € 6.622,73 nebst zinsen seit Rechtshängigkeit (s. Bl. 249 ff. der Beiakte) verurteilt.

Die Klägerin warb bis März 2002 insgesamt 38 neue Kunden, die bis dahin mehrmals unter Vermittlung der Beklagten Kapitalanlagen der vorgenannten Art zeichneten. (Bl. 57 ff. sowie hinsichtlich des Kunden R. Bl. 310 GA). Ferner erwarben die Kunden Th., R.-K., Ku., K., H., F. und Kr., die der Geschäftsführer der Klägerin bzw. dessen Ehefrau bereits in den Jahren 1997 und 1998 geworben hatten, mehrmals von der Beklagten vermittelte Kapitalanlagen (Anlage K 10). Die Abwanderungsquote der Mehrfachkäufer beträgt 10 % p.a. (Bl. 20 GA). In der Zeit vom 12.03.2001 bis zum 11.03.2002 stellte die Klägerin der Beklagten wegen des Umsatzes mit 30 dieser Kunden Provisionen in Höhe von insgesamt € 213.550,– in Rechnung (Anlage K 11, Bl. 60 GA). Ferner stellte die Klägerin der Beklagten in der Zeit von März 2001 bis Februar 2002 wegen des Umsatzes mit 17 Erstkäufern Provisionen in Höhe von insgesamt € 101.517,00 in Rechnung (Anlage K 13, Bl. 62 GA). Die Klägerin erzielte in den Jahren 1999 bis 2001 einen durchschnittlichen Jahresprovisionsumsatz von € 364.499,95 (Bl. 22 GA).

Die Klägerin begehrt einen Ausgleich in Höhe des durchschnittlichen Jahresprovisionsumsatzes von € 364.499,95. Sie hat gemeint, der Rohausgleich betrage € 880.595,26, abgezinst € 796.925,49 (Bl. 20 f. GA). Für die Berechnung des Rohausgleiches müsse zum Umsatz mit den Mehrfachkunden im letzten Vertragsjahr noch der Umsatz mit den Erstkäufern in Höhe von mindestens 25 % hinzuaddiert werden (Bl. 19 GA). Sie hat dazu behauptet, dass sie bzw. ihre Rechtsvorgänger in der Zeit von 1995 an 172 neue Kunden (Bl. 16 GA) und in der Zeit von 1997 bis 2001 129 neue Kunden (Addition der Anlagen K 12 und K 13) geworben hätten, von denen mindestens 40 % innerhalb der nächsten beiden Jahren nochmals eine Kapitalanlage erworben hätten (Anlage K 12, Bl. 18, 61 GA). Sie hat die Auffassung vertreten, „bis zur Rechtshängigkeit“ schulde die Beklagte eine Verzinsung in Höhe von 5 % nach denn HGB (Bl. 24 GA).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 364.499,95 zuzüglich 5 % Zinsen seit dem 13.03.2002 sowie ab Rechtshängigkeit weitere Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, der geltend gemachte Ausgleichsanspruch sei von vornherein ausgeschlossen. Der Vertrag vom 22.09.1999 sei nicht gemäß § 84 Abs. 3 HGB als Handelsvertretervertrag zu qualifizieren, da sie selbst nicht Handelsvertreterin, sondern Handelsmaklerin sei (Bl. 74, 170, 234 GA). Die Kündigung der Klägerin vom 12.03.2002 sei unberechtigt gewesen (Bl. 76 ff. GA). Unabhängig von diesen Einwendungen hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass einzelne Voraussetzungen des Ausgleichsanspruche nicht gegeben seien. Die Verhältnisse vor dem 01.02.1999 dürften gemäß § 17 des Vertrags vom 22.02.1999 nicht berücksichtigt werden (Bl. 88 GA). Sie meint, sie habe nach Beendigung des Vertrages keine „erheblichen Vorteile“ i. S. d. § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB gezogen. Sie behauptet hierzu, nach Vertragserde bei keinem der von der Klägerin vermittelten Kunden eine Kapitalanlage plaziert zu haben (Bl. 238 GA). Wegen der Konkurrenztätigkeit der Klägerin und deren persönlichen Kontakts zu diesen Kunden sei der Kundenstamm für sie nicht nutzbar (Bl. 236 GA). Zudem sei der Markt für Medien- und Immobilienfonds wegen der verschärften Praxis der Finanzverwaltung zum Erliegen gekommen (Bl. 216 f., 239 f. GA). Aus diesem Grunde habe sie auch seit dem Jahr 2005 den Vertrieb von Geschäftsanteilen aufgegeben (Bl. 215 GA). Die weitere Vermittlung der Immobilienfonds „W. I“, „W. II“ und „R.“ sei zudem aufgrund von Schadensersatzprozessen wegen Prospektfehlern unmöglich geworden, (Bl. 219 GA). Die mehrmalige Vermittlung einer Eigentumswohnung scheide aus, da die Erwerber diese über langlaufende Kredite finanzieren müssten (Bl. 88, 218 GA). Die Klägerin habe in der Zeit vom 01.01.1999 bis zum 12.03.2002 168 neue Kunden geworben (Bl. 86 GA).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, der Beklagten seien nach Beendigung des Vertrags keine erheblichen Vorteile verblieben und die Klägerin habe wegen ihrer Konkurrenztätigkeit auch keine Provisionsverluste erlitten (Bl. 254 GA). Da die Beklagte behaupte, keinen einzigen Kunden nach Beendigung des Vertrages behalten zu haben, hätte die Klägerin konkret darlegen müssen, dass sie der Beklagten ein konkret nutzbares Stammkundenpotenzial vermittelt habe (Bl. 256 GA). Hierzu wäre es erforderlich gewesen; dass die Klägerin konkret darlegt, mit welchen Stammkunden sie nach Vertragsbeendigung keine Geschäfte mehr getätigt habe (Bl. 256 GA). Für die fehlende Nutzbarkeit des Stammkundenpotentials durch die Beklagte spreche auch, dass die Geschäftsanteile an der Beklagten am 14.01.2005 veräußert worden seien, der Markt für Medienfonds durch das Schreiben des Bundesministers für Finanzen vom 05.08.2003 zum Erliegen gekommen sei und bei dem Erwerb von Eigentumswohnungen wegen der über 10 Jahre laufenden Finanzierung kein „Stammkunde“ geworben werden könne (Bl. 257 ff. GA).

Gegen diese rechtliche Würdigung wendet sich die Berufung der Beklagten, die ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Sie meint, für die Nutzbarkeit des Kundenstammes müsse eine Prognoseentscheidung im Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages getroffen werden. Es sei daher unerheblich, ob die Beklagte tatsächlich ihre Chancen genutzt habe. Wie das Schreiben der Beklagten vom 20.03.2002 zeige (Anlage K8, Bl. 45 GA), sei die Beklagte unmittelbar nach Vertragsbeendigung sehr wohl davon ausgegangen, dass ihr ein nutzbarer Kundenstamm zur Verfügung stünde. Sie selbst habe danach nur bei 21 der vermittelten Stammkunden auf eigene Rechnung Kapitalanlagen plazieren können (Anlage KB6a, Bl. 502 GA). Alle weiteren vom Landgericht angeführten Einwendungen seien nicht vorhersehbar gewesen.

Die Beklagte, welche die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Klägerin verstehe ihre Schreiben vom 20.03.2002 miss. Mit „Kundenstamm“ habe sie nicht die von der Klägerin vermittelten Kunden, sondern ihre eigene Interessentenkartei gemeint (Bl. 342 GA). Zudem habe die Klägerin nach Vertragsbeendigung nicht nur bei Mehrfachkunden auf eigene Rechnung Kapitalanlagen plaziert. Außerdem habe sie nach Vertragsbeendigung für 18 der Mehrfachkunden auf den Gesellschafterversammlungen der […]-Fonds die Gesellschafterrechte wahrgenommen (Anlagen BB 8-BB 13, Bl. 473 GA). Schon im Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages sei voraussehbar gewesen, dass der Markt für Medien- und Immobilienfonds zum Erliegen komme, wie durch die BMF-Schreiben vom 23.02.2001 und vom 24.10.2001 sowie den Verkaufsprospekt und § 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der […]-Fonds (Bl. 344, 403 ff. GA) belegt werde.

Der Senat hat mit Beschlüssen vom 31.10.2007, vom 18.08.2008 sowie in der mündlichen Verhandlung Hinweise zur Sach- und Rechtslage erteilt (Bl. 379, 492 f. und 518 GA).

Im Übrigen wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg, da die Klage zulässig und teilweise begründet ist.

Die Klägerin hat als Handelsvertretern gegen die Beklagte gemäß § 89 b Abs. 1 und 2 HGB wegen des am 12.03.2002 beendeten Vertrags vom 22.02.1999 einen Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichs in Höhe von € 88.435,90.

1. § 89 b HGB ist anwendbar, da die Klägerin entsprechend § 84 Abs. 1 und 3 HGB als Handelsvertreterin für die Beklagte aufgrund des Vertrags vom 22.02.1999 tätig gewesen ist. Handelsvertreter ist, wer für einen Unternehmer selbstständig und fortdauernd damit betraut ist, Geschäfte zu vermitteln. Der Gegenstand des Geschäfts können auch Kapitalanlagen sein (unausgesprochen vorausgesetzt in BGH, Beschluss vom 12.01.2006, III ZR 407/04; Ebenroth/Boujong/Joosf/Strohn-Löwisch, 2. Auflage, § 84, Rz. 93). Wie sich aus §§ 2, 4 und 5 des Vertrags vom 22.02.1999 ergibt, war die Klägerin fortdauernd und selbständig damit betraut, der Beklagten Kapitalanlagegeschäfte zu vermitteln. Ferner ist entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten es in einem mehrstufigen Vertrieb nicht erforderlich, dass der zwischengeschaltete Vertriebsmittler, wie bei § 84 Abs. 3 HGB vorgesehen, selbst Handelsvertreter ist. Vielmehr sind davon abweichende Regelungen möglich (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, HGB, 2. Aufläge, § 84, Rz. 54 und Baumbach-Hopt, HGB, 33. Auflage, § 84, Rz. 32). Es ist daher unschädlich, dass die Beklagte als freie Handelsmaklerin im Sinne des § 93 HGB und nicht als Handelsvertreterin die Kapitalanlageprodukte weitervermittelte.

2. Das Handelsvertreterverhältnis der Parteien ist gemäß § 89 b Abs. 1 Satz, 1 HGB am 12.03.2002 beendet worden, da die Klägerin gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB mit Schreiben vom 12.03.2002 wirksam fristlos gekündigt hat. Ein Grund zur fristlosen Kündigung besteht, wenn der Unternehmer Provisionszahlungen mit unberechtigten Vorbehalten unterlässt (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, § 89 a Rz. 51; Baumbach-Hopt, HGB, 33. Auflage, § 89 a Rz. 22, vgl. BGH, Urteil vom 16.02.1989 – I ZR 185/87, NJW-RR 89, 862, 863). Die Beklagte verweigerte der Klägerin, wie sich aus der rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (37 O 50/02) vom 22.10.2004 ergibt, zu Unrecht die Zahlung einer am 10.03.2002 fälligen Treueprämie in Höhe von DM 60.000,– mit der Begründung, die Klägerin müsse zuvor ihre Bücher durch den Steuerberater K. überprüfen lassen. Wegen der Höhe der Forderung und wegen der Begründung für ihre Zahlungsweigerung, die eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Beklagten unvermeidlich erschienen ließ, war schon allein deshalb ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben. Offen bleiben kann, ob die weiteren von der Klägerin angeführten Kündigungsgründe (Bl. 4-16 GA) gegeben sind.

3. Ausschlussgründe dafür, dass ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB von vornherein ausscheidet, liegen nicht vor.

a) Der Ausgleichsanspruch ist nicht gemäß § 89 b Abs. 3 Nr. 1 1. Halbsatz HGB ausgeschlossen, da gemäß § 89 b Abs. 3 Nr. 1 2. Halbsatz die Beklagte der Klägerin einen begründeten Anlass zur Kündigung vom 12.03.2002 gegeben hat. An einen solchen Anlass sind weniger strenge Anforderungen als an einen wichtigen Grund zu stellen. Danach genügt es, dass der Handelsvertreter durch das Verhalten des Unternehmers in eine für ihn nach Treu und Glauben nicht haltbare Lage kommt (BGH, Urteil vom 06.11.1986 – I ZR 51/85, NJW 87, 778, 779). Wie bereits festsgestellt, war jedoch die Klägerin sogar zur fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrags gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB berechtigt.

b) Der Ausgleichsanspruch ist nicht verfristet. Die Klägerin hat gemäß § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB den Ausgleichsanspruch durch Schreiben vom 17.02.2003 rechtzeitig binnen Jahresfrist geltend gemacht. Der Handelsvertreter macht den Anspruch im Sinne des § 89 b Abs. 4 HGB geltend, wenn er unmissverständlich zu verstehen gibt, dass er für sich einen Ausgleich gemäß § 89 b HGB fordert. Nicht erforderlich ist, dass er den Anspruch als solchen bezeichnet, beziffert öder begründet (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, HGB, 2. Auflage, § 89 b Rz. 71 unter Bezug auf BGH, Urteil vom 29.04.1968 – VII ZR 8166, NJW 68, 1419). In dem anwaltlichem Schreiben vom 17.02.2003 forderte die Klägerin die Beklagte unter Frist auf, ihren Ausgleichsanspruch zumindest dem Grund nach anzuerkennen. Dieses Schreiben ging der Beklagten auch rechtzeitig zu, da sie bereits mit Schreiben vom 19.02.2002 antwortete, sie werde einen solchen Anspruch prüfen.

c) Der Ausgleichsanspruch wird auch nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin nach Vertragsbeendigung in Konkurrenz zu der Beklagten getreten ist. Selbst wenn der ausgeschiedene Handelsvertreter unter Ausnutzeng der während des Bestehens des Handelsvertreterverhältnisses gewonnenen Kundenkontakte dem Unternehmer Konkurrenz macht, ist ein Ausgleichsanspruch nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern allenfalls der Höhe nach begrenzt (BGH, Urteil vom 28.06.2006 – VIII ZR 350/04, Rz. 16 bei juris). Folglich ist für die Anwendbarkeit des § 89 b HGB ohne Belang, dass die Klägerin zu 21 der Kunden, welche sie der Beklagtem verschafft hatte, später auf eigene Rechnung steueroptimierte Kapitalanlagen vermittelte.

4. Die Beklagte schuldet der Klägerin gemäß § 89 b Abs. 1 und 2 HGB einen angemessenen Ausgleich in Höhe von € 88,435,90.

a) Die Beklagte hat gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB nach Beendigung des Vertrags mit der Klägerin am 12.03.2002 erhebliche Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit den von der Klägerin vermittelten Kunden gehabt. Vorteil im Sinne dieser Vorschrift ist die Chance auf Nutzung der Geschäftsbeziehung auch nach Vertragsende (Bbenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, HGB, 2. Auflage, § 89b Rz. 83; Baumbach-Höpt, HGB, 33. Auflage, § 89b Rz. 15). Für die Beurteilung dieser Frage ist eine Prognose auf Basis der tatsächlichen Verhältnisse am Tag der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses vorzunehmen. Später eingetretene Umstände sind nur zu berücksichtigen, wenn sie im Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages vorhersehbar waren (BGH, Urteil vom 06.08.1997 – VIII ZR 92/96, Rz. 51 bei juris). Dabei ist zwar zu fingieren, dass das Vertragsverhältnis trotz Beendigung weiter bestünde und der Handelsvertreter gleichbleibend tätig wäre (BGH, Urteil vom 26.02.1997- VIII ZR 272/95, Rz. 20 bei juris; Urteil vom 28.04.1999 – VIII ZR 354/97, NJW 99, 2668, 2669). Die Grundlage der Prognose, die Herstellung einer auch nach Vertragsbeendigung nutzbaren Geschäftsverbindung zwischen neuen Kunden und Unternehmer, hat jedoch der Handelsvertreter darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteil vom 11.10.1990 – I ZR 32/89, NJW-RR 91, 156, 157). Zu seinen Gunsten wird allerdings widerleglich – vermutet, dass der von ihm im Basisjahr erwirtschaftete Umsatz mit Mehrfachkunden während des Prognosezeitraums, fortgeschrieben um den Saldo der Zu- und Abwanderungsquote, gleich bleibt (vgl. BGH; a.a.O. sowie Urteil vom 26.02.1997 – VIII ZR 272/95, Rz. 22 ff. bei juris):

aa) Das Basisjahr ist der Zeitraum vom 13.03.2001 bis zum 12.03.2002. Basisjahr für die Prognose ist grundsätzlich das letzte Vertragsjahr, sofern nicht dargelegt wird, dass dieses einen untypischen Verlauf genommen hat (BGH, Urteil vom 02.07.1987 – I ZR 188/85, NJW-RR 88, 42, 44). Der Vertrag wurde durch die Kündigung der Klägerin am 12.03.2002 beendet. Die Parteien haben nicht vorgetragen, dass die Geschäftsentwicklung der Klägerin in dem Jahr vor der Kündigung untypisch verlief.

bb) Entgegen der Meinung der Klägerin ist der der Klageberechnung zu Grunde gelegte Prognosezeitraum von 5 Jahren, der bis zum 12.03.2007 dauert, zu lang. Der Senat geht stattdessen gemäß § 287 ZPO von einem Prognosezeitraum von 3 Jahren aus. Maßgeblich für den Prognosezeitraum ist die Dauer der Geschäftsbeziehung, wie sie aufgrund der Besonderheiten der jeweiligen Branche, den Marktgegebenheiten und der Kundenfluktuation erfahrungsgemäß zu erwarten ist (BGH, Urteil vom 15.10.1992 – I ZR 173/91, NJW-RR 93, 221, 221; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, HGB, 2. Auflage, § 89b, Rz. 29). In der Regel beträgt der Prognosezeitraum nur 2-3 Jahre (Baumbach/Hopt, 32. Auflage, § 89b Rz. 16). Bei langlebigen Wirtschaftsgütern sind zwar auch längere Nachbestellungsintervalle anzuerkennen (BGH, Urteil vom 26.02.2007 – VIII ZR 272/95, Rz. 19 bei juris). Das in Anlage K10 dokumentierte Bestellverhalten der Mehrfachkunden zeigt jedoch, dass fast alle Wiederholungsbestellungen spätestens nach einem Jahr getätigt wurden. Keine der in Anlage K10 aufgeführten Wiederholungsbestellungen ließ, länger als 2 Jahre auf sich warten. Entgegen der Feststellung des Landgerichts, das einen Prognosezeitraum ganz ausschloss, ist jedoch die Annahme eines dreijährigen Prognosezeitraums gerechtfertigt.

aaa) Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht gegen die Annahme eines dreijährigen Prognosezeitraums nicht, dass der Wiederholungskauf einer Eigentumswohnung im Bauträgermodell innerhalb eines abschätzbaren Zeitraums unwahrscheinlich sei, weil dieser Erwerb zu 90 % mit Fremdkapital finanziert wird. Dies ist deshalb nicht erheblich, weil zum einen ein Großteil der Mehrfachkunden der Beklagten bislang noch keine Eigentumswohnung erworben hat. Bis zur Vertragsbeendigung haben nur 6 der 45 Mehrfachkunden der Klägerin eine Eigentumswohnung im Bauträgermodell gekauft (Anlage K 10 sowie Bl. 310 GA: Kunden B., K., L., P., R.-K. und Th.). Zum anderen gehört zu den Marktgegebenheiten der steueroptimierten Kapitalanlagen, dass nicht die Anlageart, sondern der damit verfolgte Zweck, durch Steuerstundung Vermögensbildung zu erzielen, für die Investitionsentscheidung der. Kunden ausschlaggebend ist. Dies zeigt das Bestellverhalten der in Anlage K 10 aufgelisteten Mehrfachkunden der Klägerin. Danach investierten 15 von 44 Mehrfachkunden in zumindest 2 der von der Beklagten vertriebenen drei verschiedenen Kapitalanlagearten Medienfonds, Immobilienfonds und Eigentumswohnung im Bauträgerobjekt. Außerdem erfordert das vorgenannte Anlageziel, durch Steuerstundung Vermögensbildung zu erzielen, eine ständige Anpassung an die sich fortwährend ändernde Steuergesetzgebung. Schließlich spricht gegen die Annahme eines Mehrfachkunden nicht, dass dieser verschiedene Produkte des Unternehmers bestellt hat (BGH, Urteil vom 05.06.1996 – VIII ZR 7/95, Rz. 49 bei juris). Der Senat hält aus diesen Gründen seine mit Hinweisbeschluss vom 31.10.2007 im Anschluss an das Landgericht vertretene Rechtsaufessung, dass für die Feststellung des Mehrfachkundenanteils die verschiedenen Kapitalanlageprodukte der Beklagten gesondert betrachtet werden müssten, nicht mehr aufrecht. Hierauf hat der Senat die Parteien mit Hinweisbeschluss vom 18.08.2008 hingewiesen.

bbb) Die Feststellungen des Landgerichts, dass die […]-Fonds im Besonderen und der Markt für Medienfonds im Allgemeinen zum Erliegen gekommen seien, begegnet durchgreifenden Bedenken. Bei der Prognose der Vorteile des Unternehmers im Sinne des § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB sind, wie oben unter Ziffer 3. a) ausgeführt, nur die Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages bereits vorhersehbar waren (BGH, Urteil vom 06.08.1997 – VIII ZR 92/96, bei juris unter Rz. 51). Sowohl das vom Landgericht genannte Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 05.08.2003 als auch das Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung vom 22.12.2005 sind deutlich später bekannt gemacht worden. Das Landgericht trifft keine Feststellung dazu, dass die damit eingetretenen Änderungen bereits am 12.03.2002 absehbar waren.

Auch unter Würdigung des zweitinstanzlichen Vortrags der Beklagten vermag der Senat nicht festzustellen, dass am 12.03.2002 absehbar war, dass der Markt für steueroptimierte Medienfonds zum Erliegen kommen, würde. Das von der Beklagten angeführte Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 23.02.2001 (Anlage BB4), wonach Medienfonds nur als Hersteller des Films anzuerkennen sind, wenn diese die maßgeblichen Entscheidungen der Herstellung zu entscheiden haben, kann kein Grund für das Erliegen von Medienfonds gewesen sein. Dieses Schreiben trat bereits im Jahr 2001 in Kraft, als noch […]-Fonds aufgelegt bzw. verlängert wurden. Wie sich außerdem aus dem Verkaufsprospekt der […]-Fonds (Anlage BB7) ergibt, wurde ausdrücklich versprochen, dass diese Praxis der Finanzverwaltung kein Hinderungsgrund für den begehrten sofortigen Abzug der Beteiligung als Betriebsausgabe war, da die […]-Fonds die von der Finanzverwaltung aufgestellten Kriterien als Filmhersteller erfüllen würden. Auch aus dem von der Beklagten angeführten Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 24.10.2001 (Anlage BB5) kann nicht gefolgert werden; dass am 12.03.2002 ein Erliegen des Marktes für Medienfonds absehbar gewesen wäre. Da dieses Schreiben nur die Erwerbsnebenkosten, welche etwa 20 % der Investitionssumme ausmachen (Bl. 403 GA), betraf, blieb aus damaliger Sicht auch nach dem 01.01.2003 die Möglichkeit bestehen, immerhin 80 % der Investition als sofort absetzbare Betriebsausgaben zu behandeln und dadurch eine beachtliche Steuerstundung zu erhalten. Dies spricht für die Behauptung der Klägerin, dass auch unter diesen Umständen noch Medienfonds vermittelt werden konnten (Bl. 457, 467 GA). Nicht erheblich ist in diesem Zusammenhang der unsubstanziierte Vortrag der Beklagten, die fehlende Absetzbarkeit der Erwerbsnebenkosten habe die Initiatoren der […]-Fonds veranlasst, diesen Medienfonds nicht weiter aufzulegen. Die Beklagte war nämlich als Handelsmaklerin nicht an diesen Produktanbieter gebunden und hatte die Aussicht, die von der Klägerin hergestellten Geschäftsbeziehungen zu den Kunden auch für den Absatz der Medienfonds anderer Anbieter oder für andere steueroptimierte Kapitalanlagen (s. hierzu beispielsweise Blümich, EStG, 96. Auflage, § 15 b Rz. 11) zu nutzen.

ccc) Das Landgericht hat keine Feststellung dazu getroffen, dass der Markt für Immobilienfonds zum Erliegen gekommen ist. Soweit die Beklagte behauptet, der Vertrieb der Immobilienfonds „W. I“, „W. II“ und „R“ sei wegen Schadensersatzprozessen zum Erliegen gekommen, ist dies nicht erheblich. Die Beklagte legt nicht dar, dass dieses bereits im Prognosezeitpunkt am 12.03.2002 vorhersehbar war. Die einzige von der Beklagten konkret bezeichnete Schadensersatzklage wurde erst im Jahr 2004 erhoben (Anlage BB 1, Bl. 347 GA). Zudem wäre die Beklagte auch hier darauf zu verweisen, dass sie als Handelsmaklerin nicht an die Produkte eines konkreten Anbieters gebunden ist. Schließlich hat die Beklagte nicht substanziiert dargelegt, dass im Prognosezeitpunkt der Zusammenbruch des gesamten Marktes für Immobilienfonds zu erwarten war. Hierzu hätte es zumindest unter Vorlage der Verkaufsprospekte der vertriebenen Immobilienfonds einer näheren Darlegung dazu bedurft, welche Steuervorteile den Anlegern konkret in Aussicht gesteift worden seien, die nach der im Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags am 12.03.2002 bekannten Praxis der Finanzverwaltung nicht mehr erreichbar gewesen wären.

ddd) Entgegen der Meinung des Landgerichts kann aus der im Jahr 2005 erfolgten Veräußerung der Geschäftsanteile der Beklagten und dem in diesem Jahr stattgefundenen Wechsel ihrer Geschäftstätigkeit nicht gefolgert werden, die von der Klägerin vermittelten Geschäftsbeziehungen seien für die Beklagte nicht nutzbar gewesen. Auch hier fehlen die Feststellungen des Landgericht dazu, dass im Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages vom 22.02.1999 am 12.03.2002 bereits der Wechsel der Geschäftstätigkeit der Beklagten vorhersehbar, war.

eee) Die Feststellung des Landgerichts, die Beklagte habe nach der Beendigung des Vertrags mit keinem einzigen der von der Klägerin vermittelten Kunden ein weiteres Geschäft abgeschlossen, ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht haltbar. Es hätte einer Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen H. (Bl. 238 GA) bedurft, da die Klägerin bereits erstinstanzlich diese Behauptung mit Nichtwissen bestritten hatte (Bl. 208 GA). Diese Beweisfrage muss jedoch für die Festsetzung eines dreijährigen Prognosezeitraums nicht aufgeklärt werden. Wie bereits ausgeführt wurde, ist unter Vorteil im Sinne des § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB nur die Aussicht zu verstehen, auch nach Vertragsende die von dem Handelsvertreter hergestellten Geschäftsbeziehungen zu den Kunden nutzen zu können (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, HGB, 2. Auflage, § 89b Rz. 83; Baumbach-Hopt, HGB, 33. Auflage, § 89b Rz. 15). Die Gewährung des Ausgleichsanspruchs ist demnach nicht davon abhängig, ob der Unternehmer diese Chance tatsächlich nutzt.

cc) Die Beklagte erwirtschaftete im Basisjahr mit von der Klägerin vermittelten Mehrfachkunden einen Umsatz von € 2.612.062,40, wie sich aus folgender Berechnung ergibt.[…]

Die ersten vier Spalten der Tabelle sind der von der Klägerin vorgelegten Anlage K 11 (Bl. 60 GA) mit nachfolgenden Maßgaben und Änderungen entnommen.

Wie oben ausgeführt, ist Grundlage der Prognose der provisionsfähige Umsatz mit Mehrfachkunden im letzten Vertragsjahr, Mehrfachkunden sind die vorn Handelsvertreter geworbenen Kunden, die mehr als einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben (BGH, Urteil vom 28.04.1999 – VIII ZR 354/97, NJW 99, 2668). Dies ist bei den Kunden S. und K., welche die Klägerin in der Anlage K 11 aufführt, nicht der Fall. Die Klägerin hat mehrfache Bestellungen dieser Kunden nicht dargelegt, weil diese nicht in der von ihr als Anlage K 10 (Bl. 57 ff. GA) überreichten Stammkundenliste aufgeführt sind. Ferner ist der Begriff des Kunden im Sinne des § 89b Abs. 1 HGB aus Gründen der Rechtsklarheit personen- und nicht familienbezogen (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, § 89 b Rz. 79; offen gelassen vom BGH, Urteil vom 05.06.1996 – VIII ZR 7/95, Rz. 47 bei juris). Aus diesem Grund wurden die in der Anlage K11 aufgeführten Umsatzgeschäfte mit den Familienangehörigen der in der Anlage K10 als Mehrfachkunden ausgewiesenen Kunden Binger, Nolte und Schmitz nicht berücksichtigt. Wegen widersprüchlichen Vortrags wurde auch das in der Anlage K11 genannte Umsatzgeschäft mit dem Zeugen B. über DM 50.000,– nicht gezählt, da in der Anlage K10 bei dem Kunden B. ein solches Geschäft nicht erwähnt ist. Ferner ist der in Anlage K11 gelistete Kunde P. nicht berücksichtigt worden, weil die Klägerin das Geschäft mit ihm ausweislich der Anlage K10 bereits im November 2000 und damit vor dem Basisjahr vermittelt hatte. Entgegen der Meinung der Beklagten waren jedoch die Umsatzgeschäfte mit den bereits vor Beginn des Vertrags vom 22.09.1999 geworbenen Kunden K., Th., H. und F. zu berücksichtigen. Wenn der Unternehmer seine Zustimmung zur Umwandlung der Handelsvertretung von einem einzelkaufmännischen Unternehmen in eine GmbH erteilt, erklärt er sich damit zugleich konkludent einverstanden, dass die bisherigen vorn Handelsvertreter geworbenen Neukunden ausgleichsrechtlich als Neukunden der GmbH gelten sollen (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, § 89b Rz. 76 a.E..). Mit dem Vertrag vom 22.09.1999 erteilte die Beklagte ihr Einverständnis damit, dass der Geschäftsführer der Klägerin seine Handelsvertretung in der Rechtsform der GmbH fortsetzt. Die Klägerin kann daher auch die bis zum 22.09.1999 von seinem Geschäftsführer geworbenen Neukunden, sofern sie bis zur Beendigung des Vertrags am 12.03.2002 Kunden geblieben sind, als Mehrfachkunden im Sinne des § 89 b Abs. 1 HGB zählen. Schließlich ist entgegen der Meinung der Beklagten keiner der oben genannten Kunden aus der Berechnung des Umsatzes mit Mehrfachkunden im Basisjahr herauszunehmen, weil sie (die Beklagte) von 24 Anlegern im Jahr 2004 wegen Fehlern im Prospekt der von ihr vertriebenen Immobilienfonds auf Schadensersatz verklagt worden ist (Anlage BB 1 und Bl. 343 f. GA), Es ist zwar richtig, dass von einem Kunden, der den Unternehmer auf Schadensersatz verklagt, keine nachfolgenden Bestellungen mehr zu erwarten sind. Es ist jedoch mit Ausnahme des Kunden Th. schon gar nicht erkennbar, dass es sich um dieselben Personen handelt, da die Namen der Kunden mit den Namen der Kläger nicht übereinstimmen. Zum anderen, und das ist für die Berücksichtigung des Kunden Th. entscheidend, trägt die Beklagte trotz des entsprechenden Bestreitens der Klägerin nicht substanziiert dazu vor, dass schon im Zeitpunkt der Prognose am 12.03.2002 die erst am 20.08.2004 erhobene Klage vorhersehbar war.

dd) Der Vorteil der Beklagten, den sie aus der Geschäftsverbindung mit den von der Klägerin vermittelten Kunden hat, ist für den Prognosezeitraum von 3 Jahren auf insgesamt 42,89 % des Umsatzes in Höhe von € 2.612.062,40 (€ 1.120.351,23) abzuschätzen, den die Klägerin ihr mit Mehrfachkäufern im Basisjahr verschafft hat.

Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:[…]

aaa) Der Umsetz des Basisjahres ist vorab um 83,92 % zu kürzen, weil der Beklagten in Höhe dieses Anteils die Nutzung der vermittelten Geschäftsbeziehungen zu den Kunden wegen der nachvertraglichen Konkurrenztätigkeit der Klägerin nicht mehr möglich war. Die Konkurrenztätigkeit des ausgeschiedenen Handelsvertreters unter Ausnützung der während des Bestehens des Handelsvertretervertrags gewonnenen Kundenkontakte ist bei der Prognose der Unternehmervorteile mindernd zu berücksichtigen, wenn bereits im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung mit einer Abwanderung der Kunden zu rechnen war (BGH, Urteil vom 28.06.2006 – VIII ZR 350/04, Rz. 16 f bei juris; Urteil vom 15.09.1999 – VIII ZR 137/98, NJWRR 00, 109). Die Klägerin hat eingeräumt, mit 21 (Anlage KB6a, Bl. 502 GA) von insgesamt 45 Mehrfachkunden (Anlage K10 zzgl. Kunde R.,- Bl. 308 GA) nach Vertragsbeendigung eigene Geschäfte abgeschlossen zu haben. Die unstreitigen 21 Vermittlungserfolge der Klägerin gehen auf eine von ihr schon während des Vertragsverhältnisses geplante Wettbewerbstätigkeit zurück. Dem entsprechenden Vortrag der Beklagten ist die Klägerin nicht entgegen getreten (vgl. Bl. 79 und 102 GA). Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass es ihr gelungen war, während des Vertragsverhältnisses der Parteien zu den von ihr betreuten Kunden ein persönliches Verhältnis aufzubauen (Bl. 103 GA). Dies zeigt sich auch daran, dass der Geschäftsführer der Klägerin noch nach Vertragsbeendigung für 18 der Mehrfachkunden auf den Gesellschafterversammlungen der […]-Fonds die Stimmrechte wahrnahm (Anlage BB13, Bl. 480 GA). Unter diesen Umständen war es vorhersehbar, dass es der Klägerin gelingen würde, der Beklagten in erheblichem Umfange Mehrfachkunden abzuwerben. Der hierfür in Ansatz gebrachte Abzug von 83,92 % entspricht dem Anteil des Umsatzes im Basisjahr (€ 2.192.163,94 von € 2.612.462,40), den die Klägerin der Beklagten durch die Kunden verschafft hat, denen sie nach Vertragsbeendigung dann unstreitig auf eigene Rechnung Kapitalanlagen Vermittelte, wie die oben unter Ziff. 4. a) cc) dargestellte Tabelle zeigt. Die dort in der fünften Spalte vorgenommene Berechnung ist aus den Ansagen K11 und KB6 (Bl. 60 und 467 GA) abgeleitet. Entgegen, der Meinung der Beklagten war jedoch nicht auch noch der Umsatz in Abzug zu bringen, der auf die Kunden C., K. und S. entfällt, für welche der Geschäftsführer der Klägerin nur die Stimmrechte auf den Gesellschafterversammlungen der […]-Fonds wahrgenommen, nicht jedoch neue Kapitalanlagen auf eigene Rechnung vermittelt hat (vgl. Tabelle unter Ziffer 4.a) cc) sowie Anlagen BB8-BB12 (Bl. 474 ff. GA)). Allein die Stimmrechtswahrnehmung durch den Geschäftsführer der Klägerin für einen der Beklagten vermittelten Kunden, die auch als Annex zu der Vermittlungstätigkeit interpretiert werden kann, belegt ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht hinreichend, dass dieser Kunde für die Beklagte nicht mehr nutzbar ist.

bbb) Der Fortschreibung des verbleibenden Umsatzes auf den dreijährigen Prognosezeitraum liegt gemäß § 287 ZPO die Annahme des Senats zu Grunde, dass die Mehrfachkundenquote im Prognosezeitraum pro Jahr um 2 % sinken würde. Grundsätzlich kann zwar die Fortschreibung des Mehrfachkundenumsatzes während des Prognosezeitraums auf zwei Weisen vorgenommen werden. Wenn festzustellen ist, dass der Umsatz des Handelsvertreters mit Mehrfachkunden über einen längeren Zeitraum konstant blieb, entspricht der Mehrfachkundenumsatz im Basisjahr bereits einer saldierten Zu- und Abwanderungsquote von Mehrfachkunden, und es kann dementsprechend angenommen werden, dass der Mehrfachkundenumsatz auch während des Prognosezeitraums konstant geblieben wäre (BGH, Urteil vom 26.02.1997 – VIII ZR 272/95, Rz. 23 bei juris). Diese Berechnungsmethode scheidet hier jedoch aus, da nach dem Vortrag der Parteien keine konstante Mehrfachkäuferquote festzustellen ist. In solchen Fällen muss der im Basisjahr festgestellte Mehrfachkundenumsatz während des Prognosezeitraums unter Berücksichtigung der Zu- und Abwanderungsquote der Mehrfachkäufer fortgeschrieben werden (a.a.O., Rz. 22).

Der Senat geht von einer Zuwanderungsquote von 8 % p.a. aus. Bei der Zuwanderungsquote sind die vom Handelsvertreter geworbenen Erstkäufer zu berücksichtigen, bei denen aufgrund einer Schätzprognose nach den branchenüblichen Gegebenheiten des Vertragsverhältnisses innerhalb des Prognosezeitraums eine Wiederholungsbestellung zu erwarten ist (a.a.O., Rz. 19). Die Darlegungs- und Beweislast für diese Umstände trägt nach dem oben zu Ziffer 4. a) Gesagten der Handelsvertreter, weil mit der Zuwanderungsquote die Grundlage der Vorteilsprognose gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB. erweitert und die Herstellung weiterer Geschäftsverbindungen behauptet wird, die nach Vertragsbeendigung nutzbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.1990 – I ZR 32/89, NJW-RR 91, 156, 157; Ebenroth/Baujong/Joost/Strohn/Löwisch, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, § 89b Rz. 182). Die Klägerin hat jedoch die von ihr behauptete Zuwanderungsquote von 40 % in zwei Jahren, d. h. von 20 % p.a. nicht bewiesen. Sie hat für die von ihr vorgetragenen Kaufrhythmen der Erstkäufer (Anlage K12; Bl. 61 GA) keinen Beweis angeboten, obwohl die Beklagte diese qualifiziert bestritten hat (Bl. 86. GA). Der Senat geht demnach für die Berechnung der Zuwanderungsquote davon aus, dass die Klägerin in der Zeit von 1999 bis 2001 168 neue Kunden gewonnen hat, was die Beklagte zugestanden hat (Bl. 86 GA). Ferner legt der Senat zu Grunde, dass die Klägerin von diesen Kunden und in dieser Zeit insgesamt 38 Mehrfachkunden geworben hat. Dies ergibt sich aus der Anlage K14 (Bl. 57 ff. GA) und dem Vortrag zu dem Kunden R. (Bl. 310 GA). Die Beklagte bestreitet beides nicht (Bl. 86, 339 ff. GA). Die in der Anlage K10 aufgeführten Kunden Th., R.-K., K., Kr., H., F. und K. sind allerdings nicht mitzuzählen, da sie bereits vor 1999 geworben wurden. Folglich hat die Klägerin in einem Zeitrauen von 3 Jahren 38/168 = 22,6 % Erstkunden zu Mehrfachkunden gemacht, was einer durchschnittlichen Zuwanderungsquote pro Jahr von ca. 8 % entspricht.

Der Senat nimmt eine allgemeine Abwanderungsquote von 10 % an. Die Abwanderungsquote der Mehrfachkäufer ist ebenfalls nach den Umständen des Vertragsverhältnisses abzuschätzen (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1999 – VIII ZR 354/97, NJW 99, 2668, 2670). Für diese trägt der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast, weil für den Handelsvertreter, sobald er den Umsatz mit den Mehrfachkunden im Basisjahr nachgewiesen hat, die widerlegliche Vermutung streitet, dass dieser Umsatz während des Prognosezeitraums gleich bleibt (BGH, a.a.O. sowie Urteil vom 15.09.1999 – VIII ZR 137/98, NJW-RR 00, 109; in dem eine entsprechende Darlegungs- und Beweislastverteilung vorgenommen wird; a.A. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, § 89b Rz. 182). Die Beklagte bestreitet die von der Klägerin vorsorglich gesetzte Abwanderungsquote nicht, so dass es hierbei verbleibt.

ccc) Schließlich ist gemäß § 287 ZPO mit einem einmaligen Abschlag im Jahr 2003 von 11 % zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Prognose am 12.03.2002 für die Zeit ab dem 01.01,2003 eine geringere Nachfrage nach Medienfonds zu erwarten war. Wie oben unter 4. a) bb) bbb) dargestellt, wurde durch das Schreiben des Bundesministerium für Finanzen vom 24.10.2001 (Anlage BB5) angekündigt, ab dem 01.01.2003 die Erwerbsnebenkosten für eine Beteiligung an einem Medienfonds nicht mehr als sofort abziehbare Betriebsausgaben anzuerkennen. Da die Erwerbsnebenkosten 20 % der Investitionssumme ausmachten, schätzt der Senat, dass ab dem Jahr 2003 mit einem um 20 % niedrigen Umsatz mit Medienfonds zu rechnen war. Im Basisjahr entfielen vom Gesamtumsatz 55 % auf Medienfonds, wie die obige Tabelle bei Ziffer 4 a) cc) zeigt.

b) Der Klägerin ist gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB durch die Beendigung des Handelsvertretervertrags ein Provisionsverlust in Höhe von € 101.101,29 entstanden. In der Regel leitet sich aus den Vorteilen des Unternehmers unmittelbar ein entsprechender Provisionsverlust des Handelsvertreters ab. Den Unternehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dem Handelsvertreter geringere Provisionsverluste entstanden sein sollen (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Löwisch, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, § 89b Rz. 182). Dies hat die Beklagte nicht getan, da alle von ihr vorgebrachten Einwendungen bereits bei der obigen Berechnung der ihr entstandenen Vorteile berücksichtigt worden sind. Demnach betrug der im Basisjahr mit Mehrfachkunden erwirtschaftete Provisionsumsatz € 190.716,98, wie sich aus der insoweit unstreitigen Anlage K11 unter Berücksichtigung der oben unter Ziffer 4. a) cc) dargestellten Tabelle und den dort beschriebenen Abzügen ergibt. Der prognostizierte Provisionsverlust der Klägerin fällt mit einem Prozentsatz von 53,33 % nur relativ, nicht jedoch absolut höher aus als die mit einer) Prozentsatz von 42,89 % veranschlagte Vorteilsprognose. Wie die nachfolgende Berechnung zeigt, beruht dieser Unterschied allein darauf, dass der Vorabzug wegen der von der Klägerin ab geworbenen Kunden mit 80,01 % niedriger ausfällt. Das hat seinen Grund darin, dass der Anteil der auf diese Kunden entfallenden Provisionen am Gesamtprovisionsverdienst des Basisjahres niedriger ist als der entsprechende Anteil des auf diese Kunden entfallenden Umsatzes am Gesamtumsatz des Basisjahres (s. Spalten 5 und 6 der Tabelle unter Ziffer 4. a) cc)).[…]

c) Ein Ausgleich im Umfang Provisionsverlustes der Klägerin, der im Vergleich zu den Vorteilen der Beklagten absolut gesehen niedriger ausfällt und deshalb für die weitere Berechnung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB maßgeblich ist (vgl. Baumbach/Hopt, a.a.O., Rz. 45), entspricht gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls der Billigkeit. Zu berücksichtigen sind insbesondere alle Umstände, die für das Vertragsverhältnis der Parteien von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2002 – VIII ZR 146/01, Rz. 15 ff. bei juris). Der Senat hält nach eigenständiger Abwägung dieser Umstände den errechneten Ausgleich auch dann für billig, wenn die Behauptung der Beklagten, sie habe mit keinem einzigen Kunden nach Vertragsbeendigung ein neues Geschäft abgeschlossen, zutreffend sein sollte. Soweit dies auf die Konkurrenztätigkeit der Klägerin zurückzuführen sein sollte, ist dem schon ausreichend dadurch Rechnung getragen worden, dass der Ausgleich wegen, der abgeworbenen Stammkunden gekürzt wurde. Ferner steht der Billigkeit des errechneten Ausgleichs nicht entgegen, dass die […]-Fonds eingestellt worden sind. Die Beklagte war Handelsmaklerin, mit der Folge, dass sie nicht zum Vertrieb eines bestimmten Produkts verpflichtet war, was die Beklagte selbst betont hat (Bl. 75 GA). Aufgrund dieser rechtlichen Gestaltung braucht im Rahmen der Billigkeit nicht beachtet werden, dass es zwischen der Beklagten und der […]-Fonds durch die Person M. O. eine enge wirtschaftliche Verflechtung gab, indem dieser zugleich Geschäftsführer der Beklagten und Mehrheitsgesellschafter der […]-Fonds war (Bl. 97 GA). Soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin habe die als Anlage BB1 vorgelegte Schadensersatzklage mitinitiiert, bleibt der Vortrag der Beklagten zu dem Mitwirkungsbeitrag der Klägerin unsubstanziiert (Bl. 343 GA).

d) Der abgezinste Provisionsverlust beträgt € 88.435,90. Der Senat nimmt in ständiger Rechtsprechung die. Abzinsung nach der sogenannten Hoffmann’schen Formel (BGH, Urteil vom 10.10.1991, NJW 91, 3274, 3275) vor. Danach errechnet sich der Abzinsungsbetrag wie folgt:

Abzinsungsbetrag = 100 x Ausgleichsbetrag
100 + (Zinsfuß x Prognosezeitraum)

Dabei ist von einem Prognosezeitraum von 3 Jahren und einem Anlagezins von 5 % auszugehen.

e) Der Ausgleichsanspruch der Klägerin in Höhe von € 88.435,90 ist nicht noch gemäß § 89b Abs. 2. HGB zu begrenzen. Gemäß § 89b Abs. 2 HGB beträgt zwar der Ausgleichsanspruch höchstens die durchschnittliche Jahresprovision des Handelsvertreters während der Vertragslaufzeit, wenn der Vertrag kürzer als 5 Jahre dauerte. Der Vertrag dauerte nur vom 22.02.1999 bis zum 12.03.2002. Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass die Klägerin in der Zeit bis zum 31.12.2001 einen durchschnittlichen Jahresprovisionsumsatz von € 364.499,95 erzielte (Bl. 22 GA).

5. Der Zinsanspruch folgt für die Zeit vom 13.03.2002 bis zum 18.08.2003 aus §§ 352, 353 HGB. Der Ausgleichsanspruch wird am Tag nach Beendigung des Handelsvertretrervertrags fällig (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, 2. Auflage, § 89 b Rz. 15). Der Handelsvertretervertrag wurde durch die fristlose Kündigung der Klägerin am 12.03.2002 beendet (s.o.). Für die Zeit ab Rechtshängigkeit, die gemäß § 261 Abs. 1 ZPO mit Zustellung der Klageschrift am 19.08.2003 eintrat, ergibt sich der Zinsanspruch aus §§ 288 Abs. 2, 291 BGB.

III. Der Senat hat gemäß § 148 ZPO davon abgesehen, wie von der Beklagten mit Schriftsatz 05.09.2008 (Bl. 522 GA) beantragt, das Verfahren bis zur Entscheidung des Verfahrens mit Az. III ZR 271/07 vor dem Bundesgerichtshof auszusetzen. Es sind keine Gründe erkennbar, die einer nach dem Beschleunigungsgrundsatz gebotenen Entscheidung entgegenstehen. Im Übrigen gibt dieser Schriftsatz keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da eine Auswirkung etwaiger Prospektfehler auf den geltend gemachten Ausgleichsanspruch nicht erkennbar ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Das Urteil hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

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