Einstandsvereinbarung, Übernahme eines Handelsvertretungsbezirkes

11 U 61/00 Urteil verkündet am 14. Dezember 2000 OLG Celle Einstands-, Abwälzungs- und Nachfolgevereinbarungen, Handelsvertretervertrag, Kündigung des Handelsvertretervertrags

Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit
[…]
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2000 durch […] für Recht erkannt:

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Lüneburg vom 3. Februar 2000 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 26.011,47 DM.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht der mit ihr verfolgte weitergehende Zahlungsanspruch gegen den beklagten Handelsvertreter nicht zu.

I. Zweifelhaft ist schon, ob die Vereinbarung, so wie die Klägerin sie verstehen will, mit dem Inhalt nämlich, dass der Beklagte sich verpflichtete, 26.000,– DM an die Klägerin für die Übernahme des Vertretungsbezirks […] zu zahlen, vor dem Hintergrund des § 138 Abs. 1 BGB wirksam sein könnte. Die Höhe dieses Einstandsgeldes macht nämlich etwa eine Jahresprovision aus dem Umsatz, wie er 1996 erzielt worden war, aus. Sie entspricht damit dem, was der Beklagte in einem Jahr hätte verdienen können, wenn es ihm gelungen wäre, den Umsatz in etwa zu halten. Dies erscheint allein für die Chancen aus der Übernahme der Vertretung unangemessen hoch, wenn man sich dabei vor Augen hält, dass dies praktisch heißt, dass der Beklagte bei gehaltenen Umsätzen ein Jahr lang umsonst für die Klägerin arbeiten musste. Eine solche Abrede könnte allenfalls vor dem Hintergrund für wirksam erachtet werden, dass die Klägerin wusste, dass der Beklagte weitere Handelsvertretungen inne hatte und nicht von der Vertretung für die Klägerin allein seinen Unterhalt bestreiten müsste.

II. Letztlich kann die Frage der Wirksamkeit der Abrede über das „Eintrittsgeld“ jedoch dahingestellt bleiben, weil der Klägerin auch bei unterstellter Wirksamkeit der Abrede ein weiterer Zahlungsanspruch gegen den Beklagten keinesfalls zusteht. Eine Abrede wie diejenige, die die Parteien miteinander getroffen haben, die da lautet: „Für den übernommenen Altumsatz in Höhe von DM 527.000,– (Basis 1996) leisten Sie einen Betrag von DM 26.000,– an uns. Dieser Betrag wird durch eine Kürzung der monatlichen Provision von 20 % verrechnet.“ Ist nämlich in jedem Fall eng und einschränkend auszulegen, wie das Landgericht dies zutreffend getan hat. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass eine solche Abrede geeignet war, die wirtschaftliche Beweglichkeit und Entscheidungsfreiheit des Handelsvertreters in beträchtlicher Weise zu beschränken. Bei gehaltenen Umsätzen musste der Beklagte fünf Jahre den Provisionsabzug in Höhe von 20 % erdulden, um den Anspruch der Klägerin auf das Einstandsgeld zu verdienen. Dies bedeutete, dass der Handelsvertreter in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt war, eine etwa unbefriedigende Tätigkeit für die Klägerin zu beenden. Eine solche Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit des Handelsvertreters durch ein Einstandsgeld ohne Gegenleistung kann nicht ohne weiteres hingenommen werden. Demgemäß kann hier mit dem Landgericht davon ausgegangen werden, dass ein selbstständiges Zahlungsversprechen in der vertraglichen Abrede nicht zu sehen ist und dass diese bei ergänzender Auslegung auch nicht dahin zu vervollständigen sein kann, dass bei vorzeitiger Kündigung der Restanspruch aus den 26.000,– DM durch den beklagten Handelsvertreter zu zahlen wäre. Wäre dies gewollt gewesen, hätte die Klägerin eine solche Regelung im Vertragswerk ausdrücklich aufnehmen müssen. Ob eine solche Knebelung des Handelsvertreters, die ihn für unzumutbare Dauer an die Klägerin zu binden geeignet war, dann wirksam gewesen wäre, bliebe jedoch immer noch zweifelhaft. Da die Parteien eine solche eindeutige Zahlungsregelung für den Fall einer Vertragsbeendigung nach kurzer Zeit jedoch nicht getroffen haben, besteht, da sie für den Handelsvertreter nicht interessengerecht wäre, auch kein Anlass, sie im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in das Vertragswerk hinein zu lesen. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, wenn – wie die Klägerin behauptet – für den Streitfall davon ausgegangen wird, dass der Beklagte das Handelsvertreterverhältnis seinerseits durch Kündigung zum 31. Dezember 1998 beendet hat. Zu diesem Zeitpunkt waren sich die Parteien bereits einig, dass die Handelsvertretung beiderseits unbefriedigend verlief, sodass die Kündigung durch den Beklagten nicht als eine solche anzusehen ist, die etwa mutwillig oder zur Unzeit erfolgt wäre. Ebenso wenig hilft es der Klägerin, wenn sie mit Schriftsatz vom 29. August 2000 behauptet, die 26.000,– DM seien dem Beklagten als Darlehn hingegeben worden (GA 139). Hierauf deutet aus der Abrede der Parteien nichts hin.

III. Der Einstandsbetrag in Höhe von 26.000,– DM steht der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung des Handelsvertretervertrages durch den Beklagten zu. Die Klägerin trägt nichts dafür vor, durch welche schuldhafte Handlung oder Unterlassung konkret der Beklagte ihr einen Schaden in dieser Höhe zugefügt haben soll.

IV. Da die Berufung das landgerichtliche Urteil und das dortige Rechenwerk im Übrigen nicht angreift, war sie, nachdem der Klägerin der Einstandsbetrag von 26.000,– DM nicht zusteht, ohne weiteres zurückzuweisen.

V. Die – nicht nachgelassenen – Schriftsätze vom 17.11., 20.11. und 22.11.2000 geben keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.

VI. Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten und auf §§ 708 Nr. 10 ZPO, 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.

Schlagwörter
Zahlungsversprechen (1) Vorzeitige Kündigung (1) Handelsvertretervertrag (17) Entscheidungsfreiheit (1) Einstandsgelder (1) Einschränkende Auslegung (1)