Keine isolierte Kündigung einer Zuschussvereinbarung
39 O 47/16 Urteil verkündet am 14. Juli 2017 LG Düsseldorf Provisionsabrechnung, Buchauszug und Bucheinsicht, Provisionsanspruch, VersicherungsvertretervertragLandgericht Düsseldorf
Im Namen des Volkes
Urteil
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.078,62 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.500,00 € seit dem 28.10.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 90 %, die Klägerin zu 10 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertriebspartnervertrag.
2 Die Klägerin war vom 01.10.2012 bis zum 31.03.2015 Versicherungsvertreterin der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin. Vorher war sie Vertreterin einer anderen Versicherungsgesellschaft. Am 01.10.2012 schloss sie einen Vertretungsvertrag mit der … Versicherung. Danach sollte die Beklagte neben Provisionen gemäß der Anlage zum Vertrag (K 1) bis zum 30.09.2016 einen Betreuungs- und Verwaltungs-Provisions-Zuschuss (BVP-Zuschuss) erhalten, der zunächst 2.050,00 € monatlich betrug und sich gemäß Ziffer 1. der Anlage zum Vertretungsvertrag (K 1) jährlich verringerte; für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis 30.09.2015 betrug der monatliche BVP-Zuschuss 1.500,00 €. Nach Ziffer 3. der Vereinbarung konnte die Zuschussvereinbarung zum Ende eines jeden Monats mit einer Frist von einer Woche gekündigt werden. Nach der Fusion der Beklagten mit der … Versicherung schloss die Klägerin einen Vertriebspartnervertrag mit der Beklagten (Anlage C 2 b), der ebenfalls eine Vereinbarung über einen BVP-Zuschuss enthielt (Anlage K 2), der hinsichtlich Dauer und Höhe der Vereinbarung mit der … entsprach und in Ziffer IV. 2. zur Beendigung folgende Regelung enthielt:
3 „Diese Vereinbarung endet zu den jeweils genannten Ablaufterminen automatisch, ohne dass es einer besonderen Kündigung bedarf, spätestens mit Beendigung des Vertriebspartnervertrages. In der Zwischenzeit kann sie unabhängig vom Vertriebspartnervertrag mit einer Frist von einem Monat zum Monatsschluss schriftlich gekündigt werden.“
4 Wegen der weiteren Einzelheiten zum Inhalt der Verträge mit der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin wird auf die Anlagen K 1 und K 2 sowie die Anlagen C 1 bis C 2 b verwiesen.
5 Die Klägerin erwirtschaftete bis Ende 2014 eine durchschnittliche Bestandspflege- und Verwaltungsprovision von 652,29 € und eine durchschnittliche Abschlussprovision von 139,53 € monatlich. Zusammen mit dem BVP-Zuschuss von 1.500,00 € erhielt sie monatlich ca. 2.200,00 €.
6 Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 20.11.2014 (K 3) den BVP-Zuschuss zum 31.12.2014. Mit Schreiben vom 05.12.2014 (K 4) kündigte sie den Vertriebspartnervertrag zum 31.03.2015 und stellte die Klägerin bis zum Vertragsende frei. Bis zum 31.03.2015 zahlte sie der Klägerin nur noch die durchschnittliche Betreuungs- und Verwaltungsprovision in Höhe von monatlich 652,29 € und die durchschnittliche Abschlussprovision in Höhe von monatlich 139,53 €. Den BVP-Zuschuss zahlte sie ab Januar 2015 nicht mehr.
7 Die Klägerin verlangt die Zahlung des BVP-Zuschusses für Januar bis März 2015 nebst kapitalisierter Zinsen hierauf in Höhe von 578,62 € für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 27.10.2016 sowie die Provisionsabrechnung für Januar 2015 nebst einem Teilbetrag der sich daraus ergebenden Provision von 600,00 €.
8 Sie macht geltend, der BVP-Zuschuss sei auch während der Freistellung zu zahlen. Die Zuschussvereinbarung könne nicht isoliert gekündigt werden. Höhe und Laufzeit des Zuschusses seien individualvertraglich ausgehandelt worden, während die Regelung zur Kündigung eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung sei. Die Möglichkeit zur Kündigung des Zuschusses sei in den Vertragsverhandlungen zur Zuschussvereinbarung nicht erwähnt worden. Sie habe Anspruch auf die im Januar 2015 verdienten Betreuungs- und Verwaltungsprovisionen, die ca. 2.200,00 € betrage und bei Freistellung fortbestehe, weil sie durch die Betreuungsleistungen im Jahr 2014 verdient worden sei. Lediglich die Abschlussprovision sei zu schätzen, weil die Klägerin sie in Folge der Freistellung nicht mehr habe verdienen können.
9 Die Klägerin beantragt,
1.
10 die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.078,62 € nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 4.500,00 € seit dem 27.10.2016 zu zahlen;
2. a)
11 die Beklagte zu verurteilen, ihr die Provisionsabrechnung für den Januar 2015 zu erteilen;
2. b)
12 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Teilbetrag von 600,00 € nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2015 zu zahlen.
13 Die Beklagte beantragt,
14 die Klage abzuweisen.
15 Die Beklagte hält die Kündigung der Zuschussvereinbarung für wirksam. Die Regelung zur Kündigung sei keine Allgemeine Geschäftsbedingung, weil die Parteien lange über die Zuschussvereinbarung verhandelt hätten. Außerdem bestehe nach der Freistellung schon deshalb kein Anspruch auf den BVP-Zuschuss, weil die Klägerin aufgrund der Freistellung keine Kundenpflege mehr habe betreiben können. Die Entschädigung für die Zeit der Freistellung richte sich nach der abschließenden Regelung in Ziffer 10.5 des Vertriebspartnervertrages nach der Durchschnittsprovision im Zeitraum vor der Freistellung.
16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
17 Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg. Antrag 1. ist begründet, während die Anträge 2. a) und 2. b) keinen Erfolg haben.
I.
18 Das Landgericht Düsseldorf ist nach der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 14.02.2017 sachlich zuständig.
19 Sonst bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage; der Antrag 2. a) ist hinreichend bestimmt.
II.
20 Antrag 1. ist begründet.
21 Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von jeweils 1.500,00 € von Januar bis März 2015, insgesamt 4.500,00 € aus der Zuschussvereinbarung vom 29.08.2013 (K 2). Danach stand der Klägerin in diesem Zeitraum ein Zuschuss von monatlich 1.500,00 € zu.
1.
22 Der Anspruch ist nicht durch die Kündigung der Zuschussvereinbarung mit Schreiben der Beklagten vom 20.11.2014 (K 3) entfallen, denn die Kündigung ist unwirksam.
23 Das in Ziffer IV. Nr. 2 Satz 2 der Zuschussvereinbarung vorgesehene isolierte Kündigungsrecht mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Regelung den Versicherungsvertreter unangemessen benachteiligt.
24 Diese Bestimmung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass die Parteien diese Regelung individuell ausgehandelt haben. Auch wenn die Vertragsparteien „stundenlang“ über den BVP-Zuschuss verhandelt haben mögen, heißt das nicht, dass die Beklagte das Kündigungsrecht ernsthaft zur Disposition gestellt hat oder dass die Parteien überhaupt darüber gesprochen haben. Konkreter Vortrag der Beklagten hierzu fehlt. Nach dem Vortrag der Klägerin wurde lediglich über Höhe und Dauer des Zuschusses verhandelt, was auch durchaus naheliegt.
25 Der Umstand, dass die Klägerin die Regelung zur Kündigung angesichts des geringen Umfangs der Zuschussvereinbarungen bei sorgfältiger Lektüre hätte wahrnehmen können und müssen, bedeutet nicht, dass diese Vereinbarung ausgehandelt worden ist.
26 Die Bestimmung benachteiligt die Klägerin bzw. den Versicherungsvertreter entgegen Treu und Glauben unangemessen und ist mit Sinn und Zweck des BVP-Zuschusses nicht vereinbar, sondern steht im Widerspruch dazu. Dieser Zuschuss dient ersichtlich dazu, den Lebensunterhalt der Klägerin bis zum Aufbau eines eigenen ausreichenden Bestandes zu sichern, wie sich auch an der gestaffelten Höhe zeigt. Dieser Zweck wird durch das Kündigungsrecht vereitelt, denn da die Kündigungsfrist für die Zuschussvereinbarung kürzer ist als die Kündigungsfrist für den Handelsvertretervertrag und die Vereinbarung unabhängig vom Handelsvertretervertrag gekündigt werden kann, wäre die Klägerin verpflichtet, bis zur Beendigung des Handelsvertretervertrages weiter für die Beklagte tätig zu sein ohne ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, weil nach den Vorstellungen der Vertragsparteien der von der Klägerin bis dahin erarbeitete Bestand hierzu nicht ausreichte. Andere Möglichkeiten zur Deckung ihres Lebensunterhalts durch ihre berufliche Tätigkeit hat die Klägerin nicht, weil sie für die Dauer des Vertrages nicht für andere Versicherungsunternehmen tätig werden darf. Die Bindung der Klägerin an einen Vertrag ohne die Möglichkeit, durch ihre Tätigkeit ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, widerspricht Treu und Glauben und ist der Klägerin nicht zumutbar.
27 Die Regelung zur isolierten Kündigung der Zuschussvereinbarung ist damit nichtig. Da die Zuschussvereinbarung nicht isoliert kündbar ist, endet die Pflicht zur Zahlung des BVP-Zuschusses erst mit dem Ende des Handelsvertretervertrages.
2.
28 Der Anspruch auf Zahlung des Zuschusses ist nicht durch die Freistellung der Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weggefallen. Die Klägerin hat zwar (unstreitig) ab der Freistellung nicht mehr ihre Gegenleistung erbracht. Dies beruht aber nicht auf einer Arbeitsverweigerung der Klägerin, sondern auf der Beklagten, die die Klägerin durch die Freistellung gehindert hat, ihre Leistung zu erbringen. Damit ist die Beklagte in Annahmeverzug geraten und schuldet die vereinbarte Gegenleistung, zu der auch der BVP-Zuschuss gehört.
3.
29 Der Anspruch auf Zahlung des Zuschusses in der Zeit der Freistellung ist auch nicht durch die Regelung der Vergütung während der Freistellung gemäß Ziffer 10.5 des Vertriebspartnervertrages vom 29.08.2013 (Anlage C 2 b) ausgeschlossen, wonach die Beklagte im Fall der Freistellung als Entschädigung eine Provision nach dem Durchschnitt im näher bezeichneten Zeitraum vor der Freistellung zu zahlen hat. Durch diese Regelung wird der Anspruch aus der Zuschussvereinbarung nicht ausgeschlossen. Die Folgen der Freistellung auf den Anspruch aus der Zuschussvereinbarung sind in Ziffer 10.5 des Vertriebspartnervertrages nicht erwähnt und in der Zuschussvereinbarung nicht geregelt. Dem Regelungszusammenhang ist nicht zu entnehmen, dass der Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Zuschusses während der Freistellung entfallen sollte. Vielmehr ist Ziffer 10.5 des Vertriebspartnervertrages zu entnehmen, dass der Handelsvertreter durch die Freistellung keinen Einkommensnachteil erleiden sollte, denn er sollte die Durchschnittsprovision und damit auch sein Durchschnittseinkommen aus der Zeit vor der Freistellung weiter erhalten. Bestand das Einkommen des Handelsvertreters, hier der Klägerin, zum Teil aus einem Zuschuss, ist dieser auch Bestandteil des fortzuzahlenden Einkommens.
III.
30 Die Anträge 2. a) und 2. b) sind dagegen unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Abrechnung gemäß § 87 c Abs. 1 HGB noch auf Zahlung für Januar 2015. Mangels eines Anspruchs auf Zahlung der Provision für Januar 2015 fällt auch der Abrechnungsanspruch als Hilfsanspruch weg.
31 Die Klägerin will mit der Abrechnung nach eigenen Angaben ihren Anspruch auf Zahlung der Bestandsbetreuungsprovision für Januar 2015 geltend machen. Ab Januar 2015 hatte sie weder einen Anspruch auf eine Bestandsbetreuungsprovision noch eine Abschlussprovision. Gemäß Ziffer 10.5 des Vertriebspartnervertrages erhält der Versicherungsvertreter nämlich ab Freistellung nicht mehr die nach dem konkreten Bestand errechnete Bestandsbetreuungsprovision, sondern eine nach der Durchschnittsprovision der letzten 12 Monate vor der Freistellung errechnete Provision. Maßgeblich sind somit nicht die ab Januar 2015 „verdienten“ Provisionen, sondern die Durchschnittsprovisionen.
32 Bedenken gegen diese Regelung sind weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht worden.
IV.
33 Die Entscheidung über die Zinsen einschließlich der kapitalisierten Zinsen für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 27.10.2015 in Höhe von 578,62 € (vgl. Anlage K 5) beruhen auf §§ 286 Abs. 2 Nr. 2, 288 Abs. 2 BGB.
34 Die prozessualen Nebenentscheidungen sind nach §§ 92, 709 ZPO gerechtfertigt.
35 Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 21.06.2017 enthält keinen entscheidungserheblichen neuen Vortrag und ist kein Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
36 Streitwert:
37 Antrag 1. 4.500,00 €
38 Antrag 2. a) 550,00 € (2.200,00 € : 4)
39 Antrag 2. b) 600,00 €
40 insgesamt 5.100,00 € (§ 44 GKG)