Trunkenheitsfahrt als Grund zur fristlosen Kündigung
14 O 274/04 Beschluss verkündet am 25. August 2004 LG Stuttgart Kündigung des HandelsvertretervertragsLandgericht Stuttgart
Im Namen des Volkes
Beschluss
In dem Rechtsstreit
[…]
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten werden nicht erstattet.
Gründe
Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, da die eingereichte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Antrag Ziff. 1:
Die beantragte Feststellung, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Handelsvertretervertrag nicht durch die fristlose Kündigung vom 07.04.2004 aufgelöst wurde, kann nicht getroffen werden. Die außerordentliche Kündigung greift durch.
Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Klägers formwirksam. Das Schriftformerfordernis für die Kündigung ergibt sich aus der Vereinbarung in § 14 Abs. 4 des Handelsvertretervertrages vom 10.03./13.03.2002. Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten Schriftform genügt nach § 127 Abs. 2 BGB die telekommunikative Übermittlung. Das die Kündigung enthaltende Telefax der Beklagten (Anlage K 5) stellt eine Form der telekommunikativen Übermittlung dar und genügt den Formvoraussetzungen.
Die Kündigung ist auch in der Sache gemäß § 89 a HGB wirksam, da für die Beklagte ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben ist. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 89 a HGB liegt vor, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses bis zu dem durch ordentliche Kündigung herbeizuführenden Endigungszeitpunkt nicht zumutbar ist (Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl. § 89 a Rz 6).
Eine ordentliche Kündigung war der Beklagten nach § 89 Abs. 1 HGB mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten auf den Schluss des betreffenden Kalendermonats möglich, da sich das Handelsvertreterverhältnis, das auf der Grundlage des ersten Handelsvertreter-Vertrages vom 23.07.1999 mit Beginn zum 01.01.2000 begründet wurde, im Zeitpunkt der Kündigung im fünften Jahr befunden hat. Am 07.04.2004 hätte der Handelsvertretervertrag damit zum 31.07.2004 ordentlich gekündigt werden können. Das Abwarten dieser Frist war der Beklagten im Hinblick auf die Alkoholabhängigkeit des Klägers nicht zumutbar.
Die Alkoholsucht des Klägers stellt eine Krankheit dar, die beim Kläger in der Vergangenheit wiederholt zu Ausfällen geführt hat. Der Kläger war während einer Tagung am 16. und 17.02.2004 angetrunken. Dadurch wurden die geschäftlichen Belange der Beklagten beeinträchtigt. Einerseits musste die Beklagte besorgen, dass durch das Fehlverhalten des Klägers der Ruf der Beklagten Schaden nimmt, denn die Alkoholisierung des Klägers bei der Tagung konnte bei den anderen Tagungsteilnehmern die Seriosität sowie die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit des Klägers ernsthaft in Frage stellen und dadurch auch das Unternehmen der Beklagten herabsetzen, deren wirtschaftliche Interessen der Kläger wahrzunehmen hatte. Zudem ist anzunehmen, dass mit der Alkoholisierung des Klägers eine Minderung seiner Aufnahmefähigkeiten verbunden war und dies den Erfolg der Fortbildungsmaßnahme nachteilig beeinflussen konnte. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass übermäßiger Alkoholkonsum zur Minderung der Leistungsfähigkeit führt.
Zuletzt führte die Alkoholsucht am 05.04.2004 zu einer Trunkenheitsfahrt des Klägers, die einen Unfall und den Entzug der Fahrerlaubnis des Klägers zur Folge hatte. Auch hierdurch kann es zu einer nachteiligen Einwirkung auf die Geschäfte der Beklagten kommen. Denn der Kläger ist bei einer jährlich als Handelsvertreter zurückgelegten Fahrtstrecke von 40.000 bis 50.000 Kilometern unbedingt auf die ständige Verfügbarkeit eines Fahrzeugs angewiesen. Der vom Kläger nach seinem Vortrag organisierte Fahrdienst durch seine Ehefrau und andere Personen sichert eine entsprechende Mobilität nicht, denn durch die geschaffene Abhängigkeit von der Disponibilität dieser Personen kann es bei kurzfristigen Ausfällen dieser Fahrer, etwa durch Krankheit, zu Fahrtschwierigkeiten für den Kläger kommen. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hält den Einsatz eines privaten Fahrdienstes zur Überbrückung eines alkoholbedingten Führerscheinentzugs für den Arbeitgeber nur dann für zumutbar, wenn die Fahrtätigkeit des Beschäftigten nur einen relativ unbedeutenden Platz einnimmt (LAG Rheinland-Pfalz, DB 90, 281). Da aber beim Handelsvertreter, und so auch beim Kläger, die Reisetätigkeit typisch ist, fehlt es insoweit an der Zumutbarkeit für das Unternehmen, die Behelfsmaßnahme hinzunehmen (Küstner, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. I, Rz 1865).
Vor allen Dingen musste die Beklagte aber aus dem Vorfall vom 05.04.2004 den Schluss ziehen, dass der Kläger alkoholbedingt auch in der Zukunft nicht in der Lage sein werde, seine Tätigkeit für die Beklagte zuverlässig zu verrichten. Nachdem der Kläger erst kurze Zeit vor dem Unfall bei der Tagung im Februar 2004 alkoholauffällig geworden war und er sodann in strafrechtlich relevanter Weise unter Alkoholeinfluss sogar ein Fahrzeug führte und dabei einen Unfall verursachte, hatte die Beklagte damit zu rechnen, dass sich die alkoholbedingten Ausfälle des Klägers fortsetzen und sich hierdurch auch Einbußen für die Beklagte ergeben können. Bei dem vom Kläger gezeigten Maß an Kontrollverlust lag die Befürchtung der Beklagten nahe, der Kläger könne zukünftig auch bei Kundenbesuchen alkoholisiert erscheinen und damit den Abschluss von Geschäften zumindest erschweren.
Dies gilt umso mehr, als zwischen den Parteien im März 2004 ein Telefonat stattfand, bei dem die Beklagte den Kläger eindringlich auf dessen Alkoholproblem hingewiesen hatte. Da das Gespräch in Ansehung der Trunkenheitsfahrt keine nachhaltige Wirkung zeigte, fällt die Prognose für den weiteren Verlauf der Alkoholabhängigkeit des Klägers negativ aus.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte ein gesteigertes Interesse an der vollen Einsatzkraft des Klägers für den umsatzstarken Zeitraum der Vororder bis Ende Mai 2004 hatte. Da jedoch für die Beklagte schwerwiegende Zweifel an der durchgehenden Einsatzfähigkeit des Klägers bestanden, durfte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum Kläger fristlos beenden.
Ewas anderes folgt nicht aus dem Vortrag des Klägers, wonach sich die Beklagte im Telefonat im März 2004 damit einverstanden erklärt habe, eine stationäre Entziehungskur auf das Jahresende zu legen. Eine etwaige dahingehende Zustimmung der Beklagten stand im Zusammenhang mit dem Hinweis des Klägers, er befinde sich bereits in ärztlicher Behandlung und war von der berechtigten Vorstellung der Beklagten getragen, der Kläger werde es nicht mehr zu Alkoholausfällen kommen lassen, die seine Tätigkeit für die Beklagte beeinträchtigten.
Nachdem der Kläger dieser Vorstellung durch die wenig später erfolgte Trunkenheitsfahrt den Boden entzogen hat, kann er sich nicht darauf berufen, das die Beklagte weitere alkoholbedingte Ausfälle hinzunehmen habe.
Antrag zu Ziff. 2:
Da der Handelsvertretervertrag bereits durch die fristlose Kündigung beendet wurde, kommt es auf die Wirkung einer – hilfsweise erfolgten – ordentlichen Kündigung nicht an. Allerdings würde bei Hinwegdenken des wichtigen Grundes zur fristlosen Kündigung eine ordentliche Kündigung vorliegen, die das Vertragsverhältnis zum 31.07.2004 beendet hätte. Das Ausüben des Rechts zur ordentlichen Kündigung begründet ein sittenwidriges Verhalten nicht.
Anträge Ziff. 3 und 4:
Der Kläger kann keine Auskunft über die abgeschlossenen Verträge und sich daraus ergebende Provisionen verlangen.
Der Kläger hat einen dahingehenden Anspruch nach § 8 des Handelsvertretervertrages nur für die Dauer des Vertragsverhältnisses. Die Beklagte hat aber die bis zum 07.04.2004 abgeschlossenen Geschäfte bereits abgerechnet und beauskunftet, ohne dass ein hieraus sich ergebender Provisionsanspruch des Klägers dargelegt wäre.
Im Prozesskostenverfahren werden die dem Gegner entstandenen Kosten nicht erstattet (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).