Voraussetzungen für eine konkludent vereinbarte Stellung als Bezirksvertreter i. S. des § 87 Abs. 2 HGB; Bezirksprovision des Handelsvertreters
I 16 U 166/02 Urteil verkündet am 9. Mai 2003 OLG Düsseldorf HandelsvertretervertragOberlandesgericht Düsseldorf
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[…]
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2003 durch […] für Recht erkannt:
Tenor
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Juli 2002 verkündete Teilurteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens – einschließlich der Wiedereinsetzung – zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat aus den mit den Parteien in der Senatssitzung erörterten Gründen keinen Erfolg.
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, obwohl der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entgegen § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung (§ 26 Satz 1 Nr. 5 EGZPO) nicht innerhalb von zwei Monaten ab der am 8. August 2002 erfolgten Zustellung des Teilurteils, also bis zum 8. Oktober 2002, sondern erst am 9. Oktober 2002 eingegangen ist.
Dem Kläger ist insoweit auf seinen Antrag vom 28. Oktober 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er glaubhaft gemacht hat, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Verlängerungsantrag vor Fristablauf zu stellen und damit die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.
Der Fehler, welcher der erfahrenen und sonst zuverlässigen Bürokraft des Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Führen des Fristenkalenders unterlaufen ist die Eintragung des falschen Datums für den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, ist ein Umstand, durch den der Kläger unverschuldet verhindert war, die Frist zur Berufungsbegründung einzuhalten. Er hat insbesondere dargelegt und durch eidesstattliche Versicherung der Bürokraft Frau S. und anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dass Letzteren an der Fristversäumnis kein Verschulden trifft, für das er nach § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen hätte, dieser insbesondere den Sorgfaltspflichten genügt hat, welche die Rechtsprechung an ihn im Zusammenhang mit der Führung und Kontrolle des Fristenkalenders stellt. Dabei kommt vorliegend dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Zivilprozesses der Fristbeginn für die Berufungsbegründung in § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO neu geregelt worden ist. Durch diese Änderung der Zivilprozessordnung und die damit auch noch verbundenen Übergangsregelungen war eine Situation eingetreten, die eine erhebliche Kontrolle und Überwachung der Berechnung und Notierung der Fristen durch das Büropersonal erforderlich machten. Jedenfalls in der Übergangszeit darf der Prozessbevollmächtigte nicht die Berechnung der Berufungsbegründungsfrist und die entsprechende Eintragung in den Fristenkalender nicht eigenverantwortlich seinem Büropersonal überlassen, sondern muss die Fristen entweder selbst berechnen oder zumindest das vom Büropersonal vermerkte Fristende überprüfen und ggf. berichtigen (vgl. nur: OLG Frankfurt, OLGR 02, 253 f.).
Der Kläger hat durch anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dass dieser die Führung des Fristenkalenders mit Frau S. einer sorgfältig ausgewählten und bewährten Bürokraft überlassen hat, deren Eignung und Zuverlässigkeit er in den vergangenen 13 Jahren laufend überwacht hat, dass er sie auf die Änderung der für die Berufungsbegründungsfrist maßgeblichen Vorschrift des § 519 ZPO a. F. hingewiesen und dass er sogar – die Berufungsbegründungsfrist im konkreten Fall selbst – richtig berechnet hat, es indessen dann durch eine Ablenkung seiner Bürokraft zu einem Fehler bei der Eintragung des Datums in den Fristenkalender gekommen ist.
Da er auch innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist die versäumte Prozesshandlung – die Berufungsbegründung – nachgeholt hat (§§ 236 Abs. 2, 234 Abs. 1 ZPO) ist dem Kläger Wiedereinsetzung zu gewähren.
II. Die somit zulässige Berufung hat indessen keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass der Kläger von dem Beklagten nicht die Zahlung einer sogenannten Bezirksprovision gemäß § 87 Abs. 2 HGB verlangen kann und seine Stufenklage daher insoweit unbegründet ist.
Die erfolgsunabhängige Bezirksprovision kann nur der Handelsvertreter beanspruchen, dem der Unternehmer vertraglich Kundenschutz für einen bestimmten räumlich umgrenzten Kundenkreis zusagt.
Eine solche rechtswirksame Kundenschutzvereinbarung kann, wenn sie nicht Bestandteil eines ausnahmsweise formbedürftigen Handelsvertretervertrages sein soll, formlos und konkludent zustande kommen, sofern die Vertragspartner erkennbar eine Regelung nach § 87 Abs. 2 HGB treffen und dem Handelsvertreter eine zusätzliche Vergütung gemäß § 87 Abs. 2 HGB zubilligen wollen.
Derartiges kann durch die Bezeichnung als Bezirksvertreter durch Zusicherung von Bezirks-, Kunden- oder Projektschutz, durch Provisionsversprechen für alle direkten oder indirekten sowie mittelbaren oder unmittelbaren Geschäfte zum Ausdruck gebracht werden. Insoweit reichen weder die Einräumung einer Alleinvertretung noch die Zuweisung eines Vertragsgebiets, das im Zweifel nur das Arbeitsgebiet des Handelsvertreters umschreibt, aus.
Kraft Gesetzes treten die Rechtswirkungen des § 87 Abs. 2 HGB dann ein, wenn erkennbar eine Regelung nach Abs. 2 gewollt ist, also auch wenn ohne vertragliche Absprachen tatsächlich Bezirks oder Kundenschutz gewährt wird, indem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine Provision nach § 87 Abs. 2 HGB über einen längeren Zeitraum für alle getätigten Geschäfte in einem Bezirk oder mit einem bestimmten Kundenkreis zahlt und beide Parteien die Vorstellung haben, dass die Zahlungen in Erfüllung einer tatsächlich bestehenden Kundenschutzvereinbarung vorgenommen werden (vgl. nur: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Rdnr. 43 zu § 87; Münchener Kommentar/von Hoyningen Hoene, HGB, Rdnr. 73 ff. zu § 87).
Dass dem Kläger bei Vertragsschluss eine Bezirksvertretung im Sinne des § 87 Abs. 2 HGB zugewiesen oder das Vertragsverhältnis jedenfalls in der Folgezeit derart tatsächlich gehandhabt worden ist, lässt sich – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – indessen nicht feststellen.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz ist es zwischen den Parteien nicht außer Streit, ob der Beklagte ihm das Vertretungsgebiet Schweiz bei Vertragsschluss zugewiesen hat. Der Beklagte hat das Vorbringen des Klägers, ihm sei dieses Vertretungsgebiet zugewiesen worden, ausdrücklich bestritten (Bl. 17 ff., 36 GA) und ausgeführt, er habe ihm lediglich 10 % Provision für die von ihm vermittelten Geschäfte […] zugesagt, so dass den Kläger die Beweislast für das Vorliegen einer Bezirksvertretung im Sinne des § 87 Abs. 2 HGB trifft. Zu Unrecht meint der Kläger, der Beklagte müsse den Nachweis führen, dass eine Bezirksvertretung oder Provision ausdrücklich abbedungen sei. Eine solche Beweislast kann den Unternehmer allenfalls treffen, wenn feststeht, dass eine Bezirkshandelsvertretung tatsächlich vereinbart worden ist.
Hierfür hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme jedoch nichts ergeben. Die Ehefrau des Klägers hat vielmehr einräumen müssen, dass bei den Vertragsverhandlungen nicht ausdrücklich darüber gesprochen worden ist, dass sie und der Kläger die „ganze Schweiz“ vertreten (Bl. 61 GA). Übereinstimmend damit hat die Zeugin St. die frühere Lebensgefährtin des Beklagten bekundet, dem Kläger sei keine Gebietsprovision, sondern nur eine solche für seine Kunden und Neukunden zugesagt worden (Bl. 59 GA).
Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass der Beklagte dem Kläger auch ohne ausdrückliche Abrede – Bezirksschutz gewährt hat. Der Kläger selbst verlangt einen Buchauszug und – dementsprechend Provision für die nicht von ihm vermittelten Geschäfte mit Kunden in der Schweiz und hat im Schriftsatz vom 22. April 2002 (Bl. 100 GA) ausdrücklich angeführt, der Beklagte habe ihn über Geschäfte mit bestimmten schweizer Kunden nie informiert und für sie keine Provision gezahlt.
Da somit schon nicht festgestellt werden kann, dass dem Kläger der geographische Bezirk, der Schweiz von dem Beklagten zugewiesen worden ist, kommt es nicht weiter darauf an, ob in der Bekleidungswirtschaft der Übertragung eines bestimmten Vertretungsgebiets – kraft Handelsbrauchs – zugleich die Bedeutung einer geographischen Kundenschutzzusage zukommt (Bl. 191 GA). Aus seiner Tätigkeit ist dem Senat allerdings ein solcher, Handelsbrauch bislang nicht bekannt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Wiedereinsetzung gemäß § 97 Abs. 1, § 238 Abs. 4 ZPO zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Beschwer des Klägers beträgt 10.000,– €.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 ZPO in der gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung liegen nicht vor. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Rechtsstreit nicht auf, auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.