Wirksamkeit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten in einem Händlervertrag; kein Schadensersatzanspruch wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung; Fehlen einer relativen Marktmacht

U (Kart) 1/22 Urteil verkündet am 21. September 2022 OLG Düsseldorf Vertragshändlerrecht

Oberlandesgericht Düsseldorf
Im Namen des Volkes
Urteil

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 30. November 2021 in Verbindung mit Beschluss vom 7. Januar 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
  3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund dieses Urteils bzw. des angefochtenen Urteils jeweils vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
  5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis 80.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Beendigung eines Vertragshändlerverhältnisses durch die Beklagte und einen sich daraus womöglich ergebenden Schadensersatzanspruch des Klägers.

Der Kläger vertreibt seit 1974 neue Motorräder der Marke X. an Endverbraucher. Daneben vertreibt er weitere X.-Produkte, nämlich Roller, Leichtkrafträder, Ersatzteile und Zubehör, und darüber hinaus seit 2006 X.1-Motorräder und Produkte der Marken X.2 und X.3 sowie als Vertragshändler X.4‑Automobile. Zudem handelt er mit gebrauchten Motorrädern.

Die Beklagte ist eine selbständige Niederlassung und hundertprozentige Tochter der Z. mit Sitz in …, die wiederum hundertprozentige Tochter der japanischen Z.1 ist.

Seit 2003 bestand zwischen den Parteien ein schriftlicher Händlervertrag, der eine Kündigungsfrist von 18 Monaten zum Monatsende vorsah. Dieser Vertrag wurde im Herbst 2017 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 durch einen „selektiven Händlervertrag“ (Anlage K-2) abgelöst. § 8.1 dieses Vertrags lautet:

Dieser Vertrag beginnt am Tage des Vertragsbeginns und endet am Ende des Kalenderjahrs in welchem der Vertragsbeginn liegt.

Dieser Vertrag verlängert sich automatisch für ein weiteres Kalenderjahr, es sei denn, eine der Parteien kündigt diesen Vertrag schriftlich mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung dieses Vertrags aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

Mit Schreiben vom 17. April 2019 (Anlage K‑3), das unter anderem von dem Prokuristen der Beklagten, E., unterschrieben war, erklärte diese gegenüber dem Kläger unter anderem Folgendes:

„… wir möchten unsere Geschäftsbeziehung nicht mehr fortsetzen und kündigen aus diesem Grund den bestehenden Vertragshändler-Vertrag für den Zweiradbereich gemäß Punkt 8.1 ordentlich und fristgerecht zum 31.12.2019“

Der Kläger hat erstinstanzlich die Feststellung begehrt, dass die Kündigung der Beklagten vom 17. April 2019 das Vertragsverhältnis nicht beendet hat und die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu den Bedingungen eines X.-Vertragshändlers weiter zu beliefern. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei formell unwirksam, weil sie nur von einem Prokuristen und einer Mitarbeiterin unterschrieben wurde. Zudem hat er behauptet, bei Abschluss des Händlervertrags sei ihm gegenüber der Eindruck erweckt worden, dass die Beklagte keine Kündigung dieses Vertrags beabsichtige, weshalb die Kündigung seiner Meinung nach treuwidrig sei. Im Übrigen sei die Kündigung aus kartellrechtlichen Gründen unwirksam oder die Kündigungsfrist jedenfalls zu kurz bemessen; hierzu hat der Kläger behauptet, zum einen dass er unternehmensbedingt abhängig von der Beklagten sei und zum anderen dass die Beklagte zusammen mit C., I., L. und L.1 ein marktbeherrschendes Oligopol bilde. Darüber hinaus verstoße nach seiner Auffassung die die Vertragsbeendigung betreffende Vertragsklausel gegen AGB-Recht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten.

Hinsichtlich weiterer Anträge, die der Kläger zunächst angekündigt hatte, haben die Parteien das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Vertragsverhältnis sei durch ordentliche Kündigung der Beklagten zum Ende des Jahres 2019 beendet worden. Der Prokurist sei gemäß § 49 HGB zum Ausspruch der Kündigung ermächtigt gewesen. Diese sei auch nicht treuwidrig gewesen; der Kläger habe nicht unter Beweis gestellt, dass die Beklagte ihn nur deshalb zum Abschluss des neuen Händlervertrags bewegt habe, um ihm leichter kündigen zu können. Dafür, dass sich die Beklagte habe verpflichten wollen, jeden Händler in ihr Vertriebssystem aufzunehmen, der bestimmte Kriterien erfülle, gebe es keine Anhaltspunkte. Ebenso könne nicht angenommen werden, dass die Entscheidung, dem Kläger zu kündigen, willkürlich erfolgt sei. Die vertragliche Regelung zur Beendigung des Händlervertrags sei weder isoliert betrachtet noch in der Zusammenschau mit den weiteren Vertragsklauseln unwirksam. Weder sei sie so ungewöhnlich, dass der Vertragspartner nicht mit ihr zu rechnen brauche, noch sei sie unklar oder intransparent und benachteilige den Vertragspartner bei der gebotenen abstrakt-generellen Betrachtung auch nicht unangemessen. Die Kündigung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot unwirksam. Die Beklagte habe keine marktbeherrschende Stellung und der Kläger habe nicht nachvollziehbar zu den Voraussetzungen eines marktbeherrschenden Oligopols vorgetragen. Auch das Vorliegen einer relativen Marktmacht der Beklagten gegenüber dem Kläger könne nicht festgestellt werden. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger als Nachfrager fabrikneuer X.-Motorräder in der Weise von der Beklagten abhängig ist, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Hersteller auszuweichen. Der Kläger habe nicht dazu vorgetragen, dass und warum es ihm nicht möglich war, die Umstellung seines Betriebs innerhalb der Kündigungsfrist vorzubereiten.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er rügt das Verfahren des Landgerichts und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Zudem macht er geltend, dass die Kündigungserklärung der Beklagten nicht als Erklärung, dass der befristete Vertrag nicht fortgesetzt werden solle, auszulegen sei. Die durch den Prokuristen ausgesprochene Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil erkennbar gewesen sei, dass er bewusst zum Nachteil des Geschäftsinhabers gehandelt habe. Die Beklagte unterliege Kündigungsschranken bei Strukturkündigungen in einem qualitativ-selektiven Vertriebssystem. Der Kläger stellt seinen Antrag in der Berufungsinstanz teilweise auf einen bezifferten Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichtbelieferung im Jahr 2020 um und macht insofern einen Teilbetrag von 64.900,00 € geltend. Hierzu behauptet er, er hätte 2020 im Durchschnitt 55 X.-Fahrzeuge zu einem Kaufpreis von durchschnittlich 8.500,00 € bei einer durchschnittlichen Marge von … % verkauft. Zudem seien ihm ein Werkstattgewinn von … € und ein Gewinn aus dem Verkauf von Ersatzteilen in Höhe von … € entgangen.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 17. April 2019 das Vertragsverhältnis der Parteien nicht zum 31. Dezember 2019 beendet hat, sondern dieses bis zum 31. Dezember 2020 fortbestand und die Beklagte verpflichtet war, den Kläger bis zu diesem Zeitpunkt zu den Bedingungen eines X.-Vertragshändlers in Deutschland weiter zu beliefern, und aus Gründen der Nichtbelieferung dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Teil des Belieferungsschadens 64.900,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und im Übrigen alle weiter entstandenen Schäden, die dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 aus der Nichtbelieferung mit X.-Produkten (neue Motorräder, Ersatzteile und Zubehör) entstanden sind, zu ersetzen;

3. das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 30. November 2021 aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen.

Dabei stellt er klar, dass über den Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung zunächst entschieden werden soll. Einen ursprünglich mit der Berufungsbegründung angekündigten Hilfsantrag auf Feststellung der Erledigung hat er zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und hält die teilweise Umstellung des Antrags auf einen bezifferten Zahlungsantrag für eine unzulässige Klageänderung, der sie widerspricht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht liegen nicht vor. Vielmehr ist die Berufung zurückzuweisen, weil sich die Klage unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens und der Änderung des Antrags teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet erweist.

1. Der Senat entscheidet gemäß § 538 Abs. 1 ZPO in der Sache selbst. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Urteils und des Verfahrens und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht liegen nicht vor.

a) Der Kläger macht geltend, das Urteil sei nicht in dem durch Verlegungsbeschluss vom 14. Juni 2021 bestimmten Verkündungstermin am 29. Oktober 2021, sondern erst am 30. November 2021 verkündet worden. Über eine eventuelle Verlegung des Termins vom 29. Oktober 2021 sei er nicht informiert worden. Hierdurch sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da er in Kenntnis der Verlegung des Verkündungstermins noch rechtzeitig vor diesem zu dem Schriftsatz der Beklagten vom 29. September 2021 hätte Stellung nehmen können. Damit seien die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt.

b) Eine (klarstellende) Aufhebung des Urteils unter dem Gesichtspunkt, dass es sich auf Grund eines Verkündungsmangels um ein unwirksames Schein- oder Nicht‑Urteil handele, scheidet aus. Zwar ist nach Aktenlage der Kläger über die (weitere) Verlegung des Verkündigungstermins zunächst auf den 18. November 2021 und schließlich auf den 30. November 2021 nicht informiert worden. Auch ist bedenklich, dass der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen die Verlegung des auf den 18. November 2021 bestimmten Termins erst am 22. November 2021 verfügt hat. Allerdings sind auch fehlerhaft zustande gekommene Urteile grundsätzlich wirksam. Verkündungsmängel stehen dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2017, VIII ZR 204/16, Rn. 7 bei juris). Ein – wie es hier lediglich der Fall ist – Verstoß gegen Vorschriften über die Anberaumung und Bekanntgabe des Verkündungstermins führt nicht dazu, dass ein gleichwohl verkündetes Urteil nur ein Scheinurteil ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 1954, GSZ 3/54).

c) Nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist eine Aufhebung und Zurückverweisung möglich, soweit das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

Ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, kann hier dahinstehen, da jedenfalls kein Mangel gegeben ist, der zur Folge hat, dass in der Berufungsinstanz eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, kann der Senat vielmehr ohne Durchführung einer Beweisaufnahme in der Sache selbst entscheiden. Im Berufungsverfahren hatte der Kläger auch Gelegenheit, auf das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 29. September 2021 zu reagieren, so dass es nicht darauf ankommt, dass ein Gehörsverstoß des Landgerichts nur dann in Betracht käme, wenn es in seiner Entscheidung – unzulässigerweise – neues Vorbringen in diesem Schriftsatz zum Nachteil des Klägers verwendet hätte. Im Übrigen hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb ihm die aus seiner Sicht gebotene Reaktion auf diesen Schriftsatz nicht bis zu dem ihm noch bekannten Verkündungstermin am 29. Oktober 2021 möglich war.

2. Die Änderung des zunächst auf Feststellung der Belieferungspflicht gerichteten Antrags dahingehend, dass nunmehr die Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Nichtbelieferung bzw. konkret bezifferter Schadensersatz begehrt wird, ist gemäß § 525 Satz 1, § 264 Nr. 3 ZPO keine Klageänderung und daher ohne Weiteres zulässig. Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage war das Jahr 2020 noch nicht abgelaufen, womit der Kläger noch ein Interesse an der Feststellung der Belieferungspflicht in diesem Jahr hatte. Dieses ist mit Ablauf des Jahres 2020 entfallen, so dass der Kläger mit seiner Klage nunmehr das Schadensersatzinteresse verfolgen kann.

3. Die Klage ist mit den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen teilweise unzulässig, worauf in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist.

a) Bedenken bestehen einerseits, soweit der Kläger mit dem Antrag zu 2 neben dem bezifferten Teilbetrag den Ersatz aller weiterer Schäden, die ihm in der Zeit vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 aus der Nichtbelieferung mit X.-Produkten (neue Motorräder, Ersatzteile und Zubehör) entstanden sind, begehrt. Ein unbezifferter Leistungsantrag ist – von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen – nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Senat versteht den Antrag daher dahingehend, dass die Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht auf Grund der Nichtbelieferung im Jahr 2020 begehrt wird. Diese macht der Kläger allerdings bereits mit dem Antrag zu 1 geltend.

b) Der Antrag zu 1 ist unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse nicht gegeben ist. Ein solches ist in der Regel zu verneinen, wenn der Kläger lediglich die Feststellung einer Schadensersatzpflicht begehrt, obwohl er den ihm entstandenen Schaden bereits konkret beziffern könnte.

Allerdings ist der Vorrang der Leistungsklage kein Selbstzweck, sondern soll vielmehr der Prozessökonomie dienen. Daher besteht grundsätzlich dann, wenn ein bei Klageerhebung noch nicht bezifferbarer Anspruch erst im Laufe des Verfahrens bezifferbar wird, keine Pflicht des Klägers, den ursprünglich zulässigen Feststellungsantrag unter Einführung neuen Streitstoffs (zur Schadenshöhe) auf einen Leistungsantrag umzustellen; ebenso kann insgesamt ein Feststellungsinteresse angenommen werden, wenn nur Teile des Anspruchs bereits bezifferbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020, I ZR 228/19, Rn. 15 bei juris). Anders liegt der Fall hingegen, wenn der Kläger – wie hier – einen Schaden erst im Laufe des Verfahrens und dann nur teilweise beziffert, obwohl er bereits insgesamt bezifferbar ist oder jedenfalls der Kläger nicht dargelegt hat, was einer vollständigen Bezifferung entgegensteht. Eine derartige Vorgehensweise ist nicht verfahrensökonomisch, da einerseits hinsichtlich des bezifferten Teils zusätzlicher Streitstoff in das Verfahren eingeführt wird, andererseits aber der Kläger bei Erfolg seiner Klage den bislang nicht bezifferten Schaden in einem weiteren Verfahren geltend machen müsste.

Der Kläger hat nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb er den ihm auf Grund der Nichtbelieferung im Jahr 2020 entstandenen Schaden nicht vollständig beziffern kann. Im Verhandlungstermin hat er dazu erklärt, die Schäden aus dem Jahr 2021 seien noch nicht klar, weil hierzu noch keine Unterlagen vorlägen. Er erläutert jedoch nicht, weshalb das Fehlen von Unterlagen für das Jahr 2021 einer Bezifferung entgegenstehen sollte. Schon für das Jahr 2020 ermittelt der Kläger seinen Schaden nicht anhand von Unterlagen für dieses Jahr, sondern durch Schätzung der auf Grund der Nichtbelieferung entgangenen Umsätze und des sich daraus ergebenden entgangenen Gewinns. Vor diesem Hintergrund ist nicht verständlich, warum für die Folgejahre, für die er in diesem Verfahren keine Belieferungspflicht der Beklagten geltend macht, bislang noch nicht vorliegende Unterlagen benötigt werden.

4. Soweit die Klage zulässig ist, also hinsichtlich des konkret bezifferten Zahlungsantrags, ist sie unbegründet, womit die Berufung des Klägers insgesamt zurückzuweisen ist. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280, 281 BGB oder § 33a Abs. 1, § 33 Abs. 1 GWB wegen Nichtbelieferung im Jahr 2020 zu, da das Vertragsverhältnis der Parteien durch die Erklärung der Beklagten vom 17. April 2019 gemäß § 8.1 des Händlervertrags mit Ablauf des 31. Dezember 2019 endete.

a) Die Regelung zur Beendigung des Vertragsverhältnisses in § 8.1 des Händlervertrags hält der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle stand. Sie ist weder gänzlich unwirksam noch ergänzend dahin auszulegen, dass eine längere Frist für die Abgabe der Erklärung, den Vertrag nicht verlängern zu wollen, zu gelten hat. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

aa) Ohne Erfolg macht die Berufung einen Verstoß der Vertragsklausel gegen § 305c BGB geltend.

(1) Nach dieser Vorschrift, die gemäß § 310 BGB auch gegenüber Unternehmern anwendbar ist, werden AGB-Klauseln nicht Vertragsbestandteil, die so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Damit sind Klauseln gemeint, denen ein Überrumpelungseffekt innewohnt und die eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Diese Erwartungen werden dabei von allgemeinen und individuellen Begleitumständen bestimmt. Zu ersteren zählen etwa der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung, zu letzteren der Gang und der Inhalt der Vertragsverhandlungen und der äußere Zuschnitt des Vertrags. Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises an (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 10. September 2002, XI ZR 305/01, Rn. 13 bei juris).

(2) Dass die Vertragsklausel des § 8.1 nach diesen Maßgaben überraschend ist, kann nicht festgestellt werden.

(a) Insbesondere ergibt sich dies nicht daraus, dass die „Kündigungsfrist“ von derjenigen des vorherigen Händlervertrags abweicht. Es liegt nicht nahe, dass ein Hersteller, der – wie hier im Jahr 2017 geschehen – sein Vertriebssystem ändert und dazu bestehende Händlerverträge beendet, um sie durch neue Verträge zu ersetzen, Verträge schließt, die inhaltsgleich zu den bisherigen Verträgen sind. Gründe, weshalb der Kläger gerade mit einer Änderung der Regelung zur Vertragsbeendigung nicht zu rechnen brauchte, sind nicht ersichtlich.

(b) Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe es nach der vertraglichen Beendigungsregelung in der Hand, die Beendigungsfrist selbst zu bestimmen, da diese abhängig von dem Zeitpunkt der Nichtfortsetzungserklärung zwischen 18 Monaten (bei einer Erklärung zu Beginn der zweiten Halbjahrs) und sechs Monaten (bei einer Erklärung kurz vor Ende des ersten Halbjahrs) liegen könne, führt dies weder dazu, diese Klausel als überraschend anzusehen, noch ergeben sich daraus Zweifel bei der Auslegung der Klausel, die gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten gingen. Zunächst wird angemerkt, dass die Regelungen zur Beendigungserklärung für beide Vertragsparteien gleichermaßen gelten. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass ein bestimmter Stichtag festgelegt wird, bis zu dem eine Erklärung, die eine bestimmte Rechtsfolge nach sich zieht, abgegeben werden muss. Die Regelung ist nicht missverständlich, von dem Kläger nicht missverstanden worden und macht auch das Vertragsende nicht unkalkulierbar. Der Kläger konnte sich darauf einstellen, dass der Vertrag zumindest bis zum Jahresende und ab Juli eines jeden Jahres zumindest bis zum Ende des kommenden Jahres dauert.

(c) Soweit andere Motorradhersteller in ihren Händlerverträgen andere Regelungen zur Vertragsbeendigung getroffen haben, ergibt sich allein daraus nicht, dass der Kläger eine bestimmte Beendigungsfrist in den Geschäftsbedingungen erwarten durfte, zumal schon die von dem Kläger (als Anlage K‑22) vorgelegten Vertragsbedingungen der Hersteller C., I., L.1 und L. nicht sämtlich inhaltsgleich sind. So sieht etwa der Vertrag des Herstellers L.1 unter Nr. 13.3 im Gegensatz zu den Verträgen der anderen Hersteller vor, dass die Verlängerung der festgelegten Vertragsdauer eine schriftliche Mitteilung des Händlers voraussetzt und der Vertrag spätestens fünf Jahre nach Ende der ursprünglich vereinbarten Vertragszeit endet. Im Übrigen läge ein Verstoß gegen § 305c Abs. 1 BGB – wie oben ausgeführt – nur bei einer deutlichen Abweichung von den Erwartungen, mit der der Vertragspartner vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte, vor. Eine solche ist jedoch nicht darin zu sehen, dass statt einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Monatsende – wie in den vom Kläger vorgelegten Verträgen der genannten Hersteller – die streitgegenständliche Beendigungsfrist vorgesehen ist, die zu einer Zeit von rund sechs bis 18 Monaten zwischen Beendigungserklärung und Vertragsende führen kann.

bb) Die Vertragsklausel des § 8.1 hält auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Inhaltskontrolle nach §§ 307, 310 BGB stand.

(1) Zu Unrecht reklamiert der Kläger einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, die das Landgericht nicht geprüft habe. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit führt, auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(a) Dieses Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist, vielmehr muss die Regelung auch im Kontext mit den übrigen Regelungen des Klauselwerks verständlich sein. Erforderlich ist ferner, dass zusammengehörende Regelungen im Zusammenhang aufgeführt werden oder der Zusammenhang in anderer Weise, etwa durch Bezugnahme auf konkrete Klauseln, deutlich gemacht wird. Der Vertragspartner soll seine Rechte möglichst klar und einfach feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Eine Vertragsgestaltung, die objektiv geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung irrezuführen, verstößt danach gegen das Transparenzgebot. Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 25. Februar 2016, VII ZR 156/13, Rn. 31 bei juris). Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Dieses verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Letzteres wäre dann der Fall, wenn dem Verwender ein schrankenloses Ermessen eingeräumt würde, das den Vertragspartner in einen Zustand der Unsicherheit versetzt, den er nicht beheben kann (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 19. Mai 2016, III ZR 274/15, Rn. 26 f. bei juris).

(b) Diesen Anforderungen ist hier Genüge getan. Wie schon oben angesprochen, ist die Klausel des § 8.1 nicht missverständlich. Ihr ist vielmehr ohne Schwierigkeiten zu entnehmen, bis zu welchem Zeitpunkt die Nichtfortsetzung erklärt werden muss, damit der Vertrag zum Ende des laufenden Jahres endet, und dass er sich andernfalls automatisch um ein Jahr verlängert. Dass damit von dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte die Nichtfortsetzung erklärt, abhängt, wie lang die Zeit zwischen dieser Erklärung und dem Vertragsende ist, bedeutet nicht, dass ihr durch die Klausel ein schrankenloses Ermessen eingeräumt wird, das den Vertragspartner in einen nicht behebbaren Zustand der Unsicherheit versetzen kann. Die Klausel räumt hinsichtlich der Dauer der Beendigungsfrist überhaupt kein Ermessen ein, sondern regelt klar, zu welchem Zeitpunkt das Vertragsverhältnis endet. Dass damit die Beklagte (wie auch ihr Vertragspartner) selbst entscheiden kann, ob sie relativ früh oder lediglich sechs Monate vor dem beabsichtigten Vertragsende die Erklärung abgibt, eröffnet ihr zwar einen Handlungsspielraum, aber kein Ermessen in Bezug auf den Regelungsinhalt der Klausel. Ein solcher Handlungsspielraum bestünde im Übrigen auch bei Klauseln, die eine bestimmte Kündigungsfrist von z.B. zwölf Monaten zum Monatsersten vorsehen. Auch dann wäre keine Vertragspartei gezwungen, die Kündigungsfrist voll auszuschöpfen, sondern könnte auch deutlich früher als zwölf Monate vor dem beabsichtigten Vertragsende erklären, dass der Vertrag nicht über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt werden soll.

(2) Die Bestimmung des § 8.1 des Händlervertrags enthält auch im Übrigen keine unangemessene Benachteiligung des Klägers im Sinne von § 307 Abs. 1, 2 BGB.

(a) Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders im Sinne von § 307 BGB ist gegeben, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 19. Mai 2016, III ZR 274/15, Rn. 29 bei juris). Dabei kommt es für die Prüfung der Angemessenheit einer AGB-Klausel auf die Anschauungen der Verkehrskreise an, die regelmäßig an dem Abschluss von Verträgen des streitigen Typs beteiligt sind. Geboten ist damit, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ein abstrakt‑genereller Prüfungsmaßstab und nicht eine individualisierende Betrachtungsweise, die darauf abstellt, ob der im Einzelfall betroffene Kunde (im Gegensatz zu anderen Kunden) unangemessen benachteiligt wird (vgl. Wurmnest in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 307 Rn. 42 f.).

(b) Wie vom Landgericht zutreffend festgestellt, weicht die in § 8.1 des Vertrags vereinbarte Mitteilungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende für die Nichtverlängerung nicht vom dispositiven Gesetzesrecht ab, so dass eine unangemessene Benachteiligung nach der Vermutungsregel des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht in Betracht kommt.

(c) Die Beurteilung der Unangemessenheit im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB richtet sich daher nach einer Abwägung der beteiligten Interessen, zu denen vorliegend im Wesentlichen das Interesse der Beklagten daran zählt, über die Nichtverlängerung des auf ein Jahr befristeten Vertragsverhältnisses möglichst kurzfristig entscheiden zu können, und das Interesse des Klägers daran, über die Nichtverlängerung möglichst langfristig in Kenntnis gesetzt zu werden. Wie das Landgericht mit Recht ausgeführt hat, trägt das Vorbringen des darlegungs- und beweisbelasteten Klägers nicht die Feststellung, dass die in § 8.1 des Händlervertrags vereinbarte sechsmonatige Frist für die Mitteilung der Nichtverlängerung bei der gebotenen abstrakt‑generellen Betrachtung zu einer unangemessenen Benachteiligung eines typischen X.‑Händlers führt. Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine anderweitige Entscheidung. Nach wie vor lässt sich nicht feststellen, dass aufgrund des Geschäftszuschnitts eines typischen X.-Händlers oder der für diesen bestehenden Anforderungen an die Länge der Mitteilungsfrist für die Nichtverlängerung eine sechsmonatige Mitteilungsfrist zum Jahresende eine unangemessene Benachteiligung darstellt.

(aa) Dabei ist von vornherein zu berücksichtigen, dass nach der in Rede stehenden Klausel die Möglichkeit der Kündigung nicht einseitig dem Verwender, sondern beiden Vertragsteilen gleichermaßen offensteht.

(bb) Soweit der Kläger reklamiert, dass mit der Vertragsbeendigung die Finanzierungsdarlehen der mit X. verbundenen T. fällig gestellt würden, ist dieser Vortrag im Hinblick auf die konkrete Erwiderung der Beklagten nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte hat nämlich vorgetragen, dass sich die Finanzierung durch die T. an das Zahlungsziel der Beklagten von in der Regel 60 Tagen (sofern es nicht vorher zu einer Weiterveräußerung durch den Kläger kommt) anschließe und sämtliche bei Beendigung des Händlervertrags bereits bestehenden Finanzierungen auch über die Beendigung hinaus mit einer Gesamtdauer von bis zu 720 Tagen fortgesetzt würden. Dies habe zur Folge, dass nur die in den letzten zwei Monaten vor Beendigung des Händlervertrags an einen ausscheidenden Händler gelieferten Zweiräder nicht mehr in die Einkaufsfinanzierung übernommen werden. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Ausgehend von diesem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten hat die Vertragsbeendigungsfrist keinen entscheidenden Einfluss auf die so oder so immer nur die letzten zwei Monate der Vertragslaufzeit nicht greifende Finanzierung durch die T.. Im Übrigen ist auch der Vortrag des Klägers zu den für ihn nachteiligen Folgen des Ausbleibens der Finanzierung nicht hinreichend substantiiert. Der pauschale Hinweis, der Finanzierungszins der T. liege „etwa …-…% unter dem marktüblichen Finanzierungszins, wenn solche Geschäfte von anderen Banken überhaupt angeboten werden, was bei der überwiegenden Vielzahl der Banken nicht der Fall ist“, reicht nicht aus, um eine unangemessene Benachteiligung durch die getroffene Regelung feststellen zu können. Daher kann offenbleiben, ob der Wegfall einer zusätzlichen, über die Regelungen des Händlervertrags hinausgehenden Vergünstigung, nämlich die nach dem Vortrag des Klägers günstige Finanzierung, es überhaupt rechtfertigen kann, die Vertragsbeendigungsfrist als unangemessen kurz anzusehen.

(cc) Soweit der Kläger ferner geltend macht, er könne bei einer sechsmonatigen Mitteilungsfrist für die Nichtverlängerung nicht entscheiden, ob er Mitarbeiter entlassen müsse, seinen Betrieb aufgebe, ob er eine kleinere Betriebsfläche suche und ob er in der Lage sei, eine andere Marke zu finden, ist nicht nachvollziehbar dargetan, warum solche Entscheidungen nicht typischerweise innerhalb eines halben Jahres getroffen werden können, sondern längere Zeit benötigen sollen. Der Verweis auf § 89b Abs. 4 HGB, wonach der Handelsvertreter seinen Ausgleichsanspruch innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen hat, kann den notwendigen Sachvortrag nicht ersetzen, zumal die Vorschrift keinerlei Aussage zur Länge von Kündigungs- oder Mitteilungsfristen vor Beendigung des Vertragsverhältnisses trifft und hier daher ohnehin nicht herangezogen werden kann.

(dd) Als unangemessen kann die hier bestimmte Mindestfrist von sechs Monaten zum Jahresende auch nicht deshalb angesehen werden, weil die vom Kläger als Anlage K‑22 auszugsweise vorgelegten Verträge anderer Motorradhersteller überwiegend Kündigungsfristen von 12 Monaten zum Monatsende einräumen. Ob diese Verträge „aktuell“ sind, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, ist dabei unerheblich. Dass sich insoweit ein allgemeiner, die Frist von einem halben Jahr übersteigender Standard etabliert habe (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1995, KZR 33/93, Rn. 20 bei juris), lässt sich aufgrund der Unterschiede der Vertragsgestaltungen nicht feststellen. Denn während die von dem Kläger vorgelegten Verträge anderer Motorradhändler überwiegend auf unbestimmte Zeit abgeschlossen oder auf längere Zeit befristet (L.1: vier Jahre) und von daher auf längere Laufzeiten ausgerichtet sind, die auch längere Kündigungsfristen erfordern können, ist der vorliegende Vertrag von vornherein auf die Dauer eines Jahres befristet und damit – unbeschadet der Verlängerungsmöglichkeit – nicht in vergleichbarem Maße auf längere Zeiträume gerichtet, ohne dass der Kläger hiergegen Angemessenheitsbedenken erhebt, so dass eine Unangemessenheit der halbjährigen Mitteilungsfrist für die Nichtverlängerung nicht mit dem Hinweis auf die Vertragsgestaltung anderer Motorradhändler begründet werden kann. Im Übrigen stehen, wie bereits oben ausgeführt, bei dem Hersteller L.1, dessen befristeter Vertrag ebenfalls eine Verlängerungsoption vorsieht, der 12-monatigen Kündigungsfrist die für den Vertragspartner nachteiligen Regelungen, dass die Verlängerung des Vertragsverhältnisses vom Händler schriftlich mitgeteilt werden muss und der Vertrag automatisch fünf Jahre nach Ende der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit endet, gegenüber.

(ee) Der Verweis des Klägers auf die in den vor 2018 geltenden Händlerverträgen der Beklagten geregelte längere Kündigungsfrist von 18 Monaten ersetzt nicht konkreten Vortrag dazu, weshalb die nunmehr vorgesehene kürzere Beendigungsfrist einen typischen X.‑Händler unangemessen benachteiligt.

(ff) Der Kläger wird seiner Darlegungs- und Beweislast auch nicht durch seine Ausführungen dazu gerecht, dass das Gebiet in … einfach „voll“ sei und die dort herrschende Wettbewerbslage sich auf die großen fünf Marken X., X.5, X.6, X.7 und X.8 aufteile, dass die vier großen Wettbewerber von X. Verträge mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten unterhielten und die Aussichten, einen neuen Motorradhersteller zu finden, vom Ausscheiden anderer Vertragshändler abhingen, wie die Anbahnung eines neuen Vertragshändlerverhältnisses vonstattengeht, dass Signalisation und Innenbauten nach den Vorgaben des Herstellers übernommen werden und Mitarbeiter geschult werden müssen. Mit alledem ist nicht nachvollziehbar dargetan, warum die Ausrichtung eines bisherigen X.-Händlers auf andere Hersteller typischerweise nicht innerhalb von sechs Monaten gelingen kann. Der Kläger hat insbesondere nicht dargelegt, dass es einen typischen X.‑Händler unangemessen benachteiligt, wenn er nach Beendigung des Händlervertrags nicht nahtlos einen neuen Vertrag mit einem anderen Hersteller der „Big Five“ schließen kann, sondern zunächst oder möglicherweise auch auf Dauer als markenungebundener Händler tätig ist. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten gibt es in Deutschland neben 1.800 markengebundenen ca. 900 bis 1.000 markenungebundene Motorradhändler. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ein Vertragshändlerverhältnis zu einem Hersteller der „Big Five“ erforderlich ist, um wirtschaftlich erfolgreich Motorräder vertreiben zu können. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass die Umstellung eines typischen X.‑Vertragshändlers zu einem ungebundenen Händler mehr als sechs Monate erfordert. Er selbst vertrieb bereits zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung neben X. die Marken X.1, X.2 und X.3 sowie die Automarke X.4. Darüber hinaus nahm er bei Verkauf von Neufahrzeugen gebrauchte Motorräder verschiedener Marken in Zahlung und veräußerte diese weiter. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass der Wegfall des Händlervertrags mit der Beklagten eine Umschulung der Mitarbeiter oder Umgestaltung der Verkaufsräumlichkeiten erforderte, die mehr als sechs Monate in Anspruch nimmt. Dass die Ausgangslage eines typischen X.‑Händlers sich wesentlich von derjenigen des Klägers unterscheidet, macht dieser nicht geltend.

(gg) Auch der Umstand, dass die Vertragsbeendigungsklausel nicht danach unterscheidet, wie lange das Vertragsverhältnis des Herstellers zu dem Händler – im Fall des Klägers seit 1974 – bereits besteht, führt nicht dazu, in ihr eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners zu sehen. Die Ausführungen in den vorstehenden Absätzen treffen auch auf Händler zu, zu denen langjährige Lieferbeziehungen bestehen. Da damit auch diese durch eine Beendigungsfrist von sechs Monaten nicht unangemessen benachteiligt werden, gibt es keinen Grund, deren Länge von der Dauer der Vertragsbeziehung abhängig zu machen. Ein Anspruch auf Besserstellung gegenüber anderen Vertragspartnern ergibt sich aus § 307 BGB nicht.

b) Bedenken gegen die formale Wirksamkeit der Erklärung der Beklagten zur Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses bestehen nicht.

aa) Der Kläger stellt sich unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats in einem Parallelverfahren (VI‑U (Kart) 4/21) auf den Standpunkt, dass § 8.1 des Händlervertrags zur Beendigung des Vertragsverhältnisses keine Kündigung im technischen Sinne, sondern die Erklärung, dass das Vertragsverhältnis nicht für ein weiteres Jahr fortgesetzt werden solle, erfordere und die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 17. April 2019 nicht entsprechend ausgelegt werden könne.

Dem folgt der Senat nicht. Der Erklärung der Beklagten ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass sie auf eine Nichtfortsetzung des Vertragsverhältnisses zum Ablauf des Kalenderjahrs gerichtet ist. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut, wonach die Beklagte die „Geschäftsbeziehung zukünftig nicht mehr fortsetzen“ möchte, sowie daraus, dass sie die auf „Punkt 8.1“ gestützte „Vertragskündigung“ als „ordentlich“ bezeichnete und von einem Vertragsende zum 31. Dezember 2019 ausging. Allein die Bezeichnung der Erklärung als Kündigung führt nicht dazu, dass sie so verstanden werden konnte, als wäre sie auf etwas anderes als die Beendigung des Vertragsverhältnisses gemäß § 8.1 Abs. 2 Satz 1 des Händlervertrags gerichtet, zumal dort vorgesehen ist, dass das Vertragsverhältnis „gekündigt“ werden müsse, um die automatische Verlängerung zu verhindern.

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers steht der formellen Wirksamkeit der Nichtfortsetzungserklärung auch nicht entgegen, dass diese nicht von den Geschäftsführern, sondern (unter anderem) einem Prokuristen abgegeben worden ist.

(1) Nach § 49 Abs. 1 HGB ermächtigt die Prokura zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, und nach § 50 Abs. 1 und 2 HGB ist eine Beschränkung des Umfangs der Prokura Dritten gegenüber unwirksam, was insbesondere für die Beschränkung gilt, dass die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll.

(2) Bei der Erklärung der Nichtfortsetzung handelte es sich nicht um ein Grundlagen- oder Strukturgeschäft, das den Betrieb des Handelsgewerbes als solchen betrifft und zu dessen Abschluss die Prokura deshalb nicht ermächtigt, weil es kein Geschäft ist, das der Betrieb eines Handelsgewerbes „mit sich bringt“. Als solche Grundlagenentscheidungen sind etwa anerkannt Entscheidungen, die den Kreis und die Beteiligungsquote der Gesellschafter verändern, Entscheidungen über die Abwicklung der Gesellschaft, die Veräußerung oder Verpachtung des Handelsgeschäfts, die Umwandlung der Rechtsform des Unternehmens, die Änderung der Firma, die Änderung des Unternehmensgegenstands (vgl. zum Ganzen Krebs in: Münchener Kommentar zum HGB, 5. Auflage 2021, § 49 Rn. 23 ff.). Um ein Grundlagengeschäft in diesem Sinne handelt es sich weder bei der vorliegend in Rede stehenden Erklärung noch bei der dieser vorausgegangenen Entscheidung, die Vertriebsstruktur zu ändern und deshalb eine größere Zahl von Händlerverträgen zu beenden, so dass es nicht darauf ankommt, dass der Kläger nicht einmal behauptet, der Prokurist E. hätte die Entscheidung zur Änderung der Vertriebsstruktur eigenständig getroffen. Soweit auch Strukturentscheidungen nicht von der Prokura umfasst sind, handelt es sich um solche Entscheidungen, die die Struktur des Unternehmens betreffen, nicht aber um Entscheidungen über die Struktur des Vertriebs. Bei Letzteren handelt es sich vielmehr gerade um Geschäfte, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Aus diesem Grund kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Behauptung des Klägers an, es seien vor Ausspruch der ersten Kündigung keine transparenten Kriterien für die Auswahl der Händler, deren Verträge nicht fortgesetzt werden, festgelegt worden, weshalb die von dem Prokuristen ausgesprochenen Kündigungen willkürlich erfolgt seien. Ob die Ausübung der Prokura internen Vorgaben entspricht oder ob solche Vorgaben überhaupt existierten, ist für die Wirksamkeit der nach außen abgegebenen Erklärungen grundsätzlich unerheblich.

(3) Soweit der Kläger die in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Ausnahmefälle des Vollmachtsmissbrauchs in Form eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Vertreter und dem Erklärungsempfänger oder der für den Erklärungsempfänger jedenfalls erkennbaren Vollmachtsüberschreitung, jeweils zum Nachteil des Vertretenen, reklamiert, in denen die Vertretererklärung nichtig ist oder ihre Wirksamkeit jedenfalls in Analogie zu § 177 Abs. 1 BGB von der Genehmigung des Vertretenen abhängt (vgl. Krebs in: Münchener Kommentar zum HGB, 5. Auflage 2021, vor § 48 Rn. 78 ff.), liegt ein solcher Fall ersichtlich nicht vor (vgl. Senat, Urteil vom 5. August 2020, VI‑U (Kart) 10/20, Rn. 22 bei juris). Diese Ausnahmen dienen dem Schutz der Vertretenen, hier also der Beklagten, und nicht des Geschäftspartners, also des Klägers. Die Beklagte beruft sich jedoch auf die Wirksamkeit der Erklärung des Prokuristen und hat zu keinem Zeitpunkt Gegenteiliges zum Ausdruck gebracht. Im Übrigen wäre neben der – vom Kläger behaupteten – bewussten Vollmachtsüberschreitung zumindest auch vorwerfbares Verhalten des Geschäftspartners (bewusstes Zusammenwirken oder Erkennenmüssen) erforderlich. Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Da die Ausnahmen nicht dem Schutz des Klägers dienen, kann er auch nicht verlangen, dass die Kündigung bzw. Nichtfortsetzung ihm gegenüber begründet wird, damit er prüfen kann, ob möglicherweise ein Vollmachtsmissbrauch gegeben ist.

cc) Zu Unrecht meint der Kläger ferner unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2009 (VIII ZR 150/08), es habe bereits bei Ausspruch der „Kündigung“ der Darlegung der „Kündigungskriterien“ bedurft, die Kriterien, nach denen „gekündigte“ Betriebe ausgewählt worden seien, seien aber von der Beklagten „anfangs nie und später mehr oder weniger nachträglich individuell und zusammengestrickt und zögerlich vorgelegt“ worden, so dass die „Kündigungsadressaten“ willkürlich aufgrund eines intransparenten Entscheidungsprozesses ausgewählt worden seien. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 17. April 2019 ausgesprochene „ordentliche Kündigung“ bedarf zu ihrer formellen Wirksamkeit weder nach § 8 des Händlervertrags noch nach gesetzlichen Vorschriften der Begründung. Die vom Kläger zitierte Entscheidung betraf einen Anwendungsfall der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Art. 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor, die in Art. 3 Abs. 4 die Freistellung davon abhängig machte, dass die Kündigung eine ausführliche Begründung enthalten muss, die objektiv und transparent ist. Diese Regelung galt schon dem Wortlaut nach nur für eine Kündigung, nicht aber für die Erklärung der Nichtverlängerung eines befristeten Vertrages. Die Verordnung galt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 lit. n) zudem nicht für Zweiräder und ist überdies durch die Verordnung (EU) Nr. 461/2010 der Kommission vom 27. Mai 2010 über die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor abgelöst, die nach ihrem Art. 1 Abs. 1 lit. g) ebenfalls nicht für Zweiräder gilt, im Übrigen in ihrem Art. 3 auf die Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen verweist, die ein Begründungserfordernis für eine ordentliche Kündigung nicht enthält.

c) Aus dem Kartellrecht ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf eine spätere Beendigung des Händlervertrags und damit auf Schadensersatz wegen Nichtbelieferung im Jahr 2020.

(1) Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 33a Abs. 1, § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch unbillige Behinderung oder sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers besteht nicht, da die Beklagte nicht Normadressatin des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots ist. Es kann weder eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten noch eine gegenüber dem Kläger bestehende relative Marktmacht festgestellt werden.

(a) Eine Einzelmarktbeherrschung macht der Kläger mit der Berufung nicht geltend. Entgegen seiner Auffassung liegt jedoch auch keine marktbeherrschende Stellung durch ein Oligopol der Beklagten gemeinsam mit den Herstellern C., L., I. und L.1 gemäß § 18 Abs. 5, 6 GWB vor.

(aa) Die Voraussetzungen für die Oligopolvermutung gemäß § 18 Abs. 6 Nr. 2 GWB, wonach eine Gesamtheit von Unternehmen als marktbeherrschend gilt, wenn sie aus fünf oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen, sind nicht erfüllt.

Der Kläger hat erstinstanzlich für die von ihm in den Blick genommenen fünf Motorradhersteller zunächst einen gemeinsamen Marktanteil von … % im Vierjahresdurchschnitt der Jahre 2015 bis 2018 und damit (deutlich) unter zwei Dritteln reklamiert, der in einem einzelnen Jahr höchstens bei … % (2017) lag.

Soweit er nunmehr einen Marktanteil von insgesamt … % für das Jahr 2019 behauptet, bezieht sich dieser nach seinem eigenen Vortrag ausschließlich auf Motorräder, während die für die Jahre 2015 bis 2018 angegebenen Werte Motorräder und Motorroller einschließen. Dass im Verhältnis zwischen Herstellern und Händlern ein eigener Markt allein für Motorräder, dem also Motorroller nicht angehören, existiert, hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Wie sich aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt, vertreibt der Kläger neben Motorrädern auch weitere X.‑Produkte, nämlich unter anderem Roller und Leichtkrafträder. Entsprechend ergibt sich aus Anlage I zum Händlervertrag (Anlage K‑2), dass sich dieser auf sämtliche unter der Marke „X.“ angebotenen, fabrikneuen, motorisierten Zweiräder der Produktgruppen bis einschließlich sowie über 125 cm³ bezieht. Vor diesem Hintergrund ist der nicht belegte Vortrag des Klägers, die Beklagte vergebe sogenannte Leichtkraftrad-Händlerverträge, nicht nachvollziehbar. Bezüglich der weiteren Hersteller ist der Kläger dem Vortrag der Beklagten, dass diese Händlerverträge ausschließlich für ihr gesamtes Produktportfolio vergäben, nicht entgegengetreten. Hinsichtlich des demnach zu Grunde zu legenden gemeinsamen Marktes für Motorräder und Motorroller hat der Kläger auch für die Zeit nach 2018 keinen gemeinsamen Marktanteil der genannten fünf Hersteller von zwei Dritteln behauptet. Nach dem Vortrag der Beklagten betrug dieser … % im Jahr 2019.

(bb) Die Voraussetzungen für ein marktbeherrschendes Oligopol gemäß § 18 Abs. 5 GWB sind von dem Kläger auch nicht nachvollziehbar vorgetragen.

((1)) Bei der Beurteilung der Frage, ob ein marktbeherrschendes Oligopol vorliegt, hat eine zweistufige wettbewerbliche Prüfung zu erfolgen: In einem ersten Schritt ist festzustellen, dass zwischen mehreren Unternehmen kein wesentlicher Wettbewerb besteht (fehlender Binnenwettbewerb). Ist diese Voraussetzung erfüllt, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob die Gesamtheit der Oligopol-Unternehmen im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern eine marktbeherrschende Position inne hat, also keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine überragende Marktstellung besitzt (fehlender Außenwettbewerb).

Maßgebend für die Prognose, ob die Wettbewerbsbedingungen keinen wesentlichen Binnenwettbewerb zwischen den Oligopolmitgliedern erwarten lassen, ist eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände. Dabei kommt den Marktstrukturmerkmalen besonderes Gewicht zu. Insbesondere ist von Bedeutung, ob aufgrund der Marktstruktur mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten der Mitglieder des Oligopols zu rechnen ist, weil ein solches Verhalten aufgrund der Merkmale des relevanten Marktes wirtschaftlich vernünftig ist, um den gemeinsamen Gewinn durch Beeinflussung von Wettbewerbsfaktoren zu maximieren. Ein einheitliches Verhalten ist zu erwarten, wenn zwischen den beteiligten Unternehmen eine enge Reaktionsverbundenheit („implizite Kollusion“) besteht. Entscheidendes Indiz dafür ist zum einen die vorhandene Markttransparenz; sie muss die Oligopolmitglieder in die Lage versetzen, ohne größeren Aufwand sowie ausreichend genau und zeitnah Wettbewerbsvorstöße eines anderen Mitglieds des Oligopols zu erkennen. Maßgebliches Indiz sind zum anderen wirksame (d.h. glaubhafte, zeitnah zur Verfügung stehende und mit einem hinreichenden Drohpotenzial verbundene) Abschreckungs- und Sanktionsmittel der Unternehmen gegen Wettbewerbsvorstöße eines anderen Oligopolmitglieds. Es besteht kein Anreiz, von einem einheitlichen Verhalten abzuweichen, wenn ein auf Vergrößerung des eigenen Marktanteils gerichteter Wettbewerbsvorstoß erfolglos bliebe, weil er gleiche Maßnahmen der anderen Unternehmen auslösen würde. In diesem Zusammenhang sind die Symmetrie der beteiligten Unternehmen hinsichtlich Produktpalette, verwendeter Technologie und Kostenstruktur, etwaige Marktzutrittsschranken, die Nachfragemacht der Marktgegenseite und die Preiselastizität der Nachfrage zu berücksichtigen. Von Bedeutung kann auch sein, ob aufgrund der Homogenität des vertriebenen Produkts ein Produkt- und Qualitätswettbewerb nur eingeschränkt oder gar nicht in Betracht kommt, sowie ferner, ob die Mitglieder des Oligopols gesellschaftsrechtlich miteinander verflochten sind (vgl. zu allem BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2011, KVR 95/10, Rn. 48 f. bei juris).

Ähnlich große Marktanteile sind in diesem Zusammenhang nicht schon als solche ein Indiz für eine enge Reaktionsverbundenheit marktstarker Unternehmen, weil eine solche Verteilung der Marktanteile nicht bedeuten muss, dass damit verbundene Verhaltensspielräume im Wettbewerb ungenutzt bleiben. Die Verteilung der Marktanteile und insbesondere ihre Entwicklung über einen längeren Zeitraum können jedoch im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung berücksichtigt werden. Weist die Entwicklung der Marktanteile der beteiligten Unternehmen eine erhebliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse auf, die zu einer Angleichung der Marktanteile führt, spricht dies erfahrungsgemäß gegen die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols. Bleiben die Marktanteile dagegen über längere Zeit unverändert, kann dies als ein im Rahmen der erforderlichen Gesamtbeurteilung für ein marktbeherrschendes Oligopol sprechender Umstand gewürdigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2010, KVR 4/09, Rn. 25 bei juris).

  ((2)) Der Sachvortrag des Klägers wird den dargestellten Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines fehlenden Binnenwettbewerbs nicht gerecht. Erhebliche Umstände für die gebotene Gesamtbeurteilung der Wettbewerbsverhältnisse trägt er nicht vor. Er beschränkt sich im Wesentlichen auf die Darstellung der Marktanteile in den Jahren seit 2015, wobei die behaupteten Zahlen schon für sich betrachtet keinen Hinweis auf einen wettbewerbslosen Zustand zwischen den Produzenten C., I., Z., L. und L.1 geben. Denn seit 2015 ist es nach den vom Kläger vorgetragenen Marktanteilen bei mehreren dieser Motorradhersteller zu signifikanten Marktanteilsschwankungen gekommen, die auf einen wirksamen Wettbewerb zwischen diesen Unternehmen hindeuten können, nämlich bei C. (… % bis … %), Z. (… % bis … %) und L.1 (… % bis … %). Unzutreffend ist ferner die Behauptung des Klägers, die fünf genannten Wettbewerber hätten ihre Marktanteile unter Verdrängung anderer Marktteilnehmer gleichförmig von Jahr zu Jahr ausgebaut. Die Marktanteile der Produzenten C., I., Z., L. und L.1 unterlagen – ausgehend von dem Vortrag des Klägers – in den Jahren ab 2015 vielmehr durchgehend Schwankungen und lagen im Jahr 2018 teilweise unter denen von 2015 (C.: … % zu … %; Z,: … % zu … %). In der Summe haben sich keine starken Schwankungen ergeben, wobei allerdings der gesamte Marktanteil der fünf Hersteller im Jahr 2018 (… %) niedriger war als in den beiden Jahren zuvor (2015: … %; 2016: … %; 2017: … %). Soweit der Kläger geltend macht, die genannten fünf Hersteller hätten zunächst keine nach der „Euro 5“-Norm zulassungsfähigen Motorräder produziert und würden sich erst jetzt umstellen, taugt dies nicht als Nachweis für eine Reaktionsverbundenheit im Sinne „impliziter Kollusion“, die auf einen wettbewerbslosen Zustand hindeutet. Die Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens ist daher nicht veranlasst. Aus der Bezugnahme des Klägers auf den Vortrag der Beklagten, wonach jeder Hersteller auf die Modellpolitik von C. „lauere“, um vergleichbare Modelle im Portfolio zu haben, die sich in den Kategorien Preis, Technik und/oder Service von vergleichbaren Modellen anderer Hersteller, insbesondere C., absetzen, ergibt sich – selbstverständlich – ebenfalls kein fehlender Binnenwettbewerb.

(b) Eine relative Marktmacht der Beklagten gegenüber dem Kläger kann ebenfalls nicht festgestellt werden und ist entgegen der Berufungsbegründung auch nicht vom Landgericht festgestellt worden.

(aa) Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 GWB (in der vom 1. Januar 2018 bis zum 18. Januar 2021 geltenden Fassung) besteht eine relative Marktmacht, wenn kleine oder mittlere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem anderen Unternehmen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen. Eine unternehmensbedingte Abhängigkeit oder relative Marktmacht im Sinne dieser Vorschrift nimmt die Rechtsprechung in Fällen an, in denen sich ein Händler so stark auf den Verkauf von Produkten eines bestimmten Herstellers ausgerichtet hat, dass er nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile auf die Vertretung eines anderen Herstellers überwechseln kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2016, KZR 41/14, Rn. 28 bei juris).

(bb) Eine derart starke Ausrichtung des Klägers auf den Verkauf von X.‑Produkten kann nicht festgestellt werden. Neben diesen vertrieb er X.1‑Motorräder und Produkte der Marken X.2 und X.3 und ist Vertragshändler von X.4‑Automobilen, was auch in seiner Firmenbezeichnung zum Ausdruck kommt. Dass er bei dieser Ausgangslage bei einem Wegfall des Vertriebs von X.‑Produkten, auf die nach dem Vortrag des Klägers … % seiner Umsätze entfielen, gezwungen gewesen wäre, andere Hersteller zu finden, auf deren Vertretung er „überwechseln“ kann, ist schon nicht ersichtlich. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, die ausbleibenden X.‑Umsätze durch eine Ausweitung des Vertriebs der Produkte der genannten Marken zu kompensieren, obwohl bereits das Landgericht darauf hingewiesen hat, dass er sich zu deren Rolle äußern muss. Es fehlt auch im Übrigen jeglicher Vortrag dazu, welche Bemühungen der Kläger entfaltet hat, seinen Vertrieb umzustellen, und warum dafür in seinem konkreten Fall die Zeit von Mitte April bis Ende 2019 nicht ausreichend war. Der Hinweis auf die langjährige Vertragsbeziehung und allgemeine Ausführungen zu den Schwierigkeiten, kurzfristig einen neuen Händlervertrag abzuschließen, vermögen konkreten Vortrag zu den für die Annahme einer unternehmensbedingten Abhängigkeit erforderlichen erheblichen Wettbewerbsnachteilen, die sich für den Kläger aus der Umstellung ergeben, nicht zu ersetzen.

(2) Soweit der Kläger annimmt, die Beklagte unterliege Kündigungsschranken bei einem qualitativ‑selektivem Vertriebssystemen, spricht schon, wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, nichts dafür, im Fall des Vertriebs der Beklagten von einem solchen auszugehen. Die in diesem Zusammenhang von Kläger zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2009 betrifft – wie oben ausgeführt – eine Sonderreglung, die auf den Vertrieb von Zweirädern nicht anwendbar ist. Es gilt daher der Grundsatz, dass die Beklagte frei entscheiden kann, mit welchen Vertragspartnern sie zusammenarbeitet, sofern sie keinen Einschränkungen auf Grund einer besonderen Marktmachtstellung unterliegt. Dies ist jedoch, wie oben ausgeführt, nicht der Fall. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Vorschriften des Art. 101 AEUV und § 1 GWB verweist, fehlt es an der Darlegung ihrer Voraussetzungen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, wie sich aus einem Verstoß der Beklagten gegen das Kartellverbot der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergeben sollte.

(3) Da demnach die Beklagte sich nicht dafür rechtfertigen muss, weshalb sie die Verträge mit manchen Händlern beendet und mit anderen Händlern fortgesetzt hat, kann der Kläger auch keinen Anspruch daraus herleiten, dass ihm zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung nicht die Gründe für die Kündigung mitgeteilt worden sind und er daher nicht die Möglichkeit hatte aufzuzeigen, dass diese Gründe eher auf andere Vertragshändler als auf ihn zutreffen.

d) In der Beendigung des Händlervertrags ist entgegen der Auffassung des Klägers auch kein Verstoß gegen § 242 BGB bzw. § 241 Abs. 2 BGB zu sehen. Dies gilt schon deshalb, weil der Kläger – wie bereits ausgeführt – nicht dargelegt hat, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, seinen Betrieb in der Zeit von der Mitteilung der Nichtfortsetzung des Vertrags bis zum Vertragsende umzustellen, und das Verhalten der Beklagten daher nicht als treuwidrig oder rücksichtslos angesehen werden kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO), bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Rechtsfortbildung noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Besprechung(en) zur Rechtsprechung
Wirksamkeit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten in einem Händlervertrag; kein Schadensersatzanspruch wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung; Fehlen einer relativen Marktmacht
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