Zulässigkeit des Rechtsweges; „Regionaldirektor“; unerlaubte Konkurrenztätigkeit
2 TA 871/05 Beschluss verkündet am 28. April 2006 LAG Hamm Pflichten des Handelsvertreters, Wettbewerbsverbot und KonkurrenzverbotLandesarbeitsgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Beschluss
In dem Rechtsstreit
[..]
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm durch [..]
Tenor
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 14.09.2005 – 2 (4) Ca 911/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 19.762,85 festgesetzt.
Gründe
Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.
Der Kläger will feststellen lassen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.05.2005 nicht beendet worden ist. Die Beklagte nimmt den Kläger im Wege der Widerklage auf Rückzahlung von 35.276,17 € in Anspruch.
Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 1984 tätig. Er vermittelte Versicherungen, Bausparverträge und Kapitalanlagen zwischen Kunden und Partnergesellschaften der Beklagten. In dem Mitarbeitervertrag vom 18.05./22.05.1985 wurde mit dem Kläger der Status eines selbständigen Handelsvertreters vereinbart. Der Kläger verdiente monatlich durchschnittlich 10.000,00 €. Er führte die Bezeichnung „Regionaldirektor für die […]“. Neben der Vermittlung von Kunden oblag es dem Kläger, neue Mitarbeiter für die Beklagte anzuwerben und diese zu betreuen und zu schulen.
Die Beklagte kündigte die Zusammenarbeit am 23.05.2005 fristlos. Sie wirft dem Kläger unerlaubte Konkurrenztätigkeit vor.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Unständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt und die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Köln beantragt. Sie steht auf dem Standpunkt, der Kläger sei als selbständiger Handelsvertreter mit eigenem Gewerbe tätig geworden.
Hingegen meint der Kläger, er sei in Wahrheit Arbeitnehmer der Beklagten gewesen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen durch Beschluss vom 14.09.2005 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Siegen verwiesen. Zur Begründung seines dem Kläger am 10.10.2005 zugestellten Beschlusses hat es ausgeführt, der Kläger sei kein Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbG gewesen, denn er habe seine Arbeitszeit und seine Tätigkeit im Wesentlichen selbst frei gestalten können. Seine Einbindung in hierarchische Strukturen lasse den Kernbereich seiner Tätigkeitsfreiheit unberührt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.
Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24.10.2005, der noch am selben Tag eine Arbeitsgericht eingegangen ist,
sofortige Beschwerde
eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, es müsse richtig gesehen werden, dass er nicht etwa Handelsvertreter der Partnergesellschaften, sondern Mitarbeiter der Beklagten gewesen sei. Er sei sowohl an die innerbetrieblichen Dienstanweisungen der Beklagten als auch an die Richtlinien und Geschäftsanweisungen der Partnergesellschaften gebunden gewesen. Für den Fall der Einrichtung eines eigenen Büros oder einer besonderen Geschäftsstelle habe er vorher eine schriftliche Genehmigung einholen müssen. Ferner sei es ihm nicht gestattet gewesen, Anzeigen oder sonstige Werbemaßnahmen namens der Beklagten oder im eigenen Namen durchzuführen. Auch bei der Anleitung und Überwachung von angeworbenen oder auszubildenden Mitarbeitern habe er sich an die Anweisungen der Gesellschaft halten müssen. Die Nichtteilnahme an einer Führungskreistagung am 14.02.2005 und einer Direktorentagung am 06.03.2005 habe er besonders rechtfertigen müssen. Da er insgesamt nicht berechtigt gewesen sei, eigene Mitarbeiter zu beschäftigen, der von ihm genutzte Computer von der Beklagten angemietet worden sei, die Provisionszahlungen für die Vermittlung von Verträgen mit Partnergesellschaften ausschließlich über die Beklagte abgewickelt worden seien und er schließlich sämtlichen Geschäftsverkehr ausschließlich mit der Beklagten habe führen müssen, sei er in Wirklichkeit kein Handelvertreter, sondern Arbeitnehmer gewesen.
Die Beklagte beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Sie trägt ergänzend vor, bei den vom Kläger genannten Anweisungen handele es sich um Geschäftsanweisungen zur reibungslosen Abwicklung des Geschäftsverkehrs. Die Selbständigkeit des Klägers bleibe davon unberührt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerderechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die gemäß den §§ 48 Abs. 1, 78 Satz 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG an sich statthafte und im Übrigen gemäß den §§ 569, 571, 572 ZPO zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Der überzeugend begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts ist in vollem Umfang zu folgen. Der Kläger ist kein Arbeitnehmer i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
1. Der Kläger war in seiner Arbeitszeitgestaltung im Wesentlichen frei. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend herausgearbeitet. Dem ist der Kläger in der Beschwerde nicht mit substantiellen Einwänden entgegen getreten.
2. Der Kläger war auch hinsichtlich der Erbringung der von ihm geschuldeten Dienstleistungen im Wesentlichen frei von arbeitsbegleitenden Weisungen wie sie typisch sind für ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger verkennt, dass auch ein Handelsvertreterverhältnis nicht frei ist von Abhängigkeiten und fachlichen Weisungen. Mit dem Selbständigenstatus des Handelsvertreters ist es durchaus vereinbar, dass dieser einem fachlichen Weisungsrecht unter liegt. Diese Weisungsrechte können auch in dem Handelsvertretervertrag konkretisiert werden (BAG vom 20.09.2000 – 5 AZR 271/99 – ZIP 01, 36: BAG vom 15.12.1999 – 5 AZR 770/98 – AP Nr. 6 zu § 92 HGB). Das im vorliegenden Fall vertraglich vereinbarte fachliche Weisungsrecht der Beklagten ist von ihrer zulässigen Interessenwahrungspflicht gedeckt und lässt den Kernbereich der Tätigkeit des Klägers unberührt. Der Kläger konnte sowohl die Ausübung seiner Vermittlungstätigkeit als auch die Werbung und Fortbildung neuer Mitarbeiter im Wesentlichen selbst und frei von Weisungen der Beklagten gestalten. Im Einzelnen gilt folgendes:
a) Allein der Umstand, dass der Kläger nicht etwa als Handelsvertreter der Partnergesellschaften aufgetreten ist, sondern für die Beklagte insbesondere Versicherungs- und Bausparverträge vermittelt hat, steht dem gesetzlichen Leitbild des Handelsvertreters nicht entgegen, denn gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB kann sich die Vermittlung von Geschalten auch auf Handelsvertreterunternehmen beziehen. Die Bezeichnung „Mitarbeitervertrag“ indiziert noch kein Arbeitsverhältnis. Gegenstand der Mitarbeiterverträge vom 14.06.1984/15.10.1984 und vom 18.05.1985/22.05.1985 sind selbständige Tätigkeiten als Handelsvertreter. Der Kläger sollte als selbständiger Vermittlungsagent im Rahmen der Außendienstorganisation der Beklagten Kapitalanlagen, Bauspar- und Versicherungsverträge vermitteln.
b) Die Eingliederung des Klägers in eine hierarchisch organisierte Unterstützungsorganisation steht seiner Selbständigkeit nicht entgegen. Dies ist Ausdruck einer zulässigen fachlichen Weisungsunterworfenheit. Die vom Kläger zitierten Geschäftsanweisungen und Richtlinien dürfen nicht als arbeitsbegleitende Weisungen missverstanden werden. Es handelt sich dabei um Geschäftsanweisungen zur reibungslosen Abwicklung des Geschäftsverkehrs und dienen erkennbar der Einhaltung gewisser Standards. Es handelt sich um technische Rahmenbedingungen, die für die Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen einer Außendienstorganisation unvermeidlich sind (3.2 des Mitarbeitervertrages vom 18.05./22.05.1985). Es ist nicht unzulässig und lässt die Tätigkeitsgestaltung selbst unberührt, dass die Beklagte den Kläger verpflichtet hat, die ihm schriftlich oder mündlich erteilten geschäftlichen Weisungen einzuhalten.
c) Die Verpflichtung des Klägers, an Zusammenkünften der Führungskräfte teilzunehmen, führt nicht zur Einschränkung der freien Arbeitszeiteinteilung, sondern konkretisiert das auch im Rahmen eines Handelsvertreterverhältnisses bestehende fachliche Weisungsrecht. Weisungen, die den unmittelbaren Kern seiner Tätigkeit betrafen, unterlag der Kläger nicht. Ebenso wenig unterlag er einer umfassenden Kontrolle seiner Tätigkeit (vgl. dazu BAG vom 15.12.1999 – 5 AZR 566/98 – NZA 00, 447).
d) Dem Status eines selbständigen Versicherungs- und Bausparkassenvertreters gemäß § 92 HGB steht nicht entgegen, dass ihm gemäß 6.2 des Mitarbeitervertrages jede weitere gleichartige gewerbliche Tätigkeit ohne ausdrückliche Zustimmung der Beklagten untersagt war. § 92 a HGB geht davon aus, dass auch Einfirmenvertreter selbständig sein können (ErfK-Preis, 6. Aufl., § 611 BGB Rdnr. 118). Ein etwaiges Missverhältnis zwischen den ihm auferlegten unternehmerischen Risiken und den eingeräumten unternehmerischen Freiheiten hat der Kläger nicht dargelegt. Er räumt selbst ein, dass er ein eigenes Büro in Wilnsdorf eingerichtet und von dort aus seine Tätigkeit verrichtet hat. Deshalb kann von einer Eingliederung in das Unternehmen der Beklagten auch dann keine Rede sein, wenn er für die Einrichtung des Büros gemäß 5.2 des Mitarbeitervertrages aus Mai 1985 die Genehmigung der Beklagten einholen musste. Dies kann mit der Interessenwahrungspflicht des Unternehmers gemäß § 86 Abs. 1 HGB in Einklang gebracht werden.
e) Gleiches gilt bezüglich der Genehmigungspflicht für die Durchführung von Werbemaßnahmen im eigenen oder im Namen der Beklagten gemäß 6.5 des Vertrages aus Mai 1985. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Selbständigkeit seiner Tätigkeit dadurch einschneidend eingeschränkt worden ist. Es muss in diesem Zusammenhang richtig gesehen werden, dass der Kläger gemäß 2.5 des Zusatzvertrages für leitende Mitarbeiter vom 12.06./14.06.1995 in seiner Funktion als leitender Mitarbeiter die Beklagte gegenüber den Mitarbeitern seiner Struktur repräsentierte und deshalb die Standards der Gesellschaft zu beachten, weiterzugeben und deren Einhaltung bei den Mitarbeitern seiner Struktur sicherzustellen hatte. Gemäß 2.6 des Zusatzvertrages für leitende Mitarbeiter hat er einen geordneten Geschäftsbetrieb nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen und die Führung eines geordneten Geschäftsbetriebes auch bei den Mitarbeitern seiner Struktur sicherzustellen. Eine davon abweichende Praxis hat der Kläger nicht behauptet. Es ist unbestritten geblieben, dass er ein eigenes Gewerbe angemeldet hatte und als Regionaldirektor euch für die Anwerbung neuer Mitarbeiter und deren Betreuung und Schulung zuständig war. Er partizipierte an den Vermittlungserfolgen der ihm zugeordneten Mitarbeiter. Den möglichst erfolgreichen Einsatz dieser Mitarbeiter zu organisieren, blieb dem Kläger überlassen.
3. Insgesamt rechtfertigt auch die Zusammenschau der vertraglichen Vereinbarungen nicht die Schlussfolgerung, dass der typischen Pflichtenkatalog eines Handelsvertreters derart eingeschränkt worden ist, dass von einer im Wesentlichen selbständigen Tätigkeit nicht mehr gesprochen werden kann.
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
IV. Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.