Zum Neukundenbegriff im Sinne des § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB

23 U 4280/08 Beschluss verkündet am 5. November 2008 OLG München Ausgleichsanspruch

Oberlandesgericht München
Im Namen des Volkes
Beschluss

In dem Rechtsstreit
[..]

wegen Forderung

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Hierzu wird bis zum 05.12.2008 Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Gründe

Die Berufung hat nach Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg.

Das Urteil des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO). Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die weiteren Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO sind gegeben.

Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass es sich im vorliegenden Fall um die Werbung neuer Kunden durch den Kläger i. S. v. § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB handelt und diesem daher ein Ausgleichsanspruch zusteht.

„Neue“ Kunden i. S. d. Vorschrift sind Kunden, die bisher noch keine Geschäfte mit dem Unternehmen getätigt haben (MünchKomm HGB/von Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 89 b Rn. 58). Unstreitig wurde die Beklagte erst am 04.05.2005 gegründet und am 04.05.2005 im Handelsregister eingetragen. Ebenso unstreitig bestand mit den fraglichen Kunden vor der Gründung der Beklagten bereits eine Geschäftsbeziehung mit deren Muttergesellschaft der Fa. […].

Der Umstand, dass bereits mit der Muttergesellschaft Geschäftsbeziehungen bestanden, führt alleine noch nicht dazu, dass es sich bei diesen Kunden nicht mehr um „neue“ Kunden der rechtlich selbständigen neu gegründeten Tochtergesellschaft handeln könnte. Auch bei der Übernahme von Kunden und Handelsvertretern durch ein neues Unternehmen, stellen diese Kunden für das neue Unternehmen grundsätzlich Neukunden dar (MünchKomm HGB/von Hoyningen-Huene, a.a.O.).

An diesem Befund ändert sich hier auch dadurch nichts, dass die Beklagte Aufträge des „Alt-Unternehmens“ übernommen und ausgeführt hat. Eine „Geschäftsverbindung i. S. v. § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB wurde hierdurch mit dem Neu-Unternehmen noch nicht begründet. Auch bei Ausführung der Aufträge durch das Neu-Unternehmen ist rechtlich gesehen der Vertragspartner der Kunden weiterhin das Alt-Unternehmen. Ein Austausch des Vertragspartners gegen oder auch nur ohne den Willen des Kunden ist nicht möglich. Eine Vertragsübernahme im Wege eines dreiseitigen Vertrages (Palandt/Grünberg, BGB, 67. Aufl. § 398 Rn. 38 a) ist nicht dargetan.

Der bloße Umstand, dass die Beklagte die Kunden des Alt-Unternehmens mit Rundschreiben (B 3) auf die Übernahme der Aufträge durch sie hinweist, reicht für die Annahme einer Vertragsübernahme und eine dadurch begründete Aufnahme einer eigenen Geschäftsverbindung durch das Neu-Unternehmen nicht aus.

Auch der Umstand, dass die Beklagte die Adressen der Kunden des Alt-Unternehmens durch die Übernahme des Datenbestandes von der Fa. […] bereits kannte und die Kundenlisten an den Kläger weitergegeben hat, kann eine andere Betrachtungsweise nicht rechtfertigen. Die bloße Kenntnis der Anschriften führt noch nicht zu einer Geschäftsverbindung, da mit dieser allein noch nicht feststeht, dass der Kunde auch in Geschäftsbeziehung mit dem Neu-Unternehmen tritt (OLG München, Urteil vom 14.10.1997, Az. 7 U 1642/87).

Der geltend gemachte Ausgleichsanspruch ist auch nicht unbillig. Nach dem oben Gesagten hätte die Beklagte auch jedem anderen neuen Handelsvertreter für die von ihm vermittelten Geschäftsbeziehungen Handelsvertreterausgleich zahlen müssen. Es besteht daher keine Veranlassung, den Anspruch des Klägers zu versagen oder zu kürzen, nur weil er eine Zahlung von seinem früheren Unternehmer erhalten hat. Diese Zahlung kann sich nicht die Beklagte zugute halten, unabhängig von der Frage, ob in dieser Abstandszahlung überhaupt und wenn ja, in welcher Höhe, ein Ausgleichsanspruch enthalten war.

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Ausgleichsanspruch (86)