Nachvertragliches Wettbewerbsverbot; Karenzentschädigung; Ausgleichsklausel im Vergleich

10 AZR 513/01 Urteil verkündet am 31. Juli 2002 BAG Ansprüche bei und nach Vertragsende, Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis

Bundesarbeitsgericht
Im Namen des Volkes
Urteil

In Sachen
[…]
hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2002 durch […] für Recht erkannt:

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14. August 2001 – 6 Sa 649/00 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Karenzentschädigung.

Der am 25. April 1943 geborene Kläger war gemäß Dienstvertrag vom 12. April 1979 seit dem 1. Juli 1979 bei der Beklagten als Fachbereichsleiter Kunststoff beschäftigt. Der Jahresverdienst betrug nach Darlegung des Klägers 155.073,30 DM, der Monatsverdienst nach der von der Beklagten erstellten Arbeitsbescheinigung im Februar 1999 11.399,00 DM, im März 1999 11.650,00 DM. § 8 des Arbeitsvertrages vom 12. April 1979 lautet:

„§ 8 Wettbewerbsverbot
Herr B. verpflichtet sich, noch zwei Jahre nach Beendigung des Dienstverhältnisses keine Stellung bei einem Konkurrenzunternehmen anzunehmen, nicht selbst bei der Gründung eines solchen Unternehmens mitzuwirken, sich nicht daran zu beteiligen und einem solchen Unternehmen nicht mit Rat und Tat behilflich zu sein. Konkurrenz im Sinne dieser Bestimmung ist jede Firma, die gleiche oder ähnliche Waren herstellt oder vertreibt wie die Firma.
Im übrigen gelten für das Wettbewerbsverbot die Bestimmungen der §§ 77 ff. HGB.“

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 9. November 1995 fristlos. Im Prozess über die fristlose Kündigung wurde deren Rechtsunwirksamkeit rechtskräftig festgestellt. Der Kläger wurde ab 1. Juli 1998 auf einer anderen Stelle eingesetzt. Am 10. August 1998 kündigte die Beklagte zum 31. Dezember 1998. Im Verfahren über die Wirksamkeit der Kündigung schlossen die Parteien am 18. September 1998 folgenden Vergleich:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung vom 10.08.1998 mit Ablauf des 31.03.1999 seine Beendigung finden wird.

2. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt.

3. Der Kläger wird bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Weiterfortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung freigestellt. Eventl. anfallende Urlaubsansprüche werden in diesem Zeitraum in natura eingebracht.

4. Die Beklagte verpflichtet sich, die noch ausstehenden Lohn und Gehaltsansprüche vom 11. November 1995 bis 31. Dezember 1997 in Höhe von 239.423,48 DM (brutto) zu zahlen. Hierbei ist berücksichtigt das an das Arbeitsamt Ansbach beglichene Arbeitslosengeld. Die Zahlung erfolgt mit dem 15. Januar 1999 auf das Konto des Klägers bei der Dresdener Bank Kontonr.: […], BZ: […].

5. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KüSchG, 3 Nr. 9, 24, 34, 39 b EStG in Höhe von 680.000,00 DM zu zahlen. Die Zahlung erfolgt spätestens mit dem 01.10.1998.

6. Die Beklagte wird an den Kläger Verzugszinsen für den Verzugslohn für die Zeit von 1995 bis 1997 in Höhe von 38.000,00 DM zahlen, wobei die Zahlung ausdrücklich unter dem Betreff „Verzugszins“ bei der Zahlung erfolgen wird. Die Zahlung hat bis zum 01.10.1998 zu erfolgen auf das obige Konto.

7. Die Beklagte wird aus den Gehaltsforderungen des Klägers für die Monate Januar und März 1999 eine Einmalzahlung in Höhe von 11.317,00 DM an die Lebensversicherung des Klägers (in Form einer Direktversicherung Nr. […]) zahlen. Sollten die Erklärungen seitens der Beklagten zur Übernahme der Direktversicherung durch den Kläger erforderlich sein, wird die Beklagte alle diesbezüglichen Erklärungen abgeben.

8. Die Beklagte wird dem Kläger ein wohlwollendes berufsförderndes Zeugnis auf der Grundlage des Entwurfs vom 04.09.1998 unter dem Datum 31. März 1999 ausstellen.

9. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger Ansprüche aus einer unverfallbaren betrieblichen Altersversorgung zustehen. Die Beklagte wird dem Kläger eine Bescheinigung über die Unverfallbarkeit der Ansprüche gem. § 2 Abs. 6 BetrAVG ausstellen.

10. Im Falle des Vorversterbens des Klägers wird die Beklagte sämtliche sich aus dieser Vereinbarung ergebenden Zahlungen an die Erben des Klägers leisten.

11. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche der Parteien hinüber und herüber aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abgegolten und ausgeglichen. Erledigt sind auch die Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bamberg, AZ: 5 Ca 947/98 und 5 Ca 967/96.

12. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der miterledigten Arbeitsgerichtsverfahren werden gegeneinander aufgehoben.“

In den umfangreichen Verhandlungen vor Vergleichsabschluss wurde weder über das Wettbewerbsverbot noch über eine Karenzentschädigung gesprochen.

Nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 9. November 1995 erteilte die Beklagte am 21. November 1995 eine Bescheinigung gem. § 133 AFG, die in der Rubrik 10 „Sonstige Hinweise des Arbeitgebers an das Arbeitsamt“ die handschriftliche Eintragung enthält:
„Auf die Einhaltung der Wettbewerbsabrede durch den Arbeitnehmer wird verzichtet, so dass der Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung von der vertraglich vereinbarten Beschränkung frei ist.“

Eine Eintragung mit nahezu identischem Wortlaut findet sich in der Bescheinigung gem. § 312 SGB III vom 3. Mai 1999 an der entsprechenden Stelle. In der Rubrik 4 „Angaben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ teilte die Beklagte mit, dass das Arbeitsverhältnis am 10. August 1998 zum 31. März 1999 durch den Arbeitgeber gekündigt worden sei. Weiterhin enthält die Rubrik einen Hinweis auf den „gerichtlichen Vergleich“.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe Karenzentschädigung für zwei Jahre gem. § 74 Abs. 2 HGB zu. Die Beklagte habe weder rechtzeitig, noch ihm – als dem richtigen Adressaten – gegenüber auf das Wettbewerbsverbot verzichtet. Er behauptet, die Arbeitsbescheinigung vom 9. November 1995 habe er nie in Händen gehalten. Während der Vergleichsverhandlungen sei er vom Fortbestand des Wettbewerbsverbots ausgegangen und habe dies akzeptiert. Es habe kein übereinstimmender Wille bestanden, das Wettbewerbsverbot aufzuheben. Weder sei darüber gesprochen worden, noch ließen andere Umstände darauf schließen. Die Abfindung sei für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt worden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.845,56 DM nebst 8,25 % Zinsen aus 6.461,39 DM seit 1. Mai 1999, aus 6.461,39 DM seit 1. Juni 1999, aus 6.461,39 DM seit 1. Juli 1999 und aus 6.461,39 DM seit 1. August 1999 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 51.691,04 DM brutto nebst 8,25 % Zinsen aus 6.461,39 DM seit 1. September 1999, aus 6.461,39 DM seit 1. Oktober 1999, aus 6.461,39 DM seit 1. November 1999, aus 6.461,39 DM seit 1. Dezember 1999, aus 6.461,39 DM seit 1. Januar 2000, aus 6.461,39 DM seit 1. Februar 2000, aus 6.461,39 DM seit 1. März 2000, aus 6.461,39 DM seit 1. April 2000 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 19.384,17 DM nebst 8,25 % Zinsen aus 6.461,38 DM seit 1. Mai 2000, aus 6.461,38 DM seit 1. Juni 2000 und aus 6.461,38 DM seit 1. Juli 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger habe die Arbeitsbescheinigung vom 21. November 1995 in Händen gehabt. Sie hat weiterhin behauptet, der Kläger habe im Laufe der Vergleichsverhandlungen vorgerechnet, was er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Leben brauche (Beweis: Rechtsanwalt A.) und dabei eine Karenzentschädigung nicht erwähnt. Daraus und aus dem Umstand, dass nach den langwierigen Verhandlungen im umfangreichen Vergleich ein Schlussstrich unter alle denkbaren Ansprüche gezogen werden sollte, sei zu schließen, dass die Ausgleichsklausel des Vergleichs auch das Wettbewerbsverbot und die Karenzentschädigung habe umfassen sollen. An einem Konkurrenzverbot habe sie erkennbar auch nach der ersten Kündigung im Jahre 1995 kein Interesse gehabt. Auch der Kläger habe nach 1995 nicht etwa Karenzentschädigung verlangt. Jedenfalls sei die Berufung auf das Wettbewerbsverbot treuwidrig.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Karenzentschädigung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der abgeschlossene Vergleich sei nach seinem Gesamtzusammenhang unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach den §§ 157, 133 BGB so auszulegen, dass abgesehen von der betrieblichen Altersversorgung, keine Ansprüche mehr zwischen den Parteien bestehen sollten. Der innere Wille der Parteien habe nicht übereingestimmt. Während der Kläger vom Fortbestand des Wettbewerbsverbots ausgegangen sei, habe die Beklagte alle Ansprüche ausschließen wollen. Dies ergebe sich daraus, daß sie bereits in der Arbeitsbescheinigung vom 21. November 1995 auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichtet habe, sowie daraus, daß im Vergleich bei der Bemessung der Abfindung darauf abgestellt worden sei, welchen Verdienstausfall der Kläger bis zum Rentenbeginn voraussichtlich haben werde. Bei Berücksichtigung einer Karenzentschädigung hätte dieser Betrag niedriger sein müssen, auch sei die Zeit der Freistellung vom 19. August 1998 bis zum 31. März 1999 nicht auf die Karenzzeit angerechnet worden. Der Kläger hätte darauf hinweisen müssen, daß zu den Einnahmen bei fortwährender Arbeitslosigkeit neben dem Arbeitslosengeld auch die Karenzentschädigung gehöre. Es sei ihm erkennbar gewesen, daß die Beklagte auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots keinerlei Wert gelegt habe, da sie nach der fristlosen Kündigung vom 9. November 1995 nie vom Kläger verlangt habe, Wettbewerb zu unterlassen. Er sei danach auch nur kurz auf einer anderen als der vertragsgemäßen Stelle beschäftigt gewesen. Der Kläger habe auch nach der Kündigung vom November 1995 nicht hilfsweise Karenzentschädigung geltend gemacht, sondern nur Verzugslohn eingeklagt.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis.

1. Die Parteien haben ein wirksames Wettbewerbsverbot im Sinne der §§ 74 ff. HGB vereinbart. Die Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften ist angesichts deren Regelungsdichte ausreichend, um alle wesentlichen Elemente einer solchen Vereinbarung abzudecken (vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 3. Aufl. 2002 Rn. 20). Unschädlich ist es, dass im Arbeitsvertrag die „§§ 77 ff. HGB“ genannt sind. Dabei handelt es sich offensichtlich um ein Schreibversehen. Eine Bezugnahme lediglich auf die §§ 77 ff. HGB ergäbe keinen Sinn. Auch die Beklagte geht von der Geltung der §§ 74 ff. HGB aus. Das wird u. a. daraus deutlich, dass sie sich auf einen Verzicht gem. § 75 a HGB berufen hat.

2. Die Beklagte hat auf das Wettbewerbsverbot weder wirksam verzichtet noch sich davon lösen können.

a) Gem. § 75 a HGB kann der Arbeitgeber vor der Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot verzichten mit der Wirkung, dass er mit Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird. Der Arbeitnehmer ist dann mit sofortiger Wirkung berechtigt, nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses Wettbewerb zu treiben. Bei einem Verzicht, der mehr als ein Jahr vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt, wird keine Karenzentschädigung fällig.

aa) Bei einer fristlosen Kündigung muss der Verzicht allerdings spätestens zusammen mit der Kündigung ausgesprochen werden, da diese das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Ein später ausgesprochener Verzicht ist deshalb unwirksam, selbst wenn er noch am gleichen Tag erfolgt. Die Erklärung der Beklagten in der Bescheinigung gem. § 133 AFG vom 21. November 1995 wäre demnach nicht mehr geeignet, einen Verzicht i. S. d. § 75 a HGB darzustellen, selbst wenn sie dem Kläger zugegangen wäre und das Arbeitsverhältnis mit der außerordentlichen Kündigung geendet hätte.

bb) Die Erklärung stellt aber auch im Hinblick auf die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 1999 keinen Verzicht gem. § 75 a HGB dar. Sie ist zwar zeitlich vorher abgegeben worden, jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber dem Arbeitsamt im Hinblick auf § 128 a AFG (ab dem 1. Januar 1998 § 148 SGB III). Danach hatte der Arbeitgeber dem Arbeitsamt das Arbeitslosengeld zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer einem Wettbewerbsverbot unterliegt.

Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Erklärung dem Kläger zugegangen ist. Sie hat zwar behauptet, der Kläger müsse die Bescheinigung in Händen gehabt haben, hat diese Behauptung nach Bestreiten jedoch weder substantiiert noch Beweis dafür angetreten.

b) Die Beklagte hat sich auch nicht wirksam vom Wettbewerbsverbot lösen können. Bei einer außerordentlichen Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens kann der Arbeitgeber sich in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot binnen eines Monats nach der Kündigung durch eine schriftliche Erklärung lösen (BAG 19. Mai 1998 – 9 AZR 327/96 – AP HGB § 75 Nr. 10 = EzA HGB § 75 Nr. 15). Die Beklagte hatte die außerordentliche Kündigung vom November 1995 wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers ausgesprochen. Diese Kündigung ist jedoch nicht wirksam geworden. Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht auf Grund eines vertragswidrigen Verhaltens gelöst worden, sondern auf Grund des gerichtlichen Vergleichs vom 18. September 1998 auf Grund ordentlicher Kündigung, deren Gründe im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen worden sind. Sollte in der Arbeitsbescheinigung vom 21. November 1995 eine Lösungserklärung zu sehen sein, ist diese nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit abgegeben worden.

3. Das Wettbewerbsverbot ist aber einverständlich aufgehoben worden.

a) Die Parteien eines Arbeitsvertrages können ein vereinbartes Wettbewerbsverbot jederzeit wieder aufheben (st. Rechtsprechung, vgl. BAG 10. Januar 1989 – 3 AZR 460/87 – AP HGB § 74 Nr. 57 = EzA HGB § 74 Nr. 51). Dies haben sie im Vergleich vom 18. September 1998 getan, wie sich aus dessen Auslegung im Hinblick auf die Ausgleichsklausel in Nr. 11 des Vergleichs ergibt.

Prozessvergleiche können vom Revisionsgericht unbeschränkt und selbständig ausgelegt werden (BAG 9. Oktober 1996 – 5 AZR 246/95 AP SGB X § 115 Nr. 9 = EzA AFG § 117 Nr. 11; 20. April 1983 – 4 AZR 497/80 – BAGE 42, 244). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob sie typische oder nichttypische Erklärungen enthalten.

b) Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Als rechtstechnische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehungen zu bereinigen, der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische positive oder negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen bringen zu wollen. Ein deklaratorisches positives oder negatives Schuldanerkenntnis ist dann gegeben, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (vgl. OLG Düsseldorf 9. Juli 1997 – 3 U 11/97 – EzA BGB § 397 Nr. 4 m.w.N.).

Der in der auszulegenden Erklärung verkörperte maßgebliche Wille der Parteien ist zu ermitteln. Lässt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in dem Vertrag nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Das Landesarbeitsgericht hat in einer den Senat bindenden Weise festgestellt, dass ein übereinstimmender Wille hinsichtlich des Wettbewerbsverbots und der Karenzentschädigung nicht bestand.

In einem solchen Fall sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Diese Auslegung hat ausgehend vom Wortlaut, der nach dem Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise zu bewerten ist, sämtliche den Parteien erkennbare Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen. Hierzu gehören die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsschluss vorliegende Interessenlage.

c) Danach ist der Vergleich mit der in ihm enthaltenen Ausschlussklausel unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und sämtlicher Umstände dahin auszulegen, dass er ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis enthält, das sowohl das Verbot, Wettbewerb auszuüben als auch den Anspruch des Klägers auf Zahlung der Karenzentschädigung erfasste. Im Ergebnis wurde das Wettbewerbsverbot damit aufgehoben.

aa) Der Wortlaut, wonach „mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sämtliche Ansprüche der Parteien hinüber und herüber aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abgegolten und ausgeglichen“ sein sollen, deckt auch Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ab. Ein Wettbewerbsverbot hat seine Grundlage im Arbeitsvertrag und die daraus resultierenden Pflichten werden mit und nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Die vertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehen während der Dauer des Wettbewerbsverbots fort (BAG 13. August 1980 – 5 AZR 588/78 BAGE 34, 101, zu II 1 e der Gründe). Die ungewöhnliche Formulierung, wonach sämtliche Ansprüche „hinüber und herüber“ erledigt sein sollen, ist dabei ersichtlich so gemeint, dass alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erfasst sein sollen.

Diese Auslegung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Ausgleichsklauseln im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen sind (10. Mai 1978 – 5 AZR 97/77 – AP ZPO § 794 Nr. 25 = EzA ZPO
§ 794 Nr. 3; 15. Dezember 1994 – 8 AZR 250/93 nv.; 18. Mai 1982 – 3 AZR 1024/79 nv.). In einem Aufhebungsvertrag wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie daran dachten oder nicht. Jede andere Auslegung würde den angestrebten Vergleichsfrieden in Frage stellen. Der beurkundete Vergleichswille wäre wertlos, wenn die Vergleichsverhandlungen sogleich Quelle neuer, über den beurkundeten Inhalt hinausgehender Ansprüche und damit neuen Parteistreits sein könnten (BAG 5. April 1973 – 5 AZR 574/72 – AP ZPO § 794 Nr. 22 = EzA ZPO § 794 Nr. 1).

(1) Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 1981 (3 AZR 1013/78 – AP HGB § 74 Nr. 39 = EzA HGB § 74 Nr. 39) keine Auslegungsregel entnehmen, wonach die hier vorliegende Vergleichsformulierung grundsätzlich nachvertragliche Wettbewerbsverbote und Karenzentschädigungen nicht umfasse. In dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Fall ist das Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Wortsinn einer allgemeinen Ausgleichsklausel derartige Ansprüche umschließen kann. Angesichts der Umstände und des Zwecks der Erklärung hat es aber den Schluss gezogen, dass dies bei der zu beurteilenden Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit einer Quittierung des Erhalts von Arbeitspapieren (Ausgleichsquittung) nicht der Fall war. Es hat diesen Schluss anhand der Begleitumstände, der Entstehungsgeschichte, des Zwecks des Vertrages und weiterer Umstände gezogen. Danach wäre es ganz ungewöhnlich, wenn sich eine Ausgleichsquittung anlässlich der Aushändigung der Arbeitspapiere auch auf Ansprüche bezöge, die erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirksam werden sollten. Das Gegenteil müsse klar zum Ausdruck gebracht werden.

Der hier vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch erheblich von einer im Zuge der Übergabe von Arbeitspapieren abgegebenen Ausgleichserklärung, deren Bedeutung angesichts der Umstände ihrer Abgabe von vornherein eingeschränkt ist.

(2) Der Auslegung der Ausgleichsklausel des Vergleichs steht auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verzicht auf Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung nicht entgegen. Für solche Ansprüche hat das Bundesarbeitsgericht die Auslegungsregel aufgestellt, wonach allgemeine Ausgleichsklauseln im Zweifel diese Ansprüche nicht erfassen (17. Oktober 2000 – 3 AZR 69/99 – AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 56 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 71 m.w.N.). Diese Rechtsprechung beruht auf der existentiellen wirtschaftlichen Bedeutung, die Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung für die Arbeitnehmer haben. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, dass solche gewichtigen Ansprüche durch eine allgemeine Ausgleichsklausel erfasst werden. Allerdings lassen auch in diesen Fällen besondere Umstände eine andere Auslegung zu.

Eine Übertragung der für die Aufhebung von Ansprüchen aus betrieblicher Altersversorgung entwickelten Auslegungsregel auf Ansprüche, die mit einem Wettbewerbsverbot in Verbindung stehen, ist jedoch nicht geboten. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und die damit verbundene Karenzentschädigung haben nicht dieselbe weitreichende Bedeutung für die künftige Existenz eines Arbeitnehmers wie die betriebliche Altersversorgung. Die Ansprüche sind zeitlich begrenzt und im Volumen überschaubar.

bb) Eine vom Wortlaut des Vergleichs, der eine Aufhebung des Wettbewerbsverbots umfasst, abweichende Auslegung ergibt sich auch nicht aus weiteren, vor, bei oder nach Vergleichsabschluss bedeutsamen Umständen.

(1) Die Ausgleichsklausel in Ziff. 11 des Vergleichs musste der Kläger unter Berücksichtigung des gesamten Vergleichsinhalts so verstehen, dass er mit Abschluss des Vergleichs weder das Wettbewerbsverbot einhalten musste noch eine Karenzentschädigung dafür erhalten würde. Mit dem alle bedeutsamen Regelungen des Arbeitsverhältnisses (Beendigung, Abrechnung, Freistellung, Urlaub, Gehalt, Abfindung, Verzugszinsen, Lebensversicherung, Zeugnis, betriebliche Altersversorgung, Vorversterben des Klägers, Kosten) umfassenden Vergleich wollten die Parteien ersichtlich ihre Rechtsbeziehungen abschließend regeln und alle Punkte ausdrücklich ansprechen, die nicht erledigt sein sollten. Dafür spricht insbesondere, dass die Parteien die an sich unverzichtbaren Ansprüche auf die betriebliche Altersversorgung und eine damit in Zusammenhang stehende Bescheinigung nach § 2 Abs. 6 BetrAVG gesondert erwähnten. Der Umstand, dass die Parteien über das Wettbewerbsverbot nicht gesprochen haben, spricht nicht dagegen. Wäre dies der Fall gewesen, bestünde kein Zweifel an der Reichweite der Erledigungsklausel (vgl. BAG 18. Mai 1982 – 3 AZR 1024/79 nv.).

Es handelte sich nicht um „unbekannte“ Ansprüche, von deren Einbeziehung niemand hätte ausgehen dürfen, sondern um beiden Parteien bekannte arbeitsvertragliche Regelungen. Ob die Parteien in den jeweiligen Verhandlungsstadien konkret daran gedacht haben, ist dabei unerheblich. Die wechselseitigen Ansprüche waren grundsätzlich gegeben und wären ohne die Ausgleichsklausel fällig geworden. Auch sie zu erledigen war ersichtlich Zweck der umfassenden Erledigungsklausel. Die auch im vorliegenden Fall erkennbar weitreichend gewollte Befriedungsfunktion der in langwierigen Verhandlungen zustande gekommenen Vereinbarung rechtfertigt damit die Annahme, die streitigen Ansprüche auf Karenzentschädigung seien von der Ausgleichsklausel erfasst worden.

(2) Allerdings ist dem Kläger zuzugestehen, dass dieser Schluss nicht bereits aus der Berechnung der Abfindungssumme zu ziehen ist. In diesem Punkt hat das Landesarbeitsgericht unter Zugrundelegung bestrittenen Vortrags eine rein spekulative Berechnung angestellt, wie die Abfindungssumme seiner Ansicht nach zustande gekommen ist. Es ist dabei von der unzutreffenden Annahme ausgegangen, dass der Kläger bereits mit 60 Jahren und 7 Monaten Rente wegen Arbeitslosigkeit beanspruchen könne. Dies ist bei dem nach dem 31. Dezember 1936 geborenen Kläger gem. § 237 Abs. 1 und 3 SGB VI jedoch nicht der Fall. Er kann, ohne erhebliche Abschläge hinzunehmen, erst im Alter von 65 Jahren Rente beantragen. Das Landesarbeitsgericht hat seinen Berechnungsdaten offenbar § 237 Abs. 4 SGB VI zugrunde gelegt, der jedoch für den Kläger nicht einschlägig ist. Weiterhin war zwischen den Parteien streitig, ob die Abfindung auf einer Entgeltdifferenzberechnung bis zur Rente beruhte.

Auch aus dem Umstand, dass der Kläger nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom November 1995 keine Karenzentschädigung beantragte und dass die Beklagte ihn nicht aufforderte, Wettbewerb zu unterlassen, lässt sich weder schließen, die Beklagte lege auf das Wettbewerbsverbot keinen Wert mehr, noch der Kläger habe es für obsolet gehalten. Nach Erhebung der Kündigungsschutzklage konnte der Kläger davon ausgehen, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet sein würde.

cc) Das nachvertragliche Verhalten der Parteien lässt nicht zwingend darauf schließen, dass die Beklagte – für den Kläger erkennbar – die Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot nicht in den Kreis der erledigten Ansprüche einbeziehen wollte.

(1) Zwar hat die Beklagte in ihrer Bescheinigung gem. § 148 SGB III vom 3. Mai 1999 gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit „mit sofortiger Wirkung“ auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichtet und an anderer Stelle auf den abgeschlossenen Vergleich verwiesen. Diese Erklärung ist jedoch, worauf der Kläger selbst immer wieder hingewiesen hat, nicht ihm gegenüber abgegeben worden, sondern er hatte davon nach seinem Vortrag keine Kenntnis. Weiterhin bestehen Zweifel, ob die Erklärung auf einem bewussten Willensbildungsprozess der Verantwortlichen der Beklagten beruhte oder von der zuständigen Mitarbeiterin einfach nur aus der Bescheinigung gem. § 133 AFG vom 21. November 1995 abgeschrieben wurde, um mit Sicherheit auszuschließen, dass Ansprüche aus § 148 SGB III vom Arbeitsamt gegenüber der Beklagten auf Erstattung von Arbeitslosengeld erhoben werden könnten. Ein entscheidender Rückschluss auf den Erklärungswert des zwischen den Parteien abgeschlossenen Aufhebungsvertrags kann daraus nicht gezogen werden.

(2) Auch der Umstand, dass weder die Beklagte noch ihr Prozessvertreter im Rahmen einer Streitwertbeschwerde geltend gemacht haben, der Streitwert müsse sich um die erledigte Karenzentschädigung von 155.000,00 DM erhöhen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Welche Interessen dafür maßgebend gewesen sind, kann dahinstehen. Jedenfalls lässt das Verhalten der Beklagten nicht zwingend darauf schließen, sie sei davon ausgegangen, von der Ausgleichsklausel sei die Karenzentschädigung nicht erfasst worden.

III. Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Schlagwörter
Vergleich (3) Karenzentschädigung (8) Ausgleichsklausel (2)