Provisionsanspruch des Handelsvertreters für nach Vertragsende vermittelte und vom Unternehmer ausgeführte Geschäfte

I - 16 U 200/12 Beschluss verkündet am 17. September 2013 OLG Düsseldorf Provisionsabrechnung, Buchauszug und Bucheinsicht, Provisionsanspruch

Oberlandesgericht Düsseldorf
Im Namen des Volkes
Beschluss

In dem Rechtsstreit
[…]

Der Senat weist nach seiner Vorberatung die Klägerin darauf hin, dass ihr Rechtsmittel nach dem zu Grunde zu legenden Sach- und Streitstand keinen Erfolg hat. Es wird ihr aus Kostengründen zur Rücknahme der Berufung geraten.

I.

Der Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich der Forderung auf Erteilung eines über das Anerkenntnis der Beklagten hinausgehenden Buchauszuges in der Hauptsache erledigt hat, ist nicht begründet. Es liegt kein den Rechtsstreit insoweit erledigendes Ereignis vor.

Ein erledigendes Ereignis ist eine Tatsache mit Auswirkungen auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage (BGH, Urteil v. 17.07.2003, IX ZR 268/02, NJW 2003, 3134; BGH, Versäumnisurteil v. 13.09.2005, X ZR 62/03, GRUR 2006, 223). Im Falle der einseitigen Erledigungserklärung ist der Anspruch auf Feststellung nur begründet, wenn die Hauptsache erledigt ist, also die eingereichte Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Anhängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist (BGH, Urteil v. 08.02.1989, IVa ZR 98/87 NJW 1989, 2885). Daran fehlt es hier, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Klägerin hat ihren Antrag auf Erteilung eines weitergehenden Buchauszugs lediglich aus wirtschaftlichen Erwägungen für erledigt erklärt, um ein weiteres Teilurteil zu vermeiden und damit Zeit zu sparen. Bloße Willensänderungen einer Partei stellen indes kein erledigendes Ereignis im vorgenannten Sinne dar (vgl. so auch AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil v. 02.07.1986, 6 C 545/85, zit. nach juris, Rn. 10). Allein der Umstand, dass die klagende Partei ihr Interesse an der Durchsetzung des zunächst von ihr verfolgten Anspruchs verloren hat, ist kein Ereignis, das die Klage gegenstandslos macht (BGH, Versäumnisurteil v. 13.09.2005, X ZR 62/03, GRUR 2006, 223).

II.

Der in der zweiten Instanz geltend gemachte Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bezüglich der Richtigkeit des mitgeteilten Buchauszuges ist nicht zulässig. Selbst wenn man die Zulässigkeit bejahen wollte, ist der Antrag nicht begründet.

1. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht einen Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht gestellt. Zutreffend hat das Landgericht über diesen Anspruch daher keine Entscheidung getroffen. Grundsätzlich gilt, dass bei einer Stufenklage über die für die spätere Stufe angekündigten Anträge getrennt und nacheinander verhandelt werden muss. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Kläger nicht ohne abschließende Verhandlung zur Auskunft und eidesstattlichen Versicherung auf den Leistungsanspruch übergehen könnte (Musielak/Foerste, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 254 Rn. 4). Für eine (teilweise) Klagerücknahme oder Erledigterklärung war, da die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren in qualifizierter Gestalt des Leistungsanspruchs weiterverfolgte, kein Raum (vgl. BGH, Urteil v. 21.02.1991, III ZR 169/88, NJW 1991, 1893 unter I 2; BGH, Urteil v. 15.11.2000, IV ZR 274/99).

Das Landgericht hat seiner Hinweispflicht bezüglich der Antragstellung genügt und das Vorbringen der Klägerin nicht missverstanden. Auf den Hinweis, dass der unbestimmte Leistungsanspruch präzisiert werden müsste, hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie noch nicht entschieden habe, ob sie den Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung stellt. Da die Klägerin im Verhandlungstermin sodann nur die Anträge zu 5 (Provision) und 6 (Ausgleichsanspruch) sowie den Antrag auf Provisionszahlung für die Zeit nach der Kündigung stellte, d. h. nur die Leistungsansprüche, ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin den Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht weiterverfolgt.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hat das Landgericht ohne Rechtsfehler abgelehnt, § 156 ZPO. Die Klägerin war mit Schreiben vom 05.08.2012 frühzeitig auf die Präzisierung ihrer Anträge hingewiesen worden. Eine solche Konkretisierung erfolgte indes weder innerhalb der dafür gesetzten Frist noch im Termin am 25.09.2012. Die Ablehnung eines Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, welche ansonsten darauf hinauslaufen würde, dass Präklusionsvorschriften unterlaufen werden (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 156 Rn. 5; Münchener Kommentar/Wagner, ZPO 4. Aufl. 2013, § 156 Rn. 11), stellt sich nicht als ermessensfehlerhaft dar.

2. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nunmehr neben dem Leistungsanspruch geltend macht, ist dies nicht zulässig. Über die einzelnen Stufen der Klage gemäß § 254 ZPO ist getrennt und nacheinander zu verhandeln. Die Auskunftsstufe dient der Vorbereitung des Leistungsanspruches. Dieses Hilfsmittel entfällt grundsätzlich, wenn der Kläger auf den Leistungsanspruch übergeht. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Leistungsanspruch nicht beziffert hat. Denn sie ist trotz des Hinweises des Landgerichts, dass der Leistungsanspruch notwendig zu präzisieren ist, hierauf nicht eingegangen.

3. Die Klägerin kann den Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auch nicht anstatt des Leistungsanspruches in der Berufungsinstanz geltend machen.

a) Die Möglichkeit trotz eines bereits geltend gemachten Leistungsanspruches, den Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu stellen, besteht dann, wenn der Leistungsanspruch zwar angekündigt, aber nicht in der mündlichen Verhandlung gestellt ist. Beziffert der Kläger den Leistungsanspruch zulässigerweise – wenn auch grundlos – von vornherein im Sinne eines Mindestbetrages, so liegt der Sache nach dennoch eine Stufenklage vor, falls der Kläger eine stufenweise Erledigung anstrebt; an die vorläufige Bezifferung ist der Kläger nicht gebunden, jedenfalls bis zur Verhandlung über den Leistungsantrag. Nichts anderes gilt für die Bezifferung im Prozess vor Abschluss der Auskunftsstufe (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., 2012, § 254, Rn. 3). Indem innerhalb der Stufenklage die stufenweise erhobenen Ansprüche auf Rechnungslegung, auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und auf Leistung Teile eines einheitlichen Verfahrens und hierbei die zwei erstgenannten Ansprüche lediglich Hilfsmittel zur konkreten Bezeichnung des Leistungsanspruchs sind, ist der auf Antrag des Klägers stets mögliche Wechsel von der Auskunfts- zur Leistungsstufe keine Klageänderung nach § 263 ZPO, sondern eine stets zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO, desgleichen das Übergehen einer ursprünglich angekündigten zweiten Stufe; die Wechselerklärung kann zwar als Prozesshandlung nicht widerrufen werdet, aber die Rückkehr des Klägers in die erste Stufe ist wiederum nach § 264 Nr. 2 ZPO zuzulassen (vgl. BGH Urt. v. 08.11.1978, VIII ZR 199/77, NJW 1979, 926; OLG München, Urt. v. 01.02.2012, 3 U 3535/11, FamRZ 2012, 1317; Zöller/Greger, a.a.O., Rn. 4).

b) Vorliegend hat die Klägerin allerdings in der mündlichen Verhandlung allein den Leistungsanspruch gestellt und darüber verhandelt. Der Wechsel zurück von der letzten Stufe, dem Leistungsanspruch, zur Auskunftsstufe ist, wie gezeigt, als Beschränkung des Klageantrages zu werten. In einer Beschränkung des Klageantrages im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO liegt aber regelmäßig zugleich eine Rücknahme des weitergehenden Leistungsantrages (vgl. Zöller/Greger, § 264 Rn. 4a mit weiteren Nachweisen). Das wiederum hat zur Konsequenz, dass die Beklagte der Teilrücknahme zustimmen muss, § 269 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO. Diese Einwilligung hat die Beklagte hier nicht erteilt, so dass über den Leistungsanspruch, nicht aber über den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als Teil der Auskunftsebene zu entscheiden ist. Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Leistungsanspruch, so wie ihn die Klägerin stellte, den Anforderungen des § 253 ZPO nicht genügte.

4. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auch in der Sache nicht begründet ist, § 259 Abs. 2 ZPO. Der Anspruch des Handelsvertreters auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist dem Anspruch auf Bucheinsicht nachgeordnet, d. h. subsidiär (BGH Urt. v. 16.05.1960, VII ZR 206/59, BGHZ 32, 302). Von der Möglichkeit des § 87 c Abs. 4 HGB hat die Klägerin unstreitig keinen Gebrauch gemacht. Die Klägerin trägt zudem zu den Voraussetzungen des § 259 Abs. 2 ZPO nichts vor. Sie legt nicht dar, aus welchen Gesichtspunkten Grund für die Annahme bestehen könnten, dass die Beklagte den Buchauszug ohne die erforderliche Sorgfalt erstellt hat.

III.

Den Antrag auf Provisionszahlungen für die Zeit vor der fristlosen Kündigung hat das Landgericht zu Recht mangels ausreichender Bestimmtheit des Klageantrages, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO abgewiesen. Der Klageantrag ist unzulässig. Bei der Stufenklage ist der Kläger nur bis zum Erlass der Entscheidung über seinen Anspruch auf Bucheinsicht von der Verpflichtung befreit, einen bestimmten Leistungsantrag zu stellen. Ist die Entscheidung ergangen, so hat er zunächst seinen Anspruch auf Bucheinsicht zu verwirklichen und im weiteren Verlauf des Rechtsstreits die von ihm verlangte Leistung beziffert anzugeben (OLG Düsseldorf, Urteil v. 01.07.1965, 8 U 270/64, NJW 1965, 2352; weitere Nachweise bei Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 254 Rn. 11).

IV.

Unzulässig ist die Klage auch bezüglich des Leistungsanspruchs auf Ausgleichszahlung. Auch insoweit ist auf der Leistungsstufe ein unbezifferter Antrag gemäß § 253 ZPO nicht zulässig. Insoweit verweist der Senat ergänzend darauf, dass ein solcher Anspruch auch nicht sachlich begründet ist, weil die außerordentliche Kündigung der Beklagten zu Recht erfolgte, § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB. Der Senat hält an seiner im Urteil vom 22.12.2011 geäußerten Ansicht fest (16 U 137/10).

V.

Letztlich hat das Landgericht auch einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 33.216,72 € – Provisionen für Vermittlungstätigkeit – zu Recht verneint.

1. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Provision gemäß § 87 HGB scheidet aus, weil die Vermittlungstätigkeit nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erfolgte. Das Vertragsverhältnis der Parteien endete aufgrund der fristlosen Kündigung der Beklagten zum 04.07.2007. Der Senat hält nach erneuter Prüfung an seiner im Urteil vom 22.12.2011 im Einzelnen dargelegten Rechtsansicht fest. Die Parteien des Rechtsstreits haben den Handelsvertretervertrag auch nicht nach dem Kündigungstermin einverständlich fortgesetzt. Aus der Tätigkeit der Klägerin und dem Umstand, dass die Beklagte Verträge mit vermittelten Kunden abschloss, kann auf einen Willen der Beklagten zur Fortsetzung des Handelsvertretervertrages nicht geschlossen werden. Die Klägerin wusste, dass die Beklagte eine Fortführung des Handelsvertreterverhältnisses mit ihr nicht wünschte. Die Beklagte hatte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 20.07.2007, mithin wenige Tage nach Ausspruch der fristlosen Kündigung, ausdrücklich aufgefordert, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr die Bezeichnung „Werksvertretung Schomburg“ oder ihre Kundendaten zu verwenden. Auch in der Folgezeit machte die Beklagte zunächst durch Anwaltsschreiben vom 16.08.2007, sodann durch Einreichung einer Klage deutlich, dass die Fortsetzung der Handelsvertretertätigkeit durch die Klägerin entgegen ihrem Willen erfolgte. Sie stellte mit Anwaltsschreiben vom 16.08.2007 klar, dass die von der Klägerin eigenmächtig und gegen den ausdrücklichen Willen der Beklagten vermittelten Geschäfte allein zur Vermeidung von Schäden und sonstigen Nachteilen ausgeführt werden würden; eine Vergütung werde die Klägerin für diese Geschäfte nicht erhalten. Angesichts dessen durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass die Beklagte an dem Handelsvertretervertrag festhalten wollte.

2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus § 354 HGB zu.

Auch ohne vertragliche Provisionsvereinbarung kann sich ein Anspruch auf Provisionen aus § 354 Abs. 1 HGB ergeben. Diese Vorschrift setzt neben der hier gegebenen Kaufmannseigenschaft beider Parteien (§ 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 2 HGB) jedoch voraus, dass die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten zwecks Vermittlung von Geschäften tätig geworden ist, dass dies im Interesse der Beklagten lag und befugtermaßen für die Beklagte geschah (vgl. BGH, Urteil v. 28.01.1993, I ZR 292/90, zit. nach juris, Rn. 9 = WM 93, 1262; BGH, Urteil v. 19.11.1962, VIII ZR 229/61; BGH, Urteil v. 12.02.1991, Iva ZR 105/80, zit. nach juris, Rn. 25). Der Vergütungsanspruch nach § 354 HGB darf wegen seiner Subsidiarität die Vergütungspflicht im Vertragsverhältnis grundsätzlich nicht über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus erweitern (vgl. Wauschkuhn/Fröhlich, Der nachvertragliche Provisionsanspruch des Handelsvertreters, BB 2010, 524 ff.; zum Vorrang vertraglicher Vereinbarungen vgl. auch BGH, Urteil v. 07.07.2005, III ZR 397/04, NJW-RR 2005, 1572). Ausgeschlossen ist ein Anspruch wenn die Leistende – wie hier die Klägerin – ihre Dienste dem Unternehmen gegen seinen Willen aufdrängt (Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. 2009, § 354 Rn. 16; Baumbach/Hopt, HGB, 35. Auflage 2012, § 354 Rn. 3; Horn, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 2005, § 354 Rn. 6).

Es fehlt jedenfalls an der Befugnis der Klägerin zur Vornahme der Vermittlungstätigkeit, da die Beklagte dem mehrfach ausdrücklich widersprochen hatte. Aus den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 24.09.2012 überreichten Unterlagen ergibt sich nichts anderes. Ergänzend sei erwähnt, dass sich auch keine Grundlage für die Höhe des Provisionsanspruchs ergibt.

3. Schließlich verhelfen auch weder § 683 BGB noch bereicherungsrechtliche Ansprüche der Klägerin zum Erfolg. Ersatz von Aufwendungen verlangt die Klägerin nicht, sondern Vergütung für ihre Tätigkeit. Auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet hier aus, da zumindest auch alle diejenigen Voraussetzungen und Einschränkungen gelten, die (mit Ausnahme der Kaufmannseigenschaft) für den gesetzlichen Anspruch nach § 354 HGB anerkannt sind (vgl. so der BGH, Urteil v. 07.07.2005, III ZR 397/04, NJW-RR 2005, 1572 zur Frage eines Provisionsanspruchs eines Kreditvermittlers bei nichtiger) Kreditvermittlungsvertrag).

VI.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die Kostenentscheidung des Landgerichts zutreffend ist.

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Provisionsanspruch des Handelsvertreters für nach Vertragsende vermittelte und vom Unternehmer ausgeführte Geschäfte
Schlagwörter
Willensänderung (1) Stufenklage (5) Provisionsanspruch (26) erledigendes Ereignis (2) eidesstattliche Versicherung (1) Bucheinsicht (3) Buchauszug (43) Beschränkung des Klageantrags (1)