Rückzahlung von Fortbildungskosten

6 AZR 320/03 Urteil verkündet am 24. Juni 2004 BAG Ansprüche bei und nach Vertragsende, Kündigung

Bundesarbeitsgericht
Im Namen des Volkes
Urteil

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Februar 2003 – 7 Sa 1141/02 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten.

Der Beklagte ist Maschinenbau-Ingenieur und war in der Zeit vom 15. März 1999 bis zum 30. November 1999 beim Kläger beschäftigt. Er wurde im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei verschiedenen Entleihern eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund einer Arbeitgeberkündigung. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage nahm der Beklagte zurück. Zwischen den Parteien ist streitig geblieben, ob die Kündigung auf betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen beruhte.

Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses nahm der Beklagte an einer „CATIA“-Schulung teil. Während der Schulungsdauer von insgesamt 14 Arbeitstagen zahlte der Kläger das Gehalt fort. Über die Kosten der Fortbildungsmaßnahme in Höhe von 8.800,00 DM hatten die Parteien am 22. Februar 1999 eine Vereinbarung geschlossen. In dieser heißt es:

„…

Im Umfang der sich aus der Anlage 1 ergebenden Kosten, die durch den Arbeitgeber für die Dauer der Fortbildungsveranstaltung und aus Anlass der Fortbildungsveranstaltung übernommen werden, vereinbaren die Vertragschließenden eine Rückzahlung wegen der in der Anlage 1 aufgeführten Kosten, und zwar für den Fall, dass das Anstellungsverhältnis des Arbeitnehmers – gleich aus welchem Rechtsgrund und auf wessen Veranlassung – vor Ablauf von 3 Jahren gerechnet ab dem Tag der Beendigung der Veranstaltung beendet wird.
Die Höhe des Rückzahlungsbetrags errechnet sich wie folgt:

Der Gesamtbetrag der in der Anlage 1 aufgeführten Kosten wird durch 36 Monate geteilt, wobei für jeden angefangenen Monat, den der Arbeitnehmer nach Beendigung der Fortbildungsveranstaltung beim Arbeitgeber beschäftigt ist, 1/36 der gesamten Kosten zur Rückerstattung erlassen wird.

Der verbleibende Restbetrag ist bei Ausscheiden zu zahlen.

…“

Mit der Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung der von ihm aufgewendeten Fortbildungskosten im Umfang von 26/36. Er hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe nach der vertraglichen Vereinbarung die Kosten der Fortbildungsmaßnahme zeitanteilig zu tragen. Mit dessen vorzeitigem, personenbedingten Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis seien die Voraussetzungen der Rückzahlungsvereinbarung erfüllt. Der Beklagte sei auf Grund seiner objektiven Voraussetzungen nicht in der Lage gewesen, die üblichen Anforderungen der entleihenden Arbeitgeber zu erfüllen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.249,62 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 seit dem 1. Dezember 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, die Rückzahlungsvereinbarung sei unwirksam. Sie benachteilige ihn unangemessen, da ihm bei einer betriebs- wie personenbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber verwehrt sei, der Rückzahlungspflicht durch Betriebstreue zu entgehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten aus der Zusatzvereinbarung.

1. Die vertraglichen Voraussetzungen für die Erstattung eines Teils der Fortbildungskosten sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nach 8,5 Monaten wirksam beendet worden. Der Wortlaut der Vereinbarung erfasst auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund einer arbeitgeberseitigen Kündigung. Für eine einschränkende Auslegung der Vereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB dahin, dass nur die Arbeitnehmerkündigung die Rückzahlungspflicht auslösen soll, fehlt es an Anhaltspunkten.

2. Die Rückzahlungsvereinbarung ist unwirksam. Sie hält einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB nicht stand.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. 16. März 1994 – 5 AZR 339/92 – BAGE 76, 155; 5. Dezember 2002 – 6 AZR 539/01 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 19. Februar 2004 – 6 AZR 552/02 – zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.]) sind einzelvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich zulässig, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Ausnahmsweise können derartige Zahlungsverpflichtungen gegen Treu und Glauben verstoßen. Das ist nicht der Fall, wenn die Kostentragungspflicht bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht, der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Beteiligung an den Ausbildungskosten erhalten hat und ihm die Kostenbeteiligung zumutbar ist. Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BAG 5. Dezember 2002 – 6 AZR 539/01 – a.a.O.).

b) Das Interesse des Arbeitgebers, der seinem Arbeitnehmer eine Aus- oder Weiterbildung finanziert, geht dahin, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für den Betrieb nutzen zu können (BAG 19. Februar 2004 – 6 AZR 552/02 – zVv.). Dieses grundsätzlich berechtigte Interesse gestattet es dem Arbeitgeber, als Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen von einem sich vorzeitig abkehrenden Arbeitnehmer die Kosten der Ausbildung ganz oder zeitanteilig zurückzuverlangen. Kündigt der Arbeitgeber hingegen innerhalb der Bindungsfrist, liegt es zunächst an ihm, dass seine Bildungsinvestition ins Leere geht. Ist er trotz der aufgewendeten Kosten nicht bereit oder in der Lage, dem Betrieb die Qualifikation des Arbeitnehmers zu erhalten, entfällt die sachliche Grundlage für eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers (BAG 6. Mai 1998 – 5 AZR 535/97 – BAGE 88, 340). Eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers auch in einem solchen Fall wäre kein angemessener Interessenausgleich. Eine Rückzahlungsvereinbarung stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Verluste auf Grund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen. Hätte der betriebstreue Arbeitnehmer die in seine Aus- oder Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition seines Arbeitgebers belastet. Eine solche Rückzahlungsklausel berücksichtigte nicht wechselseitig die anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner, sondern einseitig nur die des Arbeitgebers und benachteiligte den Arbeitnehmer damit unangemessen.

c) Hat allerdings der Arbeitnehmer durch vertragswidriges Verhalten dem Arbeitgeber Anlass zu einer vorzeitigen Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen gegeben, ist das Vertrauen des Arbeitnehmers, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht entgehen zu können, im Grundsatz nicht schutzwürdig. In einem solchen Fall liegt es an ihm, durch vertragsgerechtes Verhalten die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die damit verbundene Belastung mit Rückzahlungskosten zu vermeiden. Ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers ist nicht dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsfrist wegen eines dem Arbeitnehmer zurechenbaren Fehlverhaltens, liegt der Grund für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Sphäre des Arbeitnehmers. Für das Fehlschlagen der Bildungsinvestition des Arbeitgebers macht es bei wertender Betrachtung keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer selbst das Arbeitsverhältnis durch Kündigung vorzeitig beendet oder den Arbeitgeber, dem an dem Erhalt der Bildungsinvestition für seinen Betrieb gelegen ist, dennoch durch vertragswidriges Verhalten zu einer Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen veranlasst (vgl. BAG 24. Juni 2004 – 6 AZR 383/03 – zVv.).

d) Dementsprechend kann von dem Arbeitnehmer auch keine Beteiligung an den Kosten seiner Fortbildung verlangt werden, wenn er trotz der hierbei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht den subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers über seine weiteren Verwendungsmöglichkeiten entspricht und der Arbeitgeber darauf hin das Arbeitsverhältnis kündigt. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer die hierfür maßgebenden Gründe nicht zu vertreten hat. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber sein Auswahlrisiko nicht durch die Inanspruchnahme der Rückzahlungsoption ganz oder teilweise auf den Arbeitnehmer abwälzen. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, muss deshalb nicht entschieden werden, ob für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger betriebsbedingte oder personenbedingte Gründen ausschlaggebend waren. Anhaltspunkte dafür, dass die Gründe der Kündigung überwiegend in der Sphäre des Beklagten in einer ihm zurechenbaren Weise entstanden waren, lässt das Vorbringen des Klägers nicht erkennen.

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